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Was geschah wirklich mit Gina Wild?

Den regelmäßigen Leser der täglichen “In & Out”-Rubrik von “Bild” beschleicht häufiger einmal der Verdacht, dass die Listen weniger allgemeine Trends widerspiegeln oder Ratschläge geben, sondern eher der Verarbeitung eigener Erfahrungen durch “Bild”-Redakteure dienen.

Nur durch ein konkretes traumatisches Erlebnis lässt sich vermutlich auch dieser heutige Punkt erklären:

OUT: Zufällig gefundene Erotikfilme zertrampeln – erst den Partner fragen, ob’s seine sind

Da unsere Fantasie nicht ausreicht, die mutmaßliche Anekdote zu rekonstruieren, die zu dieser Warnung Anlass gab, haben wir jemanden gefragt, der sich mit sowas auskennt: Sigrid Neudecker, Mitarbeiterin von “Zeit Wissen” und Autorin des Sexblogs von zeit.de “Man muss ja nicht immer reden”. Hier ihr Erklärungsversuch:

Wer zertrampelt Erotikfilme / gefundene Fremdschlüpfer / Bilder von Exfreundinnen? Frauen. Frauen kommen damit noch durch. Wenn ein Mann so einem Verhalten an den Tag legt, sollte man a) ihm die Adresse eines guten Facharztes besorgen und b) die Schlösser austauschen.

Also: Eine Frau hat zertrampelt. Nur was soll der Zusatz “erst den Partner fragen, ob’s seine sind”? Wenn es seine sind, sollte man sie nicht zertrampeln, sonst schon? Ach nein, da hat das Wort “überhaupt” nicht mehr in die Zeile gepasst: “…ob’s überhaupt seine sind.”

Nicht, dass das dem Halbsatz tatsächlich Sinn gäbe. Denn nun steht man wieder vor zwei Varianten: a) Die Pornos gehörten dem Mann. b) Die Pornos gehörten nicht dem Mann. Aber irgendwie muss er ja trotzdem drangekommen sein. Womöglich hat er sie sich von einem Kollegen aus dem Nebenressort ausgeliehen und muss ihm nun beichten, dass seine eifersüchtige Freundin die leider platt gemacht hat.

Die naheliegendste Vermutung wäre, dass der diensthabende “In & Out”-Experte der Verleiher war. Und sein konkretes traumatisches Erlebnis bestünde darin, dass ein Kollege ihn dezent mit dem Geständnis konfrontierte: “Du, meine Alte hat deine Gina-Wild-DVD ruiniert. Hältst du’s noch bis zum Dschungelcamp aus oder soll ich dir gleich eine neue kaufen?”

Ha, nein, das ist es: Es waren privat gedrehte Pornofilmchen, auf denen die rasende Frau die Exfreundin des Gatten zu erkennen geglaubt hat! Und nachdem Männer beim Sex am liebsten die Frau und deren Manipulationen an seinem besten Stück filmen, war er selbst nicht zu sehen! Und der ominöse Zusatz bedeutet: “Erst fragen, ob es seine selbstgedrehten Filme sind!”

OUT: Zufällig gefundene Erotikfilme zertrampeln – erst den Partner fragen, ob’s seine sind. / Unterwäsche schenken, die nicht passt. So gut sollte man seine(n) Liebste(n) schon kennenSo passt alles dann auch noch zum nächsten Punkt auf der “Out”-Liste: Wer das beste Stück seines Freundes nicht gut genug kennt, um es auf einem Video zu identifizieren, kann ihm selbstverständlich auch keine passende Unterwäsche kaufen.

Gut, das wäre dann auch geklärt.

Mindestlohn-Durchwinker: Hände hoch!

Der Bundesrat hat gestern gegen den Willen der “Bild”-Zeitung der Einführung von Mindestlöhnen für Briefzusteller zugestimmt. Das ist natürlich an sich schon eine Ungeheuerlichkeit, insbesondere aber deshalb, weil die Länder damit laut Meinungsumfragen dem Wunsch einer Mehrheit der Bevölkerung nachgekommen sind. Dabei handelt es sich laut “Bild” um eine besonders perfide und selbstzerstörerische Form des Populismus, denn die Entscheidung ist ja falsch, leugnet “Erkenntnisse” und widerspricht den Interessen des Volkes. Die Wähler werden das sicher nicht goutieren, wenn man einfach tut, was sie wollen, obwohl es falsch ist.

Ungefähr so argumentiert Martin Lohmann heute in “Bild”, aber sein Kommentar ist nicht nur logisch gewagt, sondern auch sachlich falsch. Kern seines Vorwurfs der “Scheinheiligkeit” und “Charakterschwäche” ist die Feststellung:

(…) gestern im Bundesrat: Alle, auch die größten Kritiker, winken ein falsches Gesetz durch.

Schon beim Lesen des “Bild”-Berichtes zum Thema hätten Lohmann Zweifel kommen können, denn darin heißt es:

11 Ministerpräsidenten stimmten dafür, darunter Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU). Dagegen enthielt sich Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) gemeinsam mit den Kollegen aus Baden-Württemberg Brandenburg, NRW und Thüringen.

Eine Enthaltung ist keine Zustimmung, und speziell im Bundesrat kann man — anders als in anderen Gremien — durch eine Enthaltung kein Gesetz indirekt “durchwinken”. Voraussetzung für einen Beschluss des Bundesrates ist nämlich immer, dass eine absolute Mehrheit mit “Ja” stimmt. Der Bundesrat selbst erklärt deshalb:

Insoweit spielen Enthaltungen bei der Abstimmung keine Rolle und werden als solche auch nicht festgehalten. Eine Enthaltung wirkt prinzipiell wie eine Nein-Stimme.

Von den 69 Mitgliedern des Bundesrates winkten also (laut “Bild”) nur 43 den Mindestlohn durch. 26 stimmten de facto gegen den Beschluss, vermutlich, weil sie ihn, wie “Bild”, für falsch halten. Ob es Kalkül der Zeitung ist, auch ihnen in einer für die Axel Springer AG so entscheidenden Frage Scheinheiligkeit und Charakterschwäche zu unterstellen, oder nur Ahnungslosigkeit, wissen wir natürlich nicht.

Irb langsam!

Erben muss man sich leisten können.
(unbekanntes Sprichwort)

Der Herr Hoeren von “Bild” hatte ja heute die lustige Idee, dass die Bundesregierung in Sachen Erbschaftssteuer einfach gar nichts hätte tun müssen. Das noch geltende Gesetz hätte sich dann, weil es verfassungwidrig ist, “in Luft aufgelöst”. Hoeren nennt das “große Chance”, die vertan wurde, und seine Idee eine “einfache Lösung”. Das stimmt zweifellos, wenn man (wie Hoeren) das kleine Detail ignoriert, dass sich auf diese Weise auch jährlich fast fünf Milliarden Euro Einnahmen in Luft auflösen.

Aber so richtig in der Materie zu sein scheint Hoeren ohnehin nicht, sonst hätte er vermutlich gewusst, dass es noch nicht Ende 2007, sondern erst Ende 2008 Puff gemacht hätte.

Das ist im konkreten Fall vielleicht ein bisschen egal: Ist ja nur ein Kommentar. Ärgerlicher ist, dass “Bild” auch für den großen Ratgeber-Artikel zum Thema niemanden gefunden hat, der sich mit der Sache auskennt. Autor Hanno Kautz behauptet dort:

GÜLTIGKEIT

Das Gesetz wird rückwirkend ab 1. Januar 2007 gelten: Alle, die in diesem Jahr geerbt haben oder in Zukunft ein Erbe erwarten, sind vom neuen Erbschaftssteuerrecht betroffen. Das heißt: Wer heute erbt, wird zwar nach geltendem Recht versteuert. Sollte sich aber nach Inkrafttreten der Reform herausstellen, dass er dann weniger an den Fiskus zahlen müsste, bekäme er Steuergutschriften. Alle aktuellen Erbschaftsteuer-Bescheide sind also nur vorläufig.

Das ist gleich doppelt falsch.

Erstens müssen Erben, die wollen, dass die neue Regelung auch für einen Erbfall zwischen dem 1. Januar 2007 und dem Inkrafttreten des Gesetzes gilt, extra einen Antrag stellen. Das geschieht — anders als “Bild” nahelegt — nach dem jetzt verabschiedeten Gesetzentwurf nicht automatisch, und insofern sind auch die Bescheide nicht generell vorläufig.

Zweitens sieht der Gesetzentwurf ausdrücklich vor, dass in diesen Fällen nicht auch die neuen, höheren Freibeträge gelten, sondern die alten. Für Erben von Privatvermögen wäre durch eine Rückwirkung nichts zu gewinnen. Ausschließlich Unternehmenserben können von ihr profitieren.

Ja, blöd: “Was Sie jetzt wissen müssen” steht drüber, aber nicht drin.

Und wo bleibt das Positive? Hier: Immerhin schreibt die “Bild”-Zeitung nicht mehr den Unsinn von Anfang November. Wenn Sie vergleichen möchten:

“Bild”, 5.11.2007:

“Erben privater Vermögen und Immobilien müssen sich auf
deutlich höhere Steuern einstellen!”

“Bild”, 12.12.2007:

“Die Nutznießer der Reform sind alle nahen Verwandten. Für Ehegatten, Kinder, Enkel und Urenkel gelten künftig deutlich höhere Freibeträge.”

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Was “Bild” weglässt (außer Weichspüler)

Eine Möglichkeit ist es natürlich, Khaled al-Masri (wie berichtet) als “durchgeknallten Schläger, Querulant und Brandstifter” zu bezeichnen, als “irren Deutsch-Libanesen”, der “monatelang die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit terrorisierte”.

Aber es gibt auch andere, leisere und nicht minder effektive Möglichkeiten, einen Menschen zu diffamieren. In ihrer Berichterstattung über das Urteil im Prozess gegen al-Masri zeigen “Bild” und Bild.de, dass sie auch diese Variante beherrschen.

Der Bild.de-Artikel beginnt mit dem Satz:

Der Deutsch-Libanese (bekannt als angebliches Folter-Opfer) ist vom Landgericht Memmingen zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Erstaunlich an dieser Formulierung ist nicht nur, dass ein Medium, das sonst schon aus kleinsten Gerüchten größte Schlagzeilen macht, plötzlich im Fall al-Masris das Wort “angeblich” im Wortschatz der deutschen Sprache entdeckt. Erstaunlich ist vor allem, dass Bild.de mit dem Wort “angeblich” wieder einmal Zweifel an al-Masris Aussagen ausdrückt, die zuständige Behörden nicht haben.

Bild.de enthält den Lesern ebenso wie die gedruckte “Bild”-Zeitung (siehe Ausriss rechts) auch die Begründung des Gerichtes vor, warum es jemanden, den es immerhin der Brandstiftung, gefährlichen Körperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch für schuldig befindet, trotzdem nur zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die “Schwäbische Zeitung” formulierte es so:

Seine Traumatisierung durch die fast sechsmonatige Gefangenschaft in Händen des amerikanischen Geheimdienstes CIA in Afghanistan und sein umfassendes Geständnis waren es, die dem 44-Jährigen einen weiteren Aufenthalt im Gefängnis ersparten.

Und die Nachrichtenagentur dpa fasste das so zusammen:

Das Gericht rechnete El Masris Geständnis, die Entschuldigungen bei den Opfern und die Traumatisierung durch seine Entführung nach Afghanistan als strafmildernd an.

Natürlich hat “Bild” das weggelassen, sonst hätten vermutlich Millionen “Bild”-Leser gefragt: “Traumatisiert? Wovon das denn??” Schließlich hat ihre Zeitung ihnen al-Masri bislang und konsequent nur als “durchgeknallten Schläger, Querulant und Brandstifter” und potentiellen Lügner vorgestellt, dem nicht mehr passiert ist, als dass er “versehentlich in Mazedonien verschleppt und für fünf Monate inhaftiert wurde”, was aber kein Skandal sei.

Der psychiatrische Gutachter Norbert Ormanns sagte im Verfahren übrigens, al-Masris Taten hätten sehr wahrscheinlich verhindert werden können, wenn al-Masri, der vor seiner Entführung 20 Jahre lang unbescholten in Deutschland gelebt hat, die dringend notwendige Therapie bekommen hätte. Auch das steht nicht in “Bild”. Vermutlich, weil die Zeitung solche Zusammenhänge erklärtermaßen für “irre” hält.

Als “Bild” vor zwei Wochen schrieb:

Wir werden unsere Berichterstattung [über al-Masri] nicht weichspülen – so wenig wie bei Hasspredigern, Nazis oder sonstigem durchgeknallten Gesindel.

meinte die Zeitung also in Wahrheit vermutlich ungefähr:

Wir werden auch in Zukunft so manipulativ und irreführend berichten, dass unsere Leser keine Wahl haben, als die von uns verbreiteten Vorurteile bestätigt zu finden.

Angst und Ambition

Heute fragt “Bild”:

Haben Sie einen neuen Mann, Frau Oettinger? (...) Die Antwort ist kurz und geheimnisvoll: "Kein Kommentar."

Geheimnisvoll, soso.

Hier zum Vergleich eine wirklich geheimnisvolle Antwort. Die Frage lautet ungefähr: Herr Oettinger, sind Sie von “Bild” dazu getrieben worden, in der Zeitung zu verkünden, dass Sie sich von Ihrer Frau getrennt haben? Seine Antwort steht heute in den “Stuttgarter Nachrichten” und lautet:

“Das werde ich später mal beantworten.”

Bis dahin kann man nur spekulieren, wie freiwillig der baden-württembergische Ministerpräsident gestern in “Bild” das “Liebes-Aus” erklärt hat:

Oettinger wäre nicht der erste Prominente, der berichten würde, dass die Zeitung ihn mit einer Mischung aus Drohungen und Angeboten dazu gebracht hätte, ihrem Willen nachzugeben, etwa, indem sie ihm verschiedene mögliche Formen der Berichterstattungen aufzeigt, je nach Grad der Kooperation mit “Bild”.

Die “Frankfurter Rundschau” spricht davon, dass die “Bild”-Zeitung in den vergangenen Tagen “ihre Folterwerkzeuge auspackte”:

Zuerst berichtete das Blatt in seiner Stuttgarter Regionalausgabe, Inken Oettinger habe 170 hochmögende Damen der Gesellschaft beim Adventskaffee in der Berliner Landesvertretung mit dem Hinweis auf das Fußballtraining des Sohnes einfach sitzen gelassen. Dann titelte sie in der Deutschlandausgabe “Deutschlands seltsamstes Politiker-Ehepaar”. Nun wurde Stufe drei gezündet: “Ehe kaputt”.

Auch die “Stuttgarter Nachrichten” formulieren, Oettinger habe “dem Druck der ‘Bild’-Zeitung nachgegeben” und berichten aus der Stuttgarter Regierungszentrale:

“Die haben dem Chef doch das Messer auf die Brust gesetzt”, meint einer. Was das heißen könnte? “Bild” soll gedroht haben, die Ehe-Probleme öffentlich zu machen. So viel ist klar: In der vergangenen Woche soll es ein Telefonat zwischen “Bild”-Chef Kai Diekmann und der Regierungszentrale gegeben haben.

Seit Monaten schon habe “Bild” Oettinger angeboten, “seine privaten Dinge über den Boulevard zu regeln”, was der Ministerpräsident abgelehnt habe, schreiben die “Stuttgarter Nachrichten”, und:

“In Berlin wird kolportiert, der Springer-Konzern habe für diese Woche mit der Veröffentlichung von Details aus dem Privatleben des Paares gedroht. Das aber wollten sich die Oettingers ersparen.”

In einem Leitartikel kritisieren die “Stuttgarter Nachrichten” Oettingers Art des Coming-Outs:

Politiker und Journalisten in Baden-Württemberg wissen seit langem von den Schwierigkeiten der Eheleute Oettinger – aus Respekt vor der Privatsphäre haben sie geschwiegen. Viele Redakteure, auch dieser Zeitung, haben Oettinger auf seine Ehe angesprochen – die Antwort “Kein Kommentar” wurde stets respektiert.

Auf die Frage, warum Oettinger sein Schweigen exklusiv für und in “Bild” brach, sei im Staatsministerium von einer “Zwangslage” die Rede: “Wir konnten doch nicht anders.”

Zu groß ist offenbar die Angst christlich-konservativer Landespolitiker mit Ambitionen in Richtung Berlin, es sich mit “Bild” zu verderben. Sicherheit gibt da wohl nur das Gefühl, von “Bild” geliebt zu werden, egal um welchen Preis.

Und der Boulevard dankt: Als “einen der mächtigen CDU-Kronprinzen” titulierte “Bild” den baden-württembergischen Ministerpräsidenten gestern prompt. Man kann das auch anders sehen: Ein mächtiger Kronprinz braucht ein starkes Rückgrat, er braucht Souveränität, er knickt auch vor “Bild” nicht ein.

Der Kommentar schließt:

Günther Oettinger […] lässt sich am Ende des “Bild”-Berichtes mit einem Satz zitieren, der angesichts der zweidrittelseitigen Aufmachung seines Ehe-aus-Bekenntnisses so absurd wie verzweifelt anmutet: “Wir haben die Bitte, dass die Öffentlichkeit unsere Privatsphäre akzeptiert.” Wir gehen davon aus, dass sein Appell nicht dieser und anderen seriösen Zeitungen gilt. Sondern der “Bild”-Zeitung, gern auch exklusiv. Seine Chancen stehen nicht schlecht. Den Preis für künftige Wohlbehandlung hat Oettinger schließlich schon bezahlt.

Wie Springer mit dem Internet Geld verdient

Auf ihrer neuen täglichen Service-Seite und als Auftakt einer Serie “So machen Sie mehr aus Ihrem Geld” erklärte die “Bild”-Zeitung ihren Lesern am Samstag: “Wie Sie mit dem Internet Geld verdienen können”.

Grob unterscheiden lassen sich dabei zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: Die Axel Springer AG verdient daran, wenn Sie im Internet Geld verdienen. Möglichkeit zwei: Die Axel Springer AG verdient nicht daran, wenn Sie im Internet Geld verdienen.

Leider hat die zu Axel Springer gehörende “Bild”-Zeitung, äh: vergessen, diese Unterscheidung kenntlich zu machen, also ihren Lesern zum Beispiel zu verraten, dass die Axel Springer AG im vergangenen Mai die Mehrheit an der von “Bild” wortreich empfohlenen Firma Zanox erworben hat.

Wenn man aber, wie Joachim Dethlefs es in seinem Blog “Journalist und Optimist” getan hat, die verschiedenen besprochenen Angebote im “Bild”-Artikel unterschiedlich farbig markiert…

…könnte man fast erraten, welchem Unternehmen die Zeitung geschäftlich verbunden ist. Alternativ hilft es, die Texte in der Rubrik “Und so handeln Sie im Netz” zu vergleichen, in denen es u.a. heißt:

Wie kommt die Ware an?

Als Zanox-Nutzer haben Sie mit der Warenlieferung nichts zu tun. Die übernimmt der Händler, bei dem der Kunde gekauft hat.

Haben Sie etwas bei Ebay verkauft, müssen Sie nach Bezahlung die Ware an den Käufer verschicken. Die Versandkosten trägt der Käufer. Auch bei Amazon-Verkäufen verschicken Sie die Ware. Versandkosten werden erstattet.

Was kostet mich das?

Der Service von Zanox ist für Sie kostenlos. Wer bei Ebay verkauft, zahlt Gebühren! Das Anbieten von Ware kostet ab 0,25 Euro (je nach Startpreis), nach dem Verkauf kassiert Ebay max. 5 Prozent des Kaufpreises (je nach Höhe des Preises).

Amazon nimmt pro erfolgreichen Verkauf 1,14 Euro Gebühr, dazu 10 bis 15 Prozent des Verkaufspreises (je nach Produkt).

Alles, einfach alles scheint für dieses tolle Zanox-Angebot zu sprechen, ähnlich wie für Äpfel als Vitaminspender, wenn man sie mit Schaufelradbaggern vergleicht. Denn “Bild” vergleicht den Gebrauch von sogenannten Affiliate-Links (über Zanox), in denen man nur Werbepartner ist, mit dem Verkauf eigener Produkte (über Amazon oder Ebay), der natürlich ein bisschen aufwändiger ist. Dass auch Amazon ein Affiliate-Programm anbietet, erwähnt “Bild” nicht.

Mehr bei journalist-und-optimist.de.

Wagner spielt Stadt, Land, Fluss (ohne Fluss)

Man kann das ja bewundern, wie Franz Josef Wagner es schafft, von irgendeiner aktuellen Nachricht aus seine Gedanken auf Reisen zu schicken, für die niemand außer ihm Tickets zu bekommen scheint, und uns als Passagiere mitzunehmen in eine fremde Welt, ein Nicht-ganz-Paralleluniversum, das sich mit dem, was wir Realität nennen, in einem einzigen Punkt kreuzt: dem Gehirn von Franz Josef Wagner.

Und wenn er heute über den Erfolg der RTL-Doku-Soap “Bauer sucht Frau” sinniert und den Gegensatz zwischen dem Milchbauern Michael vom Bodensee und der Fußpflegerin Bianca als Ausgangspunkt nimmt und schreibt:

Du, Bauer, verkörperst das Ideal: Die Sonne geht auf, der Hahn kräht, der Bauer steht auf.

Du, Bianca, verkörperst das Gegenteil. Du kommst aus der Stadt. In einer Stadt leben Penner. Du hast ein graues Gesicht, Du stehst in der U-Bahn, S-Bahn, Du frierst, niemand umarmt Dich. Der Wind rüttelt durch Deine Kleidung.

…dann haben diese Worte in all ihrer abstoßenden Schönheit natürlich eine innere Wahrheit, die völlig unabhängig davon ist, dass Bianca aus einer Stadt namens Geisingen stammt, die mit ihren 6000 Einwohnern nur unwesentlich belebter ist als Wagners Wohnort Paris-Bar, und heute in einer “kleinen Gemeinde bei Singen” wohnt, einem Mittelzentrum, von dessen 45.000 Einwohnern vermutlich diejenigen am meisten im Rüttelwind frieren, die täglich an der Bushaltestelle darauf warten, dass mal eine U- oder S-Bahn vorbei kommt (Penner optional).

Medienjournalismus nach Art des Hauses

Peter Heinlein, 56, ist so eine Art Söldner der Medienbranche. Er stand unter anderem schon in den Diensten von “Spiegel”, “Welt am Sonntag”, “Handelsblatt”, “Bunte” und “Max” und zeichnete sich immer durch Artikel über die Medien- und Werbebranche aus, Ausriss: Bild.dedie seine jeweiligen Auftraggeber ganz besonders glücklich machte. Er hatte keine Skrupel, seine Kolumnen ganz in den Dienst der Verlagsinteressen zu stellen, egal, ob das bedeutete, besonders gehässig über die Konkurrenz zu lästern, besonders üppig die eigenen Erfolge herauszustellen oder besonders ungeniert den Werbekunden zu schmeicheln.

Für die “Bunte” porträtierte er vor einigen Jahren in einer großen Reihe Werber. Die Artikel hatten programmatische Überschriften wie “Das ist ein wirklich kluger Kopf!”, “Der Hugh Grant der Werbung”, “Dieser Typ ist ‘ne echte Marke”, “Ein Turbo-Werber macht Druck” oder “Der smarte Werbe-Künstler”. Für “Max” schrieb er über die Agentur Crispin Porter + Bogusky (“von der die derzeit beste Werbung der Welt kommt”), die Agentur Jung von Matt (“Deutschlands beste Werbeagentur”), die Agentur Heimat (“der kreativste Werberladen Deutschlands”).

Heinlein in seiner Doppelrolle als Medienkolumnist und Verlagssprecher:

“Viele Websites bieten inzwischen bewegte Bilder an. Aber bei Bild.T-Online gibt’s ab sofort eine eigene Web-TV-Show. BILD live sendet zweimal täglich das Neueste von Stars aus Entertainment und Sport.

Das neue Videoformat wird von meiner Hamburger Kollegin Julia Josten präsentiert. Dazu wählt die Online-Redaktion in Berlin das Interessanteste aus der Fülle des internationalen Themenangebotes aus. (…) Es macht richtig Spaß, [mit dem Videoplayer] durch die aktuellen Newsfilme zu “blättern”, sich Kinotrailer, Musikclips oder Videos der Community auf den Schirm zu holen.”

Quelle: Bild.de

Vor gut drei Jahren ist er mit seiner Medienkolumne zu “Bild” gezogen, und man kann nicht sagen, dass ihn ein Rückgrat bei der Arbeit behindere. Er scheut sich zum Beispiel nicht, Interviews anderer Leute so auf Links zu krempeln, dass sie sich als Lob auf die Zeitung verkaufen lassen, für die Heinlein schreibt (wir berichteten). Wenn er für Bild.de über Probleme bei der Münchner “Abendzeitung” berichtet, flicht er, wie als Erklärung, den Satz ein: “Modernen Boulevard bietet in München die BILD-Zeitung.” Und zur Post und ihrer neuen Konkurrenz durch die PIN-AG fällt ihm zufällig exakt das ein, was auch Linie der Axel-Springer-AG ist, der die PIN-AG gehört, was für Heinlein aber anscheinend keine für die Leser relevante Information darstellt.

Heinlein kann nicht nur positiv. Wenn es um die (auch von Chefredakteur Kai Diekmann nicht geschätzte) “Zeit” geht oder den Verlag Gruner+Jahr, findet er gern ein böses Wort, und den “Geo”-Chef Peter-Matthias Gaede scheint er besonders wenig leiden zu können:

Bevor der gern kritische Journalistik-Papst des Hauses Gruner + Jahr und König der “GEO”-Gruppe, Peter-Matthias Gaede, im Aufsichtsrat seines Verlages neue Weihen erhält, darf er abgeben von seiner Machtfülle.

Aber man täte Peter Heinlein Unrecht, wenn man jedem seiner Texte unterstellte, er habe ein erklärtes publizistisches Ziel. Viele sind auch einfach, sichtlich unredigiert, dahingeworfen. Ein Höhepunkt aus dem Genre “Eh-Egal” findet sich in Heinleins heutiger Bild.de-Kolumne:

Das immer beliebter werdende digitale Aufzeichnen mit automatischem Herausschneiden der Fernsehreklame hat TV-Werber in den USA auf neue Ideen gebracht. Dort gibt’s nämlich schon Fernsehen im Supermarkt. In den Läden der “Wal-Mart”-Kette zum Beispiel, wo sich Leute beim Einkaufen im Schnitt eine Stunde aufhalten. Dort werden sie jetzt zunehmend mit TV-Werbung berieselt. Ausschalten geht nicht, pinkeln auch nicht. Die Werbeerinnerung dort ist mit 56 Prozent deutlich höher als beim Zuhause Gucken (21 Prozent), ergab eine US-Studie.

Nach “Ford Unilever” und “Gilette” will jetzt auch die US-Navy diesen Kanal nutzen und für ihr PC-Spiel “Call of Duty” werben.

Offenbar hat Heinlein diesen Artikel aus der amerikanischen Fachzeitschrift “Brandweek” zum Thema gelesen. Oder besser: flüchtig überflogen. Denn mal abgesehen davon, dass Ford und Unilever zwei verschiedene Unternehmen sind, dass sich Gillette mit Doppel-L schreibt und es vielleicht wichtig gewesen wäre, darauf hinzuweisen, dass die “US-Studie” mit den für das Wal-Mart-Fernsehprogramm so vorteilhaften Ergebnissen von dem Produzenten des Wal-Mart-Fernsehprogramms erstellt wurde… also, mal abgesehen davon ist das PC-Spiel “Call of Duty” natürlich nicht von der US-Navy. Die “Brandweek” hatte nur darauf hingewiesen, dass jugendliche Käufer dieses Kriegsspiels doch die perfekte Zielgruppe wären für die eigene Werbung der US-Navy im Ladenfernsehen (bei GameStop übrigens, nicht Wal-Mart).

Da muss man schon sehr schludrig arbeiten, um all das, wie Heinlein, misszuverstehen. Aber es geht in diesem Fall ja auch nicht um “Bild”, die Axel-Springer-AG oder ihre Konkurrenten.

Nachtrag, 22. November: Bild.de hat die Wal-Mart-Meldung aus Heinleins Kolumne ersatz-, wort- und restlos gelöscht.

Asini!

Fast halbseitig berichtet “Bild” über die “Archäologie-Sensation! Höhle von Romulus und Remus entdeckt”.

Rom - Es ist eine der berühmtesten Sagen der Menschheit: Eine Wölfin säugt in einer Höhle Remus und seinen Zwillingsbruder Romulus - den Gründer von Rom (735 v. Christus).

Es ist auch eine der berühmtesten Eselsbrücken der deutschen Sprache. Und jetzt alle im Chor:

Siebenfünfdrei

Und vielleicht noch ein Hinweis in eigener Sache: “lupa” ist nicht, wie “Bild” dann noch schreibt, “die lateinische Bezeichnung für Wölfe”, sondern für die Wölfin.

(Und asini ist die Mehrzahl von asinus.)

Vielen Dank an “fufofa” für den Hinweis!

Nachtrag, 11.47 Uhr. Bild.de ist schnell über die Eselsbrücke gegangen.

Nachtrag, 22.11.2007: Auch die gedruckte “Bild” hat sich über die Eselsbrücke gewagt und in der “Korrekturspalte” sowohl die falsche Jahreszahl als auch die falsche lupa-Übersetzung berichtigt.

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