Autoren-Archiv

Weggang, Doppelstrategie, Abwehrzentrum

1. Tichy & Co: Warum es legitim ist, Unternehmen zu einer politischen Positionierung zu zwingen
(metronaut.de, Mikael in den Fahrt)
Roland Tichy, auf dessen Portal ein Autor “grün-linke Gutmenschen” als “geistig-psychisch krank” bezeichnet hatte, gibt seinen Posten als Herausgeber von XING News ab. Ursache waren vor allem der lautstarke Twitter-Protest und die vielen Kündigungsankündigungen. Nun gibt es kritische Stimmen wie die von Fefe, die sich gegen eine “Existenzvernichtung als Mittel des politischen Diskurses” wenden. War es also legitim, wenn Menschen von Unternehmen wie Xing eine politische Positionierung einfordern? Eine ähnliche Frage stellt sich Johnny Haeusler bei Wired: “War die „Abstimmung mit den Konten“ hilfreich?”

2. Zuckerbrot und Twitter
(tagesspiegel.de, Thomas Seibert)
Donald Trump fährt in Sachen Öffentlichkeitsarbeit eine Doppelstrategie: Wichtige Stellungnahmen posaunt er über Twitter direkt an seine rund 19 Millionen Follower raus. Und nur, wenn es ihm ausdrücklich passt, redet er mit Zeitungen und Fernsehen. Die Presse hätte noch kein Konzept gefunden, wie sie mit dieser Doppelstrategie umgehen soll, schreibt Thomas Seibert im “Tagesspiegel”. Die Vorteile von Trumps Vorgehens lägen auf der Hand: Auf Twitter braucht sich der zukünftige US-Präsident keinen kritischen Fragen zu stellen.

3. Der Rockstar-Finanzminister
(de.ejo-online.eu, Dominik Speck)
Dominik Speck hat sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit die Berichterstattung über den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis in deutschen und französischen Qualitätszeitungen angeschaut. Varoufakis galt während seiner kurzen Amtsperiode von Januar bis Juli 2015 als eine Art “Rockstar Finanzminister” und erlangte zusätzliche Berühmtheit durch die Causa Stinkefinger.

4. Von ganz links nach ganz rechts
(blog.zeit.de, Jürgen P. Lang)
Im Störungsmelder-Blog der “Zeit” und ihren Partnern schreiben Autoren aus allen Regionen Deutschlands über Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Im aktuellen Beitrag von Jürgen P. Lang geht es um Jürgen Elsässer, den Chefredakteur des rechtspopulistischen Monatsmagazins “Compact”. Der Autor diskutiert gleich zu Beginn Elsässers politische Wandlung, die so überraschend dann doch nicht sei: “Wer die Rechts-Links-Brille beiseitelegt, wird allerdings erkennen, dass Elsässers Vita mehr Brücken als Brüche aufweist. Im Kern war er schon immer Nationalist.”

5. Her mit der Wahrheit!
(mdr.de)
In Tschechien hat man 20 Mitarbeiter des Innenministeriums zu einem sogenannten “Abwehrzentrum” zusammengefasst, in dem Falschmeldungen in sozialen Netzwerken aufgedeckt, gekennzeichnet und entkräftet werden sollen. Doch das Projekt ist umstritten. Tschechiens Präsident Miloš Zeman sagte in seiner Weihnachtsansprache: “Wir brauchen keine Zensur, keine Ideenpolizei, wir brauchen kein Amt für Presse und Information, solange wir in einem freien, demokratischen Staat leben wollen.”

6. Jetzt geht’s rund
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Entertainer Thomas Gottschalk feiert sein Radio-Comeback: Einmal im Monat drei Stunden bei Bayern 1. Eine “Radio-Sendung, in der er vor allem seinen Ruf als größte Ich-AG Deutschlands pflegt”, so Hans Hoff in seiner Kritik.

Sandsäcke, Silvesternacht, Kristallkugel

1. Sandsäcke gegen pseudo-psychologisches Blabla
(schräglage.org, Peter Teuschel)
Auf der rechtslastigen Seite “Tichys Einblick” erschien ein Artikel, der für breites Entsetzen und Empörung sorgte. Die “psychopathologisch gestörten grün-linken Gutmenschen”, so die Schmähung des Autors, seien Kranke, mit denen man nicht reden solle. Auf Twitter kündigten daraufhin viele Nutzer an, ihre Xing-Mitgliedschaften zu kündigen (Roland Tichy ist dort Herausgeber der News). Mittlerweile ist der Artikel auf dem Tichy-Portal zwar gelöscht, wegen der Brisanz des Vorgangs lohnt dennoch ein Blick in die Erwiderung von Peter Teuschel. Und auch Blogger stefanolix hat sich den Beitrag näher angeschaut und stellt am Ende die Frage: “Wie kann ein Mann so viele wunderbare Fachgebiete (inklusive Philosophie und Ethik!) studieren und dann so eine Scheiße schreiben?”

2. „Wir wissen nichts. Alles ist möglich“
(taz.de, Malte Göbel)
“Herr Kachelmann, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie im Spiegel lesen, dass dem Noch-Herausgeber der Bild-Gruppe Kai Diekmann von einer Springer-Mitarbeiterin vorgeworfen wird, sie im Sommer beim Baden belästigt zu haben?” Die “taz” hat mit dem Meteorologen Jörg Kachelmann über die Causa Diekmann gesprochen.

3. Warum wir über Racial Profiling reden müssen
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Der Jurist Thomas Stadler hat sich mit den Kontrollen der Kölner Polizei in der Silvesternacht beschäftigt. “Das Verhalten der Kölner Polizei rüttelt an den Grundfesten unserer Verfassung. Wenn wir den Gleichheitssatz unseres Grundgesetzes ernst nehmen, dürfen wir derartige polizeiliche Maßnahmen nicht dulden.” Auch der Jurist Heinrich Schmitz findet bei den Kolumnisten, dass Fragen zum Verhalten der Polizei erlaubt seien.

4. Bunte-Nachbarschaft.de: „Man konnte Wahrheit und Lüge kaum noch unterscheiden“
(flurfunk-dresden.de)
Anfang 2015 startete Jan Pötzscher einen Nachbarschaftsblog, ein “Tagebuch über meine persönlichen Erfahrungen zum Vorhaben der Einrichtung eines Asylbewerberheims, zu den Diskussionen mit Politik und Behörden und dem Für und Wider der Unterbringung von Asylbewerbern – so wertfrei und objektiv wie möglich!” Im Interview mit “Flurfunk” berichtet er über seine Erfahrungen, die Reaktion der Nachbarn, Höhe- und Tiefpunkte und zieht eine persönliche Bilanz.

5. Drei Jahre Moscow Times – sowas wie ein Fazit
(kscheib.de, Katrin Scheib)
Fünf Jahre will Journalistin Katrin Scheib in Moskau arbeiten. Die ersten drei Jahre hat sie bei der “Moscow Times” verbracht. Nun zieht sie ein Zwischenfazit, das neugierig auf das Weiter macht. Aber auch der Blick zurück lohnt: Auf ihrem Blog gibt es viele interessante Beiträge über ihr Leben als Journalistin in Russland.

6. Was Social-Media-Experten von 2017 erwarten
(joca.me, Jörgen Camrath)
Jörgen Camrath hat Social-Media-Experten um einen Blick in die Kristallkugel gebeten und sie gefragt, was uns im neuen Jahr in Bezug auf die sozialen Medien erwartet. Die Antworten gehen erfreulicherweise oft über die üblichen Allgemeinplätze hinaus. Und einer der Befragten hat das Ganze etwas getrollt. Aber auch das liest sich ganz nett.

Todes-LKW, Eskalation, Pressereise

1. Ein Todes-LKW im Museum: Wie die DPA sich eine Nachricht strickt
(salonkolumnisten.com, Martin Niewendick)
Die Nachricht, der Lastwagen, mit dem Anis Amri den Anschlag in Berlin ausgeführt hat, könne womöglich einen Platz im Haus der Geschichte bekommen, sorgte für einigen Wirbel und wurde in den Medien oft aufgegriffen und kontrovers diskutiert. Der Schönheitsfehler: Man diskutierte über eine Forderung, die niemand gestellt hat, so Martin Niewendick. Die Nachrichtenagentur “dpa” hätte die Sache trickreich ins Rollen gebracht: “Es ist ein journalistischer Taschenspieler-Trick, einem Interviewpartner etwas in den Mund zu legen, um daraus eine Meldung zu stricken. Der Klassiker geht etwa so: „Herr Politiker, finden Sie die Äußerungen der Opposition unverschämt?“ „Ja.“ Und schon hat man die Meldung: „Politiker findet Äußerungen der Opposition unverschämt.“ Self-Made-Journalismus at its best.”

2. Wenn Facebook in Sekunden eskaliert
(rp-online.de, Sebastian Dalkowski)
“RP Online”-Redakteur Sebastian Dalkowski hat für ein Interview bei Facebook nach Nordafrikanern gesucht, die Silvester in Köln waren. Dazu hat er eine Anfrage im “Nett-Werk Köln” platziert, einer Facebook-Gruppe mit fast 170.000 Mitgliedern, eine Art schwarzes Brett für alle Themen, die mit Köln zu tun haben. Innerhalb von Minuten führte die Anfrage zur Eskalation. Sein Posting wurde von den genervten Administratoren schließlich gelöscht. Im Video erzählt er vom Ablauf des Geschehens und liest aus den Hasskommentaren.

3. Mein erstes Mal
(freitag.de, Bartholomäus von Laffert)
Bartholomäus von Laffert ist freier Journalist und hat das mühselige und spartanische Reporterleben kurzfristig gegen eine von der türkischen Regierung bezahlte Pressereise inklusive Luxushotel eingetauscht. In seinem Artikel berichtet er, wie es dazu kam, wie eine derartige Pressereise abläuft und was das mit ihm und den anderen Pressevertretern gemacht hat. Und er erinnert die Kollegen an den Pressekodex: “Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich.” Wer dies nicht tue, und die Kollegen von “FAZ”, “Tagesspiegel” und “Süddeutsche” hätten es nicht getan, laufe Gefahr, seine Integrität zu verspielen und den „Lügenpresse“-Schreiern gefällig zu sein.

4. “Wir müssen furchtbare Dinge aushalten”
(zeit.de, Bastian Brauns)
Dominik Höch ist Fachanwalt für Medien- und Persönlichkeitsrecht und beschäftigt sich speziell mit der Haftung für Äußerungen im Internet. “Zeit Online” hat mit ihm über Fake-News, Hetze im Netz, Facebook und Löschfristen gesprochen, innerhalb derer eine falsche Nachricht gelöscht werden müsse. Höch findet pauschale und starre Fristen schwierig: “Zu ergründen, was wahr und was falsch ist, ist Teil des gesellschaftlichen Diskurses. Es braucht ja nur eine vermeintlich falsche und deshalb gelöschte Nachricht, die im Nachhinein doch stimmt. Das würden AfD und zweifelhafte Medien wie Russia Today genüsslich ausweiden. Das kann es nicht sein.”

5. Der Hochglanz-Verleger von Kilchberg
(tagesanzeiger.ch, Stefania Telesca & Thomas Knellwolf)
Der Schweizer “Tagesanzeiger” berichtet über einen kuriosen Fall: Ausgerechnet ein Herausgeber von Luxusmagazinen soll seit Jahren Journalisten, Druckereien, Fotografen und andere Dienstleister um ihre Bezahlung geprellt haben.

6. Here’s 520 Hours of Trump Interviews So You Can Fact-Check the President
(motherboard.vice.com, Jordan Pearson)
Donald Trump hat sich in den letzten Jahrzehnten auf die vielfältigsten Weisen geäußert. Wer sich dafür interessiert, was der Mann so alles von sich gegeben hat: Das “Internet Archive” präsentiert ein noch wachsendes Archiv mit seinen Fernsehinterviews und TV-Auftritten der letzten acht Jahre. Doch Achtung: Wer sich alles anschauen will, sollte jedoch genügend Zeit (um exakt zu sein: 520 Stunden) mitbringen.

RT deutsch, Lauers Antwort, Admiral Tamm

1. Russische Propaganda für deutsche Zuschauer
(correctiv.org, Camilla Kohrs)
Camilla Kohrs von “Correctiv” hat mehrere Monate über die Medien der Neuen Rechten recherchiert und eine lesenswerte achtteilige Artikelserie vorgelegt. Im aktuellen und letzten Teil der Serie geht es um den russischen Auslandssender “RT deutsch”. Das Besondere bei der Plattform: “RT Deutsch” biete europakritischen Politikern von ganz links und ganz rechts eine Bühne – Hauptsache die Interviewten seien Merkel- und europakritisch.

2. Bedrohter Politiker outet Sparkassen-Mitarbeiter als AfD-Fan
(waz.de, Lars Wienand)
Darf man eine Mail veröffentlichen, samt Foto und Namen des Absenders, auch wenn diese besonders kritisch war und man vielleicht schon durch andere unschöne Nachrichten vorsensibilisiert war? Das ist die Frage, die sich im Falle des Politikers Christopher Lauer (ehemals Piratenpartei, jetzt SPD) stellt, der genau dies bei einem Kritiker getan hat. Dieser hatte für einen Leserbrief an Lauer, wahrscheinlich versehentlich, eine Mailadresse seines Arbeitgebers, einer Kreissparkasse, verwendet. Daraufhin hatte Lauer die Mail öffentlich gemacht. Ein Vorgehen, bei dem es zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit gibt, so ein hinzugezogener Rechtsanwalt.

3. 25 Beschwerden beim Presserat
(taz.de)
Nach dem Terroranschlag von Berlin gingen beim Deutschen Presserat 25 Beschwerden über die Berichterstattung ein. Hauptsächlich ging es dabei um die unverpixelte Darstellung des getöteten Lkw-Fahrers und Bilder der Leiche des mutmaßlichen Attentäters. Insgesamt seien es deutlich weniger Beschwerden als nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015.

4. Software überlistet: US-Bibliothekare erfinden Kunden, um Bücher zu bewahren
(heise.de, Martin Holland)
In einer Bücherei in Florida sortiert eine Bibliothekssoftware vollautomatisch all die Bücher aus, die länger nicht mehr ausgeliehen wurden. Um dies zu verhindern, erfanden Bibliothekare den fiktiven Kunden “Chuck Finley” und ließen ihn in einem Zeitraum von neun Monaten 2.361 Bücher ausleihen. Um finanzielle Vorteile ging es dabei ausdrücklich nicht, trotzdem ist der dafür verantwortliche Mitarbeiter beurlaubt worden.

5. Zum Tod von Peter Tamm: Im Blutmeer
(konkret-magazin.de, Kay Sokolowsky)
Der Journalist, Manager und Verleger Peter Tamm (lange Jahre Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages) ist Ende des Jahres im Alter von 88 Jahren verstorben. Ihm zu Gedenken hat “konkret” einen älteren, aber dennoch zeitlosen Artikel aus dem Archiv gekramt. Darin geht es um das, was der sich selbst angeblich “Admiral” nennende Mann, der Welt hinterlässt: ein Marine-Museum. Kay Sokolowsky hat sich das Ganze seinerzeit angeschaut: “Gelegentlich empfindet man beim Rundgang fast Mitleid für den »Admiral«: Welch ungeheure Leere muss ausfüllen, wer so megaloman Nippes auf Nippes häuft? Was ist schiefgelaufen in einem Leben, das dermaßen von Fetischen beherrscht wird?”

6. Krimi, Krimi, Krimi – und das Publikum ist begeistert
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Joachim Huber vom “Tagesspiegel” hat über das Fernsehprogramm der ersten Tage des Jahrs geschaut und hat jetzt schon genug von all den Krimis und der seichten Unterhaltung: “Breaking-News-Momente – woher, warum, von wem, wieso? Da wird es viel Ahnungslosigkeit, viel Schulterzucken geben im weiten Rund der TV-Maniacs, auf jeden Fall einen Überschuss an Überraschung, dass die Fiktion des Fernsehens und die Faktizität der Nachrichten so sehr auseinanderfallen. Und weil so was von so was kommt, ist die Massivität der Krimiunterhaltung ein Fehler. 2017 muss ein Jahr der Information sein.”

Nichtlustig, Nafri-Debatte, Neptun

1. Sächsische Großzügigkeit
(taz.de, Daniel Bax)
Die “Sächsische Zeitung” hat am Silvesterwochenende eine Karikatur veröffentlicht, die Muslime und Schwarze als rassistische Klischees darstellt. Einigermaßen verstört fragt man sich, wie dieses unsägliche Werk von einer Tageszeitung abgedruckt werden konnte und so wenig Widerspruch erntet. Daniel Bax von der “taz” vermutet: “Dass diese Karikatur in der Sächsischen Zeitung kaum Aufsehen erregt hat, mag einem spezifisch sächsischen Humor geschuldet sein. Oder der Tatsache, dass sich die öffentliche Debatte so weit nach rechts verschoben hat, dass viele für solcherart diffamierenden Bilder unempfindlich geworden sind.”

2. Einen Gang herunter schalten
(djv.de, Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner vom “Deutschen Journalisten Verband” wünscht sich anlässlich der hitzigen Nafri-Debatte von den Medien mehr Hintergrund und Einordnung: “Wie wäre es mal mit einem Erklärstück über die skurrilsten Begriffe aus Polizeiberichten? Zu den “Gefährdern” und “Nafris” würden sich dann “Schamverletzer” und “Hilope” gesellen, zu deutsch: “Exhibitionisten” und “hilflose Personen”. Statt dessen den Hype weiter anzufeuern, entspricht nicht dem Informationsauftrag der Medien. Also, liebe Kollegen: Bitte mal einen Gang herunter schalten.”

3. Es geht um alles
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Der “Spiegel” feiert derzeit seinen siebzigsten Geburtstag, doch nach Feiern ist nicht jedem zumute. Wie bei anderen Medien sinkt die Druckauflage und im Haus herrscht Unruhe: 149 von über 1100 Stellen werden gestrichen.
Einen weiteren lesenswerten Beitrag über die Umbaumaßnahmen beim Spiegel gibt es in der “taz”: In Sturmgeschütz der Demokratie? schreiben Anne Fromm und Daniel Bouhs u.a. über die Versuche des Blatts, den Bereich “Investigative Recherche” zu stärken.
Und auch René Zeyer sorgt sich in der “Medienwoche” um das Nachrichtenmagazin und ruft den Mitarbeitern zu: “Spielt wieder mehr den alten Rock’n’Roll des Journalismus: hinschauen, hingehen, recherchieren, beschreiben. Die Welt widerspiegeln, nicht die eigene Befindlichkeit.”

4. Big Data: Gefahren für Journalisten
(ndr.de, Melanie Stein)
Auf dem Hackerkongress “33c3” in Hamburg hat der Informatiker David Kriesel ein tolles Data-Science-Projekt vorgestellt: Seit zwei Jahren hat er alle Artikel von “Spiegel Online” gespeichert und die Metadaten von ca. 100.000 Artikel ausgewertet. Herausgekommen ist ein informativer und höchst unterhaltsamer Vortrag. Die NDR-Sendung “ZAPP” hat mit Kriesel, aber auch mit einem Verantwortlichen von “Spiegel Online” gesprochen.

5. Auf Donald Trump folgt der Terminator
(sueddeutsche.de, Kathrin Werner)
Über viele Jahre und 14 Staffeln mit 185 Folgen war Donald Trump der Mittelpunkt der amerikanischen Fernseh-Reality-Show “The Apprentice”. An seine Stelle als prominenter Moderator tritt nun Arnold Schwarzenegger, Trump bleibt jedoch geschäftsführender Produzent. Ein klarer Interessenskonflikt, wie Kathrin Werner in der “SZ” findet.

6. Facebook zensiert Bild von Neptun-Statue
(haz.de)
Das Wahrzeichen der Stadt Bologna ist der historische Neptunbrunnen im Zentrum. Eine italienische Schriftstellerin hat ein Bild der 3,35 m hohen Statue der nackten Neptunfigur auf Facebook gepostet, das kurz danach wegen „sexuell expliziten“ Inhalts gelöscht wurde. Nach Protesten wurde das Bild nun wieder freigegeben.

Ausblick, Recht auf Vergessen, Wortwahl

1. Was 2017 zählt
(ploechinger.tumblr.com)
Der Chef der “Süddeutschen Zeitung” Stefan Plöchinger hat für das Medienmagazin “journalist” einen längeren Essay zur Zukunft des Journalismus verfasst, den er vorab auf seinem privaten Blog veröffentlicht hat. Er schreibt darin über 2016 und die Folgen und zieht “fünf Lehren aus einem schwarzen Jahr für die Auseinandersetzungen, die uns Journalisten noch bevorstehen”. Der Text ist eine Mischung von Bestandsaufnahme, Medienkritik und Appell und liefert viele Denkanstöße.

2. «NZZ am Sonntag» verbreitet Fake News
(infosperber.ch)
Die “Washington Post” sprach von angeblichen Behördenhinweisen, nach denen russische Hacker angeblich einen Computer einer Elektrizitätsgesellschaft angegriffen hätten, schob aber ein Dementi hinterher: Das betroffene Notebook hatte gar keine Verbindung zum Netz des Versorgers. Schweizer Medien wie “NZZ am Sonntag” und “Schweiz am Sonntag” übernahmen die vage Meldung als Tatsachen-Darstellung und versahen das Ganze mit knalligen Überschriften wie “Russen hacken US-Stromversorger” und “Cyber-Angriff auf Stromversorger”. Der Schweizer “Infosperber” schreibt dazu: “In Zeiten des neuen Kalten Krieges zwischen der Nato und Russland sollten Medien mit Informationen aus Regierungs- und Geheimdienstkreisen aller Seiten besonders vorsichtig umgehen, die ursprünglichen Quellen genau nennen und vorsichtigerweise den Konjunktiv verwenden.”

3. Peter T. versucht zu verschwinden
(taz.de, Christian Rath)
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheidet dieses Jahr über den sogenannten “Appolonia-Fall”, bei dem es um das „Recht auf Vergessen“ geht. Im Kern geht es um die Frage, ob Straftäter verlangen können, dass ihr Name – nach einigen Jahren – in digitalen Presse-Archiven anonymisiert wird. Ein Straftäter will den “Spiegel” dazu zwingen, seinen Namen aus den Archiven zu entfernen. Er habe seine Haft verbüßt und sei bereits vor 20 Jahren aus der Haft entlassen worden. Das Oberlandesgericht Hamburg urteilte zunächst zu seinen Gunsten, die öffentliche Berichterstattung verletze sein Persönlichkeitsrecht. Doch der BGH hob das Urteil wieder auf. Nun liegt die Sache dem Bundesverfassungsgericht vor.

4. Darf man schreiben, dass Donald Trump “lügt”?
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Unwahrheiten, Falsches oder Lügen? Amerikanische Zeitungen diskutieren die richtige Wortwahl in der Berichterstattung über den künftigen US-Präsidenten. Der Chefredakteur des “Wall Street Journal” plädiert für Zurückhaltung. Das Verb “lügen” impliziere viel mehr, als nur etwas Falsches zu sagen. Es impliziere die bewusste Absicht, in die Irre zu führen: “Wenn du jemandem eine moralische Absicht unterstellst, besteht sonst die Gefahr, dass du so aussiehst, als wärest du nicht objektiv.”

5. Auswärtiges Amt muss Auskunft über ‘Schmähgedicht’-Gutachten geben
(lto.de)
Die Auskunftsklage der Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel” gegen das Auswärtige Amt hatte Erfolg: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat das Amt dazu verdonnert, auf bestimmte Fragen zu antworten und die seinerzeitigen Dokumente, Vermerke und Gutachten offenzulegen. Das Auswärtige Amt hatte bislang gemauert, u.a. mit Hinweis auf den Schutz von Böhmermann. Dieses hatte der Entertainer jedoch unterlaufen, indem er in einer Erklärung auf die Rechte aus seiner gesetzlichen Unschuldsvermutung verzichtet hat.

6. Auf diese Serien freuen wir uns 2017
(welt.de, Jamin Schneider)
Der frühere “Serienjunkies”-Redakteur Jamin Schneider nennt in der “Welt” die kommenden Serien-Highlights.

2016: Ein letzter Blick zurück

1. Die besten Geschichten des Jahres 2016
(correctiv.org, Markus Grill)
Markus Grill und das Correctiv-Team haben ein lesenswertes Special mit den aus ihrer Sicht besten und wichtigsten investigativen Geschichten des Jahres 2016 zusammengestellt. Die subjektiv ausgewählten Reportagen beschäftigen sich unter anderem mit: PanamaPapers, Trump, Privatgefängnissen, FootballLeaks, Sachsen, Kindergärten und Habermas.

2. Kuscheltiere, Lügenpresse, Analsex
(taz.de, Fabian Franke)
Die “taz” hat eine Top 7 der meistgeklickten Artikel aus 2016 zusammengestellt und mit den Autoren gesprochen. Es geht unter anderem um Sex, die AfD, die Evolution, Angststörungen und die “taz”-Spionageaffäre. Das Ganze ist knackig aufbereitet und macht Lust zum Weiterlesen.

3. Deutscher Reporterpreis 2016: Der Reader
(reporter-forum.de)
1473 Artikel wurden für den “Deutschen Reporterpreis 2016” eingereicht. 82 Vorjuroren haben das Material gesichtet und in elf Kategorien insgesamt 91 Texte und Projekte nominiert… Die Siegerbeiträge gibt es zusammengefasst in einem PDF-Leseband mit 153 Seiten.

4. Unsere Favoriten 2016
(reportagen.fm, Valerie Schönian & Björn Stephan & Matthias Bolsinger & Margarethe Gallersdörfer & Florian Schmidt & Cecilia T. Fernandez & Tin Fischer)
“reportagen.fm” ist eine Kuratoren-Plattform für Reportagen. Junge Journalisten verlinken hier wöchentlich die drei nach ihrer Ansicht besten Reportagen aus deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften. In einem Sonderbeitrag stellen die Kuratorinnen und Kuratoren ihre persönlichen Jahresfavoriten samt Begründung vor.

5. Vor/für 2017: Lesetipps für den Jahreswechsel
(dirkvongehlen.de)
Auch der Autor und Journalist Dirk von Gehlen, der bei der “SZ” die Abteilung Social Media/Innovation leitet und die “SZ-Langstrecke” entwickelt hat, hat Lesetipps und verlinkt zehn lesenswerte Texte vor und für 2017.

6. Reisende Kuscheltiere und Tinder-Exit-Strategien
(spiegel.de, Eva Horn & Anna-Sophie Schneider)
Bei “Spiegel Online” haben Eva Horn und Anna-Sophie Schneider einige kuriose Geschichten aus dem “Social Web 2016” zusammengetragen. Mit dabei sind eine Abschiedsreise, ein untröstlicher Fußballfan und ein letzter Roadtrip mit 92 Jahren.

Balanceakt, Angstmacher, WaWiWi

1. Wenn Journalisten den Erfolg von Polizeiarbeit riskieren
(welt.de, Martin Lutz & Christian Meier)
Es ist ein Balanceakt: Einerseits wollen und sollen Medien auch bei einem Anschlag wie in Berlin informieren, andererseits darf durch eine zu frühe Herausgabe von Informationen die Polizeiarbeit nicht behindert werden. Letzteres wird unter anderem der „Allgemeinen Zeitung“ (AZ) vorgeworfen, die einen Tweet zum mutmaßlichen Täter rausjagte. Im Angesicht einer möglichen Verhaftung hätte der mutmaßliche Täter entwischen oder im schlimmsten Fall sogar Geiseln nehmen können. Die “Welt”-Autoren Lutz und Meier dazu: “Die Abwägung, wann und in welcher Form berichtet wird, treffen Redaktionen je nach ihrer individuellen Einschätzung der Lage. Standardrezepte und -richtlinien gibt es nicht, auch keinen automatischen Gehorsam auf Bitten von Behörden hin. Die journalistische Richtschnur bleibt die Sorgfaltspflicht – sie ist am Ende also auch eine Frage der Moral.”

2. „Die Angst herunterzuspielen, ist weltfremd“: Chefredakteurin Tanit Koch zur Kritik am Bild-Titel
(meedia.de, Marvin Schade)
“Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch hat Fragen zum umstrittenen und vielfach diskutierten plakativen Angst-Titel nach dem Anschlag beantwortet. Natürlich verteidigt sie das Vorgehen des Blatts: Mit der Schlagzeile „Angst“ hätte man lediglich eine “Emotion abgebildet”. Dass ein entscheidender Angstauslöser die “Bild” selbst sein könnte, kommt ihr, ebenfalls wenig überraschend, nicht in den Sinn.

3. Schöne Feiertage und einen guten Rutsch
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Medienkolumnistin Ulrike Simon verabschiedet sich mit einem letzten Beitrag vor dem Jahreswechsel. Eigentlich wollte sie dieses Jahr auf Wünsche verzichten und sich stattdessen auf “Verwünsche” konzentrieren. Eine Ausnahme macht sie dennoch: “Nein, es muss nicht jede Beleidigung, jede Verschwörungstheorie, jeder Gesinnungsblödsinn retweetet werden. Ja, es ist möglich, dem Reflex zu widerstehen, alles und jeden zu kommentieren. Doch, auch mit Empörung kann man sich zum billigen Verbreitungsgehilfen machen. Kurzum, mein Wunsch lautet: Öfter mal die Klappe halten.”

4. Wie unser „Was wir wissen“ entsteht
(blog.zeit.de, Karsten Polke-Majewski)
Bei großen, unübersichtlichen Ereignissen wie einem Terroranschlag nutzt “Zeit Online” die Artikelform des “Was wir wissen”, intern abgekürzt “WaWiWi”. Im neuen Glashaus-Blog berichtet Ressortleiter Karsten Polke-Majewski über die Vorgehensweise. Verantwortlich seien die beiden Investigativ-Teams von Online und Print. Und es gäbe feste Regeln: Sichere Quellenlage, kein Konjunktiv, keine Wertungen und größtmögliche Transparenz.

5. 2016: Das Jahr aus Sicht der TV-Sender
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Timo Niemeier hat sich für “dwdl” bei verschiedenen Fernsehsendern nach deren Stimmungslage am Ende des Jahres umgehört. War 2016 ein gutes Jahr für das Fernsehen? Wo gibt es noch Probleme? Und was steht im kommenden Jahr an? Bei den Befragten herrscht ziemliche Einigkeit, dass es sich um ein gutes Jahr für die Branche bzw. den jeweiligen Konzern handelte. Nur die Begründungen dafür fielen unterschiedlich aus.

6. Die besten Cover des Jahres
(horizont.net, David Hein)
“Horizont” zeigt eine Auswahl mit den besten und wichtigsten Covern des Jahres und kommentiert die jeweilige Entscheidung.

Stiftungsgeld, Faktenchecker-Zwist, Jerry Lewis

1. Wenn Stiftungen den Journalismus finanzieren — wer recherchiert dann kritisch zu Stiftungen?
(carta.info, Matthias Holland-Letz)
Matthias Holland-Letz legt den Finger in die Wunde: “Wenn Stiftungen den Journalismus finanzieren – wer recherchiert dann kritisch zu Stiftungen?”, so seine einfache, aber nicht einfach zu beantwortende Frage. Stiftungen, die von Unternehmen oder Milliardären errichtet wurden, würden eine immer größere Rolle bei der Finanzierung von Recherchen spielen. Das führe oft zu spannenden, innovativen Ergebnissen. Doch die Unabhängigkeit von Journalistinnen und Journalisten gerate dadurch in Gefahr.

2. Ein Drittel Text = keine Presse mehr!
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Die Verleger sehen, zu Recht, die Zukunft der Tageszeitungen bedroht. Nun verhandeln sie mit der ARD darüber, auf den Startseiten ihrer Internet-Angebote maximal ein Drittel Text zu zeigen. Christian Jakubetz kann dieser Idee wenig bis gar nichts abgewinnen: “Wenn Sie es ernst meinen würden beim BDZV, dann würden sie ihren Mitgliedern eine Innovations-Offensive anbieten. Eine, die darüber hinaus geht, ab und an mal ein paar Panels zu veranstalten. Sie würden im Übrigen Innovation zum Dauerthema machen und nicht nur dann, wenn Erzfeind Google die Schatulle öffnet und ein paar Millionen springen lässt. Sie würden agieren und nicht immer nur reagieren. Und sie würden klar machen, dass sich die Dinge gedreht haben. Wer heute noch Papier bedruckt, ist in der digitalen Welt ungefähr wie der Exot, der vor 20 Jahren anfing, mit ein paar HTML-Befehlen Webseiten zu bauen.”

3. Die Unbeugsame
(sueddeutsche.de, Matthias Kolb)
Die Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly wurde u.a. durch ihr kritisches Nachfragen in Trump-Interviews bekannt. Doch die Popularität bescherte ihr nicht nur Traumquoten, sondern auch viel Hass. Seit mehr als 16 Monaten werden sie und ihre Kinder von Bodyguards begleitet. Nun hat sie ihre Autobiografie “Settle For More” vorgestellt. Ein Buch, in dem es um ihren persönlichen Werdegang, aber auch um den Hintergrund zum Trump-Zwist geht. So habe sie der zukünftige US-Präsident auf allerlei Weise umgarnen und bestechen wollen, bevor es dann hässlich wurde.

4. Streit um ersten Platz im Talkshow-Lügen-Ranking eskaliert
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier berichtet von der nächsten Runde im Streit zwischen den Faktencheckern der Kölner Journalistenschule und AfD-Chefin Frauke Petry: Ein Rechentrick soll dabei helfen, dass trotz der einstweiligen Verfügung des Oberlandesgerichts Köln AfD-Chefin Frauke Petry auf Platz 1 ihres Negativ-Rankings von Falschaussagen in Talkshows bleibt.

5. Vorratsdatenspeicherung endlich kippen
(www.reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen begrüßte das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung: “Dieses Urteil muss auch für Deutschland Folgen haben. Die Bundesregierung sollte sich endlich von diesem überflüssigen und für die Pressefreiheit schädlichen Instrument verabschieden. Jede pauschale und verdachtsunabhängige Speicherung von Telekommunikationsdaten untergräbt den Schutz journalistischer Quellen und beschädigt damit die Pressefreiheit im Kern.”

6. Watch the Most Painfully Awkward Interview of 2016: 7 Minutes With Jerry Lewis
(hollywoodreporter.com, Video, 7:53 Minuten)
Ein Interview mit der 90-jährigen Hollywood-Legende Jerry Lewis, das in die Geschichte eingehen könnte: Der Komiker, der auch als Schauspieler, Sänger, Produzent, Drehbuchautor und Regisseur tätig war, lässt über sieben wunderbar schmerzvolle Minuten jede Frage des Interviewers ins Leere laufen.

“6 vor 9”-Sonderausgabe: Anschlag in Berlin

1. Wir schämen uns
(djv.de, Hendrik Zörner)
Hendrik Zörner distanziert sich auf der Seite des “Deutschen Journalisten Verbandes” von der Arbeitsweise der “Berliner Morgenpost”. Diese habe Live-Bilder vom Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz bei Facebook gepostet, auf denen auch Verletzte zu sehen gewesen seien. Dieses Vorgehen sei nicht nur wahnsinnig geschmacklos, sondern auch ein Verstoß gegen den Pressekodex. Zörner dazu wörtlich: “Klar ist und klar muss sein: So arbeiten Journalisten in unserem Land nicht! Das verbieten ihnen ihr Informationsauftrag und das ethische Fundament, auf dem Journalistinnen und Journalisten stehen.”

2. Was wir wissen — oder gerade für nicht ganz unwahrscheinlich halten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der Ansatz, einen Artikel mit “Was wir wissen” und “Was wir nicht wissen” zu überschreiben, sei einmal eine schöne Idee gewesen, so Stefan Niggemeier bei “Übermedien”. Leider werde diese Artikelform mittlerweile inflationär eingesetzt. Mit einer damit einhergehenden Senkung der Standards, wie er an einigen Beispielen festmacht.

3. “Deutschland und Europa sind zu fettleibig, um den Weckruf zu hören”
(sueddeutsche.de)
Die “Süddeutsche” hat zusammengestellt, wie die internationale Presse auf den Anschlag in Berlin reagiert. Mit dabei sind “Telegraph” (Großbritannien), “Financial Times” (Großbritannien), “De Volkskrant” (Niederlande), “Magyar Idők” (Ungarn), “Wedomosti” (Russland), “Pravda” (Slowakei), “Sme” (Slowakei) und “Evenimentul Zilei” (Rumänien).

4. Der Unfall, der ein Anschlag war
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld kritisiert die Arbeitsweise der Fernsehsender: “Die Öffentlich-Rechtlichen haben die Ruhe weg. Was sagt uns das? Hat es Verweischarakter? Es hat und deutet darauf hin, dass sich die Sender ihrer Sache ganz und gar nicht sicher sind. Sie agieren in einer Weise zurückhaltend, die — sehen wir einmal von RTL ab — ans Absurde grenzt.”

5. Die Stunde der Reporter
(Joachim Huber, tagesspiegel.de)
Auch Joachim Huber kommentiert die Berichterstattung der Fernsehsender. Alle hätten sich angestrengt, möglichst nah am und vom Tatort Informationen einzuholen und zu vermitteln. Es sei die Stunde der Reporter gewesen, besonders die von “RBB”-Reporterlegende Ulli Zelle: “Er schafft es mehrfach via Solo-Einsatz hinter dem Absperrband, dem nicht gesehenen und nicht sichtbaren Geschehen ein Narrativ zu geben. Er bindet zusammen, erschafft Zusammenhänge, er ist Reporter, der für den Zuschauer das Geschehen und das Geschehene visualisiert. Und er ist betroffen, ohne seine Betroffenheit auszustellen.”

6. Warum Facebook sofort vom “Anschlag in Berlin” ausging
(zeit.de, Patrick Beuth)
Facebooks Safety-Check-Funktion ermöglicht es Nutzern, ihren Freunden zu signalisieren, dass sie in Sicherheit sind. Das System sei hilfreich, weise aber nach einem Umbau Schwächen auf, so Patrick Beuth bei “Zeit Online”. So wurde der Ort des Geschehens mit Berlin-Heinersdorf anfangs falsch angegeben. Zum anderen könne man die (wechselnde) Art der Verschlagwortung (Anschlag/Gewalttat/Vorfall) hinterfragen: “Man kann Facebook also durchaus vorwerfen, durch seine Wortwahl möglicherweise für noch mehr Unruhe gesorgt zu haben. Den Vorwurf müssen sich aber auch alle Medien und alle Nutzer gefallen lassen, die ohne jede offizielle Bestätigung von einem Anschlag berichteten.”

7. Journalisten können den Wettbewerb mit Social Media nicht gewinnen
(stefan-fries.com)
Den Wettbewerb mit sozialen Netzwerken könnten Redaktionen nicht gewinnen, sie sollten sich gar nicht erst darauf einlassen, findet Stefan Fries. Der Wettbewerb finde unter ungleichen Bedingungen statt. Oft würden sich Gerüchte schon auf ihren Weg durch die Sozialen Netzwerke gemacht haben, während Journalisten immer noch nicht loslaufen könnten, weil sie erst Informationen recherchieren müssten. (Siehe dazu auch das “Deutschlandfunk”-Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörsken: “Medien können den Geschwindigkeitswettbewerb nicht gewinnen”.)

8. Nach dem Unglück in Berlin: Es geht nicht darum, wer die erste Eilmeldung raushaut
(t3n.de, Lisa Hegemann)
Auch Lisa Hegemann plädiert für kontrollierte Langsamkeit bei der Berichterstattung. Es ginge nicht darum, der Schnellste zu sein: “Für uns Nutzer bedeutet das aber auch: Nicht gleich auf den Medien rumhacken, nur weil sie zwei Minuten nach einem Vorfall noch nicht berichten! Wir müssen lernen, die Ungewissheit auszuhalten. Notfalls auch mal länger als eine Stunde.”

9. Anschlag in Berlin – wie (gut) haben die Medien reagiert?
(dbate.de, Stephan Lamby, Video, 7:55 Min.)
Medienjournalist Daniel Bouhs (u.a. “taz”, “Zapp”) analysiert in einem mitgeschnittenem Skype-Videogespräch auf “dbate” die Berichterstattung der Medien in Berlin. Nach dem Gespräch hat Bouhs noch einen ergänzenden Facebookeintrag verfasst, in dem er sich mehr Medientrainings für Krisensituationen wünscht: “Jedes mittelständische Unternehmen — Konzerne sowieso — üben die Krise. Ich habe selbst mal an so etwas teilgenommen: Eine Molkerei wurde in einem fiktiven Szenario erpresst, minutiös geplant per Drehbuch, umgesetzt zwei Tage lang mit Statisten europaweit. Call-Center (“Mir ist schlecht — Ihr Produkt ist vergiftet!”), Geschäftsleitung (“Was tun?!”), Wachschutz (“da ist ein RTL-Team auf unserem Gelände!”), Pressestelle (“schon wieder ein Anruf von dpa!”) — sie alle haben die Großlage durchgespielt, mit beeindruckendem Schauspiel, bei dem die Beteiligten nach fünf Minuten vergessen hatten, dass das bloß eine Übung war.”

10. Hey AfD, ihr bekommt meine Empörung nicht!
(medium.com, Simon Hurtz)
Simon Hurtz schlägt vor: “Lasst uns 2017 nicht zu einem Festjahr für Populisten machen” — und richtet sich damit auch an Journalisten und Medien, die häufig und gerne jedes Skandälchen aufgreifen, das die AfD mit grässlichen Aussagen herbeiführen will. Hurtz selbst hat die Ausfälle von Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der NRW-AfD, zum Geschehen in Berlin ganz bewusst ignoriert: “Einen Tag und viele Gespräche später glaube ich, dass die richtige Reaktion auf bewusste Provokation zweistufig verlaufen muss: souveräne Ignoranz, gefolgt von entschiedenem Widerspruch.” Was er damit genau meint, erklärt er in seinem Beitrag.

11. Der Anschlag von Berlin und die Medien
(bildblog.de, Moritz Tschermak)
Last but not least ein Link auf einen Beitrag aus dem eigenen Haus. BILDblogger Moritz Tschermak hat sich die Berichterstattung von berliner-zeitung.de, Bild.de, bz-berlin.de, Welt.de und “Zeit Magazin” angeschaut. Sein Fazit nach vielen Beispielen: “Das Gegenteil von all dieser Hysterie und dem Gerüchtehinterherlaufen wäre: abwarten, die ermittelnden Behörden ihre Arbeit machen lassen, dann berichten, wenn es gesicherte Fakten gibt.”

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