Die sinnentstellende “Bild”-Geschichte über den Erfinder Christian Koch, der (wie “Bild” an zwei aufeinanderfolgenden Tagen berichtete)“aus Katzen Benzin machen” könne, eigentlich aber aus Müll Bio-Diesel herstellen kann, beschäftigt mittlerweile auch die internationale Presse.
CNN beispielsweise (ähnlich wie u.a. auch die indische “Hindustan Times”) verbreitete unter Bezug auf den “Bild”-Bericht unsinnigerweise, ein deutscher Erfinder habe Tierschützer verärgert, indem er mit toten Katzen gegen die steigenden Treibstoffpreise ankämpfe (siehe rechts). Weiter heißt es bei CNN.com – wie schon in der zu Grunde liegenden Reuters-Meldung – nicht minder falsch, Koch habe “Bild” gesagt, er könne durch die Zugabe von zirka 20 überfahrenen Katzen in seinen Müll-Mix genug Treibstoff für eine 50-Liter-Tankfüllung produzieren…
Aber was kann “Bild” dafür? — Viel!
Denn in einer ausführlicheren Reuters-Meldung steht auch noch etwas ganz anderes – ein O-Ton des Erfinders Koch nämlich, der sagt:
“Es ist völliger Unsinn, dabei an tote Katzen zu denken. Ich habe noch nie Katzen verwendet und denke auch gar nicht daran.”
Und nicht nur das: Reuters zitiert auch “einen ‘Bild’-Sprecher”, der sagt, die “Bild”-Story habe zeigen sollen, dass Katzen-Kadaver “theoretisch” zur Treibstoffgewinnung benutzt werden könnten.
Und Reuters hat sogar mit einem der “Bild”-Autoren gesprochen, der angibt, Koch habe ihm gegenüber nie behauptet, er würde, wie es der Artikel nahelegt, tote Katzen benutzen.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und Monie S. für die Übersetzungshilfe.
Diekmann: Viele Gegendarstellungen sind heute ein Mittel darbender Juristen, finanziell über die Runden zu kommen. (…) Und ich drucke sie sogar gerne, weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird.
“Doch jetzt kommt heraus: Lafontaine verhinderte eine 70.000-Euro-Spende zugunsten ostdeutscher Arbeitsloser!”
(Hervorhebung von uns.)
Das jedenfalls schreibt “Bild” heute über einen Rechtsstreit Lafontaines mit dem Autovermieter Sixt. Und weil das Wörtchen jetzt so schön ist, steht es noch ein zweites Mal im Text:
“Jetzt liegt der Fall als zugelassene Revision beim Bundesgerichtshof (AZ: I ZR 182/04).”
(Hervorhebung von uns.)
Und es stimmt: Jetzt liegt er da schon seit knapp zwei Monaten, der “Fall”*, wie man einer Sixt-Pressemitteilung vom 17. Juni 2005 entnehmen kann. Alles andere, was laut “Bild” angeblich “jetzt”, also vier Tage vor der Wahl, herausgekommen sei, ist sogar seit dem 16. November 2004bekannt – und so, wie es in “Bild” steht, nichts weiter als die subjektive Darstellung einer der Streitparteien, die “Bild” hervorgekramt hat und jetzt, vier Tage vor der Wahl, undistanziert nachbetet.
*)Nur zur Info: Lafontaine hatte 2001 gegen eine Sixt-Werbeanzeige aus dem Jahre 1999 geklagt und damit nach einigem Hin und Her vor Gericht Erfolg. Sixt hat das Urteil jedoch nicht akzeptiert und Lafontaine einen Vergleich (also die umstrittene Spende) angeboten, auf den sich wiederum Lafontaine nicht einlassen wollte. Sixt ging in Revision, der Rechtsstreit in die nächste Instanz – und wer gewinnt, ist so offen wie die Bundestagswahl in vier Tagen.
Mit Dank an André K. für die sachdienlichen Hinweise.
Nein, nicht alles, was in “Bild” steht, ist weit hergeholt — im Gegenteil: Als “Bild” im August letzten Jahres den Otto-Versand-Chef (und Springer-Aufsichtsrat) Michael Otto zum “Gewinner” des Tages machte, lautete der ausgesprochen originelle “Bild”-Kommentar dazu:
“BILD meint: Otto find ich gut!”
Heute nun macht “Bild” den Otto-Chef Otto erneut zum “Gewinner” des Tages und kommentiert:
… und okay-okay, im letzten Absatz, ganz am Ende ihrer Berichterstattung hat “Bild” im Vornamen der darin zitierten Tierschützerin “Annelise Krauß” ein “e” vergessen. Aber selbst Anneliese Krauß findet das nicht so schlimm. Allerdings steht ihr Name natürlich nicht nur zum Spaß in “Bild”. Zitiert wird sie dort – und zwar wie folgt:
“‘Das ist so schlimm wie grausame Tierversuche’, wettert Annelise Krauß vom Tierschutzverein Dresden.”
Und das sei nun wirklich “Quatsch”, sagt Krauß, wenn man sie fragt. Weil sie nämlich den von “Bild” zitierten Satz weder gewettert noch gesagt habe. Im Gegenteil: “Das wäre ja auch idiotisch,” sagt Krauß, “denn wenn es um tote Tiere geht, dann ist das ja kein Problem des Tierschutzes!” Zusammenfassend sagt uns die Tierschützerin über die Erfindung von Christian Koch (der laut “Bild” ja “aus Katzen Benzin machen” kann):
“Von unserer Seite ist daran nichts auszusetzen.”
Und genau so habe sie das im Übrigen auch zu “Bild” gesagt. (Aber, so Krauß weiter, wenn “der Herr Helfricht”, also einer der Autoren des “Bild”-Artikels, sie anrufe, dann wisse sie schon aus Erfahrung, dass hinterher Sachen in “Bild” stünden, die sie so gar nicht gesagt habe. Das gehe in Dresden schließlich schon über zehn Jahre so, so Krauß. — Und soviel vielleicht nur zum letzten Absatz des obigen Artikels.)
Kommen wir zum Rest, dem Eigentlichen, also darum, dass “Dr. Christian Koch (55) aus Kleinhartmannsdorf (Sachsen)”, wie es in “Bild” heißt, “aus Katzen Benzin machen” könne: Denn dass die “Benzin”-Überschrift Unsinn ist, verrät schließlich schon der dazugehörige “Bild”-Text selbst, weil darin nur von “Bio-Diesel” oder “Diesel” die Rede ist… Tatsächlich aber hat Koch offenbar eine ungewöhnliche und effektive Alternativmethode zur Treibstoffgewinnung entwickelt: die katalytische drucklose Verölung (KDV), über die beispielsweise schon der MDR im Mai 2003, 3sat im Juli 2004, die “Welt” im Januar 2005, die “Pirmasenser Zeitung” im Juli, der RBB vergangene Woche oder auch RTL berichteten. Und all diesen Berichten ist eines gemein: dass sie dem Gegenstand, über den sie (durchaus auch kritisch) berichten, gerecht werden.
“Bild” indes nennt Kochs Erfindung einen “Spezialreaktor” und schreibt Sätze wie diesen:
“Die Katzen-Kraft lässt sich theoretisch exakt berechnen: Aus einem ausgewachsenen 13-Pfund-Kater könnten 2,5 Liter Sprit entstehen, vier Miezen würden für 100 Kilometer reichen, für eine Tankfüllung wären 20 tote Katzen erforderlich.”
Und fragt man einfach mal nach bei dem “Mann, der (Stuben-)Tiger in den Tank packen kann” (“Bild”), antwortet Christian Koch, der “Bild”-Bericht habe “nichts mit der Wahrheit zu tun” und sei “zudem grenzenlos dumm”. Koch weiter:
“Wie kann man mit gekochtem tierischen Material Auto fahren? Wasser würde jeden Motor sofort zum Stillstand bringen. Hier wird an die niedrigsten Instinkte von dummen Menschen appelliert, um eine wertvolle Entwicklung zu verunglimpfen. (…) Mir zu unterstellen, dass ich mit Tierkadavern herumhantiere, ist kriminell. Das ist nicht im geringsten der Inhalt der Entwicklung und kann deshalb nur als gezielte Verleumdung angesehen werden.”
Auf der Website von Kochs Firma heißt es zudem inzwischen:
Mit Dank an Jan S. für die Anregung.
Nachtrag, 12:15:
“Bild” hat die Sache mit der “Katzen-Kraft” heute noch einmal aufgegriffen:
Doch wenn es jetzt etwas vorsichtiger als gestern heißt, dass Christian Koch “theoretisch auch aus Katzen” Bio-Diesel herstellen “könnte”, wenn jetzt nicht Koch, sondern ein Konkurrent die gestern von “Bild” aus der Luft gegriffene Skandalisierung zurechtrücken darf, wenn nun auch die gelassene Position der Tierschützer weniger sinnenstellend als gestern wiedergegeben wird und sich im heutigen “Bild”-Bericht immerhin ein einziger halbwegs sinnvoller Satz (“Die Diskussion ist überflüssig”) wiederfindet, dann macht das alles den Nonsens von gestern weder ungeschehen noch besser — und sei es nur deshalb, weil es “Bild” offenbar immer noch nicht gelingen will, zwischen “Benzin” (Überschrift) und “Diesel” (Text) zu unterscheiden…
Erb-Penner? Benz-Baby? Sekt-Anschlag? Spätestens aber, wenn “BamS”-Analytiker Stefan Hauck einen freigesprochenen TV-Moderator (der als Folge einer Vergewaltigungsklage seinen Job und seinen Ruf verlor) als “folgenlos Beschuldigten” bezeichnet, dann…
Dass das zweite Kind von Anke Engelke (anders als von “Bild” behauptet) nicht “Adrian Benjamin” heißt, wissen wir. Aus “Bild” zum Beispiel. Oder aus der “B.Z.”, die vergangene Woche ebenfalls eine Gegendarstellung abdrucken musste, nachdem sie die “Bild”-Falschmeldung munter weiterverbreitet hatte.
Aber so richtig aus der Welt ist das, was falsch in “Bild” stand, damit leider nicht (siehe auch “taz”). Fand sich doch kürzlich in einer Meldung der “führenden deutschen Nachrichtenagentur” dpa einfach so der irreführende deutsche Satz:
PS: Auf Nachfrage bedauert man bei der dpa den Fehler und verspricht, die Meldung im Archiv mit einem Sperrvermerk zu versehen, damit sowas nicht noch mal passiert.
Heute druckt “Bild” eine – kürzlich ja bereits wortgleich bei Bild.de veröffentlichte – Gegendarstellung von Alexandra Neldel. Neldel hatte nämlich einer “Bild”-Reporterin ausdrücklich erklärt, sie äußere sich nicht zu ihrem Privatleben, woraufhin “Bild” ihr einfach eine ausgedachte Äußerung in den Mund legte und abdruckte.
Bei Bild.de schrieb die Redaktion deshalb kürzlich unter Neldels Gegendarstellung den Zusatz: “Sie hat recht.”
Und man kann sich natürlich (grundsätzlich) fragen, warum “Bild” überhaupt Sachen druckt, die gar nicht stimmen. Man kann aber auch (bezogen auf Neldel) einfach nur festhalten, dass die “Bild”-Verantwortlichen nicht nur wissen, dass das, was in “Bild” stand, nicht stimmte, sondern sich auch veranlasst sahen, den Bild.de-Lesern ausdrücklich mitzuteilen, dass es nicht stimmte. Und man kann sich (anschließend) wundern, dass “Bild” offenbar glaubt, diese nicht unwichtige Information den Lesern der gedruckten “Bild” vorenthalten zu müssen: Davon jedenfalls, dass Neldel Recht hat mit ihrer Gegendarstellung, steht heute in der gedruckten “Bild” kein Wort.
Mit Dank für den Hinweis an Neil G. und Kait für den Hinweis.
Nachtrag, 3.9.2005:
Kurz nach Veröffentlichung unseres Eintrags hat der Terror-Beauftragte von Bild.de den Datumsfehler korrigiert. Schade nur, dass er offenbar nicht auch für Grammatik zuständig war…
taz: Hat Rot-Grün sich von Medien-Coups steuern lassen?
Riester: Das mit den Medien-Coups ging am Beispiel der Pflicht-Riester-Rente so: Ein Bild-Redakteur rief an, dass morgen die Bild mit der Schlagzeile “Zwangsrente Riester” aufmacht. Nur wenn ich ihm ein Exklusivinterview gäbe, würde er die für den Folgetag geplante Schlagzeile “Wann fliegt Riester?” verhindern können. Und ich blöder Hund bin auch noch darauf eingegangen! Die Schlagzeile am Tag drauf lautete: “Wutwelle rollt auf Bonn”. Das war kaum besser.