Unter Berufung auf die gestrige Ausgabe der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) behauptet “Bild” heute in einer kleinen Meldung auf Seite 2:
Die Elektronikmarkt-Kette Media Markt stellt nach 5 Jahren ihren Werbeslogan “Geiz ist geil” ein.
Und das ist natürlichQuatsch* (wie “Bild” selbst übrigens ein paar Seiten später in ihrer heutigen Ausgabe nachgucken kann).
*) Obwohl die Media-Markt/Saturn-Legasthenie in Deutschland womöglich weit verbreitet ist, haben wir weder eine Nachrichtenagentur noch irgendwelche anderen Medien ausfindig machen können, denen es nicht gelungen wäre, die “FAS”-Meldung korrekt weiterzuverbreiten.
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann hat der Schweizer “Weltwoche” ein Interview gegeben. Es ist so mittelinteressant, aber auf die Frage, warum Diekmann im Jahr 2002 die vermeintlichen Enthüllungen über eine Sex-Affäre des damaligen Schweizer Botschafters Thomas Borer mit der Parfümverkäuferin Djamile Rowe abgelehnt habe, antwortet der “Bild”-Chef bloß:
Die Geschichte betraf Vorgänge, die ausschliesslich zwischen dem Botschafter und seiner Frau zu diskutieren waren.
Mehr hat Diekmann dazu nicht zu sagen.
Diekmann sagt nicht, dass — nachdem der Schweizer “Sonntags-Blick” am 31. März 2002 die angebliche Affäre Borers enthüllt hatte — auch “Bild” und “Bild am Sonntag” detailliert und groß berichteten (u.a. am 2., 3., 4., 5., 6., 7., 8., 11., 12., 13., 14., 15., 17., 25., 28. und 29 April). Diekmann sagt nicht, dass “Bild” immer wieder “Freunde” des Botschafterpaars zitiert und z.B. einen “BILD-Medizinexperten” zu einer mutmaßlichen Fehlgeburt von Borers Ehefrau Shawne Borer-Fielding befragt hat. Diekmann sagt nichts über “Bild”-Schlagzeilen wie “Botschafter-Affäre! Jetzt spricht die schöne Gattin” (“Martin S. Lambeck störte sie beim Urlaub auf Mauritius”) oder darüber, dass die “BamS” anschließend schrieb: “Als BamS Thomas Borer kurz nach seiner Ankunft zu Hause auf dem Handy erreichte, wirkte er resigniert.”
Und Diekmann sagt nichts über Alexandra Würzbach. Wir schon:
Schließlich ist Alexandra Würzbach die Autorin des Artikels im “Sonntags-Blick”, der die vermeintliche Sex-Affäre öffentlich machte (siehe Ausriss) — und den die “NZZ” später als ein “mit perfidem ‘Textdesign’ und skrupellosen Verhörmethoden” angerichtetes “Schmierenstück” bezeichnen sollte. Aber der Reihe nach…
Würzbach hatte, wie übrigens auch ihr Mann Ralph Große-Bley, zuvor bei Axel Springer gearbeitet: Große-Bley bei “Bild”, Würzbach bei der Berliner “Bild”-Schwester “B.Z.”, wo sie vom damaligen Chefredakteur Franz Josef Wagner den Auftrag hatte, die Ehefrau des schweizer Botschafters “zur Society-Königin von Berlin hochzuschreiben”, wie es der heutige “BILD-Royal”-Kolumnist Alexander von Schönburg damals für die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” formulierte. 2002 dann arbeiteten beide für den “Sonntags-Blick”: Große-Bley als stellvertretender Chefredakteur, Würzbach als Berlin-Korrespondentin. (Von Schönburg schrieb: “Das Ehepaar Borer-Fielding war eigentlich das einzige Thema, über das sie nach Zürich berichtete.”)
Und vielleicht erinnern wir uns kurz, dass die “Sex-Affäre” im Juli 2002 eine, nun ja, überraschende Wende nahm: Djamile Rowe, inzwischen zum “Botschaftsluder” avanciert, widerrief vor Gericht ihre Affären-Behauptung komplett und behauptete stattdessen, “Sonntags-Blick”-Reporterin Würzbach habe ihr “ständig ein solches Verhältnis einzureden” versucht (“Sie skizzierte für mich ein Horrorszenario, wenn ich eine sexuelle Beziehung in Abrede stellen werde.”) und viel Geld geboten, was anschließend wiederum Würzbach bestritt. (Mehr dazu siehe Kasten.)
Die “Bild”-Zeitung zitierte am 8. Juli 2002 unter der Überschrift “Alles Lüge” aus einer Eidesstattlichen Versicherung Rowes und drückte bereits fünf Tage später eine “Gegendarstellung” Würzbachs, in der es hieß:
“Richtig ist, dass ich nicht versucht habe, Frau Rowe ein Verhältnis mit Dr. Borer einzureden. Ich habe keinen psychischen Druck auf Frau Rowe ausgeübt und ihr auch keinen hohen Geldbetrag dafür angeboten.”
“Bild” kommentierte die Gegendarstellung damals mit den Worten:
“Das Presserecht verpflichtet uns zum Abdruck dieser Gegendarstellung. Egal, ob sie wahr oder unwahr ist.”
Übrig blieb von Würzbachs “Sex-Skandal” schließlich nur das öffentliche Eingeständnis des Ringier-Verlags, dass Würzbach mit Rowe ein “Informationshonorar” von 10.000 Euro ausgehandelt habe — und das Ende von Würzbachs Karriere beim “Sonntags-Blick”. Im Juli 2002 bat sie um Entlassung aus ihrem Arbeitsverhältnis. Denn “psychischer Druck” und “Informationshonorar” waren nicht die einzigen Vorwürfe gegen die Journalistin. Ringier gab außerdem zu, dass Würzbach sich einige Nacktfotos von Rowe, die zehn Jahre zuvor in der “Super-Illu” zu sehen waren, widerrechtlich (offenbar unter dem Vorwand, für eine Reportage über Ostdeutschland zu recherchieren) im “Super-Illu”-Archiv besorgt bzw. zur Bebilderung ihrer vermeintlichen Enthüllungen abfotografiert habe. Dem “Sonntags-Blick” habe sie jedoch anschließend gesagt, die Frage der Rechte der Bilder sei geklärt.
Und weiter? Weiter nichts: Anschließend bekam Alexandra Würzbach (wie übrigens auch ihr Mann Große-Bley) einen Job bei “Bild”.
Schon im Januar 2003 erschienen wieder Artikel unter ihrem Namen in “Bild”, Artikel mit Überschriften wie “Meine Nacht mit Paris Hilton: BILD-Reporterin Alexandra Würzbach feierte mit dem Party-Girl in Cannes” oder “Hat Paris Hilton ein Kleid von Berliner Mode-Designer geklaut?” Besonders beeindruckt hat uns jedoch auch diese kleine Fortsetzungsgeschichte aus dem vergangenen Jahr. Da berichtete Würzbach zunächst über “Deutschlands schönste Knast-Wärterin” und schrieb neben ein großes Nacktfoto von Nicole G., dass sich männliche Häftlinge vor ihr exhibitionieren, weibliche sie hingegen als “Nutte, Schlampe, Lesbe” beschimpfen würden, denn:
Seit 11 Jahren ist sie hinter Gittern. Aber jetzt packt sie aus!
(…) Nicole ist “Misses Schleswig-Holstein”, zeigt ihren Körper gern: “Ich will zeigen, dass auch ‘normale’ Frauen nach der Schwangerschaft wieder eine Top-Figur… [usw. usf.]
Elf Jahre hinter Gittern, das reicht. Deutschlands schönste Knastwärterin will endlich raus. Nicole G. (33) wandert aus.
Am Dienstag entblätterte sich die zweifache Mutter in BILD, berichtete von ihrem Arbeitsalltag als Justizvollzugsbeamtin im Hamburger Untersuchungsgefängnis. Nun packt sie die Koffer. “Ich ziehe nach Neuseeland, ans schönste Ende der Welt. (…) Ich habe meinen Arbeitgeber um Freistellung, also unbezahlten Urlaub, für sechs Jahre gebeten”, erklärt Nicole. “Ich (…) war lange genug der Prügelknabe für alle. Viele Insassen behandeln einen schlecht, beschimpfen die Wärter (…). Auf Dauer macht mich das krank.”
Vielleicht kommt Nicole G. mit der Auswanderung auch einer Kündigung zuvor. Denn: “Die Justizbehörde ist von solchermaßen geschaffenen ,nackten Tatsachen nicht begeistert. (…)
Aber worum ging’s noch mal eigentlich? Ach ja, darum, dass Diekmann im “Weltwoche”-Interview auf die Frage, warum er damals die Borer-Story ablehnt habe, nicht geantwortet hat:
Im Grunde hatten wir Glück. Die Geschichte betraf Vorgänge, die ausschliesslich zwischen dem Botschafter und seiner Frau zu diskutieren waren (lacht). Aber wir haben das Ganze ja auch so in aller gebotenen Ausführlichkeit begleitet und konnten uns, als sich die Sache als fatale Falschmeldung herausstellte, sogar guten Gewissens weit aus dem Fenster lehnen. Anschließend haben wir dann übrigens die für das Fiasko verantwortliche Autorin bei “Bild” eingestellt. Erst kürzlich ist sie ja mit mir ins indische Dharamsala gefahren, um den Dalai Lama zum BILD-Exklusiv-Interview zu treffen.
Aber vermutlich hätte das den Rahmen des “Weltwoche”-Interviews gesprengt. Schließlich geht’s darin ja eigentlich um Diekmanns neues Buch. Es trägt den Titel “Der große Selbstbetrug”.
Jetzt fordern erste Politiker eine Deutsch-Quote, um heimische Produktionen zu schützen.
“Die SPD ist grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen”, sagt Medienpolitikerin Monika Griefahn (53, SPD) zu BILD. (…) Monika Griefahn: “Wir haben das Kulturstaatsministerium deshalb gebeten, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen.”
Seit gestern schreiben das (unter Berufung auf “Bild”) u.a. auch die Agenturen AP* und ddp sowie “taz”, “Tagesspiegel”, “Hamburger Abendblatt”, DWDL.de, “Frankfurter Rundschau”, “Stuttgarter Zeitung”, “Nürnberger Zeitung” usw. usf.**
Die SPD ist NICHT grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen. Zitate, die die BILD-Zeitung dahingehend am 17.10.2007 in meinem Namen verbreitete, entsprechen nicht der Wahrheit. Des Weiteren ist es ebenfalls nicht richtig, dass wir den Bundeskulturstaatsminister gebeten haben, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen. Aus diesen Gründen basiert der Artikel der BILD (…) weder auf meinen wahrheitsgemäßen Aussagen noch stellt er meine Position dar.
RICHTIG dagegen ist:
Nach wie vor, spreche ich mich für die stärkere Berücksichtigung von deutschsprachiger und in Deutschland produzierter populärer Musik im Rundfunk aus. (…) Wie auch der Deutsche Bundestag bereits 2004 in einem Antrag formuliert hat, fordere ich weiterhin einen runden Tisch, an dem Bund, Länder und Rundfunkveranstalter über dieses Thema sprechen und zu einer Selbstverpflichtung kommen. Dies allein war Inhalt des Gespräches mit der BILD-Zeitung.
*) Nach Veröffentlichung von Griefahns “Richtigstellung” berichtet auch AP wieder. Die Überschrift lautet jedoch nicht etwa “Dementi”, “Korrektur” oder “Sorry, wir hatten zuerst nicht nachgefragt, sondern bloß ‘Bild’ geglaubt” — sondern: “Griefahn für mehr deutsche Musik im Rundfunk”. Am Ende der Meldung, die ganz offensichtlich ausschließlich auf Griefahns “Richtigstellung” beruht, heißt es bloß: “Griefahn (…) nahm damit Bezug auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung vom Mittwoch, in dem sie mit den Worten zitiert worden war, die SPD sei grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen.” [Ende der Meldung]
Mit Dank Monika G. für den Hinweis.
**) Nachtrag, 20.10.2007: Die “taz” schreibt in ihrer heutigen Ausgabe: “Monika Griefahn, 53, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, wurde falsch zitiert: Die SPD sei nicht, wie in der taz vom 18. 10. unter Bezug auf Bild berichtet, ‘grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen’. (…) Bild habe sie gefragt, ob bei einer Diskussion zum Thema auch eine Quote für deutsche Serien angesprochen werde. Griefahn sagte zur taz, sie habe gesagt, man könne das mitdiskutieren. Sie sei aber im Fall der Musikquote für eine Selbst-, keine Zwangsverpflichtung der Sender. Zunächst müsse die Qualität gewährleistet sein. Das gelte auch für TV-Serien.” Und DWDL.de hat eine “Richtigstellung” veröffentlicht.
Nachtrag, 23.10.2007: In der heutigen Korrekturspalte von “Bild” heißt es:
Berichtigung
Zum BILD-Bericht vom 17.10. (“Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien”) legt die SPD-Medienpolitikerin Monika Griefahn Wert auf die Feststellung, dass sie nicht für eine Pflicht-Quote für deutsche Serien im TV ist. Grundsätzlich befürwortet Frau Griefahn jedoch eine stärkere Berücksichtigung deutscher Serienproduktionen.
Gestern erreichte uns folgende Mail eines BILDblog-Lesers:
Guten Abend,
ich war am 12. Oktober in Bernburg. Dort wurde auf einem Wochenmarkt kostenlos die aktuelle “Bild” (Halle) verteilt, drumherum ein vierseitiger “Bild”-Steckbrief im gleichen Format, in dem mit Sprechblasen die “Bild”-Zeitung erklärt wurde. Auf der vorletzten Seite steht: “Vier Seiten Sport liefere ich Ihnen mindestens täglich, dazu kommen die regionalen Sportseiten. Das leistet keine andere Tageszeitung.” Flugs mal im Sportteil nachgeschaut: Sport-Seiten 17 bis 19, inklusive Regionalsport — auf Seite 19 war sogar noch eine 1/4-seitige Anzeige.
Höhöö… witzisch: Am Tag, an dem die Fußballnationalmannschaften von Irland und Deutschland in Dublin in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander antreten, berichtet “Bild” über den irischen Nationalspieler Stephen Ireland (O-Ton “Bild”: “heißt wirklich so”, höhöö). Ireland hatte nämlich kürzlich, als er beruflich in der Slowakei war, behauptet, seine Oma sei gestorben und war abgereist. Dabei war Oma gar nicht tot, höh. Und als das rauskam, hatte er gesagt, er habe ja auch seine andere Oma gemeint. Dabei war die… auch nicht tot. Und jetzt? Jetzt spielt der “Irrsins-Typ (wird nun von einem Psychologen betreut)” nicht mal beim heutigen Länderspiel mit:
Er sagt, er fühle sich nicht so gut. Die Reise vom Klub Manchester City nach Dublin (278 Kilometer) wäre zu weit!
Echt voll irre, dieser Ire Ireland! Oder um’s mit “Bild” zu sagen: “So einen hat Jogi Löw zum Glück nicht im Team…” Oder?
Oder auch nicht: Die Story mit den Omas stimmt zwar. Allerdings vergisst “Bild” vor lauter “Irrsin” [sic], auch nur ansatzweise zu erwähnen, warum Ireland gelogen hatte. Dabei steht das Warum in so ziemlich jedem Artikel, der IrelandsGeschichte erzählt — und in einem ausführlichen Statement Irelands:
Meine Freundin war verzweifelt und teilte mir mit, dass sie gerade eine Fehlgeburt gehabt habe. (…) Die Fehlgeburt hat uns viel Kummer gemacht und uns beide in Panik versetzt.
Der irische Fußballverband und der irische Team-Manager zeigten im Nachhinein großes Verständnis für Irelands “traumatische Situation”, Team-Kollegen bekundeten ihr “Mitgefühl”: Dass eine Fehlgeburt eine ernste Sache sei, wisse schließlich jeder.
Jeder, scheint es, außer “Bild”.
PS: Die Info, dass Ireland heute deshalb nicht in Dublin sei, weil ihm die Reise zu weit wäre, hat “Bild” offenbar ganz exklusiv — oder erfunden.
Das ist Unsinn. Laut US-Nachrichtensender CNN ging die kalifornische Justiz nie von einem Selbstmord des Ex-Playmates aus.* Im Gegenteil heißt es auf CNN.com ausdrücklich, dass Smith an einer unbeabsichtigten Überdosis Medikamente (“accidental drug overdose”) gestorben sei. Und anschließend beschreibt CNN sogar noch einmal ausführlich die längstbekannten Obduktionsergebnisse, aus denen der Leichenbeschauer folgert, Smith habe “nicht, wie manche behauptet hatten, versucht, sich umzubringen”.
*) Dass nun im Zusammenhang mit Anna Nicole Smiths Tod einige Arztpraxen durchsucht wurden, hat deshalb auch nichts damit zu tun, ob Smith Selbstmord begangen habe, sondern offenbar (nur) mit der Frage, wer ihr verbotene Medikamente verschrieben/besorgt hat — und anders als Bild.de gelingtesanderenMedien (wenngleich nichtallen) sogar mühelos, diesen Sachverhalt korrekt wiederzugeben.
“Bild” berichtet heute bundesweit unter der Überschrift “Illegales Autorennen — Beifahrer filmte seinen eigenen Tod!” folgendes:
Der Beifahrer des aufgemotzten Golfs filmt den Porsche rechts neben sich. Beide Wagen rasen über die Bundesstraße. Plötzlich wackelt das Video, der Film bricht ab …
Das Drama hinter den Bildern: Hier hat ein junger Mann (20) seinen eigenen Tod gefilmt!
Die Tragödie geschah bei Konstanz (Baden-Württemberg), abends um 18.40 Uhr. Vier junge Männer lieferten sich ein illegales Rennen. (…) Die Autos jagen mit 220 km/h über die Straße, erlaubt sind nur 120. Der Porsche fällt auf der rechten Spur zurück. Doch dann [usw. usf. Ach, lesen Sie selbst…]
Und jetzt die Preisfrage: Wann geschah der Unfall?
a) abends um 18.40 Uhr b) gestern c) am 30.3.2007 (Mehrfachantworten sind möglich.)
Machen wir’s kurz. Bekanntermaßen gehört Bruce Darnell nicht mehr zum Team der nächsten Staffel von “Germany’s Next Topmodel”. Und “Bild” schreibt heute:
Und was steht seit vorgestern bei vanityfair.de über Bruce Darnell?
Über die Gründe seines Ausscheidens (…) sprach er mit VANITY FAIR ONLINE.
Und, nein, in “Bild” sagt Darnell weder irgendwas Neues noch irgendwas anderes als zuvor schon zu vanityfair.de.
Dass “Bild” gestern (wie berichtet) ein Zechgelage des britischen Prinzen Harry zu einer Titelschlagzeile machte, unkundig betextete, als “exklusiv” ausgab und darauf hinwies, dass “alle Skandal-Fotos von Prinz Harry” auf Bild.de zu sehen seien, war “Bild” offenbar nicht genug.
Wer hätte gedacht, dass diese beiden Artikel über ein und dieselbe Begebenheit berichten?
“Bild” zeigt ein paar Fotos, die seit gestern bereits auf Bild.de zu sehen sind und auf die “Bild” gestern bereits hingewiesen hatte (“Weitere Szenen, auf Video aufgenommen, zeigen Harry in Namibia auf Sauf-Safari.”).
“Bild” verwendet, wie gestern schon, Zitate aus einem Artikel der britischen Boulevardzeitung “News of the World”, verschweigt aber, wie gestern schon, die Quelle — und die Tatsache, dass die “Skandal-Fotos” bereits vorgestern und exklusiv in “News of the World” veröffentlicht worden waren. Und “Bild” verschweigt, wie gestern schon, dass sich der “Skandal” selbst laut “News of the World” schon vor über zehn Monaten ereignete.
Andererseits fehlt auch heute nicht der Hinweis, dass “alle Skandal-Fotos von Prinz Harry” auf Bild.de* zu sehen seien. Ja, wenn wir’s genau nehmen, fehlt heute eigentlich nur die gestrige Behauptung, die gezeigten “Skandal-Fotos” seien “exklusiv”.
Immerhin hat “Bild” die heutige Neufassung der gestrigen Meldung um das Zitat eines Suchtberaters angereichert, der “zu BILD” gesagt haben soll: “Durch das Schnupfen soll der Wodka direkt in die Blutbahn gelangen.” Und das legt den Schluss nahe, dass es sich womöglich gar nicht um eine Neufassung der gestrigen Meldung handelt, sondern bloß um deren Korrektur. Schließlich verwendet “Bild” heute das Wort “Blutbahn” und sagt dazu nicht mehr, wie gestern noch, “Blutumlaufbahn”.
“Graf Alexander von Schönburg (38) schreibt ab heute jeden Montag für Sie „BILD Royal“ – Intimes und Internes aus der Welt der Adeligen! (…) Ab heute setzt er BILD die Krone auf.” (Quelle: “Bild” vom 2.4.2007)
Schön, dass Alexander von Schönburg “Adels-Insider” ist. Schön jedenfalls für die “Bild”-Zeitung, weil sie dann immer “Adels-Insider” drunterschreiben kann, wenn sie mal wieder neben ihr “BILD Royal”-Logo einen Text von von Schönburg druckt.
Darüber hinaus ist die Info, dass von Schönburg “Adels-Insider” ist, quasi wertlos: Zumindest, was von Schönburg heute in “Bild” geschrieben hatte, hätte auch ein Prekariats-Insider geschafft — und womöglich besser. Nachdem offenbar ein Video aufgetaucht ist, das den britischen Prinzen Harry beim Trinkgelage und Wodka-Schniefen zeigt, hat von Schönburg nämlich bloß eine Meldung aus der gestern erschienenen britischen Boulevardzeitung “News of the World” übersetzt, paraphrasiert und — exklusiv für “Bild” — ein paar Fehler eingebaut: Nicht nur behauptet von Schönburg, durch die Nase konsumierter Alkohol gelange ohne Umwege in die — Achtung! — “Blutumlaufbahn”, nein, er weiß offenbar auch nichts über die “Exklusiv-Fotos”, die er für “Bild” betextet hat. Von Schönburg schreibt:
Lustvoll schleckt der Prinz die Brustwarzen eines Saufkumpans ab. (…) Weitere Szenen, auf Video aufgenommen, zeigen Harry in Namibia auf Sauf-Safari.
Dabei lässt “News of the World” keinen Zweifel daran, dass auch die Brustwarzen-Fotos den Prinzen in Namibia auf Sauf-Safari (Après-Sauf-Safari?) zeigen.
Neben Übersetzung, Paraphrase und Fehlern ist “Bild” und von Schönburg aber noch etwas anderes gelungen — eine wahre Tatsachenbehauptung: Angekündigt werden die Bilder heute auf der Titelseite (siehe Ausriss) ohne Quellenangabe, dafür aber als “Exklusiv-Fotos”. Und so ist es! Die Fotos sind exklusiv — im Sinne von: gestern exklusiv in “News of the World” erschienen.