Die Polizei fahndet aktuell bundesweit nach einem Mann, der in der Nähe von Hannover eine Frau umgebracht haben soll. Soll. Es handelt sich erst einmal nur um einen Tatverdächtigen, einen mutmaßlichen Mörder, endgültig bewiesen ist noch nichts. Und so schreiben die meisten Medien auch, dass die Fahndung nach dem “mutmaßlichen Täter” laufe oder dass ein “Verdächtiger noch flüchtig” sei.
Nur für Bild.de stand bereits gestern Abend fest: Der Gesuchte ist kein mutmaßlicher Mörder, er ist ein “Killer”. Die Tatsachenbehauptung prangte dick und fett auf der Startseite:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Da die Fahndung öffentlich ist, und die Polizei selbst ein Foto sowie den kompletten Namen des Mannes herausgegeben hat, ist nichts dagegen einzuwenden, dass auch Bild.de diese Informationen verbreitet. Dass die Redaktion aber jemanden zum “Killer” macht, bevor ein Gericht darüber entschieden hat, ob der Verdächtige schuldig ist, oder dieser ein Geständnis abgelegt hat, missachtet die Unschuldsvermutung. Wenn die Mitarbeiter von Bild.de das Gefühl haben, jemand hat ein Verbrechen begangen, dann sprechen sie ihr Urteil. Dass noch nichts bewiesen ist, scheint bei der Suche nach einer klickversprechenden Überschrift irrelevant zu sein.
Heute morgen veröffentlichte das Portal einen weiteren Artikel zu dem Fall. Inhaltlich ist er sehr ähnlich, es gibt kaum etwas Neues. Dieses Mal muss man allerdings ein “Bild plus”-Abo haben, um den Text lesen zu können.
In der zugehörigen Teasergrafik auf der Startseite ist Bild.de etwas vorsichtiger geworden — nun “soll” der Mann “gemordet” haben, hinter dem “Killer” steht ein Fragezeichen:
(Unkenntlichmachung des Mannes durch uns, Unkenntlichmachug der Frauen durch Bild.de.)
Sowohl für den Artikel von gestern Abend als auch für den von heute gilt übrigens: Einen Zusammenhang zwischen der Pilgerreise des Gesuchten und dem Mord nahe Hannover scheint es nach aktuellem Kenntnisstand nicht zu geben.
Mit Dank an Tobi für den Hinweis!