Wenn die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) einen Bericht herausbringt, schalten sie bei “Bild” reflexartig in den Katastrophen-Modus um. Als wäre das Schlimmste passiert, was hätte passieren können. Hätte ja passieren können! In der “Bild”-Sprache tragen solche Vorfälle dann Namen wie “Horrorflug”, “Beinahe-Crash”, “Beinahe-Absturz”, “Beinahe-Katastrophe”, “Beinahe-Unfall”, “Beinahe-Zusammenstoß”, “Fast-Katastrophe”, “Fast-Absturz” oder “Fast-Unfall”.
Richtig schlimm wird es aber, wenn bei einem Zwischenfall tatsächlich etwas passiert ist. Wenn Menschen zu Schaden gekommen sind.
Anfang Dezember sind bei einem Flugzeugunglück in Hessen acht Menschen ums Leben gekommen. Damals waren zwei Kleinflugzeuge bei klarem Himmel in der Nähe von Wölfersheim kollidiert und abgestürzt. Die BFU kündigte kurz nach dem Unglück an, frühestens Anfang Februar einen ersten Untersuchungsbericht vorzulegen. Doch “Bild” veröffentlichte schon am vergangenen Dienstag “erste Details aus dem Flugunfall-Bericht”:
Im Artikel heißt es:
Am 8. Dezember krachen zwei Kleinflugzeuge am Himmel der Wetterau zusammen. Acht Menschen sterben, darunter 4 Kinder.
Mitte Februar soll das Unfallgutachten veröffentlicht werden. BILD liegen schon jetzt erste Details vor.
Es sind schreckliche Einzelheiten, die die Ermittler in ihr Unfall-Gutachten schreiben müssen.
Die “Bild”-Autoren schildern unter anderem, dass sich die beiden Erwachsenen in einer der Maschinen “von den Kindern (…) ablenken” ließen, dass das eine Flugzeug das andere “von hinten im 30-Grad Winkel” traf, dass das Hauptfahrwerk “in die Kabine” schoss und dabei das 4-jährige Mädchen sofort tötete und dass “die tiefstehende Sonne (…) anscheinend nicht der Grund für die Kollision” war.
All diese Details aus dem Bericht der BFU hat “Bild” exklusiv. So “exklusiv”, dass nicht mal die BFU sie kennt.
Die Behörde reagierte noch am selben Tag, an dem der “Bild”-Artikel erschienen war und schrieb auf ihrer Website:
Im Umlauf befindliche Berichte der Boulevardpresse basieren nicht auf den vorliegenden Untersuchungen.
Normalerweise kommentiere die Bundesstelle Presseberichte nicht, teilte uns Klaus-Uwe Fuchs von der BFU auf Anfrage mit. Diesmal sah sie sich aber offenbar gezwungen: Die Details, die in dem “Bild”-Artikel geschildert werden, seien “reine Spekulation”, erklärte Fuchs, der die Untersuchung des Unglücks von Wölfersheim leitet. Mit den Ermittlungen der BFU stünden sie jedenfalls nicht im Einklang.
Andere Medien indes waren misstrauisch genug, die erfundenen exklusiven “Bild”-Informationen nicht weiter zu verbreiten. Immerhin.
Mit Dank an Torsten L., M.H. und an Paul C. für den Scan.
Nachtrag, 22. Januar: Die Pressemitteilung der BFU ist mittlerweile nicht mehr erreichbar. Sie habe die Funktion gehabt, schrieb uns Klaus-Uwe Fuchs, “(…) Presseagenturen und Nachrichtenredaktionen darüber zu informieren, dass die gemachten Angaben in dem besagten Presseorgan nicht mit den Untersuchungen der BFU im Einklang stehen”. Diesen Zweck habe sie nun erfüllt und sei deshalb wieder gelöscht worden.