Antje-Susan Pukke, 49, ist BILDblog-Leserin, Diplom-Politologin und Hörfunkjournalistin in München. Sie hat mehrere Bücher über Öffentlichkeitsarbeit und Fort- und Weiterbildung geschrieben, arbeitet viel für den Bayerischen Rundfunk und ist in der Journalistenausbildung tätig. Im Foto möchte sie sich nicht zeigen, weil sie schon seit Jahren Wert darauf legt, sowenig private Spuren wie möglich im Netz zu hinterlassen, was ihr, wie sie sagt, “bis auf ein paar kleine Ausnahmen” gelungen ist: “Gläserner als man eh schon ist, muss man ja nicht auch noch freiwillig werden.”
Von Antje-Susan Pukke
BILDBloggerin für einen Tag — was liegt da näher, als 50 Cent zu investieren und sich’s frühmorgens zuhause bei einer Tasse Kaffee mit der Münchenausgabe vom 20. Dezember gemütlich zu machen?
Fangen wir gleich einmal mit der Lektüre des Aufmachers an:
Mir selbst ist das eigentlich ziemlich egal, ich habe nur einen Kleinwagen und den fahre ich höchst selten. Aber was mag angesichts einer solchen Überschrift so manch anderer “Bild”-Zeitungsleser denken? Wahrscheinlich genau das, was die Schreiber erreichen möchten: “Abzocke hoch drei…”. Bleibt zu hoffen, dass möglichst viele aus dem zugehörigen Riesenartikel auf Seite 4 die richtigen Schlüsse ziehen. Da steht nämlich zum einen, dass man sich ab 2012 auf einen durchschnittlichen Preisanstieg von 1.300 Euro einstellen muss, und zum anderen, dass EU-Experten davon ausgehen, dass durch sinkenden Benzinverbrauch 2.700 Euro eingespart werden könnten. Macht zusammen… — ach, rechnen Sie einfach selbst.
Überhaupt, “Bild” und die Zahlen. Höchst amüsante Überschrift auf Seite 3:
Ja, wo kommen die denn plötzlich her? Soweit ich weiß, liegt die Einwohnerzahl der bayerischen Landeshauptstadt bei rund 1,3 Millionen. Aber: “Bild” nähert sich unerschrocken der Wahrheit. “Heuer haben rund 600 Millionen Menschen (…) S-, U- und Trambahn benutzt.” Klingt schon besser, hinkt aber noch etwas. Also: Noch eine Chance — und sie kriegen es tatsächlich hin, dem Ganzen einen Sinn zu geben: “Gegenüber 2006, als der MVV 590 Millionen Fahrgäste begrüßen konnte, ist das noch einmal eine deutliche Steigerung.” Na bitte: geht doch!
Genug der Zahlen, jetzt gibt’s erst mal eine Runde Mitleid. Zunächst eine kleine für Rolf Kleine und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, die zu Besuch beim afghanischen Präsidenten waren: “Auf uns wartet klirrende Kälte (minus 4 Grad).” Suggeriert, dass das Reporterleben hart ist — auch wenn so mancher zumindest hier in Bayern unter “klirrender Kälte” was anders verstehen dürfte. Egal — haltet einfach durch, liebe “Bild”-Kollegen!
Das ganz große, wirklich aufrichtige Mitleid aber gebührt der armen Autofahrerin, die am Mittwochnachmittag etwas zu forsch auf die Autobahn einfuhr und dadurch einen LKW-Fahrer zu einem Ausweichmanöver zwang, das im U-Bahn-Gleis endete. Stundenlang ging auf der ganzen Linie nichts mehr. Klar, ärgerlich für den Teil der, ähhm, 600 Millionen Münchner, der nach Hause wollte. Jedoch hat die Frau es tatsächlich verdient, so abgebildet zu werden, dass sie jeder gleich erkennt? Wohl eher nicht. Aber “Bild” nimmt es ja mit der Privatsphäre öfter nicht so genau.
Ansonsten das Übliche heute. Sensationslust gepaart mit Ungenauigkeiten (im Bericht über den “US-Henker”, der gar kein Henker sein kann, weil er laut Bildunterschrift mit dem elektrischem Stuhl und später mit der Spritze tötete), dazu das Schüren von Vorurteilen mit Hilfe von Leserbriefen (“Wie kommt ein junger abgeschobener Algerier zu einem Mercedes?”) und dazu manch weiterer Artikel, der Fragen aufwirft (Wieso “musste” Mädchenschwarm Sascha die bankrotte Putzfirma seiner Mutter übernehmen?).
Fazit nach einem Vormittag als Ersatz-Bloggerin: Ganz schön viel Arbeit, die vielen Fehler (ja, es gibt noch einige mehr) in einer einzigen Ausgabe aufzuspüren, noch mehr Achtung vor der Leistung derjenigen, die tagtäglich das BILDblog mit Leben füllen. Und das Versprechen, in Zukunft fleißig beim Aufspüren von Fehlermeldungen mitzumachen.
BILDblogger für einen Tag ist morgen Jens Weinreich.