Dass China nicht mehr dieses verschlossene, kommunistische Rätselreich am Ende der Welt, sondern eine veritable Wirtschaftsmacht ist, das hat sich mittlerweile herumgesprochen. Wie wirtschaftsmächtig China aber ist, darüber herrscht nun umso mehr Rätselraten — zumindest in der Bild.de-Redaktion.
Unter der Überschrift “Angst vor der Supermacht” behauptet Bild.de zu erklären, wie abhängig Deutschland von China mittlerweile sein soll. Dabei bricht Bild.de nicht nur die Kennzahlen der Exportwirtschaft auf eine sehr konfuse und unnötig bedrohliche Formel herunter (“Noch steigen die Zahlen. Die bange Frage: Wie lange noch?”), sondern beweist auch ein gerüttelt Maß an Inkompetenz und Ahnungslosigkeit.
Bild.de schreibt etwa:
China hat mittlerweile Währungsreserven in Höhe von 1,91 Billionen Euro angehäuft – ein gigantischer Euro-Schatz!
Fangen wir mit dem an, was stimmt: Ja, China hält Währungsreserven im Wert von 1900 Milliarden Euro, eine tatsächlich extrem große Summe.
Aber: Was China tatsächlich in den Händen hält sind weitgehend Dollar, nämlich mindestens 60 Prozent von diesen grob 1,9 Billionen Euro (wie man auch einer Pressemeldung der chinesischen Regierung aus dem Jahr 2008 entnehmen kann).
Selbst wenn man also davon ausgeht, dass China die restlichen 40 Prozent samt und sonders in Euro hält (was unwahrscheinlich ist), dann hätte sich Inga Frenser von Bild.de noch um satte 1000 Milliarden Euro verrechnet — aber um so ein Billiönchen kann man sich ja schon mal vertun, wenn man über Wirtschaftspolitik schreibt, klar.
Aber nicht nur die Mathematik von Frau Frenser ist wenig überzeugend, auch ihre Prognosen entbehren jeder Grundlage. In ihrem Beitrag für Bild.de schreibt sie nämlich über die vermuteten Euro-Reserven der Chinesen weiterhin:
Wenn sie den (den “gigantischen Euro-Schatz”, Anm. BILDblog) verkaufen, würde der Euro brutal abstürzen. Das wissen auch die Chinesen…
Sie haben einen gigantischen Faustpfand in der Hand, sollte es zum Streit mit den Europäern kommen. Oder gar zu einem Handelskrieg.
Das ist grundsätzlich natürlich richtig: Lösen die Chinesen ihre Reserven schlagartig auf, fallen die Kurse der betroffenen Währungen, also vor allem der Kurs des Dollars, aber auch der Kurs des Euro.
Aber welche Konsequenzen hätte das? Die chinesische Währung, Renminbi oder Yuan genannt, würde sofort deutlich an Wert zulegen, was chinesische Produkte für den Export unvergleichlich teurer machen würde. Die Nachfrage an chinesischen Produkten würden also nachlassen, es käme kein ausländisches Kapital mehr nach China und die fast vollständig auf Export ausgerichtete Wirtschaft Chinas würde ihrer Grundlage entzogen und zu Grunde gehen.
Das bedeutet alles nicht, dass man Chinas Wirtschaftspolitik nicht doch für bedrohlich halten kann — aber eben aus anderen Gründen. Wie hatte der chinesische Premierminister Wen Jiabao etwas früher im Text sehr richtig gesagt:
“Wir sitzen im gleichen Boot”, betonte Jiabao freundlich.
Mit Dank an Michael S. und Christoph G.!