Man kann das Urteil des Amtsgerichts Berlin Tiergarten, nach dem die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli hinnehmen muss, als “islamische Sprechpuppe” und als “Quotenmigrantin der SPD” bezeichnet zu werden, völlig falsch finden. Man kann den zuständigen Richter für dessen Entscheidung kritisieren. Man kann seine Aussagen hinterfragen. Allerdings sollte man ihn dann auch richtig zitieren.
Til Biermann und Anne Losensky berichten in der Berlin-Ausgabe der “Bild”-Zeitung, in der “B.Z.” und bei bz-berlin.de vom gestrigen Prozess. Sie knöpfen sich dabei eine Aussage des Richters vor. In “Bild” und “B.Z” wird das Zitat sogar extra in einem Kasten herausgestellt:
In “Bild” schreiben Biermann und Losensky dazu:
Und dann folgen zwei Sätze, die aufhorchen lassen: “Meinungsäußerungen dürfen scharf und pointiert sein”, so der Richter, “zunehmende Hasskriminalität im Internet kann Taten wie in Hanau begünstigen — aber das müssen wir aushalten.”
Wirklich?
“Wirklich?” ist in diesem Zusammenhang eine gute Frage: Hat der Richter wirklich gesagt, dass “wir aushalten” müssen, dass “Hasskriminalität im Internet” “Taten wie in Hanau” begünstigen?
Nein, sagt Lisa Jani, Sprecherin der Berliner Strafgerichte. In einer E-Mail mit dem Betreff “Richtigstellung! Richter-Zitat in BILD und B.Z. zum Strafprozess gegen Timm K. nicht korrekt” schreibt sie:
Das dem zuständigen Richter in den Mund gelegte Zitat “Meinungsäußerungen dürfen scharf und pointiert sein. Zunehmende Hasskriminalität im Internet kann Taten wie in Hanau begünstigen — aber das müssen wir aushalten” ist falsch. Der Vorsitzende hat vielmehr zum Abschluss seiner Begründung, warum seiner Auffassung nach der Tatbestand der Beleidigung in diesem konkreten Fall eben nicht vorliegt, Bezug nehmend auf die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gesagt, dass generell Hasskriminalität Taten wie in Hanau begünstigen könne. Aber das müssen man hier “RAUShalten” — eben weil im konkreten Fall die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten sei.
Die “B.Z.”-Redaktion hat ihren Onlineartikel inzwischen an der entsprechenden Stelle klammheimlich geändert. “B.Z.”-Chefredakteurin Miriam Krekel nutzt in ihrem Kommentar hingegen noch die alte Version des Zitats, auch in der Überschrift:
Sogar der Richter selbst bezeichnete den Fall als grenzwertig. Er sagte aber auch, Meinungsäußerungen dürften scharf und pointiert sein.
Und weiter: “Zunehmende Hasskriminalität im Internet kann Taten wie in Hanau begünstigen — aber das müssen wir aushalten.”
Müssen wir das wirklich? Ich denke, nein.
Das Urteil des Amtsgerichts Berlin Tiergarten ist übrigens noch nicht rechtskräftig. Gut möglich, dass ein Gericht in einer nächsten Instanz ganz anders entscheidet.