Vor zehn Jahren starb Robert Enke. Zu diesem Anlass erzählen “Bild” und Bild.de heute noch einmal in einem Protokoll “DIE LETZTEN 50 STUNDEN” des Fußballtorwarts nach:
Für zahlende “Bild plus”-Kunden — denn mit dem Tod eines Menschen lässt sich ja immer noch ein bisschen Geld verdienen — rekonstruiert die Redaktion Enkes Suizid und lässt dabei kaum ein Detail aus: Methode, Ort, Vorbereitung, alles wird genannt.
Das ist extrem fahrlässig und kann Menschen in Gefahr bringen. Die “Bild”-Redaktion schreibt das alles auf, als hätte sie noch nie vom Werther-Effekt gehört; als würde sie die deutlichen Warnungen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe (PDF) und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (PDF) sowie deren Hinweise für Medien nicht kennen; als würde die Wissenschaft nicht eindringlich beschreiben, dass diese Art der Berichterstattung Menschenleben kosten kann; als wäre in vielen Studien weltweit nicht längst nachgewiesen worden, dass das alles nicht nur Theorien sind, sondern reale Gefahren.
Vermutlich ist es aber noch schlimmer: Bei “Bild” wissen sie von all dem. Sie wissen, dass ausgiebige Nacherzählungen von Suiziden weitere Suizide nach sich ziehen können. Aber es kümmert sie nicht.
Sie schaffen es ja noch nicht mal, Minimalvorkehrungen zu treffen: Normalerweise bauen “Bild” und Bild.de in ihre Texte, in denen es um Suizide geht, einen Infokasten ein, in dem steht, an wen sich Menschen mit Depressionen wenden können (zum Beispiel an die TelefonSeelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 oder 116 123). Das ist erstmal eine gute Sache, aber letztlich auch nicht mehr als eine Alibiaktion, wenn die Redaktion im selben Artikel Detail um Detail nennt und damit all die Aspekte missachtet, die Berichte über Suizide etwas weniger gefährlich werden lassen könnten. Im Artikel von heute über Robert Enke war nicht mal ein solcher Kasten mit Informationen zu Hilfsangeboten eingebaut. Erst nach Kritik hat die Redaktion ihn bei Bild.de hinzugefügt.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!