Am vergangenen Donnerstag enthüllte “Bild”, dass die Stasi eine Akte über Michael Jackson angelegt hatte. Ein Schmankerl aus den Unterlagen hob sich der Autor Hans-Wilhelm Saure (so etwas wie der inoffizielle Stasi-Beauftragte bei “Bild”) aber für den nächsten Tag auf:
Ausführlich zitierte “Bild” aus dem Protokoll über den Besuch Jacksons am Checkpoint Charlie und zeigte zwei Fotos, die die Stasi vom dem Popstar und dem Menschenauflauf, den er auslöste, gemacht hatte. Auch die Berliner Schwesterzeitung “B.Z.” berichtete am selben Tag:
Dieses Foto von Jackson hat die Stasi geschossen
(…) Am Tag vor seinem West-Berliner Konzert erklimmt Jackson die Besuchertribüne am Checkpoint Charlie. Die Stasi drückt auf den Auslöser
Doch in der “B.Z.” erschien am nächsten Tag ein weiterer Artikel:
Stasi fiel auf falschen Michael Jackson rein
(…) Doch jetzt kommt raus: Der vermeintliche King of Pop war ein Double! Den Auftritt des Doppelgängers hatte eine Sicherheitsfirma organisiert. Gemeinsam mit einem Fernsehteam hatte sie den falschen Jackson durch die ganze Stadt gelotst. Am Checkpoint Charlie waren die Stasi-Leute nicht die einzigen, die dem Schwindel aufsaßen. Ständig befanden sich “ca. 80-100 schaulustige Personen in der Nähe des Rock-Sängers”, heißt es im Stasi-Protokoll.
Sat.1 hatte den Doppelgänger damals engagiert; auf der Homepage von Christian Engel, dessen Sicherheitsfirma beteiligt war, ist die ganze Aktion ausführlich dokumentiert.
Und nun könnte man den “B.Z.”-Leuten natürlich zurufen, dass nicht nur die Stasi auf den falschen Michael Jackson reingefallen ist, sondern über 20 Jahre später auch noch einmal sie selber, aber wurscht.
Bemerkenswerter ist, wie “Bild” darauf reagierte, auf einen Doppelgänger (und die Stasi) hereingefallen zu sein. Nachdem das Sat.1-Frühstücksfernsehen am Freitagmorgen über die eigene Aktion von damals berichtet hatte stellte die “B.Z.” am Freitagnachmittag einen Korrektur-Artikel “Michael Jackson-Double narrte Stasi” online. Vier Stunden später (!) veröffentlichte “Bild” den Artikel “Die Stasi knipste Jacko am Checkpoint Charlie” aus der gedruckten Ausgabe desselben Tages, dessen Wert Sat.1-Moderatorin Marlene Lufen so eindrucksvoll demonstriert hatte (siehe Screenshots rechts), unverändert im Internet, womöglich extra, aus Trotz.
Zu irgendeiner Form von Korrektur hat sich das Blatt bis jetzt nicht hinreißen lassen.
Nachtrag, 20.40 Uhr. Auch bei FAZ.net glaubt man immer noch, dass es sich bei dem Mann auf dem Foto um den echten Michael Jackson handelte.
Nachtrag, 4. August. Die englische Version von “Spiegel Online” und “Focus Online” aufgrund einer AP-Meldung auch.
Nachtrag, 15.10 Uhr. FAZ.net scheint die Bildergalerie kommentarlos gelöscht zu haben; dafür überrascht die gedruckte “FAZ” heute als Nachzügler mit den Stasi-Fotos — und hält den Abgebildeten für Michael Jackson.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!