Für “Bild” ist Umweltministerin Barbara Hendricks heute “VERLIERER” des Tages, aber nicht wegen irgendeines gescheiterten Klimagesetzes oder eines feinstaubschleudernden Dienstwagens, sondern wegen Fisch (beziehungsweise keinem Fisch):
Nun könnte man erstmal einwenden, dass Katholiken am Freitag nicht Fischkonsum, sondern Fleischverzicht vorgeschrieben ist. Fisch dient vielen “gläubigen Christen” dann einfach als Fleischersatz. (Wo wir gerade bei den Gewinnern und Verlierern und kleinen Ungenauigkeiten sind, liebe “Bild”-Mitarbeiter: Eure Gewinnerin des Tages, Cressida Dick, habt ihr zehn Jahre zu jung gemacht.)
Die “Bild”-Kritik an Hendricks ist darüber hinaus aber auch noch ganz grundsätzlich falsch: Die Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums, ob nun Katholiken oder nicht, können heute durchaus Fisch essen. Sowohl in der Kantine des Ministeriums in Bonn …
… als auch in der Kantine in Berlin …
… steht heute unter anderem Fisch auf dem Programm.
Den Schweinebraten und die Jägerpfanne, die “Bild” erwähnt, gibt es im “Betriebsrestaurant Krausenstraße” (gerade mal acht Gehminuten vom Axel-Springer-Hochchaus entfernt — dürfte also eine recht kurze Recherche gewesen sein). Dort gibt es tatsächlich auch keinen Fisch. Allerdings handelt es sich dabei nicht um die offizielle Kantine des Umweltministeriums in Berlin. Die liegt in der Stresemannstraße. Mit Fisch auf dem Speiseplan.
Das Thema “Essen im Umweltministerium” treibt “Bild” schon seit einigen Tagen um. Es fing alles am vergangenen Samstag an. Da titelte das Blatt auf Seite 1:
Und auf Seite 2 schob die Redaktion hinterher:
“Bild”-Autor Franz Solms-Laubach schrieb zur “neuen Speiseanweisung für Gäste”:
Das dürfte vielen Gästen im Umweltministerium (BMUB) gar nicht schmecken: Ministerin Barbara Hendricks (64, SPD) verbannt Fisch und Fleisch vom Speiseplan!
In einer E-Mail an die Abteilungsleiter (liegt BILD vor), verschickt durch ihren Staatssekretär Jochen Flasbarth (54), heißt es: “Dienstleister/Caterer, die Veranstaltungen des BMUB beliefern, (…) verwenden weder Fisch oder Fischprodukte noch Fleisch oder aus Fleisch hergestellte Produkte.”
Das Thema eignete sich natürlich bestens für einen Kommentar. Und in dem legte Solms-Laubach (unter anderem bekannt durch die falschen 30 Prozent Polygamisten unter arabischstämmigen Männern in Berlin) so richtig los:
Die Umweltministerin hat für Gäste ihres Ministeriums ein Fleisch- und Fischverbot verhängt. Im Sinne einer Vorbildfunktion, wie sie mitteilen lässt.
Doch das Verbot ist in Wirklichkeit reine Bevormundung. Barbara Hendricks sagt, was gegessen wird — und was nicht. Als ob andere zu blöd dafür sind, das selbst zu entscheiden…
Was für eine Anmaßung!
Mit ihren neuen Speiseplan-Regeln liefert Hendricks ein weiteres Beispiel für die unnötige Gängelungswut von Politikern. Mit der Ernährung sollte es jeder halten wie mit der Religion: Sie ist Privatsache.
Schließlich käme auch niemand auf die Idee, der Umweltministerin vorzuschreiben, den ganzen Tag nur Fleisch zu essen.
Der Vergleich am Ende hinkt allein schon deswegen wie ein angeschossenes Suppenhuhn, weil die neue Regelung im Umweltministerium nur für offizielle Veranstaltungen gilt, nicht aber für das wochentägliche Essen in den Kantinen, wie “Bild” ja auch inzwischen rausgefunden hat. Solms-Laubach schreibt zwar nur von den “Gästen ihres Ministeriums”, so richtig klar arbeitet er diese Einschränkung allerdings nicht raus: Es gibt und gab im Umweltministerium für Mitarbeiter und Gäste von Montag bis Freitag Fisch und Fleisch. Lediglich bei Fachtagungen oder Pressekonferenzen soll nur vegetarisches Essen serviert werden — was man dann auch nicht mehr als große “Anmaßung” oder “Bevormundung” oder “Gängelungswut” bezeichnen kann, sonst wäre ja jeder Gastgeber bei jeder Veranstaltung mit festem Speiseplan ein anmaßender Bevormunder mit Gängelungswut.
Am vergangenen Montag gab es dann doch noch eine kleine Einordnung durch “Bild”:
Bei Bild.de ist der Text etwas länger. Diesen Platz nutzt Franz Solms-Laubach aber nicht etwa, um seine Aussagen vom Samstag zu revidieren, sondern um seine leicht missverständliche Einschätzung auf angebliche Kuriositäten im Ministerium zu schieben:
Der Veggie-Zwang für Gäste des Bundesumweltministeriums (BMUB) treibt immer kuriosere Stilblüten! Während Besucher nach dem Fisch- und Fleischverbot vegetarisch darben müssen, dürfen die Mitarbeiter der Kantine weiter Schweinebraten, Fischfilet und Co. essen.
Natürlich dürfen nicht nur “die Mitarbeiter der Kantine weiter Schweinebraten, Fischfilet und Co. essen”, sondern alle Mitarbeiter in der Kantine. Aber lassen wir das.
In der Zwischenzeit haben weitere Medien das vermeintliche Aufregerthema aufgegriffen. Manche von ihnen haben erwähnt, dass es in der Kantine noch immer Fisch und Fleisch gibt. Andere haben noch heftiger zugespitzt. tag24.de zum Beispiel:
Jetzt ist er da, der Veggie-Zwang! Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (64, SPD) will weder Fisch noch Fleisch in ihrem Haus. Seit Anfang Februar wird Gästen des Ministeriums deshalb nur noch vegetarisches serviert.
Doch zurück zu “Bild”: In ihrer großen Transparenz- und Fehlerkultur-Offensive haben Chefredakteurin Tanit Koch und Chefredakteur-Chef Julian Reichelt neulich verkündet:
Wir werden ein zusätzliches Team schaffen, das besonders sensible Geschichten aus Bereichen, in denen häufig “Fake News” kursieren, über unsere normalen Prozesse hinaus noch ein weiteres Mal prüft und mit anderen vorhandenen Quellen abgleicht.
Fürs Erste würde es ja schon reichen, wenn sie Leute ranholen, die in der Lage sind, Speisepläne zu lesen.
Mit Dank an @RomanKonz für den Hinweis!
Nachtrag, 25. Februar: “Bild” hat in der heutigen Ausgabe auf Seite 2 eine Korrektur veröffentlicht, durch die noch einmal deutlich wird, wie piefig die Ausgangsmeldung von gestern war: