“So langsam lassen auch die Mainstreammedien die Katze aus dem Sack”, freute sich die AfD, als sie in der vergangenen Woche auf folgende Schlagzeile stieß:
(mopo.de)
Allerdings müssen wir die AfD enttäuschen: Die Katze aus dem Sack ist eine Ente.
In den Artikeln heißt es:
Mehr als zehn Prozent der im ersten Quartal in Hamburg ermittelten Straftäter sind Flüchtlinge. Das ergab die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Gladiator. “Erschreckend” nennt der CDU-Innenpolitiker die Zahl.
Exakt wurden 2252 der rund 21.000 in den ersten drei Monaten dieses Jahres ermittelten Tatverdächtigen als Flüchtlinge eingestuft. Die meisten durch sie begangenen Straftaten sind demnach Diebstähle, Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie Körperverletzungen.
Zwar geht die Zahl 2252 tatsächlich aus der Antwort des Hamburger Senats (PDF) hervor. Doch es geht dabei um Tatverdächtige, nicht um Täter. Es steht also gar nicht fest, wie viele davon wirklich eine Straftat begangen haben. Unklar bleibt auch, wie viele der Taten zum Beispiel bei Massenschlägereien in Unterkünften verübt wurden. Oder woher eigentlich die Gesamtzahl von 21.000 Verdächtigen kommt (aus der Antwort des Senats jedenfalls nicht).
Außerdem sind solche Quartalszahlen ohnehin nur mit sehr, sehr großer Vorsicht zu interpretieren, wie der Senat in seiner Antwort explizit betont:
Die PKS [Polizeiliche Kriminalstatistik] ist auf Jahresauswertungen ausgelegt. Innerhalb eines Berichtsjahres unterliegt der PKS-Datenbestand einer ständigen Pflege, zum Beispiel durch Hinzufügen von nachträglich ermittelten TV [Tatverdächtigen] oder der Herausnahme von Taten, die sich im Nachhinein nicht als Straftat erwiesen haben.
Zur begrenzten Aussagekraft unterjähriger Daten siehe im Übrigen Drs. 16/4616. Die Erfassung erfolgt unabhängig von der Tatzeit nach Abschluss aller kriminalpolizeilichen Ermittlungen eines Vorganges an die Staatsanwaltschaft.
Zur Beantwortung der Frage, wie viele Straftaten durch „Flüchtlinge“ im erfragten Zeitraum begangen worden sind, wäre eine händische Durchsicht sämtlicher Ermittlungs- und Handakten bei der Polizei erforderlich. Die Durchsicht von mehreren Zehntausend Vorgängen ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.
Auch in der Drucksache 16/4616 (PDF), auf die der Senat verweist, steht unmissverständlich:
Wegen der begrenzt aussagekräftigen Basis wird nochmals darauf hingewiesen, daß eine solche Betrachtungsweise zu sehr verzerrten Ergebnissen führen kann. Von daher ist insbesondere eine kleinteilige Darstellung (…) aus fachlichen Gesichtspunkten nicht hinreichend aussagekräftig.
Kurz gesagt: Die Zahlen sagen nichts aus. Erst recht nicht das, was “Mopo” & Co. in ihren Überschriften behaupten.
Auch Bild.de berichtet und wirft noch andere Zahlen in den Ring:
Dabei differenziert die Polizei nach Menschen mit laufendem Asylverfahren (1705 Tatverdächtige), Schutzberechtigte und Asylberechtigte (205 Tatverdächtige), Menschen, die trotz abgelehnten Asylantrags geduldet werden (261 Tatverdächtige) und Kontingentflüchtlinge (81 Tatverdächtige).
Nach Angaben des Einwohnerzentralamts leben in Hamburg derzeit 29 209 Menschen, auf die diese Kriterien zutreffen. Von ihnen wären also rund 7,7 Prozent straffällig geworden.
Die Schlussfolgerung ist aber auch falsch. Erstens lässt “Bild” außer Acht, dass bei den Tatverdächtigen durchaus Mehrfachnennungen möglich sind (eine Person wird verschiedener Taten verdächtigt). Und zweitens verweist der Sprecher der Hamburger Polizei im “Abendblatt” darauf, …
dass viele der erfassten Tatverdächtigen unter den Flüchtlingen nicht in Hamburg untergebracht sind. “Hamburg bietet als Metropole viele Tatgelegenheiten und ist deshalb für Straftäter attraktiv.” Das gelte aber auch für alle anderen Tatverdächtigen, die die Hamburger Polizei ermittele.
Aber wie das so ist: Die Zahlen sind in der Welt — und die Fremdenfeinde um ein Scheinargument reicher.
Mit Dank an Martin S.!