Puh, da hätte es beinahe mal wieder geknallt, also in der Fantasie der Bild.de-Redakteure.
Ein Amateurfilmer hatte ein, nun ja, Manöver von zwei Passagiermaschinen auf dem Flughafen in Birmingham aufgenommen und das Video bei Youtube hochgeladen. Bild.de hat die Aufnahmen zweimal hintereinandergeschnitten (weil die 21 Sekunden sonst nicht für den Sprechertext gereicht hätten) und ein kleines Drama daraus gestrickt:
Aber wie so oft im Beinahe-Journalismus hat Bild.de eine ganz eigene Interpretation des Beinahe-Geschehens.
Der erste Komplettquatsch steckt in der Behauptung “Zwei auf einer Landebahn”. Bild.de glaubt, dass beide Flugzeuge landen. Aber das stimmt nicht: Das hintere Flugzeug landet, das vorder startet. Der Flughafen in Birmingham hat nur einen “Runway” in Betrieb, der sowohl für Starts als auch für Landungen genutzt wird.
Der Sprecher im Bild.de-Video sagt über den Piloten der vorderen Maschine:
Weil hinter ihm ein Airbus A320 landen will, startet er kurzerhand durch. Mit seinem bedachten Handeln verhindert er vielleicht ein Unglück.
Um herauszufinden, dass er nicht durchstartet, sondern lediglich startet, hätte ein Blick in die Beschreibung des Originalvideos gereicht:
Landing Airbus A320 and Embraer 195 taking off at BHX showing that pilots and controllers sometimes don’t have very long to make decisions.
Und auch die angeblich gerade noch so verhinderte Kollision auf der Start- und Landebahn ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Gedankenspiel von Bild.de. Zunächst dürfte die Perspektive der Videoaufnahme — wahrscheinlich von einem relativ weit entfernten Punkt mit einem Teleobjektiv gefilmt — die Situation verzerren und den Abstand der Flugzeuge deutlich geringer erscheinen lassen.
Ein Fluglotse, der an einem deutschen Verkehrsflughafen arbeitet, erklärte uns, dass das Bildmaterial einen Vorgang zeige, “der völlig legal und sicher ist und in dieser Form mehrere hundert Mal täglich allein in Deutschland vorkommt”:
Vorne startet ein Flugzeug, kurz danach setzt dahinter ein landendes Flugzeug auf. Hat das vorausfliegende Flugzeug dabei das Pistenende noch nicht überflogen, spricht man von “Reduced Runway Separation”, also reduzierter Pistenstaffelung.
Um ihre Beinahe-Crash-These zu untermauern, hat sich die Bild.de-Videoredaktion noch einen Beleg ausgedacht. Der Sprecher sagt:
Der Tower hatte den Piloten zuvor mit einem Close Call vor der anderen Maschine gewarnt.
Einen “Close Call” gibt es in der Fluglosten-Sprache nicht. Der Ausdruck bedeutet “Beinaheunfall” oder “knappe Sache” — und steht einzig als Titel über dem Youtube-Video des Amateurfilmers.
Mit Dank an Christian G.!