In vielen Medien ist heute vom neuen Kinofilm mit Reese Witherspoon zu lesen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, der Zeitpunkt aber schon: Der Film startet hierzulande erst in vier Monaten, da ist es für Vorbesprechungen eigentlich noch viel zu früh.
Dass heute trotzdem schon intensiv darüber berichtet wird, liegt auch nicht am Film selbst, sondern an diesem Bild.de-Artikel von gestern Abend:
Darin heißt es:
Die brave Blondine rüttelt an ihrem Sweetheart-Image …
Reese Witherspoon (38) spricht im Interview mit der US-Zeitschrift „Vogue“ über ihren neuen Film „Wild“ (ab 5. Februar 2015 im Kino). Sie verrät, dass sie beim Dreh der Sexszenen auf echtem Sex bestand! (…)
Der Sex (…) war echt. „Ich wollte, dass es wahrhaftig und real ist“, sagt Witherspoon im „Vogue“-Interview.
Und das macht die Sache für die deutsche Sabberjournaille natürlich schon jetzt höchst interessant.
So dauerte es auch nicht lange, bis auch die dpa aufsprang und heute Morgen verkündete:
US-Schauspielerin Reese Witherspoon (38) wollte beim Dreh ihres neuen Films „Wild“ echten Leinwand-Sex und keine Schummelei. „Ich wollte, dass es wahrhaftig, dass es roh und dass es real ist“, sagte sie dem US-Magazin „Vogue“.
Inzwischen findet man die Story (mal im Newsticker, mal als redaktionell bearbeiteten Beitrag) unter anderem bei Stern.de, “Focus Online”, Welt.de, Tagesspiegel.de, “RP Online”, oe24.at, Bunte.de, den Online-Auftritten von n-tv, N24, der “Berliner Zeitung”, der “Passauer Neuen Presse”, den “Ruhrnachrichten”, des “Merkur”, des “Schwarzwälder Boten”, der “Intouch”, der “Augsburger Allgemeinen”, des “Kölner Stadt-Anzeigers” und der “Abendzeitung”.
Der Haken ist aber: Das stimmt alles gar nicht.
In dem “Vogue”-Interview, auf das sich Bild.de und die dpa berufen, sagt Witherspoon lediglich:
“I just didn’t want to hear, ‘Oh, we don’t want to see Reese have sex. . . . Oh, can we not have any profanity?’ ” says Witherspoon. “I wanted it to be truthful, I wanted it to be raw, I wanted it to be real.”
Das bedeutet aber keinesweg, dass sie echten Sex hatte. Es sollte nur auf der Leinwand echt wirken.
Allem Anschein nach wollte Witherspoon bloß ausdrücken, dass die Sexszenen in ihrer Härte und Deutlichkeit über das hinausgehen sollten, was sie bisher gemacht hat. Das wäre auch eine Erklärung dafür, warum ausschließlich deutschsprachige Medien über “echten Sex beim Filmdreh” schreiben. Englischsprachige Portale stürzen sich zwar auch auf das Zitat, aber nur, weil sie auf den Imagewechsel der Schauspielerin hinauswollen (“The girl next door is suddenly a girl gone Wild”). Von echtem Sex ist dort nicht mal ansatzweise die Rede.
Mit Dank an Björn S., Jonas G., Jan W., Markus, CL und Martin S.
Nachtrag, 15 Uhr: Die dpa hat schon vor Erscheinen unseres Eintrags eine korrigierte Version der Meldung verschickt, die inzwischen von stern.de, welt.de, pnp.de, ruhrnachrichten.de, schwarzwaelder-bote.de und merkur-online.de übernommen wurde. Die Online-Redaktion von n-tv.de hat (im Gegensatz zu den gerade genannten) auch darauf hingewiesen, dass sie ursprünglich falsch berichtet hatte. Bei allen anderen hat sich gar nichts getan.