Was ein Glück! Kurz nach den Feiertagen fand sich auf der Startseite von stern.de genau das Richtige für Leser, die sich bei all den Plätzchen, Festtagsbraten und mit Plätzchen gefüllten Festtagsbraten nicht zurückhalten konnten:
Wer dem Link in Richtung “Kampf den Kilos” folgt, landet bei einem stern.de-Artikel:
Der stern-Abnehm-Coach hilft und erklärt, wie man sein Gewicht dauerhaft reduziert.
Wissenshungrige können alle Fakten und Neuigkeiten zum Thema Übergewicht im stern-Abnehm-Coach nachlesen. (…)
Der Coach basiert auf dem aktuellen Stand der Ernährungs- und Sportwissenschaften und orientiert sich an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). (…)
Per Mausklick zur Wunschfigur
Dass hier neben dem Wunsch nach schlanken Lesern auch kommerzielles Interesse mitschwingt, zeigt sich im letzten Absatz:
Wenn es um gesunde Ernährung und Sport geht, kommt immer wieder die Geldfrage auf. Fitnessstudios sind teuer, gute Ernährungsberater erst recht. Nicht hier: Der stern-Ernährungscoach ist professionell und kostet weniger als 15 Euro im Monat.
Der Link führt auf die Domain stern-abnehm-coach.de. Die aber gehört nicht, wie man denken könnte, dem “Stern”, stern.de oder dem Verlag Gruner + Jahr. Sie gehört der Berliner Firma xx-well.com AG.
Der “Stern-Abnehm-Coach” ist eine umlackierte Version des “Abnehm-Coaches” der Firma xx-well.com. Wer sich für den “Stern-Abnehm-Coach” anmeldet, bewegt sich dabei zwar die ganze Zeit auf Seiten, die aussehen wie die von stern.de. Er schließt aber einen Vertrag mit der Firma xx-well.com AG.
Man ahnt das nicht, wenn man nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen liest, denn stern.de schreibt bloß davon, das Angebot werde “in Kooperation mit xx-well.com” gemacht.
Wenn stern.de für den “Stern-Abnehm-Coach” wirbt, wirbt es für das Angebot eines externen Unternehmens. Und stern.de wirbt wie verrückt: In vielen, vielen, vielen, vielen redaktionellen Artikeln.
Auch der gedruckte “Stern” wirbt in seinem vermeintlich redaktionellen Teil immer wieder für das kommerzielle Angebot. Im Mai 2008 hieß es etwa: “Per Mausklick schlanker werden: Der neue Abnehm Coach des stern macht das Leben leichter (…)”. Auch im aktuellen Heft 2/2011 stehen wieder ein paar Zeilen, unter der Überschrift:
“Persönlicher Helfer im Kampf gegen die Weihnachtspfunde”.
Damit verstoßen “Stern” und stern.de klar gegen Ziffer 7 des Pressekodex, wo es heißt:
Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.
Vermutlich bekommt stern.de Provision von xx-well.com für den stern.de-Leser, der auf diese Weise zum xx-well.com Kunden wird. Die Firma bietet jedem Online-Medium ein entsprechendes “Partnerprogramm” an, das mit Provisionen zwischen 4 und 35 Euro pro vermittelten Kunden lockt — stern.de könnte als spezieller Partner auch eigene Konditionen ausgehandelt haben.
Auch die Diät-Coaches der Zeitschriften “Brigitte”, “Men’s Health”, der Portale web.de und gmx.de und vieler weiterer Medien basieren auf dem Angebot des “Experten für Online-Coaching”.
Es scheint ein gutes Geschäft zu sein — nur nicht unbedingt für die Leser.
Worauf stern.de nämlich nicht hinweist: Wer das “Coaching”-Angebot direkt von xx-well.com abonniert, zahlt deutlich weniger als bei der “Stern”-Variante — und das, obwohl sich die beiden Angebote laut Marketingabteilung von xx-well.com nur in Nuancen (etwa einzelne Rezepte) unterscheiden:
Und dabei hatte stern.de auf der Hauptseite des “Stern-Abnehm-Coaches” neben “weniger Pfunde” und “mehr Aktivität” auch “faire Preise” versprochen:
Mit großem Dank an Kevin R.
Nachtrag, 11. Januar: Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen, dass das Verlagshaus Gruner + Jahr, zu dessen Publikationen unter anderem “Stern” und “Brigitte” gehören, bereits seit 2007 die Aktienmehrheit von xx-well.com hält und seine Anteile 2010 auf 95 Prozent erhöht hat. Damit geht es beim “Stern-Abnehm-Coach” nicht nur um Provisionen, wie wir zuerst mutmaßten, sondern um ganz konkrete Einnahmen.