Achtung, nicht erschrecken: Bei “Bild” hat sich was verbessert. Zumindest ein bisschen und auch nur teilweise.
Die Redaktion scheint ein kleines Stück sensibler geworden zu sein im Umgang mit Fotos, die Opfer von Verbrechen und Unglücksfällen zeigen. Allein in der heutigen Print-Ausgabe findet man zwei Bildunterschriften, die auf diese Entwicklung hindeuten. Zu einer Geschichte mit der Überschrift “Handwerker Yusuf wurde auf der Autobahn erstochen” schreibt “Bild” zu einem Foto, auf dem das Opfer unverpixelt zu sehen ist:
Yusuf C. bei seiner standesamtlichen Trauung. BILD zeigt das Foto mit dem Einverständnis seiner Familie
In einem anderen Artikel, in dem es um einen aktuell laufenden Prozess in Frankreich geht, zeigt die “Bild”-Redaktion ein unverpixeltes Foto des Opfers und schreibt dazu:
Gisèle P. (72) besteht darauf, dass der Prozess gegen ihren Mann öffentlich geführt wird. Vor Gericht ließ sie sich fotografieren
Nun ist es noch mal eine andere Frage, ob man, wie im Fall des “Handwerkers Yusuf”, eine trauernde Familie in dieser Situation unbedingt mit der Frage behelligen muss, ob man denn ein Foto des Verstorbenen bekommen und veröffentlichen kann. Diese im Artikel geschilderte Szene klingt jedenfalls stark nach Witwenschütteln:
BILD trifft die Familie des gelernten Dachdeckers an seinem Wohnort in der Nähe des Tatorts. Frauen liegen sich schluchzend in den Armen, Männer können ihre Tränen nicht zurückhalten.
Gemessen an dem niedrigen Niveau, von dem “Bild” kommt und für das der Deutsche Presserat der Redaktion zahlreiche Rügen erteilt hat, ist das Einräumen eines Mitspracherechts bei der Fotoveröffentlichung, selbst unter Ausnutzung eines emotionalen Ausnahmezustands, aber schon eine Verbesserung.
Doch es gibt auch noch das alte Muster: Vergangenen Donnerstag berichtete die “Bild”-Redaktion über eine “Horror-Attacke vor Jamaika”. Und zeigte auf der Bild.de-Startseite und im Artikel das 16-jährige Opfer unverpixelt:
(Die Unkenntlichmachung stammt von uns.)
Einen Hinweis wie “BILD zeigt das Foto mit dem Einverständnis seiner Familie” findet sich nicht im Artikel. Dafür aber der vollständige Vor- und Nachname des Jugendlichen.
Zum “Opferschutz” schreibt der Presserat in Richtlinie 8.2 seines Pressekodex:
Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich.
Und konkretisiert in Richtlinie 8.3:
Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.
Auch RTL.de veröffentlichte gestern einen Artikel zum “blutigen Drama vor der Küste von Jamaika”, zeigt darin ein unverpixeltes Foto des 16-Jährigen und nennt dessen kompletten Namen.