Gespenstische Gesichtersuche, Korrekt gendern, Marseille

1. Eine polnische Firma schafft gerade unsere Anonymität ab
(netzpolitik.org, Daniel Laufer & Sebastian Meineck)
“Toll, endlich eine elektronische Suche für Gesichter”, mögen manche etwas unbedarfte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen denken, wenn sie auf Pimeyes stoßen. Doch Fachleute erkennen in der kostenlos abrufbaren Datenbank mit mehr als 900 Millionen Gesichtern ein enormes Missbrauchspotenzial. Daniel Laufer und Sebastian Meineck sind der Sache in einer aufwändigen Recherche nachgegangen.

2. Pressefreiheit überwiegt
(taz.de, Christian Rath)
Das “Manager Magazin” hat 2011 über den einschlägig bekannten Ulrich Marseille berichtet, den Chef der bundesweit tätigen Marseille-Kliniken AG (heute MK-Kliniken AG). In dem Porträt wurde auch eine für Marseille leicht peinliche Anekdote erwähnt: Der Konzernleiter sei 1984 im juristischen Staatsexamen bei einem Täuschungsversuch ertappt worden und habe das Studium ohne Abschluss abbrechen müssen. Marseille klagte, zunächst erfolgreich, gegen die Berichterstattung, musste jetzt jedoch eine Niederlage hinnehmen: Der Bericht über die Jugendverfehlung sei zulässig gewesen, so das Verfassungsgericht. “Es gebe zwar eine ‘Chance auf Vergessenwerden’, so die Verfassungsrichter, bei einer Abwägung im Fall Marseille überwiege aber das Recht der Presse, wahrheitsgemäß zu berichten. Schließlich sei Marseille stets öffentlich tätig gewesen und habe auch die Öffentlichkeit gesucht.”

3. Korrekt gendern – wie geht das?
(genderleicht.de, Christine Olderdissen)
Anlässlich des einjährigen Bestehens von Genderleicht.de hat Projektleiterin Christiane Olderdissen einen lesenswerten Beitrag zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch verfasst, der für mehr Gelassenheit wirbt: “Die Weiterentwicklung der Sprache ist ein hoch demokratischer Prozess, denn die Mehrheit entscheidet, was funktioniert und was so zur Sprachnorm wird. Wir müssen zum Beispiel hinnehmen, dass der Genitiv zunehmend vom Dativ verdrängt wird. Diesen Prozess können wir sprachliebend beweinen und persönlich mit korrektem Einsatz des Genitivs gegenhalten. Aufhalten lässt sich die Entwicklung nicht. Genauso wenig wie ‘das Gendern’.”

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4. Das (zu) späte Erwachen der Medienverbände
(ndr.de, Daniel Moßbrucker)
Durch ein von netzpolitik.org veröffentlichtes Leak wurde bereits im März 2019 bekannt, dass deutsche Geheimdienste nicht nur Schwerstkriminelle und Terroristen abhören beziehungsweise “hacken” dürfen, sondern in Einzelfällen auch Medien. Doch erst jetzt scheinen die Medienverbände das Thema entdeckt und mit einer Stellungnahme (PDF) darauf reagiert zu haben. Der Einspruch komme spät – vermutlich sogar zu spät, so Daniel Moßbruckers Einschätzung.

5. Wo stehen die Verlage jetzt?
(deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven, Audio: 4:48 Minuten)
Die Corona-Pandemie hat viele Medien- und Verlagshäuser schwer getroffen, trotz gestiegener Onlinenutzung und Zuwachs beim Verkauf von Digitalabos. Wie wird es weitergehen? Experten sind nicht allzu optimistisch: “Wenn jetzt Werbekunden sich entschieden haben, ich verzichte erstmal auf Werbung in der Zeitung, dann ist durchaus nicht ausgemacht, dass nur wenn die wirtschaftliche Situation für die Werbekunden wieder besser wird, sie auch wieder mehr Geld für Werbung in der Zeitung ausgeben. Vielleicht geben sie dann auch für Werbung in anderen Werbeformen aus, also, dass sie dauerhaft weg sind.”

6. Facebook entfernt Accounts von Hassgruppe und Trump-Vertrautem
(zeit.de)
Facebook habe mehr als einhundert Konten gesperrt, die mit Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro und Donald Trumps Berater Roger Stone in Verbindung gebracht wurden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des brasilianischen Präsidenten hätten ein “Desinformationsnetzwerk” erschaffen, das spalterische politische Botschaften verbreitet habe. Der langjährige Trump-Berater Roger Stone und dessen Partner hätten 50 persönliche und geschäftliche Seiten betrieben und gefälschte Konten und Follower genutzt, um Stones Bücher und Beiträge anzupreisen.
Dazu eine Guckempfehlung des “6 vor 9”-Kurators für das Wochenende: Die gleichermaßen unterhaltsame wie fassungslos machende Netflix-Doku: “Get me Roger Stone” (Dazu Jürgen Schmieder auf Süddeutsche.de: “Gegen den US-Politikberater Roger Stone wirkt selbst Frank Underwood aus ‘House of Cards’ wie ein Pimpf mit zu vielen Skrupeln.”)