Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit heute Verteidigungsministerin, und diese Berufung sei laut “Bild”-Medien für Bundeskanzlerin Angela Merkel “ein unschätzbarer Vorteil”. Denn …
Denn: Sollte Merkel jetzt als Kanzlerin zurücktreten, können die Amtsgeschäfte vom Bundespräsidenten einem Kabinettsmitglied übertragen werden. Kramp-Karrenbauer, die kein Bundestagsmandat hat, könnte auf diesem Wege Kanzlerin der GroKo werden, ohne dass Neuwahlen oder eine Nachwahl mit Hilfe der SPD nötig wären.
Das ist Unsinn.
Sollte die Bundeskanzlerin zurücktreten, muss ein neuer Kanzler beziehungsweise eine neue Kanzlerin vom Bundestag gewählt werden. Bis das soweit ist, kann der Bundespräsident laut Artikel 69 Absatz 3 des Grundgesetzes die Bundeskanzlerin “ersuchen”, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers selbst weiterzuführen. Dazu wäre die Kanzlerin “verpflichtet”. Wäre das objektiv betrachtet nicht möglich, etwa weil die Kanzlerin gestorben ist, würde ihr Stellvertreter die Geschäfte weiterführen, aktuell also Finanzminister Olaf Scholz. Dass der Bundespräsident die Amtsgeschäfte der Bundeskanzlerin im Falle eines Rücktritts an irgendein anderes Kabinettsmitglied überträgt — eine derartige Regelung gibt es nicht, wie uns Jura-Professor Marius Raabe auf Nachfrage bestätigt.
Vielleicht hat die “Bild”-Redaktion den Absatz 3 des Grundgesetz-Artikels 69 einfach falsch gelesen. Dort wird auch geregelt, dass die Bundesministerinnen und -minister “auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten” verpflichtet sind, die Geschäfte weiterzuführen. Dies bezieht sich allerdings nur auf den jeweiligen Posten. Annegret Kramp-Karrenbauer würde im Falle eines Rücktritts von Bundeskanzlerin Angela Merkel also die Geschäfte der Verteidigungsministerin weiterführen. “Kanzlerin der GroKo”, “ohne dass Neuwahlen oder eine Nachwahl mit Hilfe der SPD nötig wären”, könnte sie nicht werden.
Nachtrag, 16:47 Uhr: Im selben Artikel behaupten die “Bild”-Medien, dass Annegret Kramp-Karrenbauer erst in Monaten vereidigt werden könnte:
Auch sonst läuft der Start als Bundesministerin für AKK eher holprig: Wegen der Sommerpause und der Renovierung im Reichstag kann sie erst im September vereidigt werden.
Tatsächlich findet die Vereidigung in einer Sondersitzung des Bundestages in einer Woche statt.