Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist seit dieser Woche nicht mehr Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan (CDU), weil ihr die Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf den Doktorgrad entzogen hat.* In der Dissertation von Frau Schavan seien “in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden”, begründete die Universität ihre Entscheidung.
Für Tilman Krause, Leitender Literaturredakteur bei der “Welt”, ist der Fall Schavan kein Einzelfall, sondern Symptom einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung. Er schreibt:
Der Fall Schavan erinnert noch einmal an einen Umstand, der dem Vergessen anheimzufallen droht, aber zum Verständnis unserer Gegenwartsnöte unabdingbar ist: Der Ausverkauf von Bildung, der naive Glaube, jeder könne ein Intellektueller sein und der Aufstieg ins Bildungsbürgertum lasse sich in zwei, drei Jahren bewältigen – all diese törichten Illusionen sind auf sozialdemokratischem Mist gewachsen.
Krause fragt, was man von einer Frau halten solle, die, “aus einfachen Verhältnissen kommend, promovieren will um jeden Preis, hauptsächlich aber ohne vernünftig studiert zu haben” und die – “mit anderen Worten” – “Bildung missverstand wie Honecker den Sozialismus”.**
Nimmt man dazu noch die Tatsache, dass Annette Schavan ihre Fahrt ins akademische Glück im Fach Erziehungswissenschaften angestrebt hat und sich dafür an der Universität Düsseldorf immatrikulierte, dann hat man ein so lupenreines sozialdemokratisches Aufstiegsmuster beisammen, dass man schon fast wieder an der Daseinsberechtigung der CDU zweifeln möchte, wenn solche Lebensläufe sich jetzt dort finden statt in der SPD, wo sie hingehören.
Krause liefert dann eine “kleine Erinnerung an die universitäre Landschaft, wie sie sich im Jahr von Annette Schavans Dissertationsanstrengung, also 1980, darbot”. Erziehungswissenschaften seien damals in etwa das gewesen, was heute “Kulturmanagement” oder “Journalistik” seien: “ein Non-Fach, eine intellektuelle Simulation”.
Im Falle von Annette Schavan kam es aber laut Tilman Krause noch schlimmer:
Und nun Düsseldorf. Wer aus Nordrhein-Westfalen stammte und auf sich hielt, schickte seine Kinder doch nicht nach Düsseldorf! Bonn, Münster, Köln waren die renommierten Ausbildungsstätten, Bochum galt als interessante Reformuniversität, aber Düsseldorf, 1965 gegründet, stand nun wirklich für gar nichts – außer für den sozialdemokratischen Traum von der Hochschulreife für alle.
Die Uni Düsseldorf ist für Krause also quasi der betongewordene “sozialdemokratischen Traum von der Hochschulreife für alle”.
Und tatsächlich hatte die Landesregierung NRW 1965 die Umwandlung der bisherigen Medizinischen Akademie in eine “Universität Düsseldorf” beschlossen.
Der “Spiegel” schrieb damals:
Nordrhein-Westfalen, den anderen Bundesländern bislang nur in den Einnahmen und Einwohnern weit voraus, entwickelt sich nun zum hochschulreichsten Land der Bundesrepublik. Treibende Kraft ist Kultusminister Professor Paul Mikat, Geburtshelfer von fünf Universitäten (Bochum, Dortmund, Ostwestfalen, Aachen, Düsseldorf).
Paul Mikat war Mitglied der CDU. So, wie überhaupt die ganze Landesregierung unter Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) damals aus CDU und FDP bestand.
Mit Dank an Ralf B.
**) Nachtrag/Hinweis, 9. Februar: In der Onlineversion steht nun “die mit anderen Worten Bildung missverstand wie Ulbricht den Sozialismus”. Zuvor hatte dort – wie in der Printversion – “Honecker” gestanden. Die Universität Düsseldorf steht aber immer noch für den “sozialdemokratischen Traum”.