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Neues von Knut

Man kann sie nur erahnen, die Anstrengung, die es die “Bild”-Redaktion kostet, Tag für Tag Artikel aus einem Eisbärbaby herauszupressen, aber sie scheint übermenschlich zu sein.

In der vergangenen Woche machte die Zeitung aus einem wirren Brief und einem Sicherheitsbeamten ein Szenario, als müsse Knuts Gehege aufgrund von Morddrohungen gesichert werden wie Heiligendamm vor dem G8-Gipfel.

Gestern verkündete “Bild”, Knut sei nun in die “Bärenpubertät”* gekommen, und präsentierte fast halbseitig seine “1. Freundin”, an der er neuerdings “strategisch seinen Teenie-Charme” teste: die alte Kragenbärin Mäuschen. Offenbar mit Erfolg, denn neben dem Foto von Mäuschen steht groß:

Bisher spielte die Kragenbärin immer mit einer Katze. Aber jetzt ist der kleine Eisbär da…

Und unterstehen Sie sich, das aufgrund der zwei zusammenmontierten Fotos (Ausriss rechts) für eines der üblichen “Bild”-Märchen zu halten, denn “Bild” hat ihn, den “Foto-Beweis”:

Wobei — das können wir toppen. Wir haben nämlich den Video-Beweis! Also, eigentlich hat ihn Knuts Haussender, der RBB. Er zeigte ihn der interessierten Weltöffentlichkeit (und den ARD-Zuschauern) bereits am 12. April:

Und auch da war die Bekanntschaft zwischen Knut und der Kragenbärin längst keine Neuigkeit mehr: Bereits am 16. März berichtete das Berliner Boulevardblatt “B.Z.” (eine Schwesterzeitung von “Bild”), dass Knut und Mäuschen bereits “Sicht- und Riechkontakt” aufgenommen hätten. Und bereits am 18. März beschrieb die “Berliner Morgenpost” (eine Schwesterzeitung von “Bild”), wie Knut “der uralten Kragenbärin Mäuschen auf dem Hof einen Besuch abstatten” wollte.

An der Pubertät liegt’s also nicht. Und schon dem inzwischen fünf Wochen alten “Morgenpost”-Artikel konnte man entnehmen, dass von einer Freundschaft keine Rede sein kann. Mäuschen findet Knut nämlich, wie Knuts Pfleger im RBB-Video sagt, “nicht so niedlich”. Regelmäßig muss er, zu seinem eigenen Schutz, von ihr ferngehalten werden.

Und heute? Heute staunt “Bild” halbseitig:

Knut soll Norweger werden!

Ja. Das stand am 19. April, also vor fünf Tagen, schon kurz in der “taz”. “Bild” aber hat zusätzlich noch ein Statement von Ragnar Kühne vom Berliner Zoo eingeholt, das erahnen lässt, wie sehr man sich dort über die Berichterstattung von “Bild” freut. Kühne antwortete auf die Nachfragen mit einem Satz, der der Dramatik der aktuellen Entwicklung wohl gerecht wird. Er sagte “Bild”:

“Wir haben einen Brief erhalten und ihn an die zuständige Abteilung weiter gereicht.”

Mit Dank an kuzy für den Norwegen-Hinweis!

*) Nachtrag: (mit Dank an Markus M.) Eisbären werden im Alter von fünf bis sechs Jahren geschlechtsreif.

Yan-Yan-Content

“Wegen Knut?” fragte “Bild” bereits gestern auf der Titelseite.

Denn just, nachdem der populäre Eisbär (wir berichteten) in einem Berliner Gehege der Öffentlichkeit präsentiert wurde, starb im selben Zoo die Pandabärin Yan Yan. Und “Bild” schrieb:

Noch wird über die Ursache gerätselt. Starb sie wegen Knut? War es der Stress durch die plötzlich täglich 30 000 Besucher, die kommen, um Knut zu sehen?

Und eine Antwort auf die vielen Fragen gab es auch. Eine Antwort, wie man sie vermutlich nur in “Bild” finden kann:

Die Todesursache — war es der Stress der letzten Tage? (…) BILD-Reporter hatten in den vergangenen Tagen beobachtet: “Viele Menschen, die wegen der langen Schlangen keinen Blick auf Knut werfen konnten, gingen dann zu Yan Yan. Sie wirkte verunsichert, verschüchtert.”

Wie die Obduktion ergab und der heutigen “Bild” zu entnehmen ist, hatte die Pandabärin einen “kleinen Lebertumor”, starb aber “offiziell an Herzstillstand!” (Bundes-Ausgabe) beziehungsweise “an einer Darmverstopfung, ihr Herz hörte einfach auf zu schlagen” (Ausgabe Berlin-Brandenburg). Oder noch genauer: “Durch die Verstopfung gelangten Darmgifte in die Blutbahn, griffen ihr Herz an” (“Zoobiologe Dr. Ragnar Kühne”). Beziehungsweise: “Durch eine Darmverstopfung wurden giftige Stoffe nicht ausgeschieden. Eine Blutvergiftung führte dann zum Herzversagen” (“Andreas Ochs vom Berliner Zoo”).

Keine Knutitis also, sondern Ileus — “ein unglücklicher Zufall”, wie es der Zoobiologe nennt.

Wie wenig diese Wahrheit der “Bild”-Zeitung gefällt, illustriert sie in folgenden Zeilen, die über dem Yan-Yan-Artikel stehen:

"Yan Yan erlag einem Darmverschluss und hatte einen Leber-Tumor! Oder starb sie
an Eifersucht auf den beliebten Knut?"

Wer “Bild” verstehen will, sollte dieses Satzpaar eine Weile auf sich wirken lassen.

Liebe Kinder,

wie wir heute aus der “Bild”-Zeitung erfahren, habt ihr gestern offenbar “gegen die Todesspritze für Knut” "1. Eisbär-Demo: Kinder kämpften für Knut"demonstriert (siehe Ausriss). Wir freuen uns, dass ihr dafür im Berliner Zoo wart. Dort kann man schließlich eine Menge lernen — nicht nur über Eisbären, auch über andere Tiere.

Allerdings müssen wir euch auch etwas Trauriges erzählen, etwas, das man im Zoo nicht lernt: Ihr wurdet reingelegt. Knut sollte nämlich gar nicht getötet werden. Niemand hatte das ernsthaft gefordert. Ihr (und offenbar auch die Erwachsenen) seid einer “Falschmeldung” aufgesessen, wie man so sagt. Genauso wie viele Medien, die die Geschichte aus der “Bild”-Zeitung weitererzählt haben. Deshalb stimmt leider auch nicht, was heute in der “Bild”-Zeitung über euch steht:

Sie erhoben ihre Kinderstimmen, um ihren Lieblingsbären vor der Todesspritze zu retten! Und sie hatten Erfolg: KNUT DARF LEBEN!

Das ist wahrscheinlich das Schlimmste: Die “Bild”-Zeitung missbraucht euch heute, um ihre Desinformation von gestern auf abstruse Art und Weise gerade zu rücken. Und dabei wiederholt sie sie auch noch:

Tierschützer hatten in BILD (…) den Tod des von seiner Mutter verstoßenen Bären gefordert.

Das ist jetzt sicher alles ziemlich schwer für euch zu verstehen, aber vielleicht werdet ihr es begreifen, wenn ihr größer seid. Und vielleicht nehmt ihr dann auch an weniger überflüssigen Demonstrationen teil.

Mit pelzigen Grüßen,

euer BILDblog

Knut-Content

Wie es zu dieser “Falschmeldung” kam, steht ausführlich bei FAZ.net. Hier deshalb nur soviel:

  • Nein, Knut wird nicht totgespritzt.
  • Auch wenn es in “Bild” anders aussieht: Niemand hat ernsthaft eine Tötung des Berliner Eisbären gefordert.
  • Dass der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe indirekt auf einen entsprechend missverständlichen “Bild”-Bericht vom 25. Januar verwies, nahm “Bild” heute zum Anlass, die eigene Geschichte von damals unter Verweis auf den “Spiegel” (“Stimmt!”) nochmals hervorzukramen — dieses Mal als Titelgeschichte.

Und während bei FAZ.net steht, wie’s wirklich war, steht bei Bild.de etwas ganz anderes. Unter der Überschrift “Forderung nach Todesspritze für Berliner Eisbär-Baby abgelehnt — Eisbär-Baby Knut soll leben” behauptet Bild.de in einer aktualisierten Version des “Bild”-Artikels:

Der kleine Eisbär, der ganz Deutschland verzaubert, kann weiter von seinen Pflegern groß gezogen werden. Das erklärte Tierarzt André Schüle vom Zoologischen Garten Berlin. Er widersprach damit rigoros Tierschützern, die am Wochenende [sic] empfohlen hatten, dem Tier die Todesspritze zu geben.

Und das ist nur insofern eine Neuigkeit, als “Bild” heute ja (wider besseres Wissen)* das Gegenteil suggeriert hatte.

Mit Dank an diverse Hinweisgeber.

*) Der Tierrechtler Frank Albrecht hatte im Januar den Berliner Zoo “wegen groben Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz” angezeigt, um auf “die Scheinheiligkeit und Heuchelei” bei der Zootierhaltung aufmerksam zu machen. Die Behauptung, dass er die Tötung des Eisbären fordere, hatte er in einem offenen Leserbrief an die “Berliner Zeitung” zudem bereits im Februar als “völlig falsch” bezeichnet und dies, wie er BILDblog sagte, auch aktuell (aber erfolglos) gegenüber der “Bild”-Zeitung deutlich zu machen versucht. Das von Albrecht angestoßene Verfahren indes wurde, wie uns der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft mitteilt, “mangels Straftat eingestellt”. Albrecht habe sich jedoch dagegen beschwert, “so dass nunmehr die Generalstaatsanwaltschaft den Vorgang zu prüfen haben wird”.

Mehr dazu hier.

Nachtrag, 21.3.2007: Wie schon damals, als “Bild” fälschlicherweise behauptet hatte, ein Erfinder würde in Sachsen “aus Katzen Benzin” machen, und die abstruse Behauptung hernach in internationalen Medien weiterverbeitet wurde, verbreitet sich nun auch die Knut-“Falschmeldung” weltweit (siehe auch hier)– und “Bild” scheint sogar stolz drauf ist das wieder eine Knut-Meldung wert.

Nachtrag, 27.3.2007: Obwohl doch sogar Knut selbst in seinem Weblog findet, dass der ganze Rummel um ihn “beim Bildblog wirklich gut erklärt” sei, zeigt sich “Bild” unbelehrbar und schreibt (weil “Knut und Menschen-Papa” bald getrennt schlafen müssen) auch heute wieder fälschlicherweise, dass “Tierschützer (…) das Bären-Baby mit der Todesspritze von dieser ‘nicht artgerechten Haltung’ erlösen wollten”.

Kurz korrigiert (321)

Franz Josef Wagner schreibt heute an das “liebe Eisbär-Baby Knut”:

Man hat Dir Antibiotika gespritzt, weil es in der Antarktis keine Viren und Bakterien gibt.

Wenn das Geld bei “Bild” nicht für eine richtige Schlussredaktion reicht — vielleicht würde es schon helfen, die Artikel wenigstens Kindern zur Kontrolle vorzulegen.

Nachtrag, 21.25 Uhr:
Erschwerend kommt hinzu, dass Antibiotika bekanntlich gegen Viren überhaupt nicht helfen. Und genau genommen gibt es sowohl in der Antarktis als auch der Arktis sehr wohl Bakterien. Aber das ist nun auch schon fast egal.

Danke an Christian N., Benjamin G., Neil G. und all die anderen Hinweisgeber!