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Wer ist Hauke Brost?

Jeder kennt Franz-Josef Wagner. Viele wundern sich über die Texte von Norbert Körzdörfer. Zu unrecht vernachlässigt wird allzu oft der “Bild”-Kolumnist und frühere “Teuro-Sheriff” Hauke Brost. Mit ihm beginnen wir eine lose Reihe über die Autoren der “Bild”-Zeitung.
 
Von BILD-Autor Hauke BrostHauke Brost (56) ist ein wichtiger Mann bei “Bild”. Früher war er Chef von “Bild Hamburg”, wo er heute noch täglich eine Kolummne schreibt. 2001 machte ihn Kai Diekmann zum Textchef, um — wie der “Tagesspiegel” damals schrieb — “sprachliche Mängel” zu beseitigen, die der Chefredakteur in “Bild” beklage.

An sich eine schöne Idee. Machen wir also aus aktuellem Anlass eine Reise in die Welt von Hauke Brost.

Männer haben zwei Wahrheiten. Die eine sagen sie am Frühstückstisch. Die andere spüren sie, wenn sie die Hand in die Hosentasche stecken.

Wenn Hauke Brost sein Geschlechtsteil fühlt, spürt er eine von zwei Wahrheiten. Das mag zunächst verblüffend klingen, erklärt aber viel. Zum Beispiel einen Bild.de-Artikel vom Mai 2004, in dem es eigentlich nur um die Vorteile des Grillens mit Holzkohle gehen soll. Brost beginnt ihn mit folgenden Worten:

Grillen ist wie guter Sex. Es muss knistern, es muss riechen, es muss spritzen.

Cover "Kopf hoch, Männer"Es erklärt auch, warum Brost kein Verständnis hat für Frauen, die darüber klagen, dass ihre Männer fremdgehen. Hauke Brost, Autor des Standardwerkes “Kopf hoch, Männer. Ein Scheidungsbrevier nur für ihn” (darin u.a.: “Wie drückt man sich vor Unterhalt?”), dessen Ehen nach eigenem Bekunden “bisher ein begrenztes Haltbarkeitsdatum hatten”, fährt dann zu großer Form auf, wenn eine prominente Ehe scheitert. Uschi Glas zum Beispiel regte Brost im Februar 2002 zu dem Hosentaschen-Zitat oben an. Und als Roberto Blanco im Oktober 2004 als Ehebrecher dastand, schrieb Brost in “Bild” eine flammende Verteidigungsschrift:

Roberto Blanco ist ein ganz normal empfindender Mann so wie du und ich. Er liebt Wein, Weib, Gesang. Er sagt nicht nein, wenn man ihm Gratis-Schampus einschenkt oder wenn so eine blutjunge Hupfdrossel vor ihm die Brüste blanklegt. (…) Können Sie ihm wirklich verdenken, dass er zugreift? Ich kann es nicht.

Dann wandte er sich direkt an Frau Blanco:

Wann hatten Sie eigentlich das letzte Mal Sex mit Roberto? Wann haben Sie ihm das letzte Mal gesagt, dass er ein toller Typ ist? (…) Und wie sehen Sie eigentlich morgens aus, wenn er tatsächlich mal wieder neben Ihnen aufwachen würde?

(Wie Hauke Brost aussieht, nicht nur morgens, können Sie übrigens auf seiner Homepage sehen.)

Im November 2003 zitiert ihn der Südwestrundfunk mit dem Satz: “Bei der BILD gibt es keine Frauen in Führungspositionen”, was scheinbar gegen “Bild” spricht, tatsächlich aber nur gegen Brost. Denn es gibt bei “Bild” eine Frau in einer Führungsposition: Marion Horn, seit 1. Januar 2001 stellvertretende Chefredakteurin.

Aber zurück zu Roberto Blanco, den Brost in seinem Artikel gleich dreimal “schwarzer Mann” nennt. Immerhin empfindet der trotz seiner Hautfarbe nach Ansicht von Brost “ganz normal”. Aber nicht jeder Fremde ist so nett und berechenbar. Anlässlich des deutschen Fiaskos beim Eurovision Song Contest macht Brost heute seinem Unmut mal Luft:

Gestern noch Papst. Heute letzter Platz. Das Leben ist eine Achterbahn, nur ungerechter: Die Achterbahn fährt schließlich alle, die zahlen. Wir zahlen für alle und die geben uns 0 Points als Dank.

Was will uns diese Metapher sagen? Dass die anderen nicht selber für ihre Achterbahn zahlen? Dass wir in der Achterbahn mitfahren müssen, obwohl wir schon für die anderen gezahlt haben? Dass uns die anderen, wo wir schon für die Achterbahn gezahlt haben, hinterher nicht wenigstens eine Zuckerwatte kaufen?

Und überhaupt: Sind wir heute nicht mehr Papst?

Gestern noch Papst, heute letzter Platz, Brost glaubt:

Wir haben keine Freunde.

Das Gefühl kennt Brost. Auf seiner Homepage schreibt er:

Auch verringert sich die Zahl meiner Freunde langsam, aber stetig auf einen sehr, sehr kleinen Kreis.

Woran liegt das? Brost weiß: An ihm Deutschland liegt es nicht.

Nehmen wir mal die Polen.

Wer sich da drüben einen gebrauchten Skoda leisten kann, wo hat der denn die Kohle her? Auf deutschen Baustellen Fliesen verlegt oder in deutschen Schlachthöfen Rinder zerlegt. Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Polen).

Sind wir Deutschen nicht die Lieben? Aber ja, obwohl wir merkwürdige EU-Ressentiments haben:

Wir Deutschen sind die Lieben. Wir zahlen für alle, bald auch für Rumänien (die gaben uns übrigens auch 0 Points, na super, willkommen in Europa).

Und sein Abendessen, weiß Brost, holt der Deutsche aus reiner Großzügigkeit nicht beim Deutschen, sondern beim Türken. Und zahlt auch noch dafür!

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey.

(Wie sich “der Türke” in Hamburg, dem Brost “sein Döner” abkauft, dafür beim Grand Prix hätte revanchieren können, lässt der Autor leider offen.)

Wir Deutschen sind die Guten.

So schreibt Brost und was er danach schreibt, ist vielleicht nur eins von mehreren “gewissen satirischen Elementen”, die sein Text enthalten soll, wie Brost uns auf Anfrage mitteilte. Vielleicht enthält es aber auch nur in außergewöhnlich konzentrierter Form all das, was Brost über Ausländer, schwarze Männer und Frauen denkt:

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Nachtrag, 25. Mai: Brost hat seine Homepage inzwischen überarbeitet. Deshalb finden sich dort zur Zeit nicht die oben zitierten Hinweise auf seinen kleinen Freundeskreis und auf sein Buch, das er dort zuvor als “fieser kleiner Macho-Scheidungsratgeber nur für ‘ihn'” bezeichnete und aus dessen Inhalt er unter anderem die Frage “Wie drückt man sich vor Unterhalt?” hervorhob.

Hauptsache, es gibt Streit

Am vergangenen Sonntag stand im “Tagesspiegel” ein Text von Marie Theres Kroetz-Relin. Kroetz-Relin ist die Tochter der Ende April verstorbenen Maria Schell, und sie beschreibt in diesem Artikel anschaulich und detailliert, “wie sie nach dem Tod ihrer Mutter von der Boulevardpresse belagert wurde”. Zwar nennt Kroetz-Relin keine Namen einzelner Boulevardmedien, es gibt in dem Text aber einen Absatz, bei dem man unweigerlich an diese, nein, diese – Verzeihung: bei dem man an folgende Geschichte erinnert wird, die am 29. April auf Seite vier in “Bild” stand:

Familienkrach am Grab von Maria Schell

In dem seitenfüllenden “Bild”-Text geht es um Maria Schells Bruder, Carl Schell. Der habe sich Jahre nicht um seine “kranke Schwester” gekümmert, sei jetzt aber “plötzlich wieder da” und wolle “an ihrer Beerdigung teilnehmen”.

Außerdem wird Kroetz-Relin in dem “Bild”-Text zitiert – allerdings nicht, ohne dass “Bild” noch ein paar Sätze dazuschreibt. So heißt es dort:

“Es gibt Leute, die sich jetzt auf Kosten meiner Mutter in den Vordergrund drängen.”
Wen sie damit meint, ist klar! Marias Bruder Carl Schell (77).
Hervorhebungen von “Bild”

Und der Text endet folgendermaßen:

Und niemand ist glücklich über das Wiedersehen!
Düster klingt, was Marie Theres Kroetz-Relin vor der Beerdigung sagt: “Wenn jemand, der da nicht hingehört, meiner Mutter am Grab zu nahe kommt, dann raste ich aus.”
Hervorhebungen von “Bild”

Das klingt tatsächlich nach Familienkrach – Kroetz-Relin hat es ja quasi bestätigt. Oder? Im “Tagesspiegel” allerdings klingt das völlig anders:

Nach so vielen Würdigungen war die Zeit reif für Schmutzwäsche: Eine Boulevardzeitung brauchte eine Story und konfrontierte mich mit Zitaten, die angeblich von meinem Onkel Carl stammen sollten. Ich verweigerte dazu jede Stellungnahme, da ich meinen Onkel 16 Jahre nicht gesehen hatte, und erklärte im strengen Ton, dass ich dieses pietätlose Verhalten der Journalisten widerlich finde und ich das auch öffentlich am Grab meiner Mutter sagen würde.
Hervorhebungen von uns

Anschließend erzählt Kroetz-Relin im “Tagesspiegel” vom Tag der Beerdigung:

Wütend rief ich den Journalisten an und schrie: “Wie kommen Sie dazu, meine Zitate zu entfremden und gegen meinen Onkel anzuwenden? Sie wissen genau, dass es gegen euch, die Medien, gerichtet war! Ich würde nie ein Wort gegen meine Familie sagen…” “Tut mir leid, aber die Story über Vicky Leandros ist ausgefallen, und da hab ich Ihre Antworten vom Band abgetippt…” Ich war fassungslos: Das Gespräch wurde ohne mein Wissen mitgeschnitten und meine Worte zum reißerischen Aufmacher verdreht.
Hervorhebungen von uns

Amokfahrt revisited

Heute berichtet die “Bild am Sonntag” über die Amokfahrt in Kassel, über die am Montag bereits Bild.de einen Artikel veröffentlicht hat.

“Bild” behauptet nun nicht mehr, der Amokfahrer habe sich den Weg freigeschossen (er war unbewaffnet). “Bild” behauptet nicht mehr, der Amokfahrer habe vor der Fahrt einer Frau eine Flasche auf dem Kopf zertrümmert (was auch nach letzten Informationen nicht sicher ist). Und “Bild” behauptet nicht mehr, die Polizei habe ihn mit einem Schuss in die Schulter gestoppt (eine Kugel traf den Kopf, wie andere Medien schon länger wussten).

Info: Amokfahrer schießt sich den Weg freiDer Artikel ist, de facto, eine Korrektur des Bild.de-Artikels vom Montag. Er enthält allerdings nicht das Wort “Korrektur” oder “Richtigstellung”, sondern, im Gegenteil, online sogar einen Link zu dem alten dreifach fehlerhaften Bild.de-Artikel mit seiner grotesk falschen Überschrift.

Nachtrag, 10.50 Uhr. Schon am frühen Sonntagmorgen surfen Bild.de-Mitarbeiter hier vorbei. Der “Info”-Link ist inzwischen entfernt worden.

Ups, verfragt

Hallo zusammen, schön, dass Sie Zeit gefunden haben, an unserem kleinen Kurs “Journalismus für Anfänger” teilzunehmen. Beginnen wir gleich mit der ersten Lektion: “Wie stelle ich die richtigen Fragen?” Nehmen wir einmal an, eine Sängerin sei nach Manipulationsvorwürfen aus den deutschen Musik-Charts ausgeschlossen worden. Weil sie sich in diesen Charts gut platziert hatte, durfte sie über eine “Wildcard” am Vorentscheid zum Schlager-Grand-Prix teilnehmen. Dort wurde sie von den Fernsehzuschauern zur Siegerin gewählt und darf nun nach Kiew zum Finale reisen. Was wäre dann die Frage, die wir stellen müssten? Irgendwelche Vorschläge? Ja, da hinten, die Herren Schommers und Wos von “Bild”?

Chart-Verbot für Gracia. Darf sie jetzt noch für Deutschland beim Grand-Prix singen?

Richtig. Gut gemacht. Nun müssen wir uns nur noch entscheiden, wem wir diese Frage stellen sollten. Wir haben da mal ein paar Antwortmöglichkeiten vorgegeben:

a) Dem Bürgermeister von Kiew.
b) Dem “Hitparaden”-Gründer Dieter Thomas Heck.
c) Irgendeiner Frau, die ihre Brüste zeigt.
d) Dem deutschen Grand-Prix-Chef.

Na, Herr Schommers? Herr Wos?

Darf Gracia jetzt noch beim Grand Prix auftreten?

Hitparaden-Gründer Dieter-Thomas Heck (67) zu BILD: „Nein. Wenn gemogelt worden ist, dann ist Gracia raus. Dann darf sie nicht nach Kiew.“

Ah, schade, falsch. Nein, Herr Schommers, c) ist auch nicht richtig. Die richtige Antwort wäre d) gewesen, und schauen Sie mal, Herr Schommers, Herr Wos, die Nachrichtenagentur AP wusste das und hat für Sie schon beim deutschen Grand-Prix-Chef nachgefragt und um 16.41 Uhr seine Antwort gemeldet:

“Gracia bleibt die Vertreterin Deutschlands beim Eurovision Song Contest am 21. Mai in Kiew”, erklärte NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer in Hamburg.

Was sagen Sie, Herr Schommers? Wenn das so ist, hätten Sie ja auch gar nicht schreiben können, dass das “der größte Skandal der deutschen Grand-Prix-Geschichte” sei? Eben, Herr Schommers. Eben.

Nicht neu: “Bild” tut Grünen-Politiker Unrecht

Sinnentstellende Montagetechniken beherrscht “Bild” übrigens nicht nur beim Arrangement aus dem Zusammenhang gerissener Zitate. Das geht auch mit Fotos.

Grad jüngst zum Beispiel sah’s so aus, als illustriere “Bild” ihre Berichterstattung über den “Grüne Jugend”-Sprecher und Graffiti-Befürworter Stephan Schilling mit einem großen Foto, das ihn vor einer fies beschmierten Häuserwand zeigt.

Nur gibt es dieses Foto gar nicht.

Zwar hatte sich Schilling tatsächlich für “Bild” vor einer Graffiti-Wand fotografieren lassen, wie er sagt, wenn man ihn fragt. Doch habe man sich ausdrücklich darauf verständigt, dass ihn die Fotos “nicht vor irgendwelchen Schmierereien” zeigen. Das Foto, so Schilling, sei dauraufhin auf einem alten Fabrikgelände vor einer Wand bei einem Jugendfreizeitklub entstanden – und sieht deshalb ursprünglich genau so aus wie das bei Bild.de (siehe Ausriss links).

Für die gedruckte “Bild” hingegen (siehe Ausriss rechts) wurde das Originalfoto manipuliert: Die farbenfrohe Graffiti-Wand im Bildhintergrund wurde gegen eine weitaus tristere, mehrere Kilometer entfernt und ohne Schilling entstandene Aufnahme ausgetauscht. Und selbst die dazugehörige “Bild”-Formulierung über Schilling (“Findet Graffiti (wie auf dem Foto im Hintergrund) in Ordnung”) wirkt derart suggestiv montiert, als wolle sie in die Irre führen und die Wirklichkeit bewusst verschleiern.

Aber wie gesagt: Dass (und wie) sich “Bild” gern kritisch mit Politikern der Grünen auseinandersetzt, ist ja nicht neu.

Neu: “Bild” tut CDU-Politiker Unrecht

Man kann geteilter Meinung darüber sein, wie sinnvoll es ist, Graffiti-Sprayer strafrechtlich und per Hubschrauber zu verfolgen. Man kann das beispielsweise gut finden. Oder auch nicht. Der 21-jährige Stephan Schilling hat sich eher für Letzteres entschieden, wofür er von der “Bild”-Zeitung am gestrigen Samstag als “Milchgesicht” bzw. “grünes Milchgesicht” beschimpft wurde – und als “Chef der ‘Grünen Jugend'” bezeichnet, wiewohl er doch nur deren Sprecher ist. Aber naja: Dass (und wie) sich “Bild” gern kritisch mit Politikern der Grünen auseinandersetzt, ist nicht neu und bekannt.

Wirklich übel mitgespielt hat die “Bild” diesmal aber weniger dem “Milchgesicht” Schilling als vielmehr dem Vizepräsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin, Christoph Stölzl (CDU). Denn unmittelbar im Anschluss an den O-Ton eines FDP-Politikers, der laut “Bild” einen Rücktritt Schillings fordere und ihm “ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat” unterstellt, folgt ein Zitat Stölzls – genauer gesagt, dieses:

“Hier zeigt sich die häßliche Fratze der Freude am Rechtsbruch!”

Und in der Tat hat Stölzl das gesagt – als Teilnehmer am “1. Internationalen Anti-Graffiti-Kongress” nämlich, der (von “Bild” leider mit keinem Wort erwähnt) am vergangenen Donnerstag in Berlin stattfand. Nur: Stölzls umstrittenes Zitat bezieht sich offenbar mitnichten auf Schilling, wie “Bild” sogar mühelos in anderen Tageszeitungen aus dem Axel Springer-Verlag hätte nachlesen können. Dort nämlich heißt es:

“Christoph Stölzl (CDU), bezeichnete Graffiti als ‘abgestandenen Abfall der Comic-Malereien der 60er Jahre. Hier zeigt sich die häßliche Fratze der Durchsetzungs-Gesinnung und der Freude am Rechtsbruch.’
(“Berliner Morgenpost” vom 8.4.2005)

Oder noch kürzer:

“‘Hier zeigt sich die häßliche Fratze der Freude am Rechtsbruch.’ Christoph Stölzl (CDU) über Graffiti
(“B.Z.” mit Datum vom 7.4.2005)

Mit Dank an Arne S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 22:47:
Schilling selbst findet es übrigens okay, dass man ihn als “Chef” bezeichnet.

“Bild” enthüllt nichts Ungewöhnliches

Auch wenn beispielsweise Focus Online es mal wieder ungeprüft abgeschrieben hat, ist das, was “Bild” auf Seite 2 ihrer Donnerstagsausgabe “enthüllt” zu haben behauptete, falsch. Unter Berufung auf einen “streng geheimen Bericht” hieß es in “Bild” unter der Überschrift “Bundesbank verschwendet Millionen”:

2003 wurden 642 Mitarbeiter bei vollem Gehalt in den Vorruhestand geschickt, 72 erhielten Abfindungen. Kosten: 214 Millionen Euro!

Tatsächlich betrugen die Kosten aber offenbar nur 21,4 Millionen Euro, wie heute “Berliner Zeitung” u.v.a.m. berichten. In der “Berliner Zeitung” heißt es außerdem, solche Summen seien “in der Branche nicht ungewöhnlich“, und auch eine weitere in der”Bild”-Meldung “enthüllte” Zahl sei “genau genommen, wenig spektakulär“.

Mit Dank an David B. und Michael S. für die Hinweise.

Schock-Urteil

Das Landgericht Landau hat am Montag die Eltern eines verhungerten Säuglings zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es befand sie, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, der Körperverletzung mit Todesfolge und der Verletzung der Fürsorgepflicht schuldig.

Für “Bild” ist das ein “Schock-Urteil”:

Die Rabeneltern kamen mit Bewährung davon!

Nicht nur “Bild” ist schockiert, auch die “Bild”-Leser werden es sein. Nach dem Lesen des Artikels muss man einfach schockiert sein über das Urteil. Das liegt allerdings nicht nur am Urteil, sondern auch am Artikel.

“Bild” stellt den Landauer Fall in den Zusammenhang mit dem der vor wenigen Tagen in Hamburg verhungerten Jessica. Dabei haben beide Fälle wenig gemein. Der Mutter in Landau wurde nicht vorgeworfen, ihren Sohn nicht ernährt zu haben. Sie hat das Kind gestillt — warum es trotzdem so extrem unterernährt war, blieb ungeklärt. Die Eltern hätten trotz der offensichtlichen Todesgefahr für das Kind viel zu lange keinen Arzt aufgesucht, urteilte der Richter. Der Tod sei von den Eltern nicht beabsichtigt gewesen, aber “billigend in Kauf genommen” worden. Die Vorwürfe im Fall der Hamburger Eltern sind ungleich schwerwiegender.

Um den Eindruck von einem “Schock-Urteil” zu erreichen, lässt “Bild” wichtige Informationen weg. “Bild” verschweigt, dass auch der Staatsanwalt nur Bewährungsstrafen für die Eltern beantragt hatte — für die am Verfahren Beteiligten war das Urteil also keineswegs schockierend. “Bild” verschweigt, dass sich der Fall vor fast vier Jahren ereignet hat und der Vorsitzende Richter die lange Dauer des Verfahrens strafmildernd wertete. “Bild” verschweigt auch, dass die beiden verurteilten Eltern als Bewährungsauflage 1500 bzw. 1300 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten müssen.

Wenn man all das weiß, kann man das Urteil natürlich immer noch für falsch halten.

Vermischtes III

Seit vergangenen Samstag ist es endlich raus! Nein, nicht ob Jennifer Lopez schwanger ist! Vielmehr ist (spätestens) seit vergangenen Samstag bekannt, dass “Bild” nicht in die Zukunft sehen kann. Zwar hatte sie vor “Wetten dass…?” so getan (siehe Ausriss), wer sich aber die Sendung daraufhin gespannt ansah, wurde enttäuscht. Tatsächlich sagte Lopez nämlich nichts zu dem Thema.

Und “Bild” hat sogar noch größere Probleme mit dem Sehen, als bisher angenommen, wovon man sich am Montag überzeugen konnte. Im Text zur Titelgeschichte, “Brötchen-Millionär Kamps: Heimliches Baby mit ihr”, stand nämlich über den dreijährigen Marc W.: “Strahlemann-Lachen und süße braune Knopfaugen, ganz wie sein Papa, Multimillionär Kamps”. Tatsächlich hat Heiner Kamps jedoch eher blaue Augen, wie Märchentante Autorin B.A. Friedrich leicht hätte feststellen können, wenn sie einen Blick auf das in “Bild” veröffentlichte Foto geworfen hätte (siehe Ausriss).

Themawechsel: “Kann ein Gorilla-Weibchen seine Pflegerin sexuell belästigen?” Eine ziemlich blöde Frage, vor allem, weil sie über einem Text auf Bild.de steht, in dem es eigentlich um sexuelle Belästigung durch den Arbeitgeber geht, auch, wenn eingangs fälschlich behauptet wird, der Gorilla solle “zwei Tierpflegerinnen sexuell belästigt haben”.

Mit Dank für die sachdienlichen Hinweise an Christoph W., Sven B. und Alexander S.

Von vorgestern

Zugegeben, der nun folgende Eintrag ist nicht so richtig aktuell, sondern bezieht sich, nun ja, auf die “Bild” von vorgestern. Aber das macht nichts. Schließlich schreibt “Bild” ja bekanntlich “was alle schreiben – bloß früher”. Und so stand da vorgestern eben auch diese Sache mit dem Ring der künftigen britischen Thronfolgergattin Camilla Parker Bowles. Genauer gesagt schrieb “Bild”:

“BILD enthüllt das Geheimnis des Ringes, der die Liebe besiegelt!”

Aha! Nur stand, was “Bild” da am Montag “enthüllt” haben will, bereits Tage vorher in englischen Zeitungen, wurde von der Nachrichtenagentur dpa bereits am vergangenen Samstagmorgen mit dem Hinweis auf “englische Zeitungen” vermeldet und fand sich dementsprechend bereits hie und da (und dort oder hier oder auch hier) wieder. Im Unterschied zu “Bild” fand sich allerdings auch überall ein Hinweis auf darauf, woher die Infos stammten, bevor “Bild” sie vorgestern “enthüllt” zu haben behauptete.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Herbert Lee Stivers, dem mittlerweile 78-jährigen US-Soldaten, der Hermann Göring 1946 Zyankali ins Gefängnis geschmuggelt hatte. In “Bild” hieß es dazu vorgestern:

“BILD fand Stivers (…) in Kalifornien, er erzählt exklusiv seine Geschichte.”

Und während man sich noch fragt, wie und wo die “Bild”-Rechercheure den Mann wohl aufgetrieben haben, was es sie wohl für Mühen und Überredungskünste gekostet hat, damit er seine Erinnerung “exklusiv” ausplaudert, hat man auch schon die Antwort gefunden: Strivers Geschichte stand nämlich einfach schon am 7.2. (also nur eine Woche vorher) in der kalifonischen “Los Angeles Times” und wurde beispielsweise am 8.2. hier und hier oder hier sowie hierzulande natürlich hier, hier, hier, hier oder hier mit Hinweis auf die “LA Times” weiterverbreitet.

Ja, und dann ist da ja noch diese Meldung bei Bild.de, ebenfalls von vorgestern, in der es hieß:

Jetzt haben findige Wissenschaftler eine erstaunliche Wirkung von Viagra entdeckt”

Doch wenn die Wissenschaftler wirklich so “findig” waren, wie von Bild.de vorgestern behauptet, waren sie mindestens so “findig” wie Bild.de selbst. Denn offenbar wurde die “erstaunliche Wirkung von Viagra” nicht nur von dem bei Bild.de herbeizitierten “Team amerikanischer und portugiesischer Forscher” herausgefunden, sondern auch von Professor Yaacov Leshem, Pflanzenforscher an der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan in Israel und Professor Ron Wills von der Abteilung für Lebensmitteltechnologie an der Universität Newcastle in Australien. Letzeres jedenfalls geht z.B. aus einer Meldung der “Ärztezeitung” hervor – erschienen im Sommer 1999.

Mit Dank an Michael B., Andreas S., Andreas G., Thiemo R., Tobias L. und Constantin für die sachdienlichen Hinweise.

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