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Kritik ist Blasphemie

Die “Bild”-Zeitung hat viel mit der katholischen Kirche gemein. Beide haben einige Leichen im Keller. Bei beiden schrumpft hierzulande die Zahl der Anhänger. Beide teilen die Welt in Gut und Böse. Beide lieben das Okkulte und stehen der Aufklärung skeptisch gegenüber. Und beide pflegen eine Kultur des Gehorsams, nicht der Diskussion.

Am Montag hatte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Kommentar auf Seite 1 über Johannes Paul II. geschrieben:

Ein Papst dieser Art darf, ja muß umstritten sein.

Er meinte damit natürlich nicht, dass über den Papst und seine Entscheidungen gestritten werden darf. Entscheidungen des Papstes sind nicht dazu da, Diskussionen anzuregen, sondern befolgt zu werden. Das weiß auch die “Bild”-Zeitung.

Anfang dieses Jahres hatte der Vatikan noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die katholische Kirche Kondome als Mittel ablehnt, die Aids-Epidemie einzudämmen, an der im vergangenen Jahr weltweit über 3 Millionen Menschen starben:

“Wir akzeptieren den Gebrauch von Präservativen nicht, nicht einmal zur Lösung des Aidsproblems.”

Wer eine andere Meinung hat, ist ein Ketzer und wird von “Bild” mit unnachgiebiger Härte verfolgt. Am 22. Februar 2005 wagte es der Entertainer Jürgen von der Lippe, in einem Interview mit der Münchner “Abendzeitung” Folgendes zu sagen:

(…) was der Papst von sich gibt, streift meiner Ansicht nach den Rand der Schwerkriminalität. Ich finde es einfach schlimm, wenn man zum Beispiel Kondome sogar zur Aids-Prävention oder gar HIV-Kranken verbietet.

Am Tag darauf machte “Bild” ihn deshalb zum “Verlierer des Tages”.

Was ist denn in den gefahren? Jürgen von der Lippe (56), heute als katholischer Priester im TV („Der Heiland auf dem Eiland“), beleidigt den Heiligen Vater, der sich gegen Verhütung ausspricht. (…)

BILD meint: Wohl von Sinnen, von der Lippe!

Von der Lippes Begründung für seine Aussage nannte “Bild” nicht.

Am vergangenen Sonntag wagten es mehrere Menschen in der Talkshow “Sabine Christiansen”, Kritik an der konservativen Linie des verstorbenen Papstes zu üben. “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner nennt diese Sendung heute deshalb eine “Schande-Talkshow” und die Papst-Kritiker “böse, rechthaberische Männer”.

Da hackten die Leichenfledderer Heiner Geißler und Hans Küng, linker Theologe, dem der Papst die Lehrerlaubnis entzogen hat, auf den Toten ein.

Zölibat, Kondome, Aids. Frau Christiansen, die Karriere-Frau ohne Kinder, stellte die Frage nach der Rolle der Frau. (…)

Ihre Talkshow, Frau Christiansen, war das Dümmste, was ich jemals sah. Sie verkürzen die Frage des Glaubens nach Karriere und Spaß im Bett. Gott verzeiht, ich nicht.

Eine andere Frage ist es, warum die ARD Ihnen erlaubt hat, auf den Papst zu spucken. Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche, Frau Christiansen?

Natürlich ist der Papst nicht die einzige Autorität, an der sich Kritik grundsätzlich verbietet. Da ist auch noch “Bild”-Kolumnist Franz Beckenbauer, den das Blatt im Jahr 2000, nachdem er die WM nach Deutschlang holte, fast ganzseitig als Denkmal zeigte, mit der Inschrift:

“Dem deutschen Fußballkaiser Franz Beckenbauer zu Dank und ewiger Erinnerung.”

Am vergangenen Wochenende wagte es der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, sich gegen Franz Beckenbauer als Uefa-Präsidenten äußern. Entsprechend diskussionslos ist Cohn-Bendit heute “Verlierer des Tages” in “Bild”.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Nachtrag, 20.45 Uhr. … und der evangelische Bischof Wolfgang Huber ist für “Bild” “Gewinner des Tages”, weil er bei “Christiansen” die “plumpe Papst-Kritik” der anderen Talkshow-Teilnehmer angriff.

Danke an Stefan E. für den Hinweis.

Der Tsunami und die Grünen

Wer ist schuld am Tsunami und den hunderttausendfachen Tod und Elend, das er brachte? Die Grünen. Weil sie so tun, als könnte man durch Mülltrennung und Gutsein die Welt retten. Kann man aber gar nicht.

Was? Sie meinen, nur ein Idiot könne so argumentieren? “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner kann es. Seine “Post von Wagner” adressiert er heute an die “lieben Ökos” und “Herrn Trittin und Frau Roth persönlich” und stellt Ihnen unter anderem diese Fragen:

Sind Sie sicher, daß Ihre Initiativen im Kosmos wohlwollend aufgenommen werden? Mit wem verhandeln Sie da drüben, daß – klatsch – plötzlich 150 000 Menschen sterben? Es zeigt sich also, daß Sie als Grüne nichts zu sagen haben.

Wagners Logik geht so: Wenn wir schon keine Naturkatastrophen verhindern können, sollten wir wenigstens auch nicht versuchen, von Menschen verursachte Katastrophen zu verhindern. Oder anders gesagt: Lasst uns wenigstens nicht das bisschen Zeit, bis die nächste Welle über uns selbst hinwegschwappt, mit Mülltrennen vergeuden.

Oder noch anders gesagt: Für den Kolumnisten der “Bild”-Zeitung ist auch so eine Katastrophe ein guter Anlass, sich mit dem politischen Gegner, den Grünen, anzulegen.

Mon cher ami

Franz-Josef Wagner schreibt heute einen Brief an Klaus Wowereit, und wir müssen ein bisschen ausholen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin musste sich nämlich gestern im Abgeordnetenhaus dafür rechtfertigen, dass er bei einer öffentlichen Veranstaltung Désirée Nick geküsst hat. Einige Fotos von diesem Moment machten in Berlin und in “Bild” Schlagzeilen. Nachdem ein CDU-Abgeordneter gefragt hatte, ob das mit der Würde seines Amtes vereinbar sein, rechtfertigte sich Wowereit ausführlich.

Franz-Josef Wagner fühlte sich bei dieser Rede an die Sätze von Willy Brandt und Richard von Weizsäcker im Abgeordnetenhaus erinnert, bzw.: nicht erinnert. Denn die hätten die Freiheit verteidigt, Wowereit aber sein “Fundi-Schwulsein”.

Unter “Fundi-Schwulsein” versteht Wagner dem Anschein nach das, was gemeinhin “Homosexualität” genannt wird: Männer, die nicht schwach werden, wenn plötzlich, sagen wir, Paris Hilton vor ihnen steht. Das ist ein bisschen unflexibel, aber das gibt es. “Fundi” ist natürlich alles andere als ein positiv besetzter Begriff in der Welt von “Bild”.

Wagner weiter:

Sie verwahrten sich gegen Unterstellungen, Désirée Nick habe Sie umgedreht.

Das ist typisch, riefen Sie in den Plenarsaal, da ist ein schwuler Mann und eine schöne Frau (na, na, der Kolumnist) und schon heißt es “umgedreht”. Das sei wie bei Frau Schavan, die als lesbisch diskriminiert wird. Es sei gegen die Menschenwürde, ereiferten Sie sich.

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein?

“Nein”, rufen natürlich an dieser Stelle die “Bild”-Leser im Chor, die nicht aufgepasst haben. Denn darum ging es Wowereit nicht. Als diskriminierend bezeichnete er die Annahme, dass man Schwule nur mit einer schönen Frau konfrontieren müsse, und schon könne man sie ändern.

Das ist genau, was “Bild” mit seiner Titel-Schlagzeile getan hat, und das ist in der Tat diskriminierend. Es ist auch mehr als nur ein lustiger Boulevardzeitungswitz, wie man zum Beispiel hier nachlesen kann.

Wagner suggeriert weiter, Wowereit hätte sich mit dem Thema in die Öffentlichkeit gedrängt, anstatt wichtigere Dinge zu verhandeln. Jedenfalls ist zu vermuten, dass er das suggerieren will, wenn er diese Sätze hintereinander schreibt:

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein? Ist es nicht viel schrecklicher, daß 40 Prozent unserer Berliner Türken arbeitslos sind. Die Quote der türkischen Sozialhilfeempfänger ist dreimal so hoch. Ist es nicht schrecklich, daß ein Türke, der Deutsch lernen will, in Berliner Volkshochschulen abgelehnt wird – kein Geld, keine Lehrer.

Nach Darstellung verschiedener Medien hat Wowereit wohl tatsächlich sehr, sehr lange zu dem Thema geredet. Tatsache ist aber auch, dass Wowereit das Foto und das Thema nicht groß in die Öffentlichkeit gebracht hat (das war “Bild”) und dass er es auch nicht auf die Tagesordnung im Berliner Abgeordnetenhaus gesetzt hat (das machte die Opposition durch ihre Frage danach).

O-Ton Wagner:

Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks – und Ihr Markenzeichen schwul auch. Schwulsein ist nicht besser.

Noch einmal zum Mitdenken: “Bild” stellt ein Foto vom knutschenden Wowereit auf die Titelseite und bringt es in absurder Weise in Verbindung mit seinem Schwulsein. Und wenn Wowereit sich darüber beschwert, schreibt “Bild”, er soll doch aufhören, dauernd sein Schwulsein in den Vordergrund zu stellen.

Den Satz “Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks” muss man sich merken. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Schläger darüber beklagen, dass die Schreie seiner Opfer immer so einen ruhestörenden Lärm verursachen.

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