Suchergebnisse für ‘focus online’

Osthoff nach “Bild”-Recherchen weiter undankbar

Die beiden Geiseln aus Leipzig haben alles richtig gemacht. Nach ihrer Freilassung im Irak haben sie (laut “Bild”) ein Bier verlangt, sich nach dem Stand der Bundesliga erkundigt, bei ihren Familien angerufen und sich sofort bei den Behörden und den Unterstützern bedankt. Das gibt volle Punktzahl von “Bild” und eine freundliche Erwähnung auf der Titelseite.

Susanne Osthoff hat alles falsch gemacht. Und sie macht immer noch alles falsch. Am Donnerstag bei “Johannes B. Kerner” trug sie merkwürdige Irak-Anstecker, rauchte in der Sendung, schimpfte auf Deutschland. Sie hat (laut “Bild”) “bis heute keinen Kontakt zu ihrer Familie aufgenommen”, will nicht sagen, wovon sie lebt, und ihr Bruder ist “nach BILD-Recherchen” gerade von einer vierwöchigen Ägypten-Reise mit Nil-Kreuzfahrt zurückgekehrt. Was immer uns das sagen will.

Und was immer “nach BILD-Recherchen” bedeutet. “Bild”-Autor Sebastian Voigt, der vermutlich das mit der Nil-Kreuzfahrt recherchiert hat, behauptet nämlich auch:

Bis heute hat sich Susanne Osthoff nicht öffentlich für die Anteilnahme an ihrem Schicksal und den Einsatz unserer Behörden bedankt.

Der Vorwurf schaffte es sogar in die Unterzeile der Überschrift:

...und warum hat sie sich immer noch nicht bei den Deutschen bedankt?

Mag sein, dass sich Frau Osthoff nach Meinung der nationalen Punktrichter von “Bild” nicht genug bedankt hat. Aber bedankt hat sie sich. Vor einem Millionenpublikum am 9. Januar 2006 in der ARD-Talkshow “Beckmann”. Sie sagte wörtlich:

“Ich bin jedem dankbar, der sich für mich engagiert hat und für mich seine Zeit geopfert hat.”

Bereits am Tag vor der Ausstrahlung verbreitete dpa eine Zusammenfassung des aufgezeicheten Gesprächs. In der Agenturmeldung hieß es auch:

Die Archäologin kritisierte, dass der deutsche Krisenstab nicht frühzeitig einen Mittelsmann bestellt habe. Trotzdem bedankte sie sich ausdrücklich beim Krisenstab und allen, die zur Beendigung der Geiselnahme beigetragen haben.

Das wäre eigentlich auch für Herrn Voigt nicht so schwer herauszufinden gewesen. Wenn er es denn gewollt hätte.

Kurz korrigiert (98)

Schon möglich, dass der WM-Mannschaftsbus “uns” (also “Bild”) nicht gefällt. Das ist aber noch lange kein Grund, in einem Artikel zum Thema “Was soll der Stuß mit unserem Bus?” zu behaupten:

“Gebaut wurde er von Mercedes, drauf steht aber WM-Sponsor Hyundai (baut keine Busse).”
(Hervorhebung von uns.)

Denn: Hyundai baut sehr wohl Busse, exportiert/bringt sie aber offenbar nicht nach Europa, wie beispielsweise N24.de bereits vor gut neun Monaten und das “Hamburger Abendblatt” vor gut neun Wochen berichteten.

Mit Dank an Christian W. und Jörg für den Hinweis.

Nachtrag, 15.45 Uhr: Bei Bild.de wurde die sachlich falsche Textpassage inzwischen ersatzlos gestrichen.

Flausen

Kommt ein Mann zum Arzt und klagt über Kopfschmerzen. Kein Wunder: In seinem Schädel stecken zwölf Stahlstifte. Am Tag zuvor hatte sie sich der Mann mit einer Nagelmaschine selbst in den Kopf geschossen. Der Patient wird operiert und behält keine bleibenden Schäden zurück.

Über diese unglaubliche Geschichte berichten heute Medien in aller Welt.

Nur in “Bild” ist die Geschichte noch unglaublicher. Um nicht zu sagen: falsch.

Bei “Bild” war man offenbar nachhaltig verwirrt von der Tatsache, dass sich all das, der Selbstmordversuch, der Krankenhausbesuch und die gelungene Operation, schon vor einem Jahr abgespielt hat — die Geschichte wurde erst jetzt in einem medizinischen Fachmagazin veröffentlicht. Aber “Bild”-Leute sind es bekanntlich nicht gewohnt, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passieren, und packten die Zeitangabe mit dem einen Jahr an eine Stelle, an der sie viel eindrucksvoller ist.

Und so hat “Bild” heute weltexklusiv die Geschichte von dem Mann, der ein ganzes Jahr lang mit Nägeln im Kopf durch die Gegend rannte:

12 Nägel im Kopf und 1 Jahr Migräne

Danke an die vielen Hinweisgeber!

“Bild” entdeckt Privatsphäre

In der Bild-Zeitung werden … häufig persönlichkeitsrechtsverletzende Beiträge veröffentlicht. Oftmals verletzen die Beiträge sogar die Intimsphäre der Betroffenen. (Landgericht Berlin, Januar 2003)

 
Sie müssen Tränen gelacht haben in der “Bild”-Redaktion, als ihnen einfiel, dass sie in einen Artikel diesen scheinbar empörten Satz schreiben können:

Es sind Aufnahmen aus dem Privatbereich, die kein Mensch von sich in der Zeitung sehen möchte.

Der Satz steht in einem “Bild”-Artikel über Fotos von Angela Merkel beim Umziehen, die britische Zeitungen veröffentlicht haben. Bestimmt lachten sie bei “Bild” noch, als sie unter einen Ausriss von dem Skandal-Artikel scheinbar fassungslos die Worte setzten:

Kein Respekt vor der Privatsphäre der Kanzlerin.

Und als sie das Zitat des stellvertretenden Regierungssprechers einbauten:

“Auch die Bundeskanzlerin und ihr Mann haben ein Recht auf Privatsphäre!”

Vielleicht haben auch Günther Jauch und Anke Engelke Tränen gelacht, Gregor Gysi und die Frau von Joschka Fischer und all die anderen bekannten und unbekannten Menschen, die erst vor Gericht ziehen mussten und müssen, um gegenüber der “Bild”-Zeitung ihr Recht auf Privatsphäre durchzusetzen.

Ganz besonders hat bestimmt Sabine Christiansen gelacht, die gerade juristisch gegen die “Bild”-Zeitung vorgeht, weil sie in den vergangenen Wochen mehrmals Fotos aus ihrem Privatleben veröffentlicht hat. Dabei hatte die Fernsehmoderatorin im vergangenen Jahr eine einstweilige Verfügung gegen die Axel Springer AG erwirkt, die es dem Verlag untersagen, “Bildnisse aus dem privaten Alltag” Christiansens zu verbreiten. (Springer hat dagegen Rechtsmittel eingelegt.)

Vielleicht hat auch Angela Merkel selbst gelacht, weil sie in der vergangenen Woche fast an jedem Tag ihres Privaturlaubs in Italien mit Fotos in der “Bild”-Zeitung war. Einige davon waren so, dass die “Bild am Sonntag” sie zum Anlass für eine staatspolitische Grundsatzdiskussion nahm, ob eine Kanzlerin denn im Urlaub so herumlaufen dürfe.

Aber zurück zur empörten “Bild”-Zeitung von heute. Die hat mit ihrer Empörung ja Recht: Zeitungen dürfen keine Bilder aus der Privatsphäre von Prominenten verbreiten, solange es kein begründetes öffentliches Interesse daran gibt. Das betrifft die Merkelschen Urlaubsfotos, die “Bild” veröffentlicht hat (und Bild.de praktischerweise gleich in dem Empörungs-Artikel verlinkt hat), ebenso wie die Urlaubsfotos aus den britischen Blättern. Verboten ist nach dem “Caroline-Urteil” des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beides.

Es sei denn, Merkel hätte der Veröffentlichung ausdrücklich zugestimmt, als einer Art Homestory “Die Merkels in Italien”. Aber was hat “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann nach dem “Caroline”-Urteil noch dem “Focus” gesagt? Seine Zeitung werde “auf jedwede Art von Homestorys über Politiker verzichten”. Um beim Leser “von vornherein jeden Anschein vermeiden, wir würden mit eingebauter Schere im Kopf nur noch Hofberichterstattung betreiben”.

Hm. Entweder hat “Bild” also mit der Veröffentlichung der Merkelschen Urlaubsfotos gegen geltendes Recht verstoßen oder gegen den eigenen Vorsatz, sich nicht zu Hofberichterstattern machen zu lassen.

Wie “Bild” Bild.de korrigiert

Gestern hatte Bild.de eine Kurzmeldung aus dem Nachrichtenangebot des irischen Internet-Anbieters Ireland On-line übernommen, wonach der Schauspieler Daniel Craig bei Dreharbeiten für den “James-Bond”-Film “Casino Royal” Schwierigkeiten hatte, ein Auto mit Gangschaltung zu fahren. Bild.de behauptete:

“Der neue Agent Ihrer Majestät kann seinen High-Tech-Dienstwagen gar nicht fahren! Das meldet der irische Internet-Dienst ‘Ireland On-Line’.

James Bond voll ausgebremst — weil er nur Automatik kann (…). Statt Einfahren mit dem Aston Martin DBS gab’s für Bond deshalb erst mal ‘nen Boxenstopp.”

Um die mit allerlei Häme ausgeschmückte Meldung anschaulicher zu machen, hat Bild.de sie mit dem Foto eines Aston Martin Vanquish S (O-Ton: “ein ähnlich heißes Teil wie James Bonds neuer Flitzer”) illustriert (siehe Ausriss). Und immerhin das stimmt: In “Casino Royal” fährt James Bond u.a. ein neues Aston-Martin-Modell, den DBS, der offenbar dem Vanquish S recht ähnlich sieht.

Absurd ist die von Bild.de gewählte Bebilderung dennoch. Schließlich lässt sich das sequentielle Sechsganggetriebe eines Vanquish S nur im Tiptronic- oder Automatikmodus fahren und dürfte — wie auch der neue DBS — selbst Fahrern ohne Schaltwagen-Erfahrung kaum Schwierigkeiten bereiten.

Aber die Bild.de-Illustration ist zudem auch völlig unsinnig.

Denn die Schaltgetriebe-Schwäche des Bond-Darstellers hat rein gar nichts mit seinem “High-Tech-Dienstwagen” zu tun. Anders als Bild.de behauptet, geht es nämlich in der ursprünglichen Meldung (die auch Ireland On-Line stark verkürzt, aber korrekt wiedergab), mitnichten um den brandneuen Aston Martin DBS, sondern um ein ganz anderes Auto: den guten, alten Aston Martin DB5 (siehe Ausriss), der in den “James Bond”-Filmen “Goldfinger” (1964) und “Thunderball” (1965) sowie — als kurzes Selbstzitat — in “Morgen stirbt nie” (1997) zum Einsatz kam, aber auch im neuen “Bond” eine kleine Rolle spielen und dabei eben von Craig gefahren werden soll. Mit Schaltgetriebe. Begriffen hatte Bild.de das alles offensichtlich nicht.

Und was macht “Bild”? Druckt die korrekte Nachricht heute leicht verständlich in ihrer Seite-1-Rubrik “Verlierer” des Tages. Dort heißt es dann auch richtig, dass der Oldtimer “extra umgebaut werden” musste — was die gestrige Behauptung von Bild.de, Craig bekomme “jetzt Nachhilfe in Sachen ‘richtiges’ Autofahren” wie eine faustdicke Lüge aussehen lässt.

“Verlierer” des Tages ist laut “Bild” aber dennoch nicht Bild.de, sondern Craig.

Nachtrag, 5. März. Bild.de hat die Fehler erst noch ein bisschen verschlimmert, und dann ein bisschen korrigiert.

Aus für “Puff-Politiker”

Die “Bild”-Zeitung wird den rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Sie gab am vergangenen Freitag eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Alle Artikel über Winkelmeier sind inzwischen aus dem Angebot von Bild.de entfernt worden.

Winkelmeier wurde vor rund zehn Jahren Miteigentümer eines Hauses in Neuwied. Zu den Mietern gehörten unter anderem auch Prostituierte, die dort ihrer Arbeit nachgingen. Nachdem die Rhein-Zeitung darüber berichtet hatte, griff “Bild” den Fall groß auf. Drei Tage in Folge berichtete das Blatt — an jedem Tag stand das Wort “Puff-Politiker” in der Überschrift, meist noch mehrere Male im Artikel selbst.

Dass das unzulässig ist, stehe außer Frage, sagt uns Winkelmeiers Anwalt Jony Eisenberg. Nicht nur, weil dem Politiker keineswegs vorgeworfen werde, selbst als Zuhälter gearbeitet oder das Bordell betrieben zu haben. Sondern auch, weil es sich um eine unzulässige “Schmähung” handele, mit dem Ziel, den Mann verächtlich zu machen. Offensichtlich sei das auch “Bild” bewusst gewesen – das Blatt habe nach einer Abmahnung die Unterlassungserklärung abgegeben, ohne dass ein Gerichtsurteil nötig gewesen sei.

Die “Bild”-Zeitung darf Winkelmeier, der inzwischen die Fraktion der Linkspartei verlassen hat, also nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Aber sie war ja ohnehin mit ihm fertig.

Wie “Bild” sich selbst korrigiert

Naja, so ein paar Links am Anfang können natürlich nie schaden. Ebensowenig wie die Information, dass Joachim Huber beim Berliner “Tagesspiegel” Redakteur der Medienseite ist, auf der in der Vergangenheit öfters mal “Bild”-kritische Artikel erschienen sind. Aber es geht auch ohne.

Schließlich ist dies nicht die Geschichte, wie Joachim Huber einmal dafür sorgte, dass die “Bild”-Zeitung auf ihr Seite-1-Girl verzichtet und stattdessen lieber das Foto einer verschleierten Frau gezeigt hatte. Nein, es ist nicht einmal eine Geschichte darüber, wie ein “Tagesspiegel”-Kollege Hubers Susanne Osthoff für den renommierten Grimme-Preis vorgeschlagen hatte und Huber daraus eine Nachricht bastelte, die ihm einigen Ärger einbrachte, zumal Huber selbst in die Grimme-Preis-Jury berufen worden war (siehe Links am Anfang), die am kommenden Samstag erstmals tagt. Und dass “Bild” Hubers Osthoff-Nachricht tags drauf auf der Titelseite brachte (siehe Ausriss), auf den “Tagesspiegel” als Quelle verzichtete und stattdessen lieber sinnentstellend zugespitzt behauptete, für ihre Auftritte “soll sie nun den bedeutenden Grimme-Medienpreis bekommen” – geschenkt. Wer erwartet schon, dass “Bild” sich mit den Regularien der Grimme-Preis-Vergabe vertraut macht, bevor sie darüber berichtet, anstatt zu verschleiern, dass Osthoff ja, wie gesagt, mitnichten nominiert, sondern lediglich vorgeschlagen worden war, was wenig bedeutet, weil über die Nominierungen eine Nominierungskommission entscheidet, und anschließend eine Preis-Jury über die Preisträger?

Nein, dies ist die Geschichte, wie “Bild” eine Falschmeldung korrigiert. Denn am Montag hatte “Bild” berichtet, Huber bleibe trotz seiner umstrittenen Meldung Grimme-Juror (siehe Ausriss links). Genauer gesagt hatte “Bild” ungeprüft eine kleine Meldung aus dem “Focus” übernommen – und anschließend sogar bei diversen Jury-Kollegen Hubers nachgefragt, was die denn eigentlich so davon halten. Das Ergebnis der Umfrage allerdings ist nie erschienen, was unter anderem daran gelegen haben könnte, dass die Meldung von Hubers Jury-Mitgliedschaft bereits überholt war, als der “Focus” erschien – und umso überholter, als “Bild” sie nachdruckte…

… wobei das jetzt eben nicht heißen soll, dass “Bild” die “Focus”-Ente nicht umgehend korrigiert hätte. Im Gegenteil: Bereits am Dienstag stand die Richtigstellung (also dass Huber bereits am Freitag vergangener Woche freiwillig auf seinen Platz in der Jury verzichtet hatte) sogar auf der “Bild”-Titelseite und originellerweise in der “Verlierer”-des-Tages-Rubrik. Dort hieß es:

“Joachim Huber (47), Redakteur des Berliner ‘Tagesspiegel’, zieht sich aus der Jury des Grimme-Preises zurück. Der Journalist hatte ‘exklusiv’ über die angebliche Nominierung von Irak-Geisel Osthoff für den begehrten Medienpreis berichtet – obwohl der Vorschlag von einem ‘Tagesspiegel’-Redaktionskollegen stammte und Huber selbst Mitglied der Grimme-Jury ist. (…)”

PS: Dass Huber über den Osthoff-Vorschlag berichten konnte, hat nichts mit seiner Jury-Mitgliedschaft zu tun. Und dass Huber, anders als “Bild”, niemals fälschlicherweise “über die angebliche Nominierung” Osthoffs berichtet hatte, sondern faktisch korrekt über den tatsächlichen Vorschlag, blieb in “Bild” bis heute unberichtigt.

Irgendetwas in dieser Richtung hat er doch gesagt!

Dies ist die Geschichte, wie der Hamburger CDU-Politiker Robert Heinemann einmal ganz groß bundesweit Schlagzeilen machte.

Es fing ganz unspektakulär an. Am Dienstag vergangener Woche gab Heinemann mehreren Zeitungen Interviews. Es ging um die aktuelle Diskussion, ob auf Schulhöfen deutsch Pflichtsprache sein sollte. Heinemann äußerte sich differenziert: Er begrüße solche Regeln, aber die Schulen dürften und müssten das selbst entscheiden. Eine Regelung “von oben” lehnte er laut “Hamburger Morgenpost” ausdrücklich ab. “Wir werden das nicht vorschreiben”, zitiert ihn das “Hamburger Abendblatt”.

In “Bild” las sich das am selben Tag schon etwas knackiger. Die Hamburger Ausgabe zitierte Heinemann am Mittwoch mit den Worten:

“Sanktionen müßten die Schulen selbst festlegen. Mögliche Strafe: Wer nicht deutsch spricht, soll den Schulhof fegen.”

Die Formulierung fand Heinemann, wie er später erklärte, “zwar erheblich verkürzt — aber noch nicht völlig falsch”. Eigentlich habe er dem “Bild”-Redakteur auf die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten für Schulen, die eine Deutschpflicht durchsetzen wollten, nur geantwortet, dass viele Maßnahmen denkbar seien: “vom erzieherischen Gespräch über Verfahren wie bei den Streitschlichtern bis hin zu Strafmaßnahmen wie dem Fegen des Schulhofes”. Am Mittwoch habe er den “Bild”-Redakteur angerufen und ermahnt, dass das ihm zugeschriebene Zitat “journalistisch an der Grenze” sei.

Am Donnerstag überschritt “Bild Hamburg” diese Grenze und machte aus der möglichen Maßnahme eine Forderung:

CDU-Politiker Heinemann löst hitzige Debatte aus: Deutsch sprechen oder Schulhof fegen! - Riesen-Wirbel um den Hamburger CDU-Schulexperten Robert Heinemann. Der forderte gestern in BILD: "Schüler, die nicht deutsch sprechen, sollen den Schulhof fegen!" Heinemann bekräftigte gestern gegenüber BILD noch einmal seinen Besen-Appell. "Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe!"

In einer Fotounterschrift machte “Bild” aus Heinemann sogar eine Art Grammatik-Polizisten:

Wer nicht richtig deutsch spricht, soll fegen, meint Schulexperte Robert Heinemann.
(Hervorhebung von uns.)

Heinemann sagt, er habe sich daraufhin “massiv bei der Bild-Zeitung beschwert”. Das scheint keinen großen Eindruck gemacht zu haben. Am Freitag erschien die Falschmeldung groß in der Bundesausgabe von “Bild”:

Und am Samstag wieder in der Hamburger Ausgabe, diesmal als “Spruch der Woche”:

Erst am gestrigen Montag, nachdem Heinemanns angebliches Zitat von vielen anderen Medien aufgegriffen worden war, erschien in “Bild” Hamburg so etwas wie eine Richtigstellung. Wobei die “Bild”-Zeitung über die Richtigstellung natürlich nicht “Richtigstellung” schrieb, sondern:

Herr Heinemann, wie ist das denn nun mit dem Schulhof-Fegen? (...) Schüler, die auf den Pausenhöfen nicht deutsch sprechen, sollen zur Strafe den Schulhof fegen. Mit dieser Idee hat CDU-Schulexperte Robert Heinemann bundesweit für Aufsehen gesorgt und für hetige Reaktionen bei SPD und GAL gesorgt (BILD berichtete).

Nichts deutet darauf hin, dass sich in dem folgenden Interview quasi “Bild” korrigiert und nicht Heinemann. Es sei denn, man kennt den Hintergrund – dann versteht man auch die merkwürdig trotzköpfige Fragestellung von “Bild”:

PS: Unsere Anfrage bei “Bild”, zu Heinemanns Vorwürfen Stellung zu nehmen, blieb unbeantwortet.

Nachtrag, 1. Februar. Inzwischen haben wir eine Antwort von “Bild” bekommen. Sie lautet: “Von unserer Seite gibt es dazu nichts zu sagen.”

“Bild”-Chef zieht Gegendarstellungsbegehr zurück

Das wird jetzt etwas länger, denn…

… in einem Dossier über die “Großmacht Springer” hatte sich die “Zeit” am 11. August unter anderem folgende Frage gestellt:

“Ist es Vorsatz, wenn ein Foto so beschnitten wird, dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin als Schlagstock angesehen werden kann (…)?”

Hintergrund dieses Satzes war die Veröffentlichung eines Fotos in der “Bild”-Zeitung vom 29.1.2001. Zu sehen war darauf Jürgen Trittin im Jahr 1994 am Rande einer Demo. Die Aufnahme stammte ursprünglich von Sat.1 und erschien 29.1.2001 auch im “Focus”. “Bild” hatte behauptet, in der Hand eines (unmittelbar neben Trittin abgebildeten) Demonstranten befinde sich ein Schlagstock, obwohl es sich dabei nur um ein Seil handelte, wie sowohl bei Sat.1 als auch im “Focus” deutlich zu erkennen war — nicht jedoch in dem von “Bild” abgedruckten Ausschnitt des Fotos. Nachdem der grobe Fehler öffentlich geworden war, druckte “Bild” eine Richtigstellung und Kai Diekmann, damals seit vier Wochen “Bild”-Chefredakteur, sagte dem “Spiegel”(hier für 50 Cent, Gratisauszüge hier): “Wir sind am Sonntag im Vorabexemplar von ‘Focus’ auf das Foto gestoßen und haben es abgescannt, weil wir das Original nicht besorgen konnten. Die Ausdrucke, mit denen wir dann gearbeitet haben, waren Kopien von Kopien und entsprechend schlecht, so dass die Fortsetzung des Seils nicht erkennbar war.” Zuvor referierte bereits die “Berliner Zeitung” Diekmanns Erklärung mit dem Worten: “Deshalb habe man das Foto für den Druck beschnitten.” Das war vor dreieinhalb Jahren und nicht schön.

“Bild”-Chef Diekmann ist seither mehrfach gerichtlich gegen Berichte anderer Medien vorgegangen, die fälschlicherweise behauptet hatten, “Bild” habe Trittin “einen Schlagstock in die Hand montiert” bzw. “in die Hand gedrückt”. Sowohl die “Berliner Zeitung” als auch die “taz” entschieden sich allerdings, den unabwendbaren Abdruck einer entsprechenden Gegendarstellung Diekmanns ausführlich zu kommentieren.

Was indes die “Zeit” anbelangt, könnte man einwenden, auch die Behauptung, “dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin als Schlagstock angesehen werden kann” sei sachlich falsch, weil Trittin selbst das Seil auf dem Foto gar nicht anfasst. “Bild”-Chef Diekmann allerdings nahm Anstoß an einem anderen Aspekt des “Seil”-Satzes. Nach unseren Informationen hieß es in einer Gegendarstellung, deren Abdruck er von der “Zeit” forderte, “Bild” ” habe “niemals ein Foto so beschnitten”, dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin hätte als Schlagstock angesehen werden können: Der Fehler von “Bild” habe darauf beruht, “dass allein aufgrund der schlechten Bildqualität eine verfälschende Bildunterschrift zugeordnet wurde”.

Allerdings weigerte sich die “Zeit”, die Gegendarstellung zu drucken. Und das mit gutem Grund. Schließlich handelt es sich ja bei dem Trittin-Foto in “Bild” zweifelsfrei um einen Ausschnitt des “Focus”-Fotos, auf dessen Original der “Schlagstock” eindeutig als Seil zu erkennen ist. Und so zitiert auch der “Stern” in seiner aktuellen Ausgabe einen “Bild”-Sprecher mit der Aussage: “Der Chefredaktion lag lediglich ein Schwarzweiß-Scan vor, auf dem die Ränder des Fotos schwarz waren. Diese Ränder wurden beim Einstellen des Scans ins Layout … selbstverständlich nicht berücksichtigt.”

Und das ist umso erstaunlicher, als Kai Diekmann doch gegenüber der Pressekammer des Landgerichts Hamburg im August 2005 eine “eidesstattliche Versicherung” abgegeben hat, in der es ausdrücklich heißt, man habe die Abbildung zwar “unzutreffend betextet”, aber:

“Das Foto (…) ist in keiner Weise ‘beschnitten’ worden.”

Das Gericht verlangte daraufhin Ende August zwar zunächst in einer Einstweiligen Verfügung von der “Zeit”, den strittigen “Seil”-Satz aus der Online-Version des Dossiers zu tilgen. Dort fehlt er noch immer, dürfte nach unseren Recherchen aber alsbald wieder in den Text eingefügt sein, denn…

… nachdem die “Zeit” Mitte September Widerspruch angekündigt hatte, nahm Diekmann kurzerhand seinen Antrag zurück, verzichtete freiwillig auf die Ansprüche aus der Einstweiligen Verfügung und muss sämtliche Verfahrenskosten tragen.

Wie es zu Diekmanns überraschenden Sinneswandel kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Im “Stern” heißt es, an der Richtigkeit der Eidesstattlichen Versicherung* Diekmanns seien “Zweifel angebracht”.

*) “Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
(§ 156 StGB)

Angst vor leichten Verletzungen

Der Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen hatte am Sonntag bei der DTM in Hockenheim einen schweren Unfall. Er wurde nach Ludwigshafen in die Klinik gebracht, wo eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde. Das wurde bereits am Sonntag bekannt und von “Bild” geflissentlich ignoriert. Am Montag berichtete das Blatt so:

Im Text heißt es:

Bei einer Computer-Tomografie wird eine Gehirnerschütterung der schwersten Kategorie festgestellt. Frentzen wird sofort auf die Intensivstation gebracht. Er hat außerdem schwere Prellungen und ein Schleudertrauma.

Dazu wäre, erstens, zu sagen, dass es terminologisch gar keine Gehirnerschütterung der “schwersten Kategorie” gibt (eine Gehirnerschütterung ist eine leichte Form des Schädel-Hirn-Traumas). Zweitens ist anzumerken, dass eine Gehirnerschütterung nicht per Computer-Tomographie nachweisbar ist (es lassen sich lediglich schwerere Gehirnverletzungen nachweisen und somit ausschließen). Und drittens hieß es dann gestern in einer Mitteilung der DTM:

Frentzen auf dem Weg der Besserung

Doch auch das wurde von “Bild” ignoriert. Heute steht also folgendes im Blatt:

Auffällig daran ist nicht nur, dass im Text jetzt schon von “Hirnprellungen” die Rede ist (die “Angst vor Hirnblutungen” dürfte ein Zitat des behandelnden Arztes im Handelsblatt zerstreuen), sondern auch, dass Frentzen selbst in “Bild” zitiert wird. Und zwar so:

“Ich habe noch sehr starke Kopfschmerzen. An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern.”

Nicht, dass er das nicht gesagt hätte, das hat er durchaus. Allerdings klingt das vollständige Zitat, wie es sich in der bereits erwähnten Besserungs-Meldung auf der DTM-Internetseite nachlesen lässt etwas anders:

“An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern”, sagt Frentzen. “Generell geht es mir gut außer, dass ich noch starke Kopfschmerzen habe. (…)”

Und eigentlich wäre die Geschichte hiermit zuende. Ist sie aber nicht. Denn erstens hat man sich bei Focus-Online dummerweise entschieden, die heutige Hirnblutungs-Geschichte aus “Bild” ungeprüft zu übernehmen. Und zweitens wusste man bei Bild.de offenbar schon gestern, dass alles halb so schlimm ist. Mit Datum vom 24. Oktober wurde nämlich diese Geschichte veröffentlicht:

Mit Dank für die zahlreichen sachdienlichen Hinweise

Blättern:  1 ... 44 45 46 47 48