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Wo Menschenverachtung beginnt

Anfang Mai, als der Prozess gegen Marc Hoffmann begann, brauchte “Bild” nicht viele Worte, um den des Mordes und der Vergewaltigung Angeklagten so zu charakterisieren, wie sie es für richtig hielt. Es gab da eine große Überschrift, die keinen Platz für Zweifel ließ:

In einem kleinen Text gab “Bild”-Reporter René Ebensen außerdem Auskunft darüber, wie er den Mörder gesehen habe. Sein Fazit:

Er ist eine Bestie.

So einfach ist das in der Weltsicht von “Bild”, die ja schon viel früher ihr Urteil über Marc H. gefällt hatte.

Dass es vielleicht doch etwas komplizierter ist, kann man in einem ausführlichen Prozessbericht der “Süddeutschen Zeitung” von gestern nachlesen. Am Ende des Artikels heißt es, dass das “Übermaß an Trauer” der Hinterbliebenen wohl “keinen Raum lässt für Hass”. Und weiter:

Aber dafür gibt es ja “Bild”, das zentrale deutsche Hassorgan. “Da sitzt die fette Bestie”, steht über dem ersten Prozessbericht, und Reporter René E. schildert uns, wie Marc H. (“aufgedunsen, fettige Haare, Pickel im Gesicht”) ihm einmal “direkt in die Augen” schaut und wie ihm “ein kalter Schauer über den Rücken läuft”. Offensichtlich verblüfft registriert der Reporter: “Marc H. atmet und schwitzt wie ein Mensch” (wo er doch in Wirklichkeit eine Bestie ist).

Die Folgen zwei und drei der Bild-Berichterstattung sind überschrieben: “Sie überführte die fette Bestie” (über Vera S., die der Polizei den entscheidenden Hinweis auf Marc Hoffmann gab) und “Warum schützt der Richter die fette Bestie?” (weil das Gericht während der Vernehmung des Sachverständigen Leygraf die Öffentlichkeit teilweise ausschloss).

Wahr ist, dass die Taten Marc Hoffmanns von erschreckender Gefühlskälte und Menschenverachtung zeugen. Aber Menschenverachtung beginnt nicht erst, wenn einer Kinder umbringt. Sie beginnt dort, wo einem das Menschsein aberkannt wird. Und wenn es ein Mörder ist.

Pervers

Schlägt man im Wörterbuch der deutschen Sprache den Begriff “pervers” nach, findet man dies:

per|vers [Adj. , –er, am perversesten] 1 widernatürlich, geschlechtlich unnormal empfindend 2 [ugs.] unnatürlich; er hat eine ~e Freude am Boxen 3 [ugs.] abscheulich, gemein, unerträglich; faule Eier stinken p. [lat . perversus “verkehrt, umgedreht”, zu pervertere “umkehren, umstürzen, verderben”, per… “ganz, völlig” und vertere “wenden”]

Bezieht man sich auf die dritte, umgangssprachliche Bedeutung, dann ist sicherlich jeder Mörder pervers, nämlich abscheulich. Dann müsste man das allerdings so wenig hinschreiben, wie bei einem Schimmel die Tatsache, dass er weiß ist. Für “Bild” aber ist der mutmaßliche Mörder von Moshammer nicht einfach ein “Mörder”, er ist ein “perverser Mörder”. Und so sieht das aus:

Weil im zugehörigen Artikel keineswegs davon die Rede ist, dass sich der Täter in irgendeiner Weise sexuelle Befriedigung durch die Tat verschaffte, gibt es nun drei Möglichkeiten, warum “Bild” diesen Mörder “pervers” findet:

1.) Er ist pervers, weil er Asylant ist.
2.) Er ist pervers, weil er Pornos guckt.
3.) Er ist pervers, weil er viel Geld für Sex nimmt.

Ach, und eine weitere gibt es natürlich noch:

4.) Er ist pervers, weil “Bild” das Wort “Mörder” so inflationär gebraucht, dass es für sich allein gar nicht mehr richtig schlimm wirkt. Und die Begriffe “Bestie” und “Monster” sind ja im Moment schon von einem anderen mutmaßlichen Mörder belegt.

Allgemein  

Auszüge aus dem “Medien-Pranger”

Aus gegebenem Anlass soll hier doch einmal in aller Deutlichkeit auf Ziffer 13 des Presskodexes hingewiesen werden und insbesondere auf die Richtlinien dazu:

Bis zu einer gerichtlichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung, auch im Falle eines Geständnisses. Auch wenn eine Täterschaft für die Öffentlichkeit offenkundig ist, darf der Betroffene bis zu einem Gerichtsurteil nicht als Schuldiger im Sinne eines Urteilsspruchs hingestellt werden. (…)Vorverurteilende Darstellungen und Behauptungen verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Schutz der Menschenwürde, der uneingeschränkt auch für Straftäter gilt. Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines “Medien-Prangers” sein. Daher ist zwischen Verdacht und erwiesener Schuld in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.

Hier einige Zitate aus Artikeln, die seit der Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Levke und Felix, Marc H., in “Bild” und/oder auf Bild.de erschienen sind:

31 Wochen nach dem brutalen Mord an der 8jährigen Levke ist der Täter endlich gefaßt: Es ist Marc H. (31) (…)
Bild.de vom 9.12.04

Unfaßbar: Der Killer hat selbst zwei kleine Töchter!
Bild.de vom 9.12.04

Wer ist dieses Monster?
Bild.de vom 9.12.04

Levkes Mörder – Seine geschockte Ex-Frau: Er war so ein lieber Vater…
Bild.de vom 10.12.04

Der Mann, den sie liebte, ist der Mörder der kleinen Levke.
Bild.de vom 10.12.04

Der Killer machte eine Lehre zum Installateur (…)
Bild.de vom 10.12.04

Vor zwei Jahren bekam der Killer mit Ehefrau Anja Töchterchen Sophie-Andrea.
Bild.de vom 10.12.04

Hat der Killer auch Tochter Laura mißbraucht?
Bild.de vom 10.12.04

Levkes Mörder: Schon als Junge haßte er Mädchen
Bild.de vom 12.12.04

Der Junge heißt Marc. 25 Jahre später wird er zum Mörder der kleinen Levke († 8).
Bild.de vom 12.12.04

Sein letztes Opfer wurde Levke.
Bild.de vom 12.12.04

Jetzt spricht die Mutter des Levke-Killers
Bild.de vom 13.12.04

Ihr Sohn hat ein 8jähriges Mädchen bestialisch getötet.
Bild.de vom 13.12.04

Fünf Tage nach der Festnahme und dem Geständnis des Mädchenmörders Marc H. (…)
Bild.de vom 13.12.04

Bei der Suche nach möglichen weiteren Opfern des Doppelmörders (…)
Bild.de vom 8.1.05

Aber der Mann hat Levke ermordet und jetzt den kleinen Felix.
“Bild” vom 10.1.05

(…) Marc Hoffmann (31), der Mörder von Levke (8) und Felix (8) (…)
“Bild” vom 11.1.05

Ist Doppelmörder Marc Hoffmann etwa auch der „schwarze Mann“ (…)
“Bild” vom 11.1.05

Zweifacher Kindermörder Marc Hoffmann – Wieso bekam die Bestie das Sorgerecht für die kleine Tochter?
“Bild”vom 12.1.05

Der Killer hatte ausgesagt, das Rad dort ins Wasser geworfen zu haben.
“Bild” vom 12.1.05

Hier versteckte er nach dem Mord an Levke auch die Habseligkeiten des Mädchens.
“Bild” vom 12.1.05

Zärtlich umarmt die Tochter (10) ihren Vater Marc Hoffmann, den Kinderkiller.
Bild.de in einer Fotogalerie

Kindermörder Marc Hoffmann
Fotounterzeile auf Bild.de in diversen Artikeln über Marc H.

Kindermörder Hoffmann nach Bedrohung durch Häftlinge verlegt
Bild.de vom 12.1.05

Diese Zusammenstellung ist nicht vollständig.

Implizit missverständlich

In der vergangenen Woche brachte “Bild” diese interessante Schlagzeile:

Hat da also eine rachsüchtige Bestie das Haus seines hilflosen Herrchens in Brand gesteckt, weil nicht genug Futter im Napf war? Nein, nein:

“Eine Frau aus Bendorf (Rheinland-Pfalz) füllte ihrem Hund Futter ein, begeistert sprang er am Herd hoch – und drehte dabei unbemerkt den Schalter einer Kochplatte an. Später brach dadurch ein Feuer aus!”

Eine Woche darauf schreibt “Bild”:

Puh! Drei Jahre Knast wegen einer Beleidigung? Muss ja was ziemlich Fieses gewesen sein, oder? Na ja – laut “Bild” sagte der Verurteilte vor Gericht:

“Mit Ihnen rede ich nicht. Sie haben meinen Befangenheitsantrag abgelehnt.”

Finden Sie nicht so schlimm? Tja, verurteilt wurde der Mann ja auch, weil er eine Kreditkarte gestohlen, damit eine Hotelrechnung in Höhe von 800 Euro und eine Goldkette im Wert von 1400 Euro bezahlt hat, anschließend einen Wagen mietete, einen Anhalter mitnahm und diesem in einer Pinkelpause an der Raststätte auch noch dessen Rucksack mopste.

“Urteil (unter Einbeziehung anderer Strafen): 3 Jahre, 4 Monate Haft.”

Und mal abgesehen davon, dass “übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, (…) in BILD nichts zu suchen” haben, wäre es doch fein, wenn in Berichten tatsächlich auch das stünde, was in der Schlagzeile bloß impliziert wird. Oder?

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