Wir werden angegriffen. Eine grausame Splittergruppe von Extremistinnen mit perversen Fantasien und gewaltigem Manipulationsvermögen ist auf dem besten Wege, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Und wir lassen es ahnungs- und tatenlos geschehen.
So in etwa kann man den Text von Bettina Röhl zusammenfassen, der am Dienstag auf der Internetseite der “Wirtschaftswoche”erschienen ist. Er heißt:
Es geht um jenen Kreis von Menschen, den Bettina Röhl die “Gender-Mafia” nennt. Wahlweise auch die “Gender-Fanatiker”, die “Gender-Fighterinnen” oder die “Kreuzritterinnen der Gender-Ideologie”.
Zwar weiß die Autorin selbst nicht so genau, was dieses “Gender” überhaupt bedeutet, aber eines weiß sie umso besser: Dass es böse ist. Verdammt böse.
Was Gender wirklich ist, weiß Niemand so ganz genau. Dass Gender eine unwissenschaftliche, die Realität ganz offensichtlich auf den Kopf stellende, fanatische Ideologie einer Minderheit ist, die die Mehrheit in ihren Zangengriff genommen hat, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, steht fest.
“Die Gender-Ideologie” sei “in Wahrheit ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, ihre Ziele seien “größenwahnsinnig”, “grausam” und “unmenschlich”, zuweilen gar “widernatürlich, verfassungsbrechend und kriminell”. Sie sei “die schmutzige Phantasie von einer kleinen Clique von Extremistinnen, die von der Frauenweltherrschaft, gemeint ist ihre persönliche Weltherrschaft, träumen.”
Es geht noch ewig so weiter. Ein 19.000 Zeichen langes Thesenfeuerwerk, das uns von zwei Dingen überzeugen soll.
Punkt 1, wie gesagt: Gender sei böse, denn die Gesellschaft werde entmännlicht. Im Übrigen kein neues Thema für Bettina Röhl: Schon vor acht Jahren befürchtete sie, der Mann könne vom “lautlos heranrollende[n] Tsunami namens ‘Gender Mainstreaming'” fortgespült werden.
Punkt 2: Gender gewinne an Macht.
“Gender Mainstreaming”, schreibt Röhl, sei “geistige Brandstiftung” und “eine menschenverachtende Fiktion, die nicht trotz dieser Tatsache, sondern mutmaßlich wegen ihres Irrsinns so grausam erfolgreich ist”.
Diesen grausamen Erfolg, diese “Machteroberung durch die Gender-Ideologie” macht Bettina Röhl an einem ganz bestimmten Ereignis fest. Ohnehin ist dieses Ereignis das einzige konkrete Beispiel im gesamten Artikel, der einzige Beleg, den Bettina Röhl anführt, um ihre wilde These von der “Entmännlichung unserer Gesellschaft” zu untermauern.
Und dieses Ereignis liest sich so:
An der Universität Leipzig wird seit kurzem ein (männlicher) Professor mit Herr Professorin angesprochen. Die Gender-Ideologen blasen zum Angriff auf die Sprache und leiten damit einen neuen Orbitalsprung bei der Durchgenderung der Gesellschaft ein.
Das ist er also, der große Erfolg der “Gender-Mafia”, der Meilenstein des Extremfeminismus: Herr Professorin!
Der Herr Professorin, die neue Anrede von Professoren an der Universität Leipzig und nun auch Potsdam, ist kein Scherz, keine Satire. Ironie ist Ideologen unbekannt, das gehört förmlich zur Definition von Ideologie dazu. Es handelt sich auch nicht um einen bloße Volte des Schicksals. Vielmehr wird hier ein Orbitalsprung im Wachstum der Genderkrake exemplarisch sichtbar.
Der Angriff auf die Sprache zwecks Manipulation der Realität ist nicht nur eine strategische Variante, sondern wird jetzt mit Macht getestet und voran getrieben. Herr Bundespräsidentin ist nicht mehr so weit entfernt. Und die Erzwingung der Akzeptanz, dass Männerunterdrückung keine Diskriminierung ist, sondern schlimmstenfalls berechtigte Strafe für 20 000 Jahre Männerdominanz […].
Die Professoren, die sich fröhlich Professorin nennen lassen, wissen nicht ganz genau, was sie mit dieser “Akzeptanz” tun und bewirken. Hier geht es ja nicht um einen Gag machen wir es doch zur Abwechslung einfach mal anders herum und machen die weibliche Form zum Gattungsbegriff für beide Geschlechter, sondern es geht im Kontext um die Machteroberung durch die Gender-Ideologie.
So. Und jetzt nochmal für alle. Die Anrede “Herr Professorin” ist ein Märchen! Fiktion! Reine Fantasie! Eine Erfindung der Medien! Sie hat nichts, aber auch gar nichts mit der tatsächlichen Entscheidung der Uni Leipzig zu tun. Und mit der an der Uni Potsdam genauso wenig.
Wenn am “Herrn Professorin” überhaupt irgendetwas “exemplarisch sichtbar” wird, dann ist es ein Orbitalsprung im Wachstum der Recherchefaulheit mancher Journalisten. Und Journalistinnen.
Mit Dank an Kai, Eberhart L. und NaturalBornKieler.