Archiv für Vermischtes

Symbolfoto XXIV

Mann, die sind verdammt flink bei “Bild”, könnte man meinen. Kaum werden in der irakischen Stadt Baidschi zwei deutsche Ingenieure entführt, da haben sie bei Bild.de auch schon Bilder dazu:

Haben sie aber gar nicht. Die zur Illustration der Schlagzeilen verwendeten Fotos wurden gar nicht bei der Entführung aufgenommen, sie sind auch nicht in der irakischen Stadt Baidschi entstanden, ja nicht einmal am Tag der Entführung. Nein, sie haben nicht nur überhaupt nichts mit der Geschichte zu tun, sondern auch nichts miteinander – außer, dass sie aus dem Fundus der Nachrichtenagentur AP gefischt wurden.

Das erste Foto (siehe Ausriss links und hier), mit dem Bild.de am Nachmittag die Schlagzeile auf der Startseite bebilderte, ist eine Collage. Sie zeigt irakische Polizisten am 20. Januar neben einem Polizeiauto, das bei einem Bombenanschlag in Bagdad zerstört wurde, und am linken Bildrand wurde ein weiterer, diesmal vermummter, Polizist in die Szenerie montiert. Warum auch immer.

Das zweite Foto (siehe Ausriss rechts und hier), das die Meldung im “Nachrichten”-Ressort ankündigt, entstand am 9. Januar vor dem Innenministerium in Bagdad. Es zeigt irakische Polizisten, die das Ministerium abschirmen, nachdem auf das Gebäude ein Anschlag verübt worden war. Einer von ihnen droht Presseleuten mit seiner Waffe, damit sie aufhören, ihn und seine Kollegen zu filmen.

Immerhin eine Gemeinsamkeit haben Illustration und Entführungsmeldung: Beides hat irgendwie mit Autos zu tun.

Da waren’s nur noch sechs

Es gibt sieben Weltwunder, sieben Hügel in Rom, sieben Zwerge, sieben Geißlein und Siebenbürgen, warum sollte Susanne Osthoff nur sechs Rätsel haben?

So mag sich die “Bild”-Zeitung gefragt haben, als sie die Schlagzeile “Die sieben Rätsel der Susanne Osthoff” erfand — und möglicherweise zu spät feststellte, dass ihr eigentlich höchstens sechs einfielen. “Bild”-Rätsel sieben geht jedenfalls so:

Das Fessel-Rätsel

Im “Stern” erzählte Osthoff: “Und weil meine Hände hinterm Rücken gefesselt waren, bin ich auf die Lippen gefallen … Die Handfesseln habe ich mühsam aufgebissen, um mich wenigstens im Kofferraum in die Ecke verkriechen zu können, damit ich bei Beschuß von hinten nicht gleich getroffen werde.”

Frage einer “Stern”-Leserin: “Wie kann es sein, daß sie ihre Handfesseln im Kofferraum aufgebissen hat, wenn doch ihre Hände auf dem Rücken gefesselt waren?” Die Redaktion erklärte die Ungereimtheit mit einer “Kürzung des Interviews”.

Tjaha, wirklich rätselhaft. Also, weniger die Fessel-Situation und auch nicht die Antwort des “Stern”, sondern die Entscheidung von “Bild”, nicht auch noch die nächsten beiden Sätze aus dem aktuellen “Stern” abzuschreiben:

Susanne Osthoff berichtete, dass sie beim Umladen in ein Fahrzeug der Entführer neu gefesselt wurde, die Hände vor der Brust. Während der weiteren Fahrt war sie im Kofferraum eingesperrt, wo sie sich unbeobachtet an den Fesseln zu schaffen machen konnte.

Diese Erklärung ist ähnlich bereits seit zwei Wochen auf stern.de zu lesen. Man hätte sie nur zitieren müssen, um das “Rätsel” zu lösen. Vorausgesetzt natürlich, man wäre an einer Lösung interessiert.

Danke an Cay D. für den Hinweis!

Oh, Backe!

Heute auf der letzten Seite von “Bild” in Christiane Hoffmanns “Ich weiß es!”-Kolumne:

Die Fotos, die “Bild” da abdruckt, stammen vom World Entertainment News Network (WENN) und werden auf der Internetseite folgendermaßen beschrieben:

Britney Spears and her brother Bryan experience car troubles on the Pacific Coast Highway. The pair driving in Kevin Federlines Ferrari, were helped by the paparazzi and then were picked up by the police.

Etwa: Britney Spears und ihr Bruder Bryan haben eine Autopanne auf dem Pacific Coast Highway. Die beiden, die in Kevin Federlines Ferrari unterwegs waren, bekamen Hilfe von Paparazzi und wurden dann von der Polizei mitgenommen.

Ob das nun origineller ist, als das, was Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann sich offenbar, rums, ausgedacht hat, darüber kann man streiten, zumindest scheint es aber wahr zu sein – und man kann es auf sehr vielen, frei zugänglichen Internetseiten nachlesen.

Tja …

Mit Dank an Alex V. für den sachdienlichen Hinweis

Auch die “BamS” kennt sich prima mit Päpsten aus

“Die größte Beton-Kathedrale der Welt wurde 1971 von Papst Johannes Paul II. eingeweiht, in ihr hängt das Marienbildnis der ‘Virgen de Altagracia’. Dominikaner schwören: Die Heilige Jungfrau heilt Kranke, erhört Bitten.”

So stand’s gestern im “Super-Preisrätsel von BamS und Neckermann”. Und weil’s so schön ist, gibt’s zu obigem Absatz auch gleich noch eine “Super-Preisrätsel”-Frage, in der es heißt:

“Rund 44 Kilometer von der dominikanischen Ostküste entfernt liegt Higuey, der berühmteste Wallfahrtsort des Landes. Das Zentrum jeder Wallfahrt: die größte Betonkathedrale der Welt, die 1971 von Papst Johannes Paul II. eingeweiht wurde.”

Anschließend fragen “BamS” und Neckermann dann, was für ein Marienbildchen denn wohl in Higüey von den Einheimischen verehrt werde. Gute Frage. Sinnvoller wäre allerdings die Frage gewesen, ob und wenn ja wann welcher Papst warum eigentlich dort war.*

Mit Dank an Mike S. für den Hinweis.
 

 
Nachtrag, 29.1.2006:
In der “BamS”-Ausgabe vom 29. Januar heißt es auf Seite 38 in der “Korrektur”-Rubrik:

“In der BamS-Ausgabe vom 22. Januar stand auf Seite 52, daß die Kathedrale von Higuey 1971 von Papst Johannes Paul II. eingeweiht wurde. Richtig ist, daß Papst Johannes Paul II. am 25. Januar 1979 die Kathedrale besuchte und dabei das Marienbildnis der ‘Virgen de Altagracia’ mit einer Tiara (Papstkrone) krönte.”

Kurz korrigiert (58)

Unter der Überschrift “Wollte Hitler den berühmten Petersplatz nachbauen?” heißt es heute in der “Bild”-Zeitung:

“Statt eines Brunnens wie in Rom sollte allerdings in der Mitte eine Riesenstatue von Italien-Diktator Mussolini stehen.”

Der Satz ist die korrekte Wiedergabe eines Zitats aus einer britischen Sonntagszeitung (“The Moscow museum’s director, David Sarkisian, told the Sunday Telegraph: “(…) at the centre instead of a fountain as in Rome there would be a huge statue of Benito Mussolini”). Sachlich richtiger wird der “Bild”-Satz dadurch aber nicht — auch nicht dadurch, dass “Bild” die Quellenangabe weglässt und sich die Aussage zu Eigen macht. Im Gegenteil: Von einer Zeitung mit eigenem Vatikan-Korrespondenten, deren Chefredakteur zudem erst kürzlich noch höchstselbst auf dem Petersplatz herumscharwenzelte, sollte man eigentlich annehmen, dass sie weiß, was sich seit über 400 Jahren wirklich in der Mitte der Piazza San Pietro in Rom befindet. Kleiner Tipp: Es ist kein Brunnen.

Mit Dank an Jörg B. für den Hinweis.

Nachtrag, 16:10:
Bild.de hat den Fehler der “Bild” inzwischen korrigiert. Und wer weiß: Vermutlich wäre es insgesamt viel sinnvoller gewesen, die Nachricht bereits vor zwei Wochen aus der “Corriere della sera” abzuschreiben.

In eigener Sache

Es gibt etwas Neues auf BILDblog.de: Werbung.

Wir haben lange gezögert, aber wir halten diesen Schritt jetzt für richtig und konsequent. Die Recherche, das Überprüfen von “sachdienlichen Hinweisen”, die Nachfragen bei Betroffenen, Experten und “Bild” — machbar ist das nur noch, wenn wir damit Geld verdienen.

Wir hatten gehofft, uns allein durch Spenden finanzieren zu können, und tatsächlich haben uns Hunderte Leser unterstützt. Jeder Euro hat uns geholfen, wir sagen allen Spendern ganz herzlich Danke! Wir mussten jedoch einsehen, dass so nicht genügend Geld zusammenkommt, um ein professionelles Angebot auf Dauer zu finanzieren. Auch in Zukunft freuen wir uns über Spenden. Aber man kann bei uns jetzt auch werben.

Keine Sorge: Pop-ups, lautstark an den Bildschirm klopfende Frauen, explodierende Banner, Layer zum Wegklicken und ähnliche Werbeformen wird es bei uns nicht geben. Der Charakter der Seite soll sich nicht verändern — wir probieren jetzt aus, wie das am besten gelingt.

Wir hoffen, Ihr unterstützt diesen Schritt und bleibt uns treu. An unserem Ziel ändert sich nichts: Wir wollen Fehler, Fahrlässigkeiten und Lügen von “Bild” offen legen und zeigen, wo diese Zeitung Menschen Unrecht tut.

Kurz korrigiert (57)

Übrigens: Der echte Canossa-Gang führte Heinrich IV. im Jahr 1077 über die Alpen nach Italien, um den Papst durch Buße zu bewegen, seinen Bann gegen ihn zurückzunehmen.

Mit Dank an Uwe B., Alexander W., Jens S. und Ralf H.

Nachtrag, 22.1.2006:
Auf Bild.de wurde der entsprechende Absatz inzwischen geändert. Nun heißt es auch dort korrekterweise:

Verfestigter Irrtum

Gestern stand in der Berliner “Bild”-Ausgabe dieser Text über die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz:

Über die Bedeutung der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 heißt es dort:

Anschließend war die “Endlösung der Judenfrage” beschlossene Sache.

Womit “Bild” eine gängige, aber überholte, wenn nicht gar falsche Ansicht wiedergibt. Dass “Bild” sie in einem Text über das Haus der Wannsee-Konferenz weiterverbreitet, ist vor allem deswegen ärgerlich, weil das Haus der Wannsee-Konferenz sich u.a. gerade zur Aufgabe gemacht hat, diesen Irrtum aus der Welt zu schaffen, den es für einen “fast nicht mehr revidierbaren Irrtum der Geschichtsschreibung und der Publizistik” hält, wie es dort auf der Internetseite heißt. (Weiter heißt es: “Diese Behauptung kommt dem verbreiteten Bedürfnis entgegen, außergewöhnliche geschichtliche Ereignisse mit konkreten Entscheidungssituationen zu belegen.”) Denn zum Zeitpunkt der Konferenz gab es nichts mehr zu beschließen, die planmäßige Ermordung von Juden war spätestens seit dem Sommer 1941 in vollem Gange. Auf der “Wannsee-Konferenz” ging es um die organisatorische Umsetzung des Völkermords.

P.S.: Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass darüber hinaus die ausschmückenden Kleinigkeiten am Textanfang offenbar von “Bild” frei erfunden wurden und einige weitere Details nicht stimmen: Das Treffen war nämlich keine “morgendliche Konferenz”, es gab kein “üppiges Frühstück”, keinen “heißen Tee” und keinen “Kellner”. Vielmehr begann die Besprechung laut Wolf-Dieter Mattosch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums, mittags um 12 Uhr, und SS-Ordonanzen reichten französischen Cognac und Häppchen. Der Begriff “Frühstück” in der Einladung sei lediglich eine stehende Floskel aus der Diplomatie. Und “Berlins schrecklichste Villa” wurde auch nicht “wiedereröffnet”. Sie war, samt ihrer ständig wechselnden Ausstellungen, die ganze Zeit offen. Lediglich die Dauerausstellung zur “Wannsee-Konferenz” war nicht zugänglich.

If

Der Chef der IAEO, Mohammed el Baradei, hat der Zeitschrift “Newsweek” ein Interview zum Konflikt mit dem Iran gegeben, und was er sagt, klingt beunruhigend. “Bild” zitierte ihn gestern so:

Das Regime unter Präsident Ahmadinedschad sei nur “wenige Monate” vom Bau einer Atombombe entfernt, warnt der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde el-Baradei.

Nur wenige Monate bis zur iranischen Atombombe — in “Bild” ist das eine schlichte Tatsache. Interessanterweise unterscheidet sich die Fassung der Nachrichtenagentur dpa von der “Bild”-Version in einem kleinen Detail:

(…) Teheran sei unter Umständen nur noch wenige Monate vom Bau einer Atombombe entfernt.

“Unter Umständen”, was soll das denn heißen? Die Antwort findet sich im Original-Interview in “Newsweek”. El Baradei sagte:

“And if they have the nuclear material and they have a parallel weaponization program along the way, they are really not very far — a few months — from a weapon.”

“If” bedeutet “falls” und beschreibt keine Tatsache, sondern eine Möglichkeit. Die “Frankfurter Allgemeine” übersetzt El Baradeis Satz deshalb so:

“Wenn sie das Atommaterial haben und wenn sie ein paralleles Waffenprogramm unterhalten, dann sind sie wirklich nicht weit — ein paar Monate — von einer Waffe entfernt.”

Das ist immer noch beunruhigend, keine Frage, und doch nicht das, was “Bild” schrieb.

Danke an Micha L. für den Hinweis!

Nachtrag, 13.15 Uhr: In ihrem heutigen Artikel zum Thema zitiert die “Bild”-Zeitung el Baradei genauer, nämlich inklusive der Formulierung “unter Umständen”.

Kurz korrigiert (52)

Bild.de berichtet heute über drei Schweine, die auf den ersten Blick aussähen, “wie andere drei Monate alte Ferkel”. Aufgrund veränderten Genmaterials leuchten sie jedoch unter bestimmten Umständen grün. Bild.de nennt die Tiere deshalb:

"Die ersten fluoreszierenden Schweine der Welt"

Doch anders als Bild.de behauptet, sind es gar nicht “die ersten fluoreszierenden Schweine der Welt”, sondern höchstens die zweiten fluoreszierenden Schweine der Welt. Die Nachricht von den vermutlich ersten fluoreszierenden Schweinen der Welt tourte indes vor über zwei Jahren durch die Medien.

Mit Dank an Ralf P., Wito, Dirk, ceggis und Johannes M.

Nachtrag, 14.1.2006:
Laut BBC News behaupten die taiwanesischen Forscher nicht einmal selbst, es wären die ersten fluoreszierenden Schweine der Welt (“Taiwan is not claiming a world first”), sondern nur die ersten, die komplett fluoreszieren.

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