Archiv für Vermischtes

Kurz korrigiert (71)

Unter der Überschrift “Darüber schmunzelt Deutschland” gibt Bild.de heute Nachhilfe in deutschem Strafrecht.

"Wer Falschgeld in Umlauf bringt, muß mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen."

Doch anders als Bild.de behauptet, muss niemand, der Falschgeld in Umlauf bringt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe rechnen, sondern — je nach dem — entweder mit einer “Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr”, einer “Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren”, einer “Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren” bzw. einer “Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren” oder mit einer “Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe”.

Mit Dank an Holger B. für den Hinweis

Nachtrag, 17.30 Uhr: Bild.de hat den Fehler korrigiert. Nun heißt es dort, wer Falschgeld in Umlauf bringe, müsse “mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren oder einer Geldstrafe rechnen”.

Mord, was sonst?

Die 21. Große Strafkammer des Frankfurter Landgerichts muss derzeit klären, ob Armin Meiwes, der sogenannte “Kannibale von Rotenburg”, einen Mord beging, als er einen Menschen auf dessen Wunsch schlachtete und aß. Meiwes war in erster Instanz nur wegen Totschlages verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen erfolgreich Revision beim Bundesgerichtshof ein. Der verlangte vom Gericht, drei Mordmerkmale zu prüfen: Töten zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus niedrigen Beweggründen und zur Ermöglichung weiterer Straftaten.

Das Gericht prüft also, ob Armin Meiwes juristisch gesehen einen Mord begangen hat.

Vielleicht ist das angesichts der Unfassbarkeit des Geschehens zu abwegig für Bild.de. Dort steht heute:

Im ersten Prozeß hatte ihn das Landgericht Kassel nur wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Können sie dem “Kannibalen von Rotenburg” jetzt den Mord nachweisen?

Den Mord. Als sei längst klar, dass es sich genau darum gehandelt habe. Mit einem einzigen kleinen Wort macht Bild.de aus einem Bericht eine Vorverurteilung.

Nachtrag, 21.30 Uhr. Offenbar hat Bild.de unsere Argumentation eingeleuchtet. Zumindest steht dort plötzlich nicht mehr “den Mord” sondern “einen Mord”.

Die erstbeste Überschrift

Zu den journalistischen Grundregeln der “Bild”-Zeitung gehört, dass ohne Superlativ wenig geht. Der zweitälteste Mensch der Welt, ein ziemlich großes Gebäude, ein sehr wichtiger Download — das sind keine Themen für “Europas größte Tageszeitung”. Und auch das neue Nokia-Mobiltelefon 7380 hätte es wohl am Donnerstag nicht auf die erste Seite von “Bild” geschafft, wenn es nicht das erste Handy ohne Tasten wäre:

Was insofern ein bisschen blöd ist, als es durchaus vorher schon Mobiltelefone ohne Tasten gab. Das NEC N500 zum Beispiel. Und das NEC N930. Und das NEC N938. Und das NEC N940.

Okay, jetzt könnte man sagen: Das sind ja alles asiatische Geräte und die “Bild”-Schlagzeile gilt für europäische Handys — aber nein: Siemens hat 2004 schon Mobiltelefone ohne Tastatur herausgebracht. Das Xelibri 3 zum Beispiel. Und das Xelibri 8.

Okay, jetzt könnte man sagen: Das sind ja alles Siemens-Telefone, und dies ist das erste Nokia-Handy ohne Tastatur — aber nein: Das von “Bild” auf Seite 1 angepriesene Mobiltelefon ist nur ein Nachfolgemodell vom Nokia 7280.

Vielen Dank an Steven J. für Hinweis und Pointen!

Ungeprüft übernommen (1)

Okay, eigentlich ist es wohl ein Fehler der Nachrichtenagentur AFP. Deren deutschsprachiger Dienst berichtete nämlich am Dienstag über die (notwendige) “Entrümplung” britischer Gesetze. Einen aktuellen Anlass für die Meldung gab es nicht. Britische Medien hatten vor knapp einem Jahr über das 40-jährige Bestehen der für die “Entrümplung” zuständigen Law Commission berichtet und vor knapp zwei Monaten über eine sachdienliche Ausstellung der Law Society.

Dennoch übernahmen verschiedene deutschsprachige Medien die AFP-Meldung. Und darin heißt es u.a. (und mit Verweis auf das 2004 erschienene Buch “The Strange Laws of Old England” von Nigel Cawthorne) über den so genannten “Town Police Clauses Act”:

“Er verbietet es, Wäsche auf der Straße auszubreiten, Teppiche auszuschlagen, anzügliche Lieder zu singen, ohne Grund die Feuerwehr zu rufen, im Garten zu zündeln, Drachen steigen zu lassen, auf dem Eis zu laufen, ständig an der Türe anderer Leute zu klingeln oder öffentliche Lampen auszumachen.”

Und das ist so nicht ganz richtig. Denn der Act (von dem AFP zudem behauptet, er sei “von 1872”, obwohl er eigentlich aus dem Jahr 1847 stammt) verbietet nirgends, “ohne Grund die Feuerwehr zu rufen”, sondern Schusswaffen abzufeuern (wie vor drei Wochen auch noch die französische AFP korrekt zu berichten wusste).

Heute aber, mit drei Tagen Verspätung, findet sich das alles auch im Angebot von Bild.de wieder — in redaktionell bearbeiteter Form, also unter Verzicht auf jegliche Quellenangabe (und den Cawthorne-Verweis). Stattdessen behauptet Bild.de in der Rubrik “Zum Ablachen” über “Gesetze, die die Welt nicht braucht”:

Verrückte Gesetze der Briten -- Es ist ebenfalls untersagt, ohne Grund die Feuerwehr zu rufen. („Town Police Clauses Act“ von 1872)

Aber wer weiß: Womöglich liegen Bild.de-Redakteure auch bei der Lektüre von §145 StGB unterm Tisch und kriegen sich nicht ein vor Lachen.

Mit Dank an Beate T. und Nikolai S. für die Hinweise.

Nachtrag, 11.3.2006: Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass heute, einen Tag nach der verzögerten, fehlerhaften Berichterstattung bei Bild.de, auch Spiegel Online die fehlerhafte AFP-Meldung ungeprüft übernommen* hat.

*) Nur zur Info: Der Presserat ist der Ansicht, dass eine Zeitung darauf vertrauen können müsse, “dass das, was eine Nachrichtenagentur verbreitet, auch inhaltlich richtig ist. Die pressegemäße Sorgfalt verlangt demnach keine eigene Überprüfung des Wahrheitsgehaltes mehr.”

“Bild” wirkt

Vorgestern erschien in der “taz” ein Artikel, in dem der Autor F. ausführlich schilderte, wie er einmal in Indien einen Hund getötet hatte. Es war eine Straßenhündin mit fünf Welpen. Ein Motorradfahrer hatte sie am Morgen des Vortages überfahren. Seitdem hing sie schwer verletzt in einem Gartenzaun. F. forderte den Motorradfahrer auf, das Leid des Hundes zu beenden. Beim Versuch, den Hund zu töten, verletzte der Motorradfahrer ihn anscheinend noch weiter. Schließlich ging F. selbst hin, schlug auf den Hund brutal mit einem Stock ein und ertränkte ihn schließlich.

Die Wortwahl des “taz”-Artikels ist drastisch. Und im Gegensatz zum Text selbst, der Mitleid mit den Tieren ausdrückt, lautet der Vorspann: “Wer Köter keulen will, braucht eine richtige Keule. Vor allem, wenn er von Buddhisten umzingelt ist.”

Das bizarre Protokoll einer Hunde-TötungDie “Bild”-Zeitung berichtet heute in großer Aufmachung über “das bizarre Protokoll einer Hunde-Tötung” und den “Wirbel”, den der Artikel angeblich auslöste. Sie zeigt ein Foto des “taz”-Redakteurs und eine große Zeichnung von einer Hündin, die Welpen säugt, zitiert weite Strecken aus dem “taz”-Artikel, lässt aber unter anderem die Beschreibung weg, wie lange die Hündin schon verletzt gewesen sein soll und wie schwer ihre Verletzungen nach Angaben des Autors waren. Zum Schluss zitiert sie einen empörten Tierschützer, veröffentlicht eine E-Mail-Adresse der “taz”-Redaktion (die auch immer unter den Kolumnen steht) und schreibt (in der gedruckten Ausgabe): “Keinen Computer? Hier ist die Telefonnummer: 030/…”

Bei der “taz” herrschten darauf heute ähnliche Verhältnisse wie beim Satiremagazin “Titanic” im Sommer 2000. Nachdem die “Titanic” die Bestechlichkeit von Fifa-Mitgliedern bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft erfolgreich getestet hatte, titelte “Bild” damals: “Böses Spiel gegen Franz (Beckenbauer)” und forderte auf, die Redaktion anzurufen und ihr die Meinung zu sagen — eine Auswahl der Ergebnisse bietet die “Titanic” auf einer CD an.

Nicht weniger als tausend Mails seien seit dem “Bild”-Bericht eingegangen, heißt es bei der “taz” heute. Darunter diese:

Wenn ich sie irgendwann mal treffen sollte, werde ich mit Sicherheit auch meinen Spaten dabei haben, seien sie sich sicher. (…) Ich werde ihnen das gleiche antun, was sie dem wehrlosen Hund angetan haben. Und auch ich werde keine Skrupel haben, wenn sie mich wimmernd und voller Angst anblicken. Ich werde, wie sie, eiskalt sein, und mitten zwischen die Augen zielen. Ich werde sie so zurichten, dass sie nicht mehr wissen wo oben oder unten ist. Mit meiner ganzer Kraft auf sie einschlagen, einmal, zweimal, dreimal…

Doch töten werde ich sie nicht , ich werde sie qualvoll leiden lassen. Ich will dass sie leiden wie dieser Hund… (…) Ich werde ihrer Seele einen tiefen EInschnitt verpassen, den sie ihrer Lebtag nicht mehr vergessen…

Und diese:

Normalerweise bin ich kein Mensch, der jemand andren was schlechtes wünscht oder so…. IHNEN wünsche ich aber wirklich von ganzem Herzen, dass Ihnen irgendwann das gleiche Schicksal widerfährt!!!!!!! Dass Sie hilflos am Boden liegen und nur noch zusehen können, wie auf Sie eingeprügelt wird….!

Und diese:

ich kann ihnen versichern, daß ich ihnen mit vergnügen und ohne mit der wimper zu zucken, mit einem holzprügel zwischen die augen schlagen könnte – und selbst ihr gewimmer könnte mich davon nicht abhalten. eher würde mir dadurch ihre erbärmlichkeit verdeutlicht werden, und ich würde noch einen freudigen schlag gegen ihr unterkiefer vollziehen, so das dieses von ihrer schädelbasis getrennt würde. (…)

mit grüßen, die ihnen den tod, die pest oder krebs an den hals wünscht.

Nachtrag, 6. April. F. hat sich bei uns gemeldet und bittet darum, ihm keine weiteren Mails mehr zu schicken, auch keine mit Zuspruch oder Aufmunterungen. So sehr er sich darüber freut — er kommt gegen die Menge einfach nicht mehr an.

Eine besondere Ausgabe

Morgen ist Weltfrauentag, und deshalb ist die “Bild”-Zeitung von morgen “ausschließlich unter der redaktionellen Verantwortung von Frauen” entstanden. Angekündigt sind unter anderem Themen wie: “SCHOCKIEREND! Immer mehr Frauen verlassen ihre Männer für eine Frau.” Das gab die “Bild”-Zeitung in einer Pressemitteilung bekannt.

Was “Bild” außerdem damit meint, eine “besondere Frauentags-Ausgabe” zu machen, stand nicht in der Pressemitteilung — sondern in Fax-Mitteilungen des “Bild”-Auftragsmanagements zum Beispiel an Telefonsex-Anbieter, sonst gute Werbekunden des Blattes. Sie dürfen morgen ausnahmsweise nicht in “Bild” werben:

Danke an den “treuen Leser”!

Kurz korrigiert (69)

Anders als “Bild” heute in einer Meldung auf der ersten Seite verbreitet (siehe Ausriss), starben in Botswana nicht 190.000 Menschen an einer Durchfallerkrankung, sondern 191. Zwar hat “Bild” diesen Fehler zunächst nicht selbst gemacht, sondern der südafrikanische Rundfunk, weshalb die Zahl 190.000 auch über Agenturen verbreitet wurde (und leider noch immer in einigen Online-Medien zu finden ist). Allerdings wurden die Angaben des Rundfunks wenig später vom Gesundheitsministerium Botswanas korrigiert. Die Nachrichtenagentur dpa beispielsweise berichtigte ihre Meldung gestern um 13.44 Uhr.

“Bild” hingegen hat es bis zum Redaktionsschluss am sehr späten Abend nicht geschafft, die Zahl auszutauschen und ihre durchschnittlich über elf Millionen Leser korrekt zu informieren.

Mit Dank an Doris M. und Mike S. für den sachdienlichen Hinweis.

Der kleine Unterschied

Dass Bild.de in einem “Großen Feng-Shui-Special” über Nicole Zaremba schreibt, sie sei 41 obwohl sie doch eigentlich Jahrgang 1962 ist, wollen wir hier einfach mal ignorieren und uns stattdessen um das hier kümmern:

Die Darmstädterin (…) ist Schülerin der malaysischen Feng-Shui-Großmeisterin Yap Cheng Hai (75) – eine zierliche Frau mit strahlendem Lächeln, leuchtenden blauen Augen. Von ihr lernte Sie die Geheimnisse der asiatischen Lebenskunst.

Wollen wir mal hoffen, dass die Autorin des Feng-Shui-Artikels sich hier ein wenig im eigenen Satzbau verheddert hat, und zumindest mit der “zierlichen Frau”, dem “strahlenden Lächeln” und den “leuchtenden blauen Augen” Zaremba gemeint ist und nicht Yap Cheng Hai. Anderenfalls müssten wir nämlich davon ausgehen, dass diese netten kleinen Details bloß ausgedacht sind, wie nicht nur ein Blick auf die Internetseite der vermeintlichen “Feng-Shui-Großmeisterinmehr als deutlich macht.

Mit Dank an Thomas K. für den sachdienlichen Hinweis.

Abpfiff!

Italien-Deutschland 1:4Die “Bild am Sonntag” erklärt heute die ARD-Übertragung des Fußballspiels Deutschland gegen Italien zum “TV-Flop” der Woche — vor allem aus einem Grund:

In der Nachbesprechung blendete die ARD das Spielergebnis (Italien gewann 4:1) im Hintergrund falsch ein (Foto). (…) Abpfiff!

Ja, schlimm.

Und so sah übrigens die Startseite von Bild.de kurz nach Spielende aus:

Italien - Deutschland 1:4

Danke an die aufmerksamen Screenshot-Schicker!

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