Als Paul C. Martin in der “Bild”-Zeitung vom 11. April in einer Buchrezension behauptete, die Buchautoren hätten “jetzt (…) sämtliche Quellen zusammengetragen und mit vertraulichen Informationen zu einem makabren Puzzle zusammengefügt”, war daran insofern nichts auszusetzen, als das Buch tatsächlich am 11. April in den Buchhandel kam.
Heute nun, 14 Tage später, rezensiert Paul C. Martin in “Bild” ein anderes Buch:
“Jetzt ist der Maritim-Experte Klaus Hympendahl in einem sensationellen neuen Buch der Sexualität auf den Weltmeeren nachgegangen (…).”
Und das ist insofern gelogen eine für“Bild”-Verhältnissebekanntermaßenzwarhalbwegsdurchschnittliche,abernachwievor bemerkenswerte Auslegung des kleinen Wörtchens jetzt, weil andernorts beispielsweise schon vor einem Vierteljahr nachzulesen war, welche Sensationen Hympendahl in seinem neuen Buch “jetzt belegt” habe, und uns der Heel-Verlag auf Anfrage mitteilt, das Buch sei “Anfang/Mitte Dezember letzten Jahres erschienen”*.
Mit Dank an Frank S. für den Hinweis.
*) Nachzulesen ist der Erscheinungstermin übrigens auch, wenn man bei Bild.de auf die Ebay-Anzeige im Artikel klickt.
Die Explosion von mehreren Bomben im ägyptischen Urlaubsort Dahab illustriert Bild.de in einem großen Teaser und im Artikel mit einem Foto, das eine explodierende Autobombe in der irakischen Hauptstadt Bagdad zeigt.
Danke an Philipp F., Wolfgang K. und noctullux!
Nachtrag, 10.10 Uhr.Bild.de hat das falsche Foto ausgetauscht.
Ähm, anders als Bild.de aus aktuellem Anlass behauptet, lautet die erste Zeile der britischen Nationalhymne im englischen “Originaltext” natürlich nicht !
Mit Dank an Fabian L. für den Hinweis.
Nachtrag, 16 Uhr: Erstaunlich! Obwohl wir gar nicht ausdrücklich dazugeschrieben haben, wie denn die erste Zeile der britischen Nationalhymne wirklich im Originaltext heißt, ist es Bild.de gelungen, den Fehler im Anschluss an unseren Eintrag zu korrigieren.
Nachtrag, 17.23 Uhr: Es sei — mit Dank an Carsten W. für den Hinweis — hier noch schnell nachgetragen, dass in dem Bild.de-Artikel (über die mangelhaften Fremdsprachenkenntnisse einer britischen Boulevardzeitung anlässlich einer “Initiative des englischen [sic] Außenministeriums”) ein gewisser “Außenminister Lord David Triesman” erwähnt wird, obwohl es unseres Wissens in Großbritannien doch überhaupt keinen AußenministerLord David Triesman gibt.
Kommt ein Mann zum Arzt und klagt über Kopfschmerzen. Kein Wunder: In seinem Schädel stecken zwölf Stahlstifte. Am Tag zuvor hatte sie sich der Mann mit einer Nagelmaschine selbst in den Kopf geschossen. Der Patient wird operiert und behält keine bleibenden Schäden zurück.
Nur in “Bild” ist die Geschichte noch unglaublicher. Um nicht zu sagen: falsch.
Bei “Bild” war man offenbar nachhaltig verwirrt von der Tatsache, dass sich all das, der Selbstmordversuch, der Krankenhausbesuch und die gelungene Operation, schon vor einem Jahr abgespielt hat — die Geschichte wurde erst jetzt in einem medizinischen Fachmagazin veröffentlicht. Aber “Bild”-Leute sindesbekanntlichnichtgewohnt, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passieren, und packten die Zeitangabe mit dem einen Jahr an eine Stelle, an der sie viel eindrucksvoller ist.
Und so hat “Bild” heute weltexklusiv die Geschichte von dem Mann, der ein ganzes Jahr lang mit Nägeln im Kopf durch die Gegend rannte:
Schon wahr: Statistiken kann man leicht falsch interpretieren, und die Sterbetafeln, die das Statistische Bundesamt regelmäßig veröffentlicht, haben es ganz besonders in sich.
Aber immerhin hat sich die “Bild”-Zeitung über eine Woche Zeit gelassen, bis sie gestern aus der aktuellen Veröffentlichung des Amtes eine größere Seite-1-Geschichte machte. Und ein kurzer Moment des Nachdenkens hätte gereicht, die eigene Interpretation der Zahlen in Zweifel zu ziehen.
Unter dieser Überschrift veröffentlichte “Bild” eine Tabelle, die so beginnt:
Hmmm… “Bild” sagt den 75- bis 76-jährigen Männern voraus, dass sie etwa 64 Jahre alt werden? Und die heute 70-jährigen Männer können laut “Bild” damit rechnen, vor drei Jahren gestorben zu sein? Und die Frauen des Jahrgangs 1933 können sich schon mal darauf einstellen, in den nächsten Wochen das Zeitliche zu segnen?
Das stimmt natürlich nicht, nicht einmal “*rein statistisch”. Was die “Bild”-Zeitung trotz einwöchiger Zeit zum Nachdenken nicht verstanden hat, ist dies: Die Tabelle gibt die Lebenserwartung der Menschen des jeweiligen Jahrgangs zum Zeitpunkt ihrer Geburt an. Es handelt sich um eine sogenannte “Generationensterbetafel”. Im Jahr 1930 geborene Jungen wurden danach im Schnitt gut 64 Jahre alt. Diejenigen Männer dieses Jahrgangs, die den Zweiten Weltkrieg überlebten, hatten aber natürlich schon eine wesentlich höhere Lebenserwartung. Und diejenigen, die allen Widrigkeiten zum Trotz heute noch leben, also annährend 76 sind, haben (auch rein statistisch) beste Chancen, noch 77 und älter zu werden.
Die “Bild”-Überschrift “So alt werden Sie” hätte zu einer ganz anderen Rechnung des Statistischen Bundesamtes gepasst: der “Periodensterbetafel”. Sie gibt an, mit wieviel weiteren Lebensjahren Menschen eines bestimmten Alters zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnen können. Die gute Nachricht für alle heute 76-Jährigen lautet: Sie haben (rein statistisch) noch über neun Jahre Leben vor sich.
Und hätten also nicht, wie “Bild” ihnen prognostiziert, seit zwölf Jahren tot sein müssen.
Doch am heutigen Samstag treibt die “Bild”-Zeitung den Unsinn auf die Spitze: “Überlisten Sie die BILD-Tabelle: So verlängern Sie Ihr Leben!”, titelt sie. Und “Bild”-Autorin Friderike Stüwert behauptet:
Die Lebensdauer-Tabelle des Statistischen Bundesamtes — unzählige Deutsche hat sie erschreckt (BILD berichtete). Wer 1945 geboren wurde, hat danach z. B. als Mann nur noch sechs Jahre (Durchschnitt).
Nein, hat er nicht. Auch nicht “*rein statistisch”, auch nicht “(Durchschnitt)”. Er hatte zwar zum Zeitpunkt seiner Geburt eine Lebenserwartung von 67 Jahren. Aber wie alle Mitglieder dieses Jahrgangs, die noch nicht gestorben sind, kann er heute damit rechnen, noch 20 Jahre zu leben.
Gibt es niemanden bei “Bild”, der das versteht?
Danke an Alexander S. für den Hinweis und Mayweather für die Inspiration.
“Bild” macht heute Doris Schröder-Köpf zum “Gewinner des Tages”. Und es stimmt ja auch: Das Landgericht Hamburg gab ihr recht und urteilte gestern, dass der “Stern” eine Richtigstellung abdrucken muss. Am 23. Juni 2005 hatte die Illustrierte angedeutet, es sei Schröder-Köpf gewesen, die den damaligen Kanzler auf die Idee mit der Vertrauensfrage und den vorgezogenen Wahlen gebracht hätte. Schröder-Köpf bestreitet das vehement.
Schröder-Köpf gewinnt also gegen den “Stern”, und “Bild” macht Schröder-Köpf zum “Gewinner des Tages” und schreibt:
BILD meint: Keine Stern-Stunde!
Das ist interessant. Denn der “Stern” war damals keineswegs der erste, der diese Gerüchte verbreitete. Es gab sogar Mutmaßungen, dass “Stern”-Autorin Ulrike Posche genau diese Passage eigentlich nur aus einer anderen Zeitung abgeschrieben hätte. Aus welcher Zeitung? Einmal dürfen Sie raten.
Am 10. Juni 2005, also fast zwei Wochen vor dem umstrittenen “Stern”-Bericht, erschien in “Bild” ein Artikel von Rolf Kleine, dem Leiter des Hauptstadtbüros. Darin stand unter anderem zu lesen:
Freunde der Familie erzählen hinter vorgehaltener Hand: Doris Schröder-Köpf (41) gibt ihrem Gerhard in diesen schweren Wochen nicht nur Kraft! Gerade jetzt, so heißt es, stehe die erfahrene Politik-Journalistin ihrem Kanzler auch mit handfestem Rat zur Seite.
Eingeweihte erzählen: Auch bei dem Schröder-Plan, durch die Vertrauensfrage im Bundestag vorzeitige Neuwahlen zu erreichen, soll die Kanzler-Gattin den Kanzler beraten haben!
Es war Mitte März (…). Da habe Doris Schröder-Köpf das Thema Vertrauensfrage und vorgezogene Bundestagswahl ins Gespräch gebracht.
So gesehen hat die “Bild”-Zeitung mit ihrem Kommentar zum aktuellen Gerichtsurteil doppelt recht. Das war wirklich keine “Stern”-Stunde.
Dr. Kai Rezai aus Münster ist ein umtriebiger Mann, keine Frage. Auf der Internetseite seiner Praxis bekommt man einen guten Überblick über all die Medien, in denen Rezai und/oder seine Praxis Gegenstand der Berichterstattung waren.
So war er zum Beispiel am 24.8.2005 in der “Münsterschen Zeitung”, am 3.9.2005 in den “Westfälischen Nachrichten”, am 22.9.2005 bei Sat.1 und im September-Heft von “Der Monat”. Immer mit dabei: Christina Günter, 28 Jahre alt, die sich, wie es damals hieß, ein sechs Jahre zuvor tätowiertes sog. “Arschgeweih” von Rezai entfernen ließ.
Und heute, mehr als ein halbes Jahr später, haben es Rezai & Anhang auch ins Online-Angebot der “Bild”-Zeitung geschafft. Groß im “News”- und noch größer im “Gesund & Fit”-Ressort wird dort zunächst das Ende des “Arschgeweihs” gefeiert. Und in dem dazugehörigen (von immerhin zwei Autoren verfassten) Artikelchen mit “Fotogalerie” heißt es dann:
Nachtrag, 20.15 Uhr: Ach ja, und der Bild.de-Startseiten-Teaser illustriert die Schlagzeile (“Bye-bye, Arschgeweih: Christine (28) lässt sich ihre Sommer-Sünde”) nicht mal mit Christina Günters Steißbeintätowierung, sondern mit irgendeinem Symbolfoto.
Nachtrag, 23:30 Uhr: Bild.de hatte — warum auch immer — die Fotogalerie zwischendurch mal für knapp zwei Stunden aus dem Artikelchen entfernt. Und unser Leser Moritz W. weist darauf hin, dass es bei der 28-jährigen Friseurin Christina Günter aus Münster von damals ja möglicherweise gar nicht um die 28-jährige Kassiererin Christine Günther aus Münster von Bild.de handelt. Und er hat natürlich Recht: Dass Christina und Christine (von Bild.de auch “Christina” genannt) einander sehr ähnlich sehen und sich vom Dr. Rezai eine sechs Jahre alte, identische Tätowierung entfernen ließen/lassen, kann auch bloß Zufall sein…
1995 machte eine Dokumentation Furore, die angeblich zeigte, wie 1947 in Roswell ein Außerirdischer obduziert wird. Vor einigenTagen hat der Brite John Humphreys zugegeben, dass der vermeintliche Außerirdische eine von ihm gebastelte Puppe war.
Die “Bild”-Zeitung nimmt das zum Anlass, ihre eigene Experimentreihe fortzusetzen, auf kleinstmöglichem Raum eine überirdisch große Zahl von Fehlern unterzubringen. Sie schreibt über den Alien-Film:
Erst 1995 hat ihn der englische Webdesigner John Humphreys in seiner Wohnung in London produziert. Der Mann hat u. a. “Max Headroom” erfunden, die erste computeranimierte Werbefigur (u. a. für T-Mobile).
1.John Humphreys ist kein “Webdesigner”, sondern ein Bildhauer und Special-Effect-Experte bei Film und Fernsehen.
2.Max Headroom ist nicht “computeranimiert”. Die Figur wurde von dem Schauspieler Matt Frewer gespielt, der eine Maske trug.
3.Max Headroom war eigentlich keine Werbefigur, sondern Moderator einer Chart-Show und Protagonist eines britischen Fernsehfilms und einer amerikanischen Science-Fiction-Serie. Aber wie viele erfolgreiche Fernsehstars bekam er in der Folge auch Werbeaufträge, u.a. für Coca Cola.
4. Max Headroom war nie die Werbefigur für ein deutsches Telekommunikations-Unternehmen. “Bild” verwechselt ihn mit Robert T-Online — angesichts der Ähnlichkeit der beiden ein naheliegender Fehler, aber doch ein Fehler.
5. Weder Max Headroom noch Robert T-Online haben je für T-Mobile geworben. “Bild” meint T-Online.
Und als Bonusfehler nennt “Bild” den Bildhauer und Spezialeffektmann John Humphreys im Bildtext “Werber”.
Vielen Dank an Alex Z., Michael S. und Andreas N.!
Am 30. März war die Schauspielerin Senta Berger groß in der “Bild”-Zeitung (siehe Ausrisse, ähnlich bei Bild.de), unter anderem auf Seite 1. Aus ihrer Autobiographie “Ich habe ja gewußt, daß ich fliegen kann” hatte sich “Bild” die besten Stellen herausgesucht. Im Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” beschreibt Frau Berger diese “Reduzierung” als “Kränkung” — und erzählt die Vorgeschichte dazu:
Wir hatten in der “Bild am Sonntag” ein Interview, und dieses Gespräch war sehr reich und hat auch sehr lange gedauert, und als es mir dann zugesandt wurde, habe ich schon erkannt, in welche Richtung dieses Gespräch reduziert werden soll. Nachdem wir ausgemacht hatten, daß ich es korrigieren darf, habe ich das getan, ich habe die Themen nicht geändert, aber die Wortwahl vorsichtiger gemacht. Sie haben dann aber das unkorrigierte Interview abgedruckt und haben, als ich mich dann am Montag gewehrt habe, gesagt, ich hätte ihnen die E-Mail zu spät geschickt, was einfach eine Lüge war. Daraufhin hat mein Verlag den Vorabdruck gestoppt.
Und dann, quasi als kleine Retourkutsche, kam dieser Aufmacher “Vergewaltigung von O. W. Fischer” und so. Es hat mich gekränkt, weil ich die Vorgeschichte kenne und weil mir der zuständige Redakteur Blumen geschickt hatte im Vorfeld und sich dann hat aber doch seinen Regeln unterwerfen müssen. Ich glaube, daß die Zwänge dort unglaublich sind.
Nachtrag, 23. April. In einem Leserbrief in der heutigen “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” ergänzt Senta Berger:
In meinem Gespräch mit der F.A.S. ist offenbar der Eindruck entstanden, die “Bild am Sonntag” habe absichtlich ein von mir nicht autorisiertes Interview gedruckt. Inzwischen weiß ich, daß dies nicht der Fall war. Vielmehr handelte es sich um eine Panne, die von der Redaktion noch während der Produktion der Zeitung, so gut es ging, behoben wurde.