Archiv für Vermischtes

Kurz korrigiert (271)

Etwas verspätet kommen wir auf die “Top 10” der vergangenen Woche von “Bild”-Kolumnist Mainhard Graf Nayhauß zurück, der als “taktloseste Entgleisung” eine Meldung aus dem Satiremagazin “Titanic” ausmachte:

Unter der Überschrift “Von Null auf Hundert – wie Unauffällige immer wieder Weltgeschichte machten” nannte es zusammen mit Hitler den Unions-Fraktionsvize Bosbach, dessen Tätigkeit als “gelernter Supermarktleiter” (in Wahrheit Rechtsanwalt) in “rumsitzen” und in “Akten rummalen” bestünde.

Und sicher ist das, wie fast alles in “Titanic”, irgendwie taktlos und womöglich sogar beleidigend gemeint. Bis auf die Sache mit dem “gelernten Supermarktleiter”. Das ist einfach wahr.

Danke an Stefan S. für den Hinweis!

… aus dem Sinn

Weil Robert V.* mehrere Fotos einer “Kürbis-Regatta” im kanadischen Bécancour an die “Bild”-Zeitung geschickt hat, darf er heute quer über eine “Bild”-Seite behaupten:

“Bild” glaubt ihm das offenbar unbesehen und behauptet auch:

“Er (…) ist der erste BILD-Leser-Reporter aus Übersee.”
(Link von uns.)

Was aber ist dann mit Manja S.?

Was mit Joachim K.?

Und was mit Sabine W.?

Mit Dank an Volker K.
*) Alle Anonymisierungen von uns.

Einmal falsch, immer falsch

Am 21.12.2004 berichtete die “New York Times”:

“Eine Firma aus Hannover, Satelliten Media Design, verfolgt zusammen mit der Universität Hannover einen der Kernpunkte des ganzen Phänomens der gemischten Sprache: Sie stellt jährlich die 100 Wörter, die am häufigsten in der deutschen Werbung gebraucht werden, zusammen [pdf]. In den 1980er Jahren schaffte es nur ein englisches Wort auf die Liste. (…) 2004 waren schon 23 englische Wörter auf der Liste.”
(Hervorhebung und Übersetzung von uns.)

Einige Monate später zeigte sich der “Focus” (11/05) in Sorge um “die Zukunft des Deutschen”, fand das “New York Times”-Zitat und beging beim Abschreiben einen entscheidenden Fehler:

“Inzwischen hält es sogar die “New York Times” für geboten, ihren Lesern mitzuteilen, dass “im Land von Goethe, Schiller und Thomas Mann Denglisch auf dem Vormarsch ist”. Unter den 100 meistverwendeten deutschen Wörtern anno 2004, zitiert das Blatt eine Studie der Universität Hannover, seien 23 englische (1980: eines).”
(Hervorhebung von uns.)

Gut anderhalb Jahre später widmete der “Spiegel” (40/06) “der dramatischen Verlotterung” der deutschen Sprache gar eine Titelgeschichte und behauptete jetzt auch:

“Schon 2004, so stellte eine Studie der Universität Hannover fest, waren unter den 100 am meisten verwendeten Wörtern deutscher Rede 23 englische, fast ein Viertel – 1980 war es noch eines.”

Das war vor zwei Wochen. Und gestern nun startete “Bild” überraschend eine neue Serie (“Verlernen wir Deutsch?”), in der es — unter offensichtlicher, aber unausgesprochener Zuhilfenahme der “Spiegel”-Story — unter anderem hieß:

Verhunzt, gepanscht, gedemütigt: unsere deutsche Sprache.

(…) Wie ein Todesengel schwebt Englisch auf die deutsche Sprache nieder: Unter den 100 meistgebrauchten deutschen Wörtern ist inzwischen jedes vierte aus dem Anglo-Amerikanischen abgeleitet. Vor einem Vierteljahrhundert war es erst jedes hundertste.”

Und wir lernen: Ein “Focus”-Fehler wird nicht dadurch richtiger, dass “Bild” ihn aus dem “Spiegel” abschreibt. Und die Aussage, dass von 100 Wörtern eins anders ist, wird auch nicht dadurch schöner, dass “Bild”-Autor Paul C. Martin sie sprachlich so demütigt panscht verhunzt.

Übrigens: Die Liste der “100 häufigsten Worte in deutschen Werbeslogans(Hervorhebung des Wortes “Werbeslogans” von uns), auf die 2004 die “New York Times” verwies, ist bis heute kostenlos online und wird ständig aktualisiert.

Mit Dank ans tazblog “Wortistik” für die Vorrecherche.

“Bild” gibt MwSt-Erhöhung nicht an Leser weiter

Am Samstag machte “Bild” die Seite 2 mit dieser Schlagzeile auf:

Mehrwertsteuer-Erhöhung
Diese Firmen machen da nicht mit

Offenbar gibt es Firmen, die 2007 ihre Nettopreise senken wollen, damit die Kunden trotz der geplanten Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht mehr für ihre Produkte zahlen müssen. Solche Unternehmen machen nach Ansicht von “Bild” “beste Werbung für ihre Geschäfte”.

Hier wird's ab Januar 2007 nicht teurer: - Energie Baden-WürttembergUnd so wird sich jede Firma gefreut haben, die in der zugehörigen “Bild”-Liste (Ausriss rechts) weiß auf schwarz als Vorbild genannt wurde.

Insbesondere der Stromversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW). Der hat zwar gerade vergangene Woche bekanntgegeben, die Strompreise bis März 2008 “stabil” halten zu wollen. Das bezog sich aber ausdrücklich nur auf die Nettopreise:

“… die von der Politik beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent zum 1. Januar 2007 wird von der EnBW an alle Kunden weitergegeben.”

Auf Nachfrage bestätigte uns EnBW heute, dass sich daran nichts geändert habe.

PS: Andere Medien hatten über die EnBW-Preispolitik vergangene Woche unter Überschriften berichtet wie: “EnBW legt Mehrwertsteuer auf Kunden um”, “Steigende Strompreise wegen Mehrwertsteuer” oder “Mehrwertsteuer treibt Strompreis hoch”.

Nach der “Bild”-Ente, die von den Nachrichtenagenturen ddp und AFP übernommen wurde, findet man Artikel über die EnBW-Preispolitik unter Überschriften wie: “Immer mehr Firmen geben Mehrwertsteuererhöhung nicht weiter”.

In der heutigen “Bild”-Korrekturspalte taucht EnBW nicht auf. Und auch Bild.de hält weiter an der Falschmeldung fest.

Vielen Dank an Benny und Anja!

“BamS” macht Bahnreisen günstiger

Gemeinsam mit “Familie Mirecki aus Walsrode (Niedersachsen)” macht die “BamS” heute einen Test (siehe Ausriss) — und kommt "Bahn, Auto oder Flugzeug -- womit verreist man günstiger?"zu folgendem Ergebnis:

Die Familie (2 Erw., 2 Kinder unter 15 J.) koste eine Wochenendreise nach München mit der Bahn 428 Euro (bzw. demnächst 456 Euro), wohingegen die 1374-Kilometer-Fahrt mit dem eigenen PKW (Renault Scénic, 135 PS, 9,5 l/100 km) 651,28 Euro kosten soll. Denn:

“Laut ADAC kostet ein Kilometer mit diesem Wagen 47,4 Cent (Abnutzung und Unterhaltskosten eingerechnet).”

Und es stimmt: Der ADAC berechnet für einen Scénic durchschnittliche Kilometerkosten von rund 50 Cent. Darin enthalten sind allerdings auch Steuern und Versicherung, Wertverlust etc. Alles Kosten also, die der “BamS”-Familie selbst dann entstehen, wenn sie ihr Auto stehen ließe.

Die tatsächlichen Kosten für die Autofahrt nach München hingegen liegen “laut ADAC” deutlich darunter: Im Autokosten-Rechner des ADAC belaufen sich die “Kraftstoff- und Öl-Nachfüllkosten” (bei einem Spritpreis von durchschnittlich 1,35 Euro/l Super und einem Verbrauch von durchschnittlich 8,0 l/100 km) auf 10,8 Cent pro Kilometer. Hinzu kommen rund 6 Cent Abnutzungs- und Pflegekosten. Doch selbst wenn man nun mit dem höheren Durchschnittsverbrauch der Mireckis rechnet, würde ihre Münchenreise mit dem Scénic nicht “651,28 Euro”, sondern nur 269,65 Euro kosten.

Mit anderen Worten: Das “BamS”-Fazit (“Mit der Bahn fahren Sie auch nach der Preiserhöhung am günstigsten.”) dürfte der Bahn gut gefallen. Falsch ist es trotzdem.

Mit Dank an Johannes K. für die Anregung, mal nachzurechnen.

Nachtrag, 16.10.2006: Zahlreiche BILDblog-Leser weisen darauf hin, dass Familie Mirecki von der “BamS” schlecht beraten sei, wenn sie für ihre Bahnreise 428 Euro zahle, da die Fahrt (auch ohne Inanspruchnahme irgendwelcher Sparpreise) bei gleichzeitigem Kauf entsprechender BahnCards noch günstiger ausfallen könne, als von der “BamS” berechnet. Nicht zu vergessen natürlich, dass es für die Mireckis (bei den von der “BamS” errechneten 651,28 Euro für die Reise mit dem eigenen Auto) womöglich sogar günstiger käme, den Scénic in Walsrode stehenzulassen und stattdessen mit einem Mietwagen zu fahren…

Postkutschen-Klatsch

In der Rubrik “Internet-Klatsch” meldet Bild.de heute ohne Quellenangabe:

Scarlett Johansson: Lieber nackt als im Oma-BH

(…) Bei den Dreharbeiten zu „Die Insel“ zoffte sie sich heftig mit dem Regisseur – weil sie blank ziehen wollte!

„Ich werde diesen verdammten BH nicht anziehen. Da gehe ich lieber nackt“, brüllte die Schauspielerin, als sie den altbackenen Oma-Halter erblickte, der ihre Oberweite zieren sollte. Mit dem dezenten Hinweis, dass der Film ab 13 Jahren ist, stimmte der Regisseur sie um. (…)

Interessant an dieser aktuellen “Internet-Klatsch”-Meldung von Bild.de ist aber eigentlich nur, …

… dass sie bereits vor 14 Monaten bei Spiegel-Online stand.

Mit Dank an Michalis P. für den Hinweis.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Als “Zeitzeugin” des Transrapid-Unglücks stellte “Bild” am 25. September Melanie Kroll aus Wilhelmshaven vor:

Sie saß an Bord einer kleinen Propellermaschine, ihr Freund (36) am Steuerknüppel.

Nur Minuten nach der Katastrophe flogen sie über den Unglücksort im Emsland.

Nur Minuten? Dass das nicht stimmt, kann man schon auf den ersten Blick erkennen: Krolls Foto, das “Bild” veröffentlichte, zeigt, wie ein Teil des Transrapids der Werkstattwagen von zwei riesigen Kränen geborgen wird.

Die Fotos sind nicht Minuten, sondern Stunden nach dem Unglück entstanden. Die Katastrophe ereignete sich gegen 10 Uhr. Kroll war, wie sie dem ARD-Magazin “Panorama” sagte, um “kurz nach zwei” an der Unglücksstelle.

Warum datiert “Bild” das Foto zurück? “Panorama” hat Nicolaus Fest, Mitglied der “Bild”-Chefredaktion gefragt:

“Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Müsst’ ich mal nachprüfen. Scheint mir ein Fehler zu sein. Gut. Es ist ja insofern auch… auch bei uns passieren Fehler. Ich will das gar nicht… gar nicht kleinreden oder verneinen.”

Dieser “Fehler” war praktisch für “Bild”. So ersparte sich die Zeitung zunächst unbequeme Fragen. Die Polizei hatte nämlich nach dem Unfall ein Überflugverbot verhängt, damit die Rettungshubschrauber ungestört fliegen konnten. Deshalb ist die Uhrzeit entscheidend. “Bild” erweckt den Eindruck, die “Leser-Reporterin” sei ohnehin zufällig in der Luft gewesen, als sich das Unglück ereignete. In Wahrheit ist sie gezielt zur Unglücksstelle geflogen, nachdem sie aus dem Fernsehen von der Katastophe erfuhr.

“Dann hab ich gleich angerufen bei meinem Bekannten, weil der ein Flugzeug hat, und hab gedacht, das ist also das einfachste, wenn wir da hinfliegen.”

Von dem Überflugverbot habe sie nichts gewusst.

Kurz korrigiert (270)

Bild.de berichtet, Gebärmutterhalskrebs sei “die zweithäufigste Todesursache bei Frauen”.

In Deutschland sterben jährlich fast 1700 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Zum Vergleich: Über 20.000 Frauen erliegen in Deutschland jährlich einem Schlaganfall, über 10.000 Frauen sterben an Grippe oder Lungenentzündung, fast 5000 stürzen zu Tode.

Was Bild.de vermutlich eigentlich sagen wollte: Gebärmutterhalskrebs ist die zweithäufigste tumorbedingte Todesursache bei Frauen.

Danke an Martin S.!

Bloß früher IV

Heute berichtet “Bild” auf der allerletzten Seite…

… über einen “Blondinen-Crash”, der sich, so “Bild”, “im englischen Blackburn” zugetragen haben soll. Kronzeuge für die “Bild”-Meldung ist ein Foto. Genauer gesagt, dieses:

Das Foto allerdings, das Europas größter Tageszeitung (die ja bekanntlich schreibt, “was alle schreiben — bloß früher”) heute auf der allerletzten Seite eine Meldung wert ist, findet sich auch auf verschiedenen Internetseiten — und das schon seit mindestens Mitte August. Und dass “im englischen Blackburn” ungarische MediaMarkt-Plakate am Straßenrand herumstehen, wie man auf anderen Fotos derselben Serie deutlich erkennen kann, halten wir, gelinde gesagt, für äußerst unwahrscheinlich.

Wahrscheinlicher ist, dass “Bild” da auf der allerletzten Seite einfach irgendwas zusammenfantasiert hat. Macht das Blatt bei seinen Blondinen auf der allerersten Seite ja auch andauernd.

Mit Dank an Sönke M. für den Hinweis.

Blättern:  1 ... 68 69 70 ... 146