Archiv für Vermischtes

Erst trank sie mit den Killern Schnaps

Das Schöne an Online-Medien ist ja, dass sie permanent aktualisieren können, so dass ihre Berichte auch bei zunächst unübersichtlichen Ereignissen immer auf dem neuesten Stand sind.

Soweit die Theorie.

Bei der Gewalttat in dem Ort Tessin in Mecklenburg-Vorpommern, wo zwei Jugendliche ein Ehepaar getötet haben sollen, gab es zunächst Berichte, dass die Täter Alkohol getrunken haben könnten. Das “Hamburger Abendblatt” berichtet heute:

Leere, am Boden liegende Alcopop-Flaschen (alkoholische Mixgetränke) lassen vermuten, dass die jungen Leute auch am Sonnabend Alkohol konsumiert haben.

Mit Vermutungen hat es die “Bild”-Zeitung nicht so. Sie schreibt deshalb heute:

Sie albern, trinken “Alcopops” (Schnaps mit Brause).

Über dem “Bild”-Artikel steht:

Welche Rolle spielt die hübsche Blondine, die erst mit den Tätern trank und dann ihre Geisel wurde?

Und neben dem “Bild”-Artikel steht unter dem Foto jenes Mädchens:

Erst trank sie mit den Killern Schnaps — dann wurde sie ihre Geisel.

Inzwischen scheint festzustehen, dass es so nicht war. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatten die Täter keinen Alkohol im Blut.

Die “Bild”-Zeitung hätte also Grund, ihre Entscheidung zu bedauern, aus einer Vermutung eine Tatsache gemacht zu haben. Aber wenigstens kann sie die Sache ja in ihrem Online-Auftritt korrekt berichten. Und tatsächlich findet sich auf Bild.de ein weiterer Artikel mit neuen Informationen über die Gewalttat, in dem auch folgender Satz steht:

Für den Einfluss von Alkohol oder Drogen gibt es derzeit keine Anhaltspunkte.

Unmittelbar daneben ist aber leider die Geisel abgebildet. Und unter dem Foto steht was?

Erst trank sie mit den Killern Schnaps — dann wurde sie ihre Geisel.

Danke an Volker M. für den Hinweis!

Nachtrag, 16. Januar, 0.30 Uhr. Bild.de hat den Schnaps aus dem Bildtext entfernt.

Kurz korrigiert (306)

Sagen wir’s so: Wenn wir ausschließen, dass man bei “Bild” eingesandte Leser-Fotos vor der Veröffentlichung nicht überprüft (oder anschaut) und “BILD-Leser-Reporter” Joachim Nolte in Stralsund tatsächlich einen “unter Trümmern begrabenen Golf” entdeckte, dann hat man sich bei “Bild” offenbar entschieden, stattdessen lieber einen unter Trümmern begrabenen Polo* zu zeigen. Wenn nicht, hätten wir einen praktischen Tipp: Im Zweifelsfall tun’s auch Wörter wie “VW”, “Auto” oder “Ding”.

*) Das Nummerschild haben wir übrigens schnell mal unkenntlich gemacht.

Mit Dank an Tobi, Alex, Boris M. und Julian.

Nachtrag, 20 Uhr: Inzwischen hat Bild.de den “Bild”-Fehler hier korrigiert, hier hingegen nicht.

Springers Home-Videos (1)

Anlässlich des Starts seiner neuen täglichen Kolumne “Blieswoods Gesellschaft” gewährt Norbert Körzdörfer der neu gegründeten, hauseigenen Produktionsfirma Axel Springer Digital TV einen Einblick in sein “kreatives Chaos”. BILDblog dokumentiert Auszüge:

“An seinem 100 Jahre alten Schreibtisch aus der Normandie wird Norbert Körzdörfer ab dem 15. Januar täglich die Kolumne “Körzdörfers Gesellschaft schreiben” (…), entweder mit Zettel und Stift, dem Rechner oder seinem Apple.

(…) Norbert Körzdörfer gehört zu den profiliertesten Autoren Deutschlands — sagt sein Chef Kai Diekmann über den Mann, dessen Kolumne in Zukunft von über 11 Millionen “Bild”-Lesern gelesen wird. Über Inhalte wird noch geschwiegen; Themen aus dem Leben des 52-Jährigen gibt es genug, sogar eine Audienz beim Papst.

(…) Bis zum Start der Kolumne wird seine Frau Babsi das Büro noch etwas aufräumen.”

Mit Dank an Heiko D.!

Jetzt XVI

Es gibt Signalwörter, die einen sofort an der Richtigkeit eines “Bild”-Artikels zweifeln lassen sollten. “Jetzt” und “neu” gehören dazu, “enthüllt” und “Paul C. Martin”.

Bei diesem “Bild”-Artikel vom vergangenen Samstag kommen alle vier zusammen:

Historikerin enthüllt in einer neuen Biografie: ANNE FRANK VON EINER FRAU VERRATEN

Was “enthüllt” das “neue”, “jetzt” veröffentlichte Buch über Anne Frank laut “Bild”-Autor “Paul C. Martin”? Dass Anne Frank von der Frau eines Lagerarbeiters verraten wurde. Die soll anderen gegenüber gesagt haben: “Ich habe Angst um mich und meinen Mann, falls alles auffliegt.”

Das Buch “Das Mädchen Anne Frank” von Melissa Müller ist allerdings nicht wirklich neu. Es kommt nur bald in einer erweiterten, überarbeiteten Neuauflage heraus. Die erste Auflage war 1998 erschienen. Damals schrieb zum Beispiel “Die Welt” über das Buch:

Müller äußert nun den Verdacht, [der Leiter des Warenlagers] van Maaren habe seine Beobachtung, daß im Hinterhaus Juden versteckt seien, seinem Lagergehilfen Lammert Hartog weitererzählt, der wiederum seine Frau Lena einweihte. Diese habe dann wahrscheinlich aus Angst um ihren Mann, der den Aufruf zum Arbeitseinsatz ignoriert hatte und als Schwarzarbeiter tätig war, das Versteck verraten.

Jene Lena ist genau die Frau, die auch Paul C. Martin meint. Ihren Verdacht, dass sie die Verräterin war, deutete Müller schon in der Erstausgabe der Biographie 1998 an. Außer der “Welt” berichteten damals u.a. “F.A.Z.”, “Hamburger Morgenpost” und “Berliner Zeitung” darüber. Seitdem ist die Enthüllung an vielen, oft naheliegenden Orten nachzulesen.

Und nun, neun Jahre später, noch einmal in “Bild”. Allerdings erstmals wieder neu.

Vielen Dank an Tina M. für den Hinweis!

Heute anonym X

Am Donnerstag veröffentlichte die Zentralstelle Kinderpornografie des Bundeskriminalamtes Fotos von einem jungen Mädchen, das vermutlich Opfer eines sexuellen Missbrauchs wurde. Die Polizei hoffte, dass jemand das Kind erkennt. Die Sendung “Aktenzeichen XY” zeigte das Foto. “Bild” auch.

Tatsächlich hatte die Fahnung Erfolg, das Mädchen konnte aufgrund von Hinweisen identifiziert werden. “Bild” berichtet heute darüber, zeigt ein verpixeltes Foto des Mädchens und erklärt dies so:

BILD hat das Gesicht des Kindes auf Wunsch der Polizei unkenntlich gemacht.

Feine Sache. Wörtlich las sich der “Wunsch der Polizei” allerdings so:

Da mit der Identifizierung des Opfers der Grund für die Öffentlichkeitsfahndung entfällt, werden die Medien ersucht, bislang veröffentlichte Bilder nicht weiter zu verwenden und aus den Internetportalen zu entfernen.

Und einmal dürfen Sie raten, ob die “Bild”-Zeitung auch das unverpixelte Foto des Mädchens aus ihrem Internetportal entfernt hat.

Danke an Nils K., Gerald H., Mareike, Mike D. und Ulrich B.

Nachtrag, 14. Januar. Jetzt lautet die Antwort Ja.

“Bild” sieht 1000 Jahre in die Zukunft

"Vor 6000 Jahren im All: Explosion verwüstet Sternenbild"

Ja, es stimmt. Eine Explosion im Sternenbild Schlange hat (höchstwahrscheinlich) die drei Staub- oder Nebelsäulen des “Adlernebels” zerstört, wie “Bild” heute auf der letzten Seite schreibt. Tatsächlich geschah das Astronomen zufolge wahrscheinlich vor rund 6000 Jahren. Ein jüngst veröffentlichtes Bild, das vom Spitzer Weltraumteleskop aufgenommen wurde, zeigt Spuren der Explosion, die der Zerstörung voran gegangen war. Ein im Jahr 1995 vom Hubble-Weltraumteleskop aufgenommenes Bild enthielt offenbar keine Hinweise auf die Explosion.

“Bild” stellt nun diese beiden Aufnahmen einander gegenüber und schreibt zu dem von Hubble:

"1995 hatte der "Adler-Nebel" seine drei markanten Säulen noch."

Und zur neueren Spitzer-Aufnahme schreibt “Bild”:

"Neue Aufnahmen aus der Region zeigen nun ein völlig anderes Bild (siehe oben): Die Säulen sind verschwunden, der "Adler-Nebel" zerstoben."

Auf der Internetseite des Spitzer-Teleskops lässt sich allerdings (wenn man Englisch kann) das Gegenteil nachlesen. Übersetzt heißt es dort:

Eine neue, eindrucksvolle Aufnahme Spitzers zeigt die intakten Nebelsäulen neben einer gigantischen Wolke heißen Staubs (…) Weil Licht aus dieser Region 7000 Jahre braucht, um auf die Erde zu gelangen, wird es wohl erst in weiteren 1000 Jahren möglich sein, Fotos der Zerstörung aufzunehmen.
Hervorhebung von uns.

Daraus lernen wir erstens, dass Dinge nicht deswegen weg sind, weil “Bild” sie nicht sieht. Und zweitens, dass es gut möglich ist, dass “Bild”-Leser auf “Wikifehlia” Einträge bearbeiten. Der Wikipedia-Eintrag zum Adlernebel wurde nämlich heute Nachmittag so ergänzt:

Januar 2007 zeigten Aufnahmen, dass [der Adlernebel] sich nun komplett zersetzt hat und ein komplett anderes Bild (ohne den Typischen drei Säulen) hat. Er wurde warscheinlich vor 6000 Jahren von einer Supernova “verweht”. Erst vor kurzem ist dessen Licht vor 6000 Jahren nach uns gelangt.

Mit Dank an Torsten R. und Manfred P. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 19.28 Uhr: Die fehlerhafte Ergänzung bei Wikipedia wurde inzwischen entfernt.

Symbolfoto XLIV

Schon möglich, dass sich Djamila Rowe nun, nachdem sich (laut “Bild”) ihr bisheriger Freund zum Jahreswechsel von ihr getrennt hat, einfach nochmal denselben Pullover angezogen und dieselbe Frisur gemacht hat, die sie auch vor einem Jahr trug, nachdem sie (laut “Bild”) einen Selbstmordversuch unternommen hatte, um sich darin von demselben Fotografen wie vor einem Jahr fotografieren zu lassen. Schon möglich.

Mit Dank an Juliana J. für den Hinweis.

Nachtrag, 12.1.2007: Das Rowe-Foto von 2006 ist bei Bild.de plötzlich “nicht mehr verfügbar”. Schade, es war so anschaulich.

Christiane Hoffmann weiß bald mehr

Über fünf Jahre betextete Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann auf der letzten “Bild”-Seite Fotos von Prominenten. Und die Hälfte der Zeit ist sie auch in BILDblog präsent gewesen. Mit ersterem ist nun Schluss. Morgen soll Hoffmanns Kolumne zum letzten Mal erscheinen, wie der Axel Springer Verlag heute mitteilt. Wir blicken zurück auf zweieinhalb Jahre Christiane “Ich weiß es!” Hoffmann in BILDblog.

So. Das sollte reichen.

Anders als beispielsweise ihre Kollegin Patricia Dreyer, bleibt Christiane Hoffmann “Bild” aber erhalten. Und es gibt sogar eine reelle Chance, dass Christiane Hoffmann, die sich “in Zukunft einmal wöchentlich in BILD großen Portraits, Interviews und Home-Storys unter dem Titel ‘Zuhause bei…'” widmen soll, künftig mehr weiß. Bei Home-Storys sind die Berichterstatter schließlich wirklich dabei.

P.S.: Ab dem 15. Januar wird übrigens Norbert Körzdörfer den Platz auf der letzten Seite unter dem Titel “Körzdörfers Gesellschaft” übernehmen. BILDblog-Lesern auch ein guter Bekannter.

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