Es gibt so viele Fragen auf der Welt. “Bild” hat sich für ihre heutige Ausgabe die folgenden ausgedacht:
LETZTE TOURNEE?
LETZTES ALBUM?
Holt die Polizei TOKIO-BILL zur Musterung?
Ist es jetzt vorbei mit dem wilden Rockstar-Leben?
Wollten sich Bill und Tom vor der Bundeswehr drücken?
Wie sollen Bill und Tom neun Monate Grundwehrdienst und ihre Musiker-Karriere unter einen Hut bringen?
WIRD IHRE BEVORSTEHENDE TOURNEE (AB 3. APRIL) IHRE LETZTE SEIN?
Werden sie überhaupt je wieder eine Platte aufnehmen?
Fällt die Band jetzt auseinander?
Wie wollen Bill und Tom jetzt weiter verfahren?
Anlass für all diese Fragen: ein sog. “Fragebogen zur Musterungsvorbereitung” [pdf], der allen Deutschen, die wehrpflichtig werden, nach ihrer “Erfassung” zugeschickt wird — und der laut “Bild” von zwei 17-jährigen Mitgliedern der Popgruppe Tokio Hotel bislang nicht beantwortet wurde, weshalb sie ein weiteres Schreiben vom Kreiswehrersatzamt bekommen hätten, in dem es heiße: “Bitte beachten Sie, dass die Verweigerung der erbetenen Auskünfte als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet werden kann!”
Diese, öh, Nachricht nutzt “Bild” heute für eine dramatische Titelschlagzeile (siehe Ausriss) und “Bild”-Redakteur Mark Pittelkau für die vielen aufgeregten Fragen — denen “Spiegel Online” inzwischen noch zwei weitere hinzufügt:
Gab es die Drohung der Geldbuße gar nicht? Oder aber ist der Fall sogar gravierender (…)?
Laut “Spiegel Online” erhält man das von “Bild” zitierte Schreiben nämlich “erst nach zweimaligem Ignorieren eines Musterungsbescheids (…) Demnach wären die Kaulitz-Brüder bereits zur Musterung geladen worden, dort aber nicht erschienen.” Dann ergäben zwar die “Bild”-Überschriften plötzlich mehr Sinn, dafür wäre aber dazugehörige Artikel irgendwie Murks.
Im Anschluss an die letzte “Bild”-Frage (“Wie wollen Bill und Tom jetzt weiter verfahren?”) schreibt Pittelkau:
Die Zwillinge und ihr Management wollten sich gestern gegenüber BILD nicht äußern.
Er hätte auch schreiben können: “Fortsetzung folgt…”
(Fortsetzung folgt…)
Nachtrag, 16.35 Uhr: Anders als “Bild” hat “Spiegel Online” die eigenen offenen Fragen inzwischen in einer aktualisierten Fassung des Artikels beantwortet:
Eine Sprecherin der Wehrbereichsverwaltung Nord in Hannover bestätigte heute, dass die beiden den Fragebogen bekommen hätten. Ein Musterungsverfahren sei aber noch nicht eingeleitet worden.
Der aktuelle Zwischenstand lautet demnach:
“Bild”-Artikel bloß irreführend, “Bild”-Überschriften Murks.
Den Mann, der im vergangenen Jahr in einer Drogerie mit Lotto-Annahmestelle die Herausgabe des Jackpots forderte, nennt “Bild” “Deutschlands dümmsten Lotto-Räuber”.
Die Besitzerin des überfallenen Ladens nennt “Bild” “Roswitha R.”.
Tja. Wie mag sie wohl mit Nachnamen heißen?
Danke an Manfred H. für den sachdienlichen Hinweis!
wie wir heute aus der “Bild”-Zeitung erfahren, habt ihr gestern offenbar “gegen die Todesspritze für Knut” demonstriert (siehe Ausriss). Wir freuen uns, dass ihr dafür im Berliner Zoo wart. Dort kann man schließlich eine Menge lernen — nicht nur über Eisbären, auch über andere Tiere.
Allerdings müssen wir euch auch etwas Trauriges erzählen, etwas, das man im Zoo nicht lernt: Ihr wurdet reingelegt. Knut sollte nämlich gar nicht getötet werden. Niemand hatte das ernsthaft gefordert. Ihr (und offenbar auch die Erwachsenen) seid einer “Falschmeldung” aufgesessen, wie man so sagt. Genauso wie viele Medien, die die Geschichte aus der “Bild”-Zeitung weitererzählt haben. Deshalb stimmt leider auch nicht, was heute in der “Bild”-Zeitung über euch steht:
Sie erhoben ihre Kinderstimmen, um ihren Lieblingsbären vor der Todesspritze zu retten! Und sie hatten Erfolg: KNUT DARF LEBEN!
Das ist wahrscheinlich das Schlimmste: Die “Bild”-Zeitung missbraucht euch heute, um ihre Desinformation von gestern auf abstruse Art und Weise gerade zu rücken. Und dabei wiederholt sie sie auch noch:
Tierschützer hatten in BILD (…) den Tod des von seiner Mutter verstoßenen Bären gefordert.
Das ist jetzt sicher alles ziemlich schwer für euch zu verstehen, aber vielleicht werdet ihr es begreifen, wenn ihr größer seid. Und vielleicht nehmt ihr dann auch an weniger überflüssigen Demonstrationen teil.
Wie es zu dieser “Falschmeldung” kam, steht ausführlich bei FAZ.net. Hier deshalb nur soviel:
Nein, Knut wird nicht totgespritzt.
Auch wenn es in “Bild” anders aussieht: Niemand hat ernsthaft eine Tötung des Berliner Eisbären gefordert.
Dass der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe indirekt auf einen entsprechend missverständlichen “Bild”-Bericht vom 25. Januar verwies, nahm “Bild” heute zum Anlass, die eigene Geschichte von damals unter Verweis auf den “Spiegel” (“Stimmt!”) nochmals hervorzukramen — dieses Mal als Titelgeschichte.
Und während bei FAZ.net steht, wie’s wirklich war, steht bei Bild.de etwas ganz anderes. Unter der Überschrift “Forderung nach Todesspritze für Berliner Eisbär-Baby abgelehnt — Eisbär-Baby Knut soll leben” behauptet Bild.de in einer aktualisierten Version des “Bild”-Artikels:
Der kleine Eisbär, der ganz Deutschland verzaubert, kann weiter von seinen Pflegern groß gezogen werden. Das erklärte Tierarzt André Schüle vom Zoologischen Garten Berlin. Er widersprach damit rigoros Tierschützern, die am Wochenende [sic] empfohlen hatten, dem Tier die Todesspritze zu geben.
Und das ist nur insofern eine Neuigkeit, als “Bild” heute ja (wider besseres Wissen)* das Gegenteil suggeriert hatte.
Mit Dank an diverse Hinweisgeber.
*) Der Tierrechtler Frank Albrecht hatte im Januar den Berliner Zoo “wegen groben Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz” angezeigt, um auf “die Scheinheiligkeit und Heuchelei” bei der Zootierhaltung aufmerksam zu machen. Die Behauptung, dass er die Tötung des Eisbären fordere, hatte er in einem offenen Leserbrief an die “Berliner Zeitung” zudem bereits im Februar als “völlig falsch” bezeichnet und dies, wie er BILDblog sagte, auch aktuell (aber erfolglos) gegenüber der “Bild”-Zeitung deutlich zu machen versucht. Das von Albrecht angestoßene Verfahren indes wurde, wie uns der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft mitteilt, “mangels Straftat eingestellt”. Albrecht habe sich jedoch dagegen beschwert, “so dass nunmehr die Generalstaatsanwaltschaft den Vorgang zu prüfen haben wird”.
Nachtrag, 21.3.2007: Wie schon damals, als “Bild” fälschlicherweise behauptet hatte, ein Erfinder würde in Sachsen “aus Katzen Benzin” machen, und die abstruse Behauptung hernach in internationalen Medien weiterverbeitet wurde, verbreitet sich nun auch die Knut-“Falschmeldung” weltweit (siehe auch hier)– und “Bild”scheint sogar stolz drauf ist das wieder eine Knut-Meldung wert.
Nachtrag, 27.3.2007: Obwohl doch sogar Knut selbst in seinem Weblog findet, dass der ganze Rummel um ihn “beim Bildblog wirklich gut erklärt” sei, zeigt sich “Bild” unbelehrbar und schreibt (weil “Knut und Menschen-Papa” bald getrennt schlafen müssen) auch heute wieder fälschlicherweise, dass “Tierschützer (…) das Bären-Baby mit der Todesspritze von dieser ‘nicht artgerechten Haltung’ erlösen wollten”.
Man hat Dir Antibiotika gespritzt, weil es in der Antarktis keine Viren und Bakterien gibt.
Wenn das Geld bei “Bild” nicht für eine richtige Schlussredaktion reicht — vielleicht würde es schon helfen, die Artikel wenigstens Kindern zur Kontrolle vorzulegen.
Nachtrag, 21.25 Uhr:
Erschwerend kommt hinzu, dass Antibiotika bekanntlich gegen Viren überhaupt nicht helfen. Und genau genommen gibt es sowohl in der Antarktis als auch der Arktis sehr wohl Bakterien. Aber das ist nun auch schon fast egal.
Danke an Christian N., Benjamin G., Neil G. und all die anderen Hinweisgeber!
Michael Ballack hat dem “SZ-Magazin” ein langes Interview gegeben, in dem es auch um die Medien geht.
“Lachnummer”, “Fans haben Schnauze voll”, “Ballack kaputt”, so lauten Schlagzeilen in der Bild-Zeitung. Sprechen Sie im Moment mit Leuten von Bild?
Nein.
Kann man sich das als Kapitän der Nationalmannschaft überhaupt leisten? Haben Sie nicht die Befürchtung: Ich rede nicht mit einigen Journalisten, dafür schreiben die noch schlechter über mich?
Das ist keine Befürchtung, sondern Realität. Wenn man falsch berichtet, Unwahrheiten verbreitet oder gar hetzt, dann ist es verständlich und auch legitim, dass ich mich wehre. Ich will nicht meinen Anstand verkaufen, damit mein Bild in der Öffentlichkeit so perfekt wie möglich ist.
“Bild” berichtet heute, dass “Keuschheits-Kampagnen” in den USA “regen Zulauf” hätten. Anlass dafür ist eine Geschichte über Thomas Enns, der zurzeit an der Casting-Show “Deutschland sucht den Superstar” (“DSDS”) teilnimmt. Er ist, wie wir heute aus “Bild” erfahren, “gläubiger Christ”, “liest täglich in der Bibel” und sagt:
Das “gesteht” er laut “Bild” in der Zeitschrift “Yam”. Und es stimmt. “Yam” war dieses Geständnis sogar eine Pressemitteilung wert:
Im Yam!-Interview gesteht “DSDS”-Finalist Thomas Enns (24): “Ich bin noch Jungfrau!”
Wer jetzt allerdings meint, in der aktuellen “Yam”-Ausgabe (12/07) mehr darüber erfahren zu können, der wird enttäuscht. Das Geständnis ist nämlich schon über zwei Wochen alt. Es stammt aus der Ausgabe 10/07 und die Pressemitteilung dazu wurde am 27. Februar veröffentlicht. Dass “Bild” das bislang entgangen war, ist unwahrscheinlich. Insbesondere da “Yam”, genau wie “Bild”, bei Axel Springer erscheint.
VerschiedeneandereMedien sind aber offenbar erst durch “Bild” auf die “Yam”-Geschichte aufmerksam geworden. Und das christliche Medienmagazin “pro” bringt es sogar fertig, die Botschaft Geschichte so weiterzuverbreiten, dass “Yam” darin nicht einmal auftaucht — dafür aber “Bild”.
Und warum hat “Bild” (die doch angeblich schreibt, was alle schreiben — “bloß früher”) so lange gewartet, bis sie eine Titelschlagzeile aus der “Yam”-Geschichte macht? Am Samstag steht jedenfalls wieder eine “DSDS”-Entscheidungsshow an, und möglicherweise lässt sich die “Bild”-Frage, ob Enns “morgen (20.15 Uhr) in die nächste Runde” kommt, nach dieser großen “Bild”-Titelgeschichte ja etwas leichter in seinem Sinne beantworten.
Mit Dank an Andrea R. für den sachdienlichen Hinweis.
Soeben erreicht uns folgende Zuschrift unseres Lesers Dominik L:
Guten Tag,
mehrere unserer Mitarbeiter in der Anlagenbuchhaltung haben das Horoskop des Herrn Erich Bauer in der gestrigen (13.03.) “Bild” überprüft. Weder das Horoskop der Sternzeichen Stier und Steinbock stimmten, noch das Horoskop der Jungfrau. Da stimmte gar nichts! Beim Steinbock kam kein Liebessturm, bei der Jungfrau kein Geld und beim Stier war auch alles daneben.
Dieser Erich Bauer ist wohl ein Scharlatan! Dieses Mond-Horoskop ist ein Witz — auf welchem Mond lebt dieser Mann denn? Den Platz in der “Bild” könnte man lieber für andere Unwahrheiten nutzen. Einer unserer Mitarbeiter hat sich in der Erwartung eines Liebessturms extra schon frisch gemacht und sich vorbereitet. Es ist eine Schande, wie “Bild” mit den Hoffnungen der Menschen spielt.