Dana Horáková war mal Kultur-Ressortleiterin von “Bild”, Hamburger Kultursenatorin, und sie schreibt hin und wieder in “Bild” das “Kulturstück”. Eine grundsätzlich begrüßenswerte Kolumne, die “Bild”-Lesern wohl kulturelle Themen näher bringen soll. Gestern schrieb Horáková über “Die Fenster von Frankfurt/Oder”, die, nachdem sie sich jahrzehntelang als “Beutekunst” in sowjetischem und dann russischem Besitz befanden, wieder in der gotischen Marienkirche sind. Im Text heißt es:
1943? Wohl kaum. Da war die Rote Armee noch nicht mal annähernd in der Nähe von Frankfurt/Oder. Entsprechend wurden die Fenster erst 1945 nach Russland verschleppt. Das sollte man nicht nur als ehemalige Kultursenatorin wissen. Man kann es aber auch schön detailliert bei den Kollegen der “Welt” nachlesen:
Die Chorfenster wurden zur Vermeidung von Kriegschäden im Herbst 1941 ausgebaut und zunächst in einer Gruft der Kirche gelagert. Im April 1945 wurden sie in das Neue Palais im Potsdamer Park Sanssouci verlegt. Im Juni gelangten sie in das sogenannte Kriegsbeutelager I der Roten Armee im Schlachthof Berlin-Lichtenberg. Mitte August 1945 wurden sie nach Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, gebracht und seitdem dort in der Eremitage aufbewahrt.
Alexander von Schönburg schreibt in “Bild” eine Kolumne namens “Royal” über den Adel, gehört selbst zum Adel, und “Bild” nennt ihn “Adels-Insider” (siehe Ausriss). Jetzt hat der “Adels-Insider” Otto von Habsburg besucht, den “Mann, der heute Kaiser wäre”, weil dieser ein Buch geschrieben hat. Und in einem kleinen geschichtlichen Abriss zu Anfang des Textes schreibt Alexander von Schönburg:
Franz Josephs Sohn, der junge Kaiser Karl I., regierte nur noch zwei Jahre, dann wurden die Habsburger abgesetzt.
Nun ja, mit Franz Joseph war das so: Franz Josephs einziger Sohn, Kronprinz Rudolf, hatte sich 1889 umgebracht, worauf Franz Josephs Neffe Franz Ferdinand Thronfolger wurde. Der wurde wiederum am 28. Juni 1914 von dem serbischen Nationalisten Gavrilo Princip in Sarajevo erschossen. Nach Franz Ferdinands Tod ging die Thronfolge dann auf dessen Neffen Karl I. über.
Oder einfach: “Sohn” ist falsch.
Mit Dank an Anika H., Oenna und Natascha S. für den Hinweis.
“Erste Eindrücke sind immer die besten”, schreibt bild.de und schwärmt in den höchsten Tönen von der neuen C-Klasse von Mercedes Benz.
“Falsche Eindrücke sind immer die peinlichsten”, hätte der Satz auch lauten können, denn von den elf Bildern in der dazugehörigen Galerie zeigen ganze drei (Nr. 1, 7 und 8) die neue C-Klasse. Auf allen anderen ist das Vorgängermodell abgebildet, wie man uns bei Daimler Chrysler bestätigte.
Auch das gewaltige Aufmacherbild zeigt die alte C-Klasse:
(Übrigens ist auch ein Multifunktionslenkrad, das laut bild.de nur im C 320 CDI und im C 350 vorhanden sein und sonst 119 Euro Aufpreis kosten soll, laut Mercedes-Preisliste serienmäßig — den Aufpreis kostet nur das “Komfort-Multifunktionslederlenkrad”. Und der C 350 hat keinen V8-Motor, sondern einen V6-Motor.)
Vielen Dank an Matthias B., Dominik R., Jesko S., Andreas W., Thomas N., Torben F., Daniel B., U. P., Christian R. und Markus K. für die Hinweise!
Die “Bild”-Zeitung hatte gestern, was viele deutsche Medien gerne gehabt hätten: ein Interview mit dem 17-jährigen Marco W., der in einem türkischen Gefängnis sitzt, weil ihm vorgeworfen wird, ein 13-jähriges Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Geführt hat es nicht “Bild” selbst, sondern ein Reporter der türkischen Zeitung “Hürriyet”, mit der der Verlag Axel Springer geschäftlich verbunden ist und in deren Beirat “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann sitzt.
Und wie kam es dazu, dass ausgerechnet “Bild” diesen Scoop landen konnte? Der ARD-Korrespondent in der Türkei, Peter Althammer, beschrieb die Hintergründe gestern im Magazin “Brisant” so: Diekmann habe beim “Hürriyet”-Chefredakteur angerufen und das Schlagwort “Midnight-Express” fallen lassen — der Titel eines berühmten Hollywood-Filmes, der die schlimmen Verhältnisse in türkischen Gefängnissen extrem dramatisch schilderte. Offenbar war das wie eine Drohung zu verstehen: Die “Bild”-Zeitung könnte massiv in dieser für die Türkei unliebsamen Richtung berichten.* Jedenfalls sprach der “Hürriyet”-Chefredakteur daraufhin nach eigenen Angaben persönlich mit dem türkischen Justizminister und dem Ministerpräsidenten und bekam die Möglichkeit, das Exklusiv-Interview mit dem 17-jährigen für seine Zeitung und für “Bild” zu führen.
Solche Deals haben oft ihren Preis, nicht immer einen finanziellen. Im konkreten Fall mutmaßt Althammer, Marco W. und das Interview könnten von der türkischen Regierung dafür instrumentalisiert werden, die Haftumstände besonders rosig zu malen. Filmaufnahmen des Interviews zeigten, wie ihm “fast demonstrativ” Speisen auf einem Tablett gereicht wurden. Der deutsche Anwalt von Marco W. äußerte bereits den “ganz stillen Verdacht, dass nun die Zustände besser gemacht werden sollen als sie sind”.
Schwer zu sagen, ob das so ist. Aber es fällt auf, wie sich seit dem Interview auch die Berichterstattung in “Bild” geändert hat. Am vergangenen Samstag und Montag nannte “Bild” das Gefängnis den “Horror-Knast”. Gestern, am Tag nach dem Interview, fehlte dieser Begriff; heute spricht “Bild” ausdrücklich vom “angeblichen ‘Horror-Knast'”.
Am Samstag schrieb “Bild”:
Er muss sich mit 30 ausländischen Gefangenen eine Zelle teilen, eine Dusche, eine Toilette. Nur einmal pro Woche darf der Schüler für zehn Minuten seine Mutter sehen. Durch Panzerglas. Sie weint vor Verzweiflung.
Am Sonntag schrieb die “BamS”:
“Marco geht es seelisch sehr schlecht. Er ist körperlich gezeichnet, zittrig, nervös, leidet an Schlafentzug”, so sein Vater.
Heute zitiert “Bild” den “Hürriyet”-Reporter wie folgt:
“Ich war erstaunt. Marco sah zufrieden aus. (…) Hin und wieder lachten wir sogar über das, was er sagte. (…)
Marco erzählte von der Zellendusche ohne Duschkopf. ‘Wir seifen uns ein, kippen uns das Wasser mit einem Eimer über den Kopf. Es gibt nur kaltes Wasser. Da wir Sommer haben, ist es sehr angenehm. Die Dusche ist von 7 bis 20 Uhr geöffnet (…)
Und das Knastessen? ‘Es wäre prima, wenn es mal Pommes und Steak gäbe!’ (…)”
Na, das klingt ja ganz lauschig. Schwer vorstellbar, dass “Bild”-Chef Diekmann noch vor wenigen Tagen irgendwelche Assoziationen an “Midnight-Express” gehabt haben soll.
*) Korrektur, 10. Juli: Die “Brisant”-Version der Ereignisse, auf die wir uns teilweise gestützt haben, ist höchst problematisch. Ob Kai Diekmann gegenüber dem “Hürriyet”-Chefredakteur Ertugrul Özkök den Begriff “Midnight Express” benutzt hat, ist zumindest unbewiesen. In dem “Hürriyet”-Artikel, auf den sich ARD-Korrespondent Althammer bezieht, sagt Özkök zwar, er habe mit Diekmann gesprochen. Die Film-Assoziation bringt er aber selbst ins Spiel: “Ich hatte die Befürchtung, dass sich diese Angelegenheit zu einem neuen ‘Midnight Express’ entwickeln könnte.”
Als Franz Josef Wagner so alt war wie der in der Türkei wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs inhaftierte Marco W., schrieben wir das Jahr 1960.
In §175 StGB beispielsweise hieß es: “Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.”* Connie Francis sang: “Die Liebe ist ein seltsames Spiel”, Rocco Granata besang seine “Marina” (“Doch eines Tages traf ich sie im Mondschein / ich lud sie ein zu einem Glase Rotwein / und Liebling wie ich frage willst du mein sein / gab sie mir einen Kuss und das hieß ja”), und die Antibabypille kam gerade erst auf den Markt.
So war das 1960, als Franz Josef Wagner 17 Jahre alt war. Heute ist Wagner 63 und schreibt seine tägliche “Bild”-Kolumne an “Marco, zzt. in türkischer Haft”.
“Was hast du getan,” fragt Wagner, “das Dich zum U-Häftling macht?” Und Wagner hat auch eine Antwort. Sie sieht ein bisschen anders aus, als etwa die fundierte Zusammenfassung auf lawblog.de, ist dafür aber kürzer:
Du hast ein Mädchen geküsst, das Du unter der Sonne von Antalya, Türkei, kennen gelernt hast. (…) An einem Kuss ist nichts Abscheuliches — abscheulich sind die 5, 10 Sekunden danach, wo Du als Junge deinen Verstand verlierst, dem Mädchen etwas antust, was sie will und nicht will. Das ist Dein Verbrechen.
Tausende und Abertausende junge Menschen begehen diese Verbrechen jede Nacht. (…) Du bist der erste Junge, der im Gefängnis sitzt, weil er die Frauen nicht versteht.
Wenn sie ja sagen, meinen sie nein. Und wenn sie nein sagen, meinen sie ja. Das, mein Lieber, kannst Du mit 17 nicht wissen – das kannst Du erst wissen, wenn Du so alt bist wie ich.
Vermutlich darf man den letzten Satz nicht wörtlich nehmen. Denn es gibt ja Menschen, die auch schon 63 sind und trotzdem noch nicht so alt, dass die all das vergessen haben, was man zivilisatorischen Fortschritt nennen könnte oder auch nur gesunden Menschenverstand. Denen der sogenannte “Ewanchuk-Case” noch etwas sagt, und bei denen noch nicht jede Erinnerung an die zahllosen“No means No”– oder “Nein heißt Nein”–Kampagnen ausgelöscht wurde.
Darauf muss man erst einmal kommen: Dass der Verdacht, dass eine 13-jährige sexuell missbraucht wurde, irgendetwas damit zu tun hat, dass die Frauen so schwer zu verstehen sind und immer das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen. Dafür muss man auch nicht das Alter von Franz Josef Wagner erreichen. Dafür muss man schon Franz Josef Wagner sein.
Danke für die vielen Hinweise!
*) Versehentlich hatten wir an dieser Stelle zunächst §175 StGB zitiert, wie er 1960 in der DDR galt. Wir bitten das zu entschuldigen.
Der Presserat hat die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung über eine junge Frau missbilligt, die ihr neugeborenes Kind in einer Plastiktüte im Gebüsch vor einem Krankenhaus abgelegt haben soll, wo es kurz darauf verstarb. Nach der Mutter war gefahndet worden; “Bild” zeigte jedoch auch noch, nachdem sie sich gestellt hatte, mehrmals Fotos von ihr, auf denen sie trotz eines winzigen Augenbalkens leicht zu identifizieren war (wir berichteten).
Auf unsere Beschwerde beim Presserat erwiderte die Rechtsabteilung der Axel-Springer-AG, es handele sich bei der Frau um eine “relative Person der Zeitgeschichte”, daher sei eine identifizierende Berichterstattung möglich gewesen. Die Erkennbarkeit habe sich nicht aus der Berichterstattung der Zeitung, sondern “bereits aus dem Fahndungsaufruf der Polizei” ergeben, erklärte Springer laut Presserat. Außerdem sei der Sachverhalt im Ort Stadtgespräch gewesen.
Der Beschwerdeausschuss widersprach:
Der Ausschuss erkennt kein öffentliches Interesse, das die Persönlichkeitsrechte der Frau überlagert hätte. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass nach der Betroffenen mit Hilfe einer Kameraaufnahme gefahndet wurde. Mit dem Auffinden der jungen Frau erlosch jedenfalls das Fahndungsinteresse der Polizei (…). Danach hätte die Zeitung auf eine erkennbare Darstellung der Betroffenen verzichten müssen.
Die Artikel in “Bild” (Rhein-Neckar) vom 2., 3. und 5. März verstießen gegen Ziffer 8 und Richtlinie 8.1 des Pressekodex, befand der Presserat und sprach eine Missbilligung* aus. Auch den Einwand der Axel-Springer-AG, unsere Beschwerde sei “gewerblich motiviert” und “rechtsmissbräuchlich”, wies er zurück.
*) Es besteht nach der Beschwerdeordnung des Presserates “zwar keine Pflicht, Missbilligungen in den betroffenen Publikationsorganen abzudrucken. Als Ausdruck fairer Berichterstattung empfiehlt der Beschwerdeausschuss jedoch eine solche redaktionelle Entscheidung”. Die “Bild”-Zeitung verzichtet in der Regel auf diesen Ausdruck fairer Berichterstattung.
Gestern berichtete “Bild” in ihrer Bundesausgabe über ein Projekt namens “discovering hands“, bei dem blinde Frauen zu “Medizinischen Tast-Untersucherinnen” ausgebildet werden. Ein schönes Projekt. Schön auch, dass “Bild” darüber in so großer Aufmachung berichtet. Noch schöner wäre es allerdings, wenn das große Foto, mit dem “Bild” die Geschichte illustriert, auch wirklich wie behauptet (siehe Ausriss) die mehrfach im Text vorkommende Jeannette Wölpper zeigen würde. Und nicht deren Kollegin Miroslawa Gräßer.
P.S.: In ihrer NRW-Ausgabe, wo der Artikel mit ähnlicher Bebilderung schon vergangenen Samstag erschien, hat “Bild” es übrigens richtig gemacht.
Mit Dank an Frank T. für den sachdienlichen Hinweis.
Bild.de berichtet heute in der Rubrik Internet-Klatsch u.a. über die Mittelmeer-Bootstour von Sängerin Beyoncé Knowles (die “Bild” “Beyoncé POwles” nennt) und ihrem Freund Jay-Z. Dokumentiert wird das “Dolce Vita” der beiden mit einer vierteiligen Bildergalerie, die zu weiten Teilen aus dem Hintern von Beyoncé besteht. Und daraus:
Wir sehen darauf allerdings eine Frau, die mit ziemlicher
Sicherheit nicht die gleiche Beyoncé Knowles wie auf den anderen Bildern der Serie ist — möglicherweise aber die gleiche unbekannte Dame wie auf diesem Foto.
Ist natürlich ein netter Service von Bild.de, den Lesern die etwas unübersichtliche Angabe “eine Billion” aus einer Reuters-Meldung als Zahl anschaulich zu machen.
Noch besser wäre der Service natürlich, wenn die Zahl dann tatsächlich eine Billion darstellte und nicht nur eine Milliarde.
Danke an A. K.!
Nachtrag, 11 Uhr. Um kein Risiko einzugehen, hat man bei Bild.de die Zahl nicht korrigiert, sondern ersatzlos gestrichen. Der Fehler in der Überschrift wurde beibehalten.
Nachtrag, 13.25 Uhr. Im zweiten Versuch hat Bild.de es nun auch geschafft, die Überschrift zu korrigieren.