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Happy Birthday, Korrekturspalte!


Illustration: beetlebum.de

Es könnte eine einsame Party werden, wenn die kleine “Bild”-Korrekturspalte am Samstag die einzelne Kerze auf ihrer Geburtstagstorte auspustet. Still ist es um sie geworden. Die Aufmerksamkeit der anderen Medien hat schon kurz nach ihrer (Wieder-)Geburt nachgelassen. Und die “Bild”-Redaktion kümmert sich auch immer weniger um sie. Dabei hatte Chefredakteur Kai Diekmann vor einem Jahr gesagt: “Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler”, und versprochen, sie mit ihrer Hilfe “schnell und unkompliziert” zu berichtigen.

Seit drei Wochen ist sie gar nicht mehr erschienen. Eine Anfrage von uns beim Pressesprecher, ob die Rubrik eingestellt wurde oder “Bild” einfach keine berichtigenswerten Fehler mehr macht, blieb unbeantwortet.

Schaut man sich die Entwicklung des vergangenen Jahres an, kommt die gegenwärtige Vernachlässigung der Korrekturspalte nicht überraschend. Die Zeiten, als man noch einen gewissen Ehrgeiz der “Bild”-Redaktion ausmachen konnte, regelmäßig wenigstens ein paar kleine Fehler zu korrigieren sind lange vorbei: Im Juli 2006 korrigierte “Bild” noch fast in jeder Ausgabe einen Fehler, im Mai 2007 noch in jeder vierten Ausgabe, im Juni 2007 in jeder zwölften:

(Die Zahlen weichen teilweise von unserer Erhebung vor einem halben Jahr ab, weil wir damals die Korrekturen in der Ausgabe Berlin-Brandenburg zählten. Die aktuelle Statistik bezieht sich auf die “Bild”-Bundesausgabe.)

 

Liebe Korrekturspalte von “Bild”,

wir haben Dich dennoch nicht vergessen und gratulieren Dir mit unserer Top-10 der “Bild”-Korrekturen — natürlich in Form einer Bildergalerie:

Mehr dazu hier.

Geh mich weg mit die “Bild”

In großer Aufmachung steht es heute in der “Bild”-Ruhrgebiet:

"Sie machen einen ganzen Stadtteil platt"

Machen “sie” echt? “Bild” jedenfalls hört schon den “Klang des Niedergangs, der über Dorsten-Barkenberg liegt” — über dieser Mustersiedlung, die da in den 60er und 70er Jahren am Rande des Ruhrgebiets geplant und gebaut worden war für die Beschäftigten der nahegelegenen Zeche Wulfen und ihre Familien. Doch die Zeche ging nie richtig in Betrieb. Und in der Trabantenstadt, die mal für 60.000 Menschen geplant waren, leben zur Zeit etwa 9.500 Personen.

Deshalb wurde ein Teil Barkenbergs mit 3.600 Einwohnern zum “Stadtumbaugebiet” erklärt und vor kurzem mit dem Abriss von 244 Wohnungen begonnen — oder, wie “Bild” es formuliert:

"(...) nun mussten 3000 Menschen ihre Heimat verlassen"

“Bild” allein weiß, wie “3000 Menschen” in 244 Wohnungen passen, wenn, wie man uns bei der Stadt Dorsten berichtet, in einzelnen Wohnungen 12 bis 16 Personen lebten, die meisten aber Einpersonenhaushalte waren. Und auch die etwa 300 Menschen, die tatsächlich in diesen Wohnungen lebten, wollten und konnten mehrheitlich in Barkenberg bleiben — “ihre Heimat verlassen” mussten sie nicht.

Vielleicht sind sie auch deshalb gerne geblieben, weil sie wussten, dass sie auch weiterhin vor Ort einkaufen können. Denn anders als “Bild” behauptet (“auch Schule und Supermarkt kommen weg”), soll der Supermarkt laut Auskunft der Stadt Dorsten auf jeden Fall erhalten werden.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Diekmanns Sorge um Nuancierungen und Subtext

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann beklagt in einem Gastbeitrag für das evangelische Magazin “chrismon”, dass “ganze Jahrgänge” von Schülern “im Babeltum” versänken, gibt den 68-ern die Schuld und sorgt sich um die Arbeitsgrundlage seiner Zeitung — die deutsche Sprache, die “Bild” in der Tradition Martin Luthers pflege:

Wir schauen, um mit Axel Springer zu sprechen, dem Volk dabei gern aufs Maul, reden ihm aber nicht nach dem Mund. Denn wir wollen zwar volksnah sein und eine Sprache sprechen, die das Volk versteht. Es ist aber durchaus fraglich, ob wir auch dessen Begrifflichkeiten übernehmen sollten. (…)

Der Variantenreichtum des Deutschen, gefördert durch die vergleichsweise freie Stellung der Satzteile und die Bojenfunktion der Artikel, ist dahin — und damit auch Nuancierungen, Redefiguren, Subtext. Auch in unserer Sprache herrscht nun, wenn überhaupt, der Terror von Subjekt, Prädikat, Objekt, allerdings unter Verzicht auf Konjugation und Deklination. (…)

Auch Leserbriefe, die wir erhalten, geben ein klares Bild: Orthografisch korrekt sind meist nur Briefe, die aus den neuen Bundesländern stammen oder von älteren Leuten aus dem Westen – also von Personen, die nicht dem Einfluss der Kultusministerkonferenz, der GEW oder reformwütiger Lehrerverbände unterworfen waren.

Work in progress

Offenbar fällt es ab und zu Mitarbeitern von Bild.de auf, wenn irgendwo bei Bild.de Unsinn steht. So stand bis vor kurzem noch in einem Info-Kasten dies hier:

Das war falsch, wie sich zum Beispiel auf kannstehaben.org nachlesen lässt, und wurde inzwischen “korrigiert”. Jetzt steht in dem Kasten:

Mal abwarten, ob und wann jemandem bei Bild.de auffällt, dass auch das falsch ist und wie es “korrigiert” wird.

Mit Dank an Eric S. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 18.30 Uhr: So, jetzt sind falschen Rechnungen verschwunden, und nachdem der Kasten kurzzeitig so aussah, wurde jetzt sogar sicherheitshalber der Schweiß von “82 Millionen Deutschen” aus dem Text entfernt. Bleibt vielleicht noch die Frage, wie realistisch eigentlich die Grundannahme ist, dass ein Mensch an einem Tag tatsächlich 24 Liter Flüssigkeit alleine durchs Schwitzen verliert. Aber bevor sich jetzt jemand bei Bild.de daran macht, da noch weiter dran rumzubasteln, oder auch noch die anderen Fehler bei der Haut oder beim Speichel zu korrigieren, wäre es vielleicht mal an der Zeit, sich zwischendurch um Wichtigeres zu kümmern. Zum Beispiel um diese Frage aus einer Bild.de-Überschrift: “Hat Seehofer sich für seine Frau entschieden?” Die hat Seehofer selbst nämlich schon beantwortet.

Kurz korrigiert (431-436)

Bei Bild.de wünscht man sich in einem größeren Artikel von diversen Kinofilmen Fortsetzungen. So dringend offenbar, dass keine Zeit blieb, den Text noch mal gegenzulesen. Denn abgesehen davon, dass im Text drei Mal der Film “Die Hart” auftaucht (siehe Ausriss), haben sich noch so einige andere Fehler eingeschlichen. So hat Michael Madsen, anders als Bild.de schreibt, in dem Film “Pulp Fiction” gar nicht mitgespielt, von “Dirty Dancing” gibt es schon seit dem Jahr 2004 eine Fortsetzung (auch wenn sie offenbar nicht viel mit dem Original zu tun hatte), und von “From Dusk Till Dawn” gibt es sogar schon zwei Fortsetzungen. Die erste hat zwar auch nicht viel mit dem Original zu tun und die zweite war eigentlich ein “Prequel”, das wurde aber immerhin vom Regisseur des ersten Teils produziert.

Und was von “From Dusk Till Dawn” angeht: Wir sind ehrlich gesagt nicht überzeugt, dass es “elf Jahre nach ihrem Besuch in der merkwürdigen Kneipe in Mexiko” allzuviel zu erzählen gäbe “aus dem Leben der Gangsterbrüder Seth (George Clooney) und Richard Gecko (Quentin Tarantino)”. Auch wäre es wohl keine gute Idee, “die blutsaugende Vamp-Stripperin Santanico Pandemonium (Salma Hayek) wieder an die Stange” zu lassen. Richard Gecko und Santanico Pandemonium starben nämlich bereits im ersten Teil von “From Dusk Till Dawn”.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Nachtrag, 22 Uhr: Wie’s aussieht, wurde der Artikel komplett aus dem Angebot von Bild.de entfernt.

Friede Springer ist keine “Bild”-Leser-Reporterin

Es stimmt, Kanzlerin Angela Merkel und Altkanzler Gerhard Schröder trafen sich gestern Abend auf einem Sommerfest. Er trank Rotwein, sie Weißwein, und die beiden plauderten ein wenig. Es gibt Fotos dieser Begegnung, von denen “Bild” heute eines auf der Seite 1 zeigt:

"Prost, Altkanzler! Prost, Kanzlerin!"

Anders, als “Bild” schreibt, fand die Begegnung jedoch nicht “auf dem Sommerfest des Magazins ‘Focus’ im Kulturzentrum am Spreeufer” statt, sondern auf dem Hoffest der SPD-Bundestagsfraktion, wie andere Medien einmütig berichten.

Schröder war auch gar nicht auf dem “Focus”-Sommerfest, wie man uns bei Burda Media bestätigt. Dafür aber Merkel — sowie Verlegerin Friede Springer und Springer-Vorstand Mathias Döpfner.

Mit Dank an fritzali für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” hört Phantom-Songs bei den Chili Peppers

"Red Hot Chili Peppers im HSV-Hexenkessel"Wir wissen nicht, ob der Autor oder die Autorin der heutigen “Bild”-Meldung zum gestrigen “Red Hot Chili Peppers”-Konzert in Hamburg (siehe Ausriss) schon früh gegangen oder während des Konzerts weggedöst ist* und sich dann in weiten Teilen auf einen dpa-Korrespondenten-Bericht vom vergangenen Samstag verlassen hat, der sich mit dem Konzert in München beschäftigte. Jedenfalls steht in der “Bild”-Hamburg unter der Überschrift “Red Hot Chili Peppers im HSV-Hexenkessel”:

Nach “Can’t Stop” jagte ein Highlight das nächste — inklusive “Califor[n]ication” und “Under The Bridge”. (…) BILD-Urteil: Selber schuld, wer nicht da war. Denn das, was die Band um Sänger Anthony Kiedis da hingelegt hat, war Konzert-Kunst vom Feinsten.

Nun ja, was das Urteil angeht, kann man selbstverständlich unterschiedlicher Meinung sein. Im Gästebuch der deutschen Homepage der “Red Hot Chili Peppers” zeigen sich viele Fans, die beim Konzert dabei waren, ziemlich enttäuscht. Das Konzert wurde vielfach als zu kurz empfunden, Sänger Anthony Kiedis wird als “bocklos” beschrieben und habe sich schon früh von der Bühne verabschiedet. Anderen Fans gefiel das Konzert aber auch. Absolut einig sind sie sich jedoch alle insofern, als die Band weder “Californication” noch “Under The Bridge” gespielt hat.

Mit Dank an Mirko M., Florian F. und Leif U. für die Hinweise.

*) Ähnlich ging es uns übrigens bei einer dpa-Meldung zum Hamburger Konzert, in der es heißt, “auch mit älteren Hits wie ‘Californication’ heizten sie den jubelnden Hanseaten ein”. Bei dpa begründete man uns das auf Nachfrage mit einem “Übermittlungsfehler”. Mittlerweile hat dpa eine “Zusammenfassung” herausgegeben, die die ursprüngliche Meldung korrigiert, und in der es nun heißt, “Mit Songs wie ‘Snow (Hey Oh)’ oder ‘Dani California’ heizten sie den jubelnden Hanseaten ein.”

Nachtrag, 3.7. (mit Dank an Nico M.): “Bild”-Hamburg korrigiert ihren Fehler zwar heute in einer eigenen Meldung und bittet sogar “um Entschuldigung”. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass sie den Red Hot Chili Peppers auch eine Mitschuld für den Fehler gibt, weil die sich nicht an die “Playlist” hielten, die “Bild” vorlag, und das Konzert erst “nach Redaktionsschluss” beendeten.

“Bild”-Interview mit Marco W. ohne Einverständnis

Das Auswärtige Amt hat sich nach einem Bericht des “Spiegels” bei den türkischen Behörden darüber beschwert, dass sie ein Interview mit dem 17-jährigen Marco W. zugelassen haben, der in der Türkei in Untersuchungshaft sitzt. Weder der Jugendliche selbst noch sein türkischer Anwalt noch seine Eltern seien vorher um Genehmigung gebeten worden. Mit einigen veröffentlichten Äußerungen habe sich Marco W. möglicherweise selbst belastet.

Das Interview hatte die türkische Zeitung “Hürriyet” für “Bild” geführt. Es war, wie berichtet, offenbar erst auf Druck von* nach einem Gespräch mit “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann zustande gekommen.

*) Nachtrag, 10. Juni: Bitte beachten Sie unsere Korrektur beim Eintrag “Wie ‘Bild’ in den türkischen Horror-Knast kam”.

Übergangshomestory

Rechterhand sehen Sie die komplette letzte Seite der “Bild”-Zeitung vom Samstag, dem 19. Mai 2007. Sie besteht (vom “Liebe ist”-Cartoon und der Wettervorhersage abgesehen) komplett aus einer Folge der Christiane-Hoffmann-Serie “Zu Hause bei…” Und Christiane Hoffmann schrieb:

Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße. Die Glastür zum renovierten Haus (erbaut 1890) neben dem Hotel “Lux 11” führt zum stählernen Sicherheitsaufzug. Per Key-Card (haben nur die Bewohner) geht’s in den 5. Stock, von wo man auf Rotes Rathaus, Alex, Platte guckt. Mark Medlock (28), neuer “Superstar”, seit zwei Wochen Gewinner der 4. Staffel von “DSDS”, hat hier sein neues, bereits voll möbliertes Zuhause gefunden. (…) Drei Sofas (lila Samt, weißes, schwarzes Leder), vier Sessel, offene Küche (Nussbaum plus „Siemens“) und Kamin, zwei Esstische sowie ein Porzellandrache (wiegt eine Tonne), der an der Wand kauert. (…)

“Superstar” Mark Medlock (28) in seinen neuen vier Wänden. Auf dem Boden Schiefer, die Wände weiß. (…)

Rechterhand sehen Sie nun die komplette Seite 5 der Berliner “Bild”-Ausgabe vom gestrigen Freitag. Und unter der Überschrift “Superstar Mark Medlock — So bescheiden wohnt er in Charlottenburg” heißt es nun:

Mark Medlock (28, “Now or never”) tauscht sein nobles 150-qm-Apartment in Mitte (BILD berichtete), das ihm von einem Hotel gesponsert wurde, gegen eine eigene Wohnung.
(Hervorhebung von uns.)

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