Archiv für Vermischtes

Über das Wunder von Copy & Paste

“Bild am Sonntag”-Kolumnist Peter Hahne schreibt in seinen “Gedanken zum Sonntag” nicht nur zeitlose Zeilen. Nein, er schreibt sie auch immer wieder:

Über Fragen aus dem Strandkorb und die Antworten zu Pfingsten

(…) Die Bibel berichtet von der uralten Geschichte, die sich vor rund 2000 Jahren ereignete. Nach Tod und Auferstehung von Jesus Christus waren seine Anhänger verunsichert und zogen sich in Jerusalem in ihre Häuser zurück.

Doch dann, eben nach diesen fünfzig Tagen, kam die Wende. Die Jünger bekamen wieder Mut und wagten sich in die Öffentlichkeit. Das taten sie jedoch nicht aus eigener Kraft, sondern erfüllt vom Heiligen Geist, vom Geist Gottes.

Die Bibel fasst das in folgendes Bild: Vom Himmel kam ein Brausen, und über ihren Köpfen erschienen Feuerzungen. Die Menschen strömten zusammen und hörten die Jünger predigen. Das Wunder: Jeder Besucher der Multikulti-Hauptstadt Jerusalem hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. (…)

(“BamS”-Pfingstausgabe 2003)

Über die Kirche an Pfingsten und ihren vergessenen Geburtstag

(…) Die Bibel erzählt die uralte Geschichte, die sich vor rund 2000 Jahren ereignete: Nach Tod und Auferstehung von Jesus Christus waren seine Anhänger verunsichert und zogen sich in Jerusalem in ihre Häuser zurück.

Doch dann – eben nach diesen 50 Tagen – die Wende: Die Jünger bekamen wieder Mut und wagten sich in die Öffentlichkeit. Das taten sie nicht aus eigener Kraft, sondern erfüllt vom Heiligen Geist – vom Geist Gottes.

Die Bibel zeichnet dazu folgendes Bild: Vom Himmel kam ein Brausen, und über ihren Köpfen erschienen Feuerzungen. Die Menschen strömten zusammen und hörten die Jünger predigen. Das Wunder: Jeder Besucher der “Multikulti-Hauptstadt” Jerusalem verstand sie in seiner eigenen Sprache! (…)

(“BamS”-Pfingstausgabe 2006)

Über den Sinn von Pfingsten und den Beginn einer Mission

(…) Die Bibel erzählt die uralte Geschichte, die sich vor rund 2000 Jahren ereignete: Nach Tod und Auferstehung von Jesus Christus waren seine Anhänger verunsichert und versteckten sich in ihren Häusern in Jerusalem.

Doch dann – eben nach diesen 50 Tagen – die Wende: Die Jünger bekamen wieder Mut und wagten
sich in die Öffentlichkeit. Das taten sie nicht aus eigener Kraft, sondern erfüllt vom Heiligen Geist – vom
Geist Gottes. Eine Kraft, die wir uns selber nicht geben können. Eine Kraft, die uns wieder auf die Beine hilft, wenn wir resignieren, die uns im Leid tröstet und in Verzweiflung
Zuversicht und Hoffnung schenkt.

Die Bibel zeichnet dazu folgendes Bild: Vom Himmel kam ein Brausen, und über ihren Köpfen erschienen Feuerzungen. Die Menschen strömten zusammen und hörten die Jünger predigen. Das Wunder: Jeder Besucher der “Multi-Kulti-Hauptstadt” Jerusalem verstand sie in seiner eigenen Sprache! (…)

 
(“BamS”-Pfingsausgabe 2007)

Über das Wunder von Pfingsten und den Zauber des Verstehens

(…) So kann es an Pfingsten vor 2000 Jahren auch gewesen sein. (…) Weniger zum Feiern zumute war den Jüngern von Jesus Christus, denn nach Karfreitag und Ostern waren seine Anhänger verunsichert und versteckten sich in ihren Häusern.

Doch dann, 50 Tage nach Ostern, die Wende: Die Jünger wagen sich in die Öffentlichkeit und haben plötzlich den Mut, von ihrem Glauben zu erzählen. Das taten sie nicht aus eigener Kraft, sondern erfüllt vom Heiligen Geist – vom Geist Gottes.

Die Bibel zeichnet ein plastisches Bild von diesem Pfingstwunder. Vom Himmel kam ein Brausen, und über den Köpfen der Jünger erschienen Feuerzungen. Tausende strömten zusammen, Menschen mit unterschiedlichen Sprachen, Hautfarben und Kulturen. Die Jünger erzählten in ihrem galiläischen Dialekt vom auferstandenen Jesus Christus. Doch was die Leute am meisten erstaunte: Jeder Besucher der Multi-Kulti-Hauptstadt Jerusalem verstand sie in seiner eigenen Sprache! (…)

(“BamS”-Pfingstausgabe 2008)

Da bekommt die “BamS”-Behauptung “BILD-am-SONNTAG-Leser wussten es zuerst!” doch eine ganz neue Bedeutung.

Hineingeheimnissen mit Angelina Jolie

Es ist nicht sehr abwegig, dass “Bild.de”, vermutlich inspiriert durch diese Ausgrabung von “vanityfair.de”, über ein Musikvideo schreibt, in dem die damals sechzehnjährige Angelina Jolie mitspielt:

Lange vor dem Oscar, Brad Pitt und den (bald) sechs Kindern verdiente sich die heute gefeierte Kinoschönheit Angelina Jolie (32) mit kleineren Jobs ihr erstes eigenes Geld. So übernahm die Bellissima aus Hollywood im Jahr 1991 die Hauptrolle in einem Musikvideo des italienischen Schmusesängers Antonello Venditti.

“Jetzt ist dieses Musik-Video aus den neunziger Jahren aufgetaucht.”

O-Ton Bild.de

Es ist angesichts der Tatsache, dass dieses Video in der Internet Movie Database, seit mehr als einem Jahr in Vendittis Wikipedia-Eintrag, seit dem 7. Januar 2007 in Jolies deutschsprachigem und dem 21. Oktober 2006 in ihrem englischsprachigen Wikipedia-Eintrag erwähnt wird, und überhaupt angesichts der Tatsache, dass das Video selbst seit dem 5. Februar 2006 bei YouTube zu finden ist und mehr als 500.000 mal angesehen wurde, aber außerordentlich abwegig, den Text ausgerechnet so beginnen zu lassen:

Wie viele Geheimnisse hat diese Frau noch?

Freuen Sie sich also schon mal auf die “Bild”-exklusive Enthüllung der Geheimnisse, dass Jolie auch in den Musikvideos zu “Rock’n’Roll Dreams Come Through” von Meat Loaf, “Stand By My Woman” von Lenny Kravitz und “It’s About Time” der Lemonheads zu sehen ist.

Mit Dank an Tina B.!

Killerargumente

Kleiner Test: Welches Computerspiel wird hier von “Bild” beschrieben?

Lustigerweise ist die Antwort leicht, obwohl die Beschreibung fast vollständig falsch ist.

Genau:

Vermutlich wäre es schwerer gewesen, darauf zu kommen, wenn “Bild” wenigstens einmal die Wahrheit über “Counterstrike” geschrieben hätte: Dass das Computerspiel an Brutalität durchaus zu überbieten ist. Dass in der deutschen Version kein Blut fließt. Dass es das Ziel nicht ist, so viele Gegner wie möglich zu töten — ja, dass man sogar gewinnen kann, ohne überhaupt zu töten. Und dass das Spiel in Deutschland nicht indiziert, sondern ab 16 Jahren freigegeben ist.

Aber so ist das bei den sogenannten Killerspielen: Man muss sie nicht kennen oder auch nur das Elementarste über sie wissen, um sich zum Beispiel darüber zu empören, dass sie in einem “Haus der Jugend” in Hamburg angeschafft wurden.

Und wie zum Beweis für die Gefährlichkeit solcher Spiele schreibt “Bild” noch:

Zur Erinnerung: Robert Steinhäuser († 19), der am 24. April 2002 in Erfurt an einer Schule zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und sich selbst erschoss, war begeisterter Spieler von solchen Killerspielen.

Angesichts dieser Logik kann man nur hoffen, dass Steinhäuser nicht auch begeisterter Jeansträger oder “Bild”-Leser war. (Und, zur Erinnerung: Es war der 26. April 2002.)

Mit Dank an Dominic G., David K., Jan Marco S., Benjamin B., Herbert F., Sebastian T., Patrick B., Lukas B., Sascha K., Jan-Henning S., Sascha S., Florian S. und andere.

Wir sind Heigl!

Bei Bild.de war man offensichtlich ganz aus dem Häuschen, als man eine Meldung der “Bunten” entdeckte. Die US-Schauspielerin Katherine Heigl wurde nämlich vom Bürgermeister von Esslingen eingeladen, das Städtchen zu besuchen. Und sie hat offenbar zugesagt. Soweit die News.

Für Bild.de war indes noch etwas ganz anders neu:

"Katherine Heigl hat deutsche Vorfahren

Sie ist die schöne Hollywood-Diva, der Star aus “Grey’s Anatomy”. Strahlend blondes Haar, tiefgründige Augen, sinnlicher Mund. Katherine Heigl ist wirklich eine Augenweide. Aber was bisher kaum einer wusste: Sie hat deutsche Wurzeln! Und die liegen gar nicht soooo weit zurück, wie “Bunte” herausfand. Katherines Ur-Großeltern stammen nämlich aus Esslingen am Neckar, ihr Opa wurde dort geboren und wanderte später in die USA aus.

Moment: Was bisher kaum einer wusste? Wie “Bunte” herausfand?

Dass Heigl (auch) deutsche Wurzeln hat, weiß die deutsche Wikipedia bereits seit dem Jahr 2006. (In der englischsprachigen Wikipedia wird für diese Info sogar eine Quelle angegeben, die aus dem Jahr 2001 stammt.) Aber gut, deshalb kann es natürlich immer noch sein, dass das “kaum einer wusste”.

Seit Februar dieses Jahres steht jedoch bei Welt Online:

Väterlicherseits hat der Star deutsche Urgroßeltern, und der Großvater mütterlicherseits stammt aus dem idyllischen Esslingen.

Und im März sagte Heigl selbst der Zeitschrift “Joy”:

“Mein Großvater mütterlicherseits stammt aus Esslingen in Baden-Württemberg. Er hieß Engelhart Reingold. Und der Großvater meines Vaters war ein Heigl.”

Dazu gab es eine Vorabmeldung, die u.a. von der Nachrichtenagentur AP weiterverbreitet wurde, und seither ist es auch anderenorts nachzulesen. Kein Wunder also, dass nicht mal die “Bunte” behauptet, sie habe das mit den deutschen Wurzeln herausgefunden. Aber auf Bild.de ist eben Verlass.

Mit Dank an Philipp S. für den sachdienlichen Hinweis.

Das ist so nicht richtig

In einem Interview mit dem Medienmagazin “Journalist” entgegnet “Bild”-Chef Kai Diekmann auf die Aussage, der “BILD-Leserbeirat” habe sich beim ersten Treffen im Oktober von der “Bild”-Zeitung “unter anderem ‘weniger blutrünstige Storys'” gewünscht:

“Das ist so nicht richtig. Vielmehr hat der Leserbeirat ausdrücklich gesagt, dass die Realität auch dann gezeigt werden muss, wenn sie nicht erfreulich ist. Allerdings hat er in diesen Fällen mehr kompositorische Rücksichtnahme gefordert, dass also beispielsweise die Witze nicht neben einem Unfalldrama platziert werden.”

Indes: Unseres Wissens äußerte sich Romy Henke, Mitglied im “BILD-Leserbeirat”, im Oktober 2007 wie folgt:

“Wir wünschen uns mehr Wissenschaftsberichte und weniger blutrünstige Storys wie über den Kannibalen von Rotenburg.”

Woher wir das wissen? Na, aus Diekmanns Zeitung:

Winter beim Frühjahrsputz entdeckt

Haben sie bei Bild.de heute etwa ihre Schreibtische aufgeräumt – und eine Pressemitteilung des “Lifestyle Presseservice” vom 19.12.2007 (wieder)gefunden?

Oder warum sonst steht da auf Bild.de (na, Sie wissen schon: “erstklassiger Journalismus” mit “laufend aktualisierten Inhalten”) seit heute nachmittag diese Meldung über Winter, die Delfinin mit Schwanzflossenprothese? Oder anders gefragt: Warum eigentlich enthält die Bild.de-Meldung keine einzige Info, die nicht auch schon in der inzwischen viereinhalb Monate alten und längst weitverbreiteten Pressemitteilung stand, dafür aber Formulierungen, die der Pressemitteilung sogar aufs Wort gleichen?

Zum Vergleich:

lifePR.de vom 19.12.2007 Bild.de vom 5.5.2008
(…) eine neuartige Prothese ermöglicht dem behinderten Delfin eine nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, die er gerne in Sprüngen zur Schau stellt. (…) Mit ihrer Freude über die Prothese schenkt Winter Menschen mit ähnlichem Schicksal nicht nur Hoffnung – Teile der dabei eingesetzten Technologie könnten in Zukunft auch Menschen mit Amputationen helfen. (…) ihre Prothese, die ihr [“Winter”] eine nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit gibt. Das stellt sie immer wieder gern durch hohe Sprünge zur Schau (…). Doch nicht nur die Freude des Delfins über die Prothese schenkt den Menschen mit ähnlichem Schicksal Hoffnung – Teile der bei “Winters” Prothese eingesetzten Technologie könnten in Zukunft auch Menschen mit Amputationen helfen.

Mit Dank an Torsten S. für den Hinweis.

Nachtrag, 6.5.2008: Immerhin ahnen wir jetzt (mit Dank an Christian K. und Peter H.), warum Bild.de gestern die alte Pressemitteilung um- und abgeschrieben hat: Der “Telegraph” und (anschließend) auch die “Daily Mail” berichteten gestern aktuell über den Delfin.

Was trickste Strunz mit Schröder?

Zunächst die Theorie:

Am vergangenen Sonntag nutzte Claus Strunz in seiner “Bild am Sonntag”-Kolumne “Der Chefredakteur antwortet” die Gelegenheit, dass ihn ein Leser auf eine vermeintliche Ungereimtheit in den vorangegangenen “BamS”-Ausgaben aufmerksam machte.

Während nämlich die “BamS” am 6. April “Was trickste Schröder mit Gaddafi?” gefragt habe, sei in der Ausgabe vom 13. April gestanden: “Tatsächlich gibt es bisher keine Beweise für eine persönliche Verwicklung Schröders in die Affäre.”

“BamS”-Chef Strunz antwortete:

Sie sprechen zu Recht einen Widerspruch in unserer politischen Berichterstattung an.

Nach allem, was man zum jetzigen Zeitpunkt wissen kann, haben wir einen Fehler gemacht. Gerhard Schröder ist nicht persönlich in die Affäre um deutsche Ausbildungshilfen für libysche Polizeibeamte verwickelt gewesen. (…)

Das haben wir am 13. April 2008 auch so berichtet und damit unsere Berichterstattung der Vorwoche korrigiert – prominent platziert im Politik-Aufmacher. So deutlich, dass Sie es natürlich sofort bemerkt haben. Denn wir wollen nichts, was wichtig ist, unseren Lesern vorenthalten – und sei es die Richtigstellung eigener Fehler. Das gehört zu unserem Selbstverständnis als größte Sonntagszeitung Deutschlands. (…)

Und nun zur Praxis:

Mit anderen Worten: Eine Woche nach der großen, aber offensichtlich falschen Schröder-Geschichte (nicht mehr online) stand in einem anderen Text:

  • “Riesen-Wirbel um den Bericht von BILD am SONNTAG (…)”
  • “Schröder (SPD) dementierte (…)”
  • “(…) bisher keine Beweise (…)”

Und wir sehen es deutlich, das Selbstverständnis als größte Sonntagszeitung Deutschlands! Bleibt nur noch eine Frage: Wenn doch die “Bild am Sonntag” ihre ursprüngliche Berichterstattung der Vorwoche korrigiert hat – prominent platziert und so deutlich, dass der Leser es natürlich sofort bemerkt, wie Strunz behauptet, warum dann stehen die Worte “Fehler”, “korrigiert” und “Richtigstellung” erst eine weitere Woche später in Strunz’ Leserbriefkastenonkelkolumne? Beziehungsweise: Warum steht auf Seite 4 derselben Ausgabe – prominent platziert – unter ein paar Polit-Meldungen dann noch dies:

Und apropos “wir wollen nichts, was wichtig ist, unseren Lesern vorenthalten”: Als die “Bild am Sonntag” vergangene Woche in Riesenlettern auf die Titelseite schrieb, dass der TÜV vor neuem Diesel warne, wollte der TÜV im Nachhinein von seiner Warnung nichts mehr wissen. Wer seither beim TÜV nachfragt, wird dort niemanden mehr finden, der offiziell vor neuem Diesel warnt, womit die “BamS”-Titelschlagzeile zwar keine Ente war, aber quasi im Moment ihres Erscheinens in sich zusammenfiel. In der “BamS” stand davon anschließend kein Wort.

Im Gegenteil: Unmittelbar neben Strunz’ Sonntagsrede findet sich zwar ein Ausriss der (unhaltbaren) TÜV-Schlagzeile und die (unhaltbar gewordene) Kernaussage: “Gegenüber BILD am SONNTAG warnt ein TÜV-Experte vor dem neuen Dieselkraftstoff, der einen höheren Biodieselanteil enthält” – allerdings bloß unter der schönen Überschrift: “BILD-am-SONNTAG-Leser wussten es zuerst!”

“Bild” leidet unter Mautismus

Vergangene Woche wurde auf dem Autobahn-Rastplatz Röhrse bei Peine der Fahrer eines LKW getötet. Offenbar wurde er von einem anderen LKW überrollt. Der Täter konnte noch nicht ermittelt werden. “Bild” berichtete vor drei Tagen schon darüber und fragte vorgestern:

"LKW-Fahrer überrollt: Entlarvt Maut-Kamera seinen Killer?"

“Bild” zitiert einen “Polizeisprecher” mit den Worten:

“Kurz vor dem Parkplatz ist eine Mautbrücke, die jedes Kennzeichen erfasst. Der Mörder muss daran vorbei gekommen sein. Wir versuchen jetzt, die Daten auszuwerten…”

Doch die Polizei wird damit wohl keinen Erfolg haben. Daten, die für die LKW-Maut erhoben werden, dürfen nur “für Abrechnungszwecke genutzt werden”, wie uns ein hilfsbereiter Mitarbeiter des Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten sagt:

“Die Nutzung dieser Daten für die Strafverfolgung ist definitiv nicht möglich, sie können nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht für andere Zwecke beschlagnahmt werden.”

Die Antwort auf die “Bild”-Frage lautet also: Nein. Außer bei “Bild”.

Übrigens: Anders als “Bild” schreibt, jagt nicht die “Mord-Kommission” Salzgitter den “Todes-Fahrer vom Rastplatz”. Denn es wird gar nicht wegen Mordes, sondern wegen fahrlässiger Tötung und Fahrerflucht ermittelt, wie uns Wolfgang Klages, Sprecher der Polizei Braunschweig, sagt. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gebe es “keine Hinweise auf ein vorsätzliches Tötungsdelikt”. Das mit der “Mord-Kommission” sei eine “falsche Info aus Polizeikreisen” gewesen. Wir sind gespannt, ob “Bild” das in nächster Zeit irgendwie richtig stellt – rechnen aber eigentlich nicht damit.

Mit Dank an Christopher für den sachdienlichen Hinweis.

… und nichts als die halbe Wahrheit (2)

Aber zurück zur “Bild”-Zeitung — bzw. zu “Bild”-Reporter Damian Imöhl, der heute noch einmal über den gestrigen Prozess vor dem Dortmunder Amtsgericht berichtet (wir berichteten). Ein Autofahrer (ohne deutschen Führerschein) war wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Er hatte einen entgegenkommenden Motorradfahrer beim Linksabbiegen tödlich verletzt. Imöhls inzwischen dritter “Bild”-Bericht ist unfair, verletzt offensichtlich die Persönlichkeitsrechte des Verurteilten und könnte, wie schon gestern, ausländerfeindliche Ressentiments bedienen.

Anders gesagt:

  • “Bild” nennt den Verurteilten “einen Iraker, der weder einen Führerschein noch einen genehmigten Asylantrag hat. Dafür aber einen dicken BMW, eine Duldung durch die deutschen Behörden und seine Freiheit.” Denn: “Aus dem Gericht spazierte er als freier Mann”. Und “Bild”-Mann Imöhl lässt sich von einem “Strafrechtsexperten”, der in den vergangenen Jahren wiederholt mit markigen Worten in Imöhl-Artikeln zitiert wurde, erklären, ob der Verurteilte denn “jetzt abgeschoben werden” könne (was der Strafrechtsexperte Rechtsanwalt Volker Schröder verneint: “So hat der Strafrichter mit dafür gesorgt, dass er hier bleiben darf.”).
  • Darüber hinaus hat sich “Bild” entschieden, den bislang (wenn auch nur sehr dürftig) unkenntlich gemachten Täter groß und ohne Unkenntlichmachung zu zeigen, und, wie schon gestern, in der Überschrift groß seinen Namen zu nennen.
  • Vor allem aber unterschlägt “Bild” auch heute wieder, dass das Unfallopfer offenbar mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr*, und behauptet stattdessen, der Motorradfahrer sei “totgerast” worden. Dabei bestätigt uns ein Sprecher des Amtsgerichts Dortmund (der wie auch wir Verständnis für die Emotionen der Eltern des Toten hat): “Ein zu schnelles Fahren des Angeklagten ist nicht festzustellen gewesen.” Die vom Richter verhängte Strafe, die der “Strafrechtsexperte” in “Bild” als “viel zu milde” beurteilt, sei “völlig im Rahmen dessen, was in vergleichbaren Fällen üblich ist”. Das Strafmaß entspreche im Übrigen dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Das verschweigt “Bild” — wie übrigens auch die Tatsache, dass der Autofahrer den Motorradfahrer offenbar mit 6 km/h “totgerast” hat.

Mit Dank auch an Oliver K.

*) Der Gerichtsreporter der “Ruhr-Nachrichten” widerspricht in seinem Prozessbericht (und auf unsere Nachfrage) dem gestrigen BILDblog-Zitat eines Gerichtssprechers, dass es bei zulässiger Geschwindigkeit möglicherweise keinen Zusammenstoß gegeben hätte, insofern, als es laut Gutachter “auch bei Tempo 50 zu dem Zusammenprall gekommen wäre”.

Bild.de liftet Video

Es ist ein Video, das um nichts weniger bewegend ist, wenn man weiß, dass es schon Jahre alt ist. Es zeigt im Zeitraffer die 41 Stunden, die Nicholas White in einem Fahrstuhl gefangen war, aufgenommen von den Überwachungskameras. Das amerikanische Magazin “The New Yorker” hat es mit Musik unterlegt und ins Internet gestellt — als Ergänzung zu einem langen Artikel über das Leben von Fahrstühlen.

Aber mit der Vorstellung, dass es Dinge gibt, die nicht “jetzt” passiert sind, hat man bei “Bild” bekanntlich seine Schwierigkeiten. Und so gibt es in einem heute unter der Rubrik “News / Vermischtes” veröffentlichten Bild.de-Artikel über das Erlebnis von Nicholas White zwar die Ort- und Zeitangabe “Späte Freitagnacht im Rockefeller-Center”, aber keinen Hinweis darauf, dass es sich nicht um den vergangenen, vorvergangenen oder vorvorvorvergangenen Freitag handelt, sondern um den 15. Oktober 1999.

Der Artikel ist eine teils wörtliche, teils ungelenke, teils ungelenk wörtliche Übersetzung eines Artikels von ABC News — bereinigt um jeden Hinweis auf den Zeitpunkt des Geschehens. Und Bild.de zeigt auch den Film des “New Yorker” (“Sehen Sie bei BILD.de das Video der Fahrstuhl-Kamera”) — allerdings in einer heimlich gekürzten Version. In der Bild.de-Version hat jemand die ersten 20 Sekunden des Videos weggeschnitten. Da stand im Original unter anderem diese Angabe:

Mit Dank an Bruno B., Sascha P. und Tim!

Blättern:  1 ... 20 21 22 ... 146