Wenn ein 76-jähriger Mann einen Hirntumor hat, was würde Ihnen dazu einfallen?
Uns ist Elisabeth Volkmann eingefallen, “Bild” etwas anderes. Doch dazu gleich. Als Volkmann jedenfalls vor zwei Jahren 70-jährig an akutem Herz- und Kreislaufversagen starb, schrieb “Bild”:
Liegt ein Fluch über der Klimbim-Familie?
Der Fluch bestand für “Bild” damals in Selbstmord (Michael Pfleghar), Schlaganfall (“Peer Augustinski”), “nie Glück mit den Männern” (Ingrid Steeger) und Volkmanns Tod.
Aber das ist natürlich nix gegen, sagen wir, die Kennedys. Die können in der “Bild”-Schicksalsbilanz mit den Klimbims locker mithalten: 3x Flugzeugabsturz (Joseph Kennedy jr., Kathleen Kennedy, John F. Kennedy jr.), 2x Attentat (John f. Kennedy, Robert Kennedy) und 1x Lymphdrüsenkrebs (Jacky Kennedy Onassis) in 55 Jahren.
Und nun, neun Jahre nach dem letzten Schicksalsschlag, haben die Ärzte bei JFKs gerade mal 76-jährigen Bruder Ted “einen bösartigen Tumor in der linken Gehirnhälfte entdeckt”! Für “Bild” ein klarer Fall:
Über Christoph Daum, Trainer des 1. FC Köln, schrieben “Bild”undBild.de am Dienstag vergangener Woche überraschend dies:
(…) Er wird zurücktreten. BILD weiß: Seine Entscheidung steht fest, auch wenn er sie (noch) nicht verkünden will.
(…) Spätestens Montag! Dann steht fest: Christoph Daum (54) wird den 1.FC Köln verlassen.
(…) Daum wird die Kölner trotz der Rückkehr in die Bundesliga zum Saisonende vorzeitig verlassen. Auch ein Vertrag bis 2010 kann Daum nicht halten (…). Der Absprung steht aufgrund seiner Ausstiegsklausel unmittelbar bevor.
Seit gestern abend steht wohl fest: Die “Bild”-Behauptungen sind falsch, Daum wird nicht zurücktreten. Oder, um’s mit der aktuellen “Bild” zu sagen:
Allerdings liegt dazwischen eine turbulente Woche.
Unmittelbar nach dem “BILD weiß”-Bericht nämlich erklärte Daum im Kölner “Express”:
An dieser Stelle muss ich alle irren Spekulationen beenden: Selbstverständlich will ich weiter beim FC bleiben. (…) Das ist jetzt keine Pokerei (…).
“Welt Online” hielt Daums “Pokerei”-Dementi anschließend jedoch selbst für Pokerei und “eine Retourkutsche” auf die Rücktrittsmeldungen. Und auf die Frage, ob denn möglich sei, “dass der Trainer des 1.FC Köln in der kommenden Saison nicht Christoph Daum heißt”, antwortete Daum im Interview:
Ich kann diese Möglichkeit nicht gänzlich ausschließen.
“Welt Online” waren an diesem Tag nicht mal die einzigen mit einem Daum-Interview. Und als am selben Tag der “kicker” fragte, ob denn wohl jemand überrascht sein dürfte, wenn er tatsächlich Trainer bliebe, orakelte Daum:
Einen* gibt es wohl. Denjenigen, der mich hier weghaben will. Der wird überrascht sein.
*) Einen Tag nach dem “kicker”-Interview wollte Daum seine Aussage ausdrücklich “auf einen Medienvertreter” bezogen wissen.
Die “Bild”-Zeitung indes reagierte mit einer “BILD-Analyse” zum “Daum-Dilemma”:
“Dass andere Themen jetzt, bevor die Saison zuende ist, in den Mittelpunkt kommen, dafür kann ich nichts. Das liegt an der Kölner ‘Bild’-Redaktion, das ist ‘ne persönliche Sache.”
“Daum weg”, schrieb BILD nach dem Aufstiegs-Finale gegen Mainz. (…) Der Trainer reagierte sauer und sprach von einer “persönlichen Sache” mit BILD-Köln [siehe Kasten].
Nun gut! (…) Gestern erklärte Daum in einem RPR1- Radio-Interview: “Es wird Gespräche (mit dem FC) geben, die vom Ergebnis her offen sind.”
Und später: “Es steht nichts fest…”
Daraus könnte man auch einen Rücktritt interpretieren.
Daraus, ähm, könnte man auch ein Zurückrudern interpretieren. Was allerdings das großspurige “BILD weiß” betrifft, mit dem das Hin und Her begann, gibt es im Nachhinein drei Möglichkeiten:
A: “Bild” hatte sich von irgendwem (oder Daum) irgendwas erzählen lassen und als Tatsache hinausposaunt.
B: “Bild” hatte sich für Daums Pokerei (inkl. Dementis, Beschimpfen-Lassen und Doof-Dastehen) einspannen lassen.
C: “Bild” hatte keine Ahnung und einfach irgendwas behauptet.
Unplausibel ist keine der Versionen. Nur…
…mit Journalismus haben sie alle drei nichts zu tun.
Es ist ja eigentlich eine lustige Idee, die die langjährige “Bild”-Autorin Meike Meyruhn für Bild.de da am 19. Mai hatte:
Bild.de zählt — in alphabetischer Reihenfolge — passende Stichpunkte zum Thema auf, wie beispielsweise:
Fundort — auf der Suche nach dem Einmalsex gibt es das Klischee vom Abschleppen aus dem Club, der Kneipe, einer Bar. Forschungen des amerikanischen Soziologen Edward Laumann ergaben: One-Night-Standler gibt’s überall. 46 Prozent wurden an der Theke fündig, 41 Prozent am Arbeitsplatz, 39 Prozent auf Partys, 22 Prozent an der Uni.
Ich melde mich… Das sagen nur Sex-Sadisten, die ihr eigenes schlechtes Gewissen übertünchen möchten. Achtung: Es gibt Frauen, die nach solchen Ansagen tagelang auf einen Anruf warten (siehe “Mondscheintarif”) — und bei den Männern wird’s auch einige geben. Die reden da nur nicht drüber. Also, “danke” sagen und gehen. Nix mit melden und anderen leeren Versprechen.
Unterwäsche: Auch wer Spaßsex nicht plant, kann in die Situation geraten. Völlig unvorbereitet und in der uralt-ausgeleierten-zerlöcherten Unterhose! Na und? Reißen Sie sich das Teil vom Leib und dann ab dafür…
Wie gesagt: Es ist eigentlich eine nette Idee. Nur nicht die von Meike Meyruhn, die bei Bild.de als Autorin über dem Artikel steht, sondern die von Petra Harms und Christoph Koch, die am 21. April in der Maiausgabe der Zeitschrift “Neon” einen Artikel mit folgender Überschrift veröffentlichten:
Und dort finden sich überraschenderweise auch folgende Punkte:
Fundort — Dem Klischee nach ist eine Bar der beste Platz, um jemanden abzuschleppen.
Aber Forschungen des amerikanischen Soziologen Edward Laumann haben spezifiziert, wo die Leute ihre Partner für One-Night-Stands finden: nämlich überall. 46 Prozent wurden an der Theke fündig (→ Restevögeln), 41 Prozent am Arbeitsplatz, 39 Prozent auf Partys und sogar 22 Prozent an der Uni.
“Ich melde mich” — Sagen nur fiese Menschen, die sich selbst besser fühlen wollen.
Unterwäsche — Eines der letzten großen Mysterien: Warum klappt es mit dem lange ersehnten One-Night-Stand vor allem dann, wenn man die Unterwäsche mit den Bärchen (Frauen) oder dem Aufdruck des Wochentages (Männer) trägt? Andererseits: Wer hat sich schon mal ernsthaft eine Nacht durch seine Unterwäsche versaut? Was liegt, das liegt.
Bei “Neon” sagte man uns, man habe von der “dreisten” Kopie des Artikels nichts gewusst. Sie sei nicht mit der Redaktion oder den jeweiligen Autoren abgesprochen.
Verblüffende Parallelen finden sich übrigens auch bei den Punkten Anfängerfehler, Casual Sex, Danke, Ekstase, Genitalschock, Hoffnung, Jammern, Kondome, Telefonnummer, Xfach abgeblitzt und natürlich bei “Zu mir oder zu dir?”. Ein wenig kreativ sind die Bild.de-Redakteure wenigstens bei dem “Neon”-Stichwort “Restevögeln”. Sie ändern es in “Resteficken”.
Angelina Jolie ist ja bekanntermaßen immerwieder für Überraschungen gut. Und siehe da: Seit gestern berichtet Bild.de, dass Jolie “mal eine ganz Wilde” gewesen sei – bzw. dass die britische “Sun” ein Video aus dem Jahr 1999 “ausgegraben” hat, in dem Jolie zu sehen ist, wie sie “mit weit geöffneten Pupillen und schweren Lidern” neben einer Frau sitzt, die augenscheinlich Heroin raucht. Bild.de kommentiert das so:
Was die Oscarpreisträgerin heute sagt, konnten erstaunlicherweise am 1. Mai dieses Jahres auch schon Internetportale wie die-topnews.de und news.ch (mit Verweis auf das Online-Magazin Firstnews.de) berichten:
Angelina Jolie machte nie ein Geheimnis daraus, dass sie früher harte Drogen konsumiert hat. Schon vor Jahren sagten sie: “Ich habe Kokain, Heroin, Ecstasy, LSD und das alles genommen. Ich hasse Heroin, weil ich fasziniert davon bin. Ich bin nicht immun, aber ich werde nie mehr etwas nehmen.”
Wer sich aber jetzt denkt: “Das kam mir doch damals schon bekannt vor”, der hat womöglich am 19. September 2007 den “Berliner Kurier” gelesen. Dort hieß es:
Ein bisschen extrem war sie ja schon immer. Jetzt hat Angelina Jolie gestanden, in der Vergangenheit fast jede illegale Droge ausprobiert zu haben: “Ich habe gekokst, Heroin, Ecstacy, LSD, einfach alles genommen”, so die 32-Jährige.
Oder am 17. September 2007 bei kino.de vorbeigeschaut:
Ein ruhiges Leben hat Angelina Jolie noch nie geführt. Jetzt hat sie zum ersten Mal ganz offen von ihren wilden Jahren gesprochen. Gut in Erinnerung hat die 32-Jährige ihre Drogeneskapaden offensichtlich nicht: “Die schlimmste Auswirkung hatte Cannabis auf mich. Ich habe mich total albern und lächerlich gefühlt, wenn ich einen Joint geraucht habe. Und ich hasse es, wenn ich mich so fühle.”
Oder am 12. August 2003 die “große Beichte von Angelina Jolie” im “Kölner Express” entdeckt:
Laut “Sun” [!] bekennt sich der Hollywood-Star zu Drogenexzessen (Koks, Heroin, LSD, Ecstasy)…
Und nachdem wir Angelina Jolie in einer “Brigitte” vom Juni 2001 bezüglich ihrer “erklecklichen Drogenerfahrung” mit den Worten zitiert fanden, sie habe “ungefähr alles genommen, Kokain, Heroin, Ecstasy, LSD”, haben wir aufgehört zu suchen.
Nachtrag, 19.5.2008: Wie blöd kann man eigentlich sein? Offenbar hat sich doch noch jemand bei Bild.de erbarmt und sich den “Ardennen-Käse” nochmals vorgeknöpft. Naja, eigentlich hat jemand bei Bild.de nur die “de”-Endung der Internetadresse in “ch” geändert, die falschen “Ardennen” aber weiterhin falsch dastehen lassen. Ach ja: Und klickt man auf den “ch”-Link, gelangt man nach wie vor auf die falsche “de”-Website.
2. Nachtrag, 0.31 Uhr: Ach, und beim Korrigieren von Fehlern macht Bild.de keiner was vor. Inzwischen hat sich offenbar noch mal jemand an den Käse gewagt, den Link wirklich korrigiert und sogar die “Ardennen” aus dem Textchen entfernt. Leider hatte der Korrektor aber wohl keine Überschriftenberechtigung, weswegen da nach wie vor der berühmte “Ardennen-Käse” angepriesen wird. Echt wahr.
Fortsetzung folgt?
Fortsetzung folgt!
3. Nachtrag, 20.5.2008: Der Überschriftenberechtigte hat im Reise-Ressort vorbeigeschaut und viereinhalb Tage nach Veröffentlichung “Käse” aus dem “Ardennen-Käse” gemacht.
4. Nachtrag, 15.39 Uhr: BILDblog-Leser Mathias W. weist uns soeben darauf hin, dass die Familienpauschale im Maison du Gruyère offenbar nicht “6,20 Euro” (Quelle: Bild.de) sondern “8 Euro” (Quelle: lamaisondugruyere.ch) beträgt.
Nachtrag, 21.5.2008(mit Dank an Jürgen K. und andere): Aus aktuellem Anlass haben wir auch noch schnell den “Brücken-Teufel-Witwer” in unser Wörterbuch aufgenommen.
Toll, die Mitarbeiter von Bild.de scheuen wirklich keine Kosten und Mühen, um ihre Leser exklusiv und umfassend zu informieren.
Laut Bild.de lacht momentan “ganz Deutschland” über eine Frau mit starkem Dialekt, die vor drei Jahren bei der Polizei anrief, um sich über ihren Nachbarn zu beschweren. Ein Mitschnitt des Telefonats sei schon “mehr als 100.000 Mal” bei YouTube abgerufen worden und Bild.de verkündet stolz:
Wobei diese Rechercheleistung vielleicht etwas dadurch geschmälert wird, dass die Frau am Telefon ihre volle Adresse nennt und mehrmals ihren Namen. Ihr starker Dialekt stellt kein Problem dar, denn die hochdeutsche Übersetzung wird mitgeliefert:
Und weil Bild.de das Video auch auf der eigenen Seite zeigt, können sich jetzt zusätzlich zu den YouTube-Nutzern auch noch ein paar Millionen Bild.de-Leser darüber informieren, wie eigentlich der Nachbar heißt und wo genau er wohnt. Echt toll:
Mit Dank an Christian R., Alexander, Falk R. und Nogger für den Hinweis.
Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.
“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”
Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.
Henning Lohse, der offenbar freier Journalist in Paris ist, hat einen Text über ein Musikvideo der Band “Justice” geschrieben. Oder besser: Er hat zwei Texte geschrieben. Einen für Bild.de und einen für “Spiegel Online”. Das Video, das in Frankreich derzeit für Kontroversen zu sorgen scheint, zeigt eine Gruppe Jugendlicher, die randalierend und prügelnd durch Paris zieht.
Besonders schlimm: Die Schläger im Video sind in der Mehrheit arabischer Abstammung oder Schwarze, ihre Opfer sind weiß.
…steht im Bild.de-Text:
Besonders schlimm: Die Schläger im Video sind alle arabischer Abstammung oder Farbige, ihre Opfer sind weiß.
Es fällt nicht leicht, zu beurteilen, ob die Schläger nun bloß “in der Mehrheit” oder “alle” schwarz und arabischer Abstammung sind. Ihre “Opfer” allerdings sehen beispielsweise so aus:
Oder auch so:
Mit Dank an Martin S. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 19.35 Uhr: Jetzt raten Sie mal, aus welchem Medium diese Korrektur stammt. Bild.de oder “Spiegel Online”?
Nachtrag, 16.5.2008: “Spiegel Online” hat inzwischen zusätzlich zum Text von Henning Lohse eine etwas anspruchsvollere Besprechung des Justice-Videos veröffentlicht. Bild.de hingegen hat den Lohse-Text offenbar ganz aus dem Angebot entfernt. Warum auch immer…