Archiv für Vermischtes

Bloß früher VI

Okay, als die “Bild”-Zeitung damals, im Januar 2007, ein Hochzeitsfoto des “im Irak verstümmelten US-Soldaten” Ty Ziegel und seiner Ehefrau Renée zeigte, war sie auch schon ein Vierteljahr zu spät dran. Aber immerhin schrieb “Bild” damals selbst, dass die Hochzeit bereits im Oktober 2006 stattgefunden hatte.

Am vergangenen Samstag schrieb “Bild” zwar wieder, dass Ziegel Renée “im Oktober 2006” geheiratet hatte, zeigte das Hochzeitsfoto von damals noch einmal, verkündete aber (unter Berufung auf das “Sunday Times Magazine”):

Ehe-Aus nach 15 Monaten

Dass allerdings der Artikel im “Sunday Times Magazine” bereits im Mai erschienen war, enthielt die “Bild”-Zeitung ihren Lesern ebenso vor, wie sie die Tatsache verschleierte, dass Ty und Renée (Oktober ’06 + 15 Monate) bereits seit Januar dieses Jahres geschieden sind. Soviel dazu.

Doch wer sich jetzt fragt, wieso “Bild” überhaupt erst sechs Monate nach der Scheidung und zwei Monate nach Erscheinen des “Sunday Times Magazine”-Artikels berichtete, hat vermutlich das aktuelle Magazin der “Süddeutschen Zeitung” noch nicht gesehen. Erschienen zwei Tage vor dem “Bild”-Artikel, findet sich darin als Titelgeschichte (siehe Abb.) eine Übersetzung des Originals vom Mai. Und auch dort heißt es natürlich unumwunden, dass sich die beiden bereits “im Januar 2008” hatten scheiden lassen.

Offenbar hat das “SZ-Magazin” aber ohnehin keiner bei “Bild” wenigstens halbwegs aufmerksam gelesen. Denn der “Bild”-Artikel endet mit den Worten:

Geweint hat Ty um Renée nicht. Er hat keine Tränenkanäle mehr.

Klingt krass, ist aber Quatsch.*

*) In “Sunday Times Magazine” und “SZ-Magazin” heißt es: “(…) Tyler neigt den Kopf nach links und schüttelt sich eine Träne aus dem Auge. ‘Mir fehlte der Tränenkanal, der die Flüssigkeit ablaufen lässt, also haben sie mir einen aus Glas eingesetzt’, erzählt er. ‘Aber mit dem bin ich nicht zurechtgekommen, da hab ich ihn wieder rausgezogen.’ Wenn ihm wie jetzt in der Kälte die Augen tränen, muss er den Kopf neigen, um die salzige Flüssigkeit ablaufen zu lassen. (…)” Ob Ty Ziegel um Renée geweint hat oder nicht, weiß erstaunlicherweise nur “Bild”.

Abschiedsbrief

Lieber Claus Strunz,

wenn ich ehrlich bin, würde meine Mutter Sie vermutlich einen Sonnyboy nennen (also eigentlich “Sanniboi”), wenn sie Sie mal wieder in einer dieser Polit-Talkshows gesehen hätte, in denen besser Ihr Kollege Kai Diekmann von der “Bild”-Zeitung hätte gesessen haben sollen. Aber dann saßen doch immer Sie da – mit der zweifellos telegeneren Frisur und… diesem Lächeln. Das immer so aussieht, als wären die Zeitungen, die man jeden Sonntag kaufen kann, “informativ, enthüllend und hintergründig”, ein “Anwalt des Bürgers und kritischer Beobachter” und “Service-Dienstleister für alle Lebenslagen” bzw. so wie Ihr Lächeln: vertrauenswürdig, wohlwollend, selbstkritisch, zugänglich, selbstgewiss (naja, Sie kennen das ja aus dem Badezimmerspiegel) – so, als wären Sie eben nur Chef der “Bild am Sonntag“, der sonntagslächelnd Leserfragen beantwortet (siehe Kasten).

Worauf der Chefredakteur antwortet:

“Warum hat BamS einen so breiten Rand, Herr Strunz?”

“Gibt es zur EM wieder eine DVD-Reihe, Herr Strunz?”

“Muss es denn immer Hitler sein, Herr Strunz?”

“Wie komme ich noch an ein BamS-Panini-Abo, Herr Strunz?”

“Kann ich aus BamS ein T-Shirt machen, Herr Strunz?”

“Wo gibt es meine Geburtstags-BamS, Herr Strunz?”

“Wo ist unser Grill, Herr Strunz?”

“Haben Sie uns im TV gesehen, Herr Strunz?”

“Wo sind meine Togo-Fotos, Herr Strunz?”

“Wo sind die Panini-Bilder, Herr Strunz?”

“Wo kriege ich Ihr Sudoku-Heft, Herr Strunz?”

“Warum sind Sie so feige, Herr Strunz?”

“Warum hetzen Sie das Volk auf, Herr Sonntag Strunz?”

“Schenken Sie auch mir nächsten Sonntag eine DVD, Herr Strunz?”

“Wo war denn mein Panini-Album, Herr Strunz?”

“Wie kriege ich diesen Vogel los, Herr Strunz?”

“Wollten Sie Ihre Leser verar…, Herr Strunz?”

“Was ist des Rätsels Lösung, Herr Strunz?”

(halbwillkürliche Auswahl)

Jetzt hab’ ich aber irgendwo gelesen, dass Sie’s bald nicht mehr sind, “BamS”-Chef — und anderswo was von “unüberbrückbaren Differenzen” zwischen Ihnen und dem Diekmann.

Ganz ehrlich, Claus? Ich glaub’ das nicht. Immerhin ähnelt Ihre “BamS” Diekmanns “Bild” schon seit geraumer Zeit nicht nur im Auflagentrend, den Sie und Diekmann Ihren Blättern seit Amtsantritt verpasst haben, sondern jede Woche auch sonst so. Und vielleicht hält man sich ja wirklich für was besseres, bloß weil man besser aussieht. Was weiß denn ich.

Aber das mit den unüberbrückbaren Differenzen passt natürlich prima. Weil’s sowieso schon immer alle denken: dass Sie so’n stiller Querkopf sind. “Seine Unterschrift fehlt regelmäßig unter den rührenden Manifestationen konzerninterner Geschlossenheit, die alle Springer-Titel treu und diensteifrig abdrucken”, schrieb mal einer, der Ihnen offenbar derart auf den Leim gegangen war, dass er sogar öffentlich behauptete, Sie gölten “bei Springer als der vermutlich wichtigste Chefredakteur des Hauses”. Und wenn ich sehe, dass es Ihnen schon als Errungenschaft ausgelegt wird, wenn sich in Ihrer Zeitung auch mal ein kritisches Wort über Dieter Bohlen oder ein Argument für die Rechtschreibreform fand, dann klappt(e) der Trick mit dem “Good Guy der ‘Bild-Zeitung'” offenbar ganz gut. So gut, dass Leute wie Anke Engelke, die “Bild” vermutlich nicht mal mit dem A**** angucken, der “Bild am Sonntag” 2-seitige Interviews geben und ein Trittin bei Ihnen einfach mal den Gastautor macht. Claus Strunz, das unbeugsame Feigenblatt – da hatten irgendwie alle was davon.

Dooferweise hab’ ich Sie schon ganz anders erlebt. Als einen, der lügt. Oder als einen, der lügt. Oder die Unwahrheit sagt. Oder zulässt. Oder oder oder oder. Oder als einen, den meine Mutter ‘ne fiese Möpp nennen würde. Wollte ich nur mal sagen.

Viel Spaß in Hamburg,
Ihre Clarissa

P.S.: Ihr Nachfolger kommt ja, wie man hört, von der “B.Z.”, dem schmuddeligen kleinen Schwesterblatt der “Bild”. Womit nach acht Jahren wenigstens die Heuchelei ein Ende haben dürfte – und ich mich frage, wer wohl demnächst an Diekmanns Stelle in den Talkshows sitzt.

Kurz korrigiert (470-471)

Der neunte Punkt der dieswöchigen persönlichen “Top10” von “Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß (oder “Nayhaus”, wie Bild.de ihn nennt) lautet:

Im schönsten Glanz ... soll der Reichstag ab 23. Mai 2009, dem 50. Gründungstag der Bundesrepublik, mittels einer "dauerhaften Gesamtillumination" (offizielle Mitteilung) erstrahlen. Für Vorschläge wird ein Wettbewerb ausgeschrieben.

Und jetzt können Sie sich aussuchen, welcher Fehler in diesem Satz Ihre persönliche Top-1 ist: Dass die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 2009 selbstverständlich schon ihren 60. Geburtstag feiert. Oder dass die Einsendefrist für den Wettbewerb Mitte Juni abgelaufen ist und der Bundestag den Gewinner (Michael Batz) bereits am Dienstag vergangener Woche bekanntgegeben hat.

Mit Dank an Jason M.!

Nachtrag, 14. Juli. Die “Bild”-Zeitung hat beide Fehler am Samstag in ihrer Korrekturspalte berichtigt; bei Bild.de hat man sich immerhin zu einer Teilkorrektur durchringen können (und schreibt den Namen des Kolumnisten jetzt anders).

Seuche blöden Fehler!

"Neue Panne im ARD:

Oh Gott! Womöglich hat der ARD sich beim Bild.de mit dem Suche, äh, Seuche angesteckt – dann geht das so schnell nich’ mehr weg.

Mit Dank an Simone K., Sven Z. und Philip H. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.40 Uhr: Bild.de hat noch ein “e” auftreiben können und eine risikoarme Lösung für die Dachzeile gefunden.

“Bild” erklärt Mann für tot

Bei einem schweren Autounfall kamen vor etwa anderthalb Wochen bei Augsburg vier junge Menschen ums Leben (“Bild” berichtete). Dann wurden zwei der Leichen vertauscht, wodurch das falsche Unfallopfer eingeäschert wurde (“Bild” berichtete). Wie es zu der Verwechslung kam, ist bislang ungeklärt (“Bild” berichtete). Der gestrige “Bild”-Artikel endet mit dem lapidaren Satz:

"Derweil starb Rudolf K. (53), der herzkranke Vater des Unglücksfahrers Mathias (†25)."

Derweil schreibt die “Wertinger Zeitung”:

Und dann das: Gestern las der Vater des Unfallfahrers Mathias K. in Münchner Boulevardzeitungen von seinem eigenen Tod. Er war geschockt. Da stand: Er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Angehörige aus ganz Deutschland riefen an und fragten besorgt, was denn passiert sei. (…)

Der Vater, der vor ziemlich genau einem Jahr einen Herzinfarkt gehabt habe, sei, als er die Nachricht von dem schrecklichen Unfall erfuhr, mit akuten Herzproblemen ins Klinikum gebracht worden. Inzwischen ist er aber wieder zuhause. “Wie kommen die Boulevard-Journalisten nur auf solch eine falsche Berichterstattung”, fragen sich Angehörige (…). “Was die Familie in den letzten Tagen mit der Regenbogenpresse mitmachen musste, grenzt an Terror.” So würden die Eltern nahezu rund um die Uhr mit Anrufen von Medienvertretern bombardiert.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Kein Karrierehindernis

Weil das Geiseldrama von Gladbeck in ein paar Wochen 20-jähriges Jubiläum feiert, gibt es seit gestern eine “neue große BILD-Serie” dazu. In Teil 1 der “neuen, großen Exklusiv-Serie” ging es u.a. auch um das damalige “Medien-Versagen” und “die skrupellosen Gangster, die die Medien benutzten” – also laut “Bild”-Zeitung “ARD, ZDF und die noch jungen Privatsender” sowie “der damalige ‘Express’-Redakteur Udo Röbel” (der zu den Geiselnehmern ins Fluchtauto gestiegen war und sie aus der Kölner Innenstadt gelotst hatte).

“Bild” schreibt dazu:
Die Deutsche Journalisten Unioun kritisierte die Berichte als "abenteuerlich, makaber und wenig mit den ethischen Grundsätzen des Journalismus vereinbar". Der "Deutsche Presserat" stellte fest: "Es hat Journalisten gegeben, die die Grenzen ihres gesellschaftlichen Auftrags überschritten haben."
Und es hat, wie wir hinzufügen möchten, Medien gegeben, die solche Journalisten wenige Monate nach ihrer Grenzüberschreitung abwarben: Udo Röbel wechselte 1989 vom “Express” als stellvertretender Chefredakteur zur “Bild am Sonntag” – und wurde ein paar Jahre später “Bild”-Chefredakteur.

Auf Reagan folgt Sonnenschein

Bei der “Bild”-Zeitung zu arbeiten, muss toll sein! Wenn man keine Ahnung hat, stellt man einfach dumme Fragen wie diese:

"Hat Berlin den großen Ronald Reagan vergessen?"
Oder:
"Berlin – eine Stadt ohne Gedächtnis?"

Und ohne weitere Recherche kann man die Fragen knapp eine Woche später (also gestern) sogar beantworten:

"Nein, Berlin hat den großen Ronald Reagan (1911 - 2004) nicht vergessen!"
Und:
"BILD erklärt, wie an den einst mächtigsten Mann der Welt erinnert werden soll."
Beziehungsweise:
"So ehrt die Stadt Reagan"

Mit Dank an Rainer E. Klemke, Leiter der “AG Museen mit Bundesbeteiligung, Gedenkstätten und Zeitgeschichte”, der uns auf Anfrage mitteilt, dass das, was “BILD erklärt”, schon “seit Juni 2006” geplant und bekannt ist. “Bild” fand es aber erst jetzt heraus – durch einen Leserbrief Klemkes.

Kollateralschaden einer “BamS”-Recherche

Im März war gegen zwei “BamS”-Reporter ein Strafbefehl wegen Nötigung in Höhe von je 15 Tagessätzen à 50 Euro erlassen worden. Die “BamS”-Reporter hatten dagegen Einspruch eingelegt. (Wir berichteten.) Heute kam der Fall vors Amtsgericht Osnabrück.

  • Von BILDblog-Reporter Nicolas Schweers

Im Auftrag der “Bild am Sonntag” waren die Reporter Matthias Niehues und Jürgen Damsch am 16. November vergangenen Jahres im niedersächsischen Melle, um einen inzwischen verurteilten Pädophilen zu “interviewen”.

Die beiden waren offenbar gerade dabei, das Haus des “Sex-Täters” zu fotografieren, als dort der 40-jährige Gemeindearbeiter Marco H. mit einem städtischen Kastenwagen vorbeifuhr. “Herr H. machte Anstalten, in die Einfahrt des Hauses einzubiegen, fuhr dann jedoch unvermittelt schnell weiter”, erklärte Damsch vor Gericht. Und weil Marco H. nach Aussage der “BamS”-Reporter dem tags zuvor auf RTL gezeigten Pädophilen geähnelt habe, seien sie ihm mit dem Auto gefolgt – und fotografierten ihn im Vorbeifahren. Dass H. an einer Bushaltestelle anhielt, um dort den Abfalleimer zu entleeren, wurde von den Verfolgern jedoch offenbar fehlinterpretiert: In der Verhandlung sprachen sie von “bizarren Fahrmanövern” H.s und Versuchen, die beiden abzuschütteln, indem er “rechts blinkte und links fuhr”.

Laut H. sollen die beiden “BamS”-Reporter ihn aber später auf einer Landstraße überholt, ausgebremst und weitere Fotos von ihm geschossen haben. Die “BamS”-Reporter gaben dagegen an, H. habe angehalten, um mit ihnen zu sprechen. Schließlich, da sind sich alle einig, habe H. die Journalisten von ihrem Irrtum überzeugen können und sie für weitere Recherchen an die Pressestelle der Gemeinde verwiesen.

Anschließend hatte Marco H. (“Diese Schweinerei kann ich mir doch nicht gefallen lassen!”) nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten Anzeige erstattet – und das Amtsgericht Osnabrück einen Strafbefehl gegen Niehues und Damsch erlassen. Darin jedoch sehen die beiden, wie sie heute vor Gericht angaben, eine Kampagne der Stadt, um eine freie Berichterstattung zu unterdrücken. Nicht nur, so Niehues, sei die Polizei “nicht an einer Klärung interessiert”, auch habe man sie angewiesen, Bilder zu löschen. Und H. habe den “dreifach vorbestraften Kinderschänder” wohl ohnehin schützen wollen. Schließlich habe der Pädophile, wie sie später erfahren hätten, die Ablenkung durch H. genutzt, um seine Sachen zu packen und wegzufahren. Vorwürfe, über die im Saal nur milde gelächelt wurde.

Bei der Frage, ob die “BamS”-Reporter mit ihrem BMW die gesamte Landstraße blockierten oder nur die rechte Spur, stand letztlich Aussage gegen Aussage. Und weil der Tatbestand der Nötigung nicht zweifelfrei nachgewiesen werden konnte, entschied die Richterin nun, das Verfahren gegen den Fahrzeugführer Niehues gegen Auflage (250 Euro an eine Kinderhilfsorganisation) und gegen den Beifahrer Damsch ohne Auflagen einzustellen.

Damit bleibt das Verfahren für die Reporter zwar ohne weitere Konsequenzen, und auch die erste Strafzahlung von 15 Tagessätzen zu 50 Euro sind die beiden los. Doch den erhofften Freispruch gab es auch nach eineinhalb Stunden nicht. Das Verfahrung wurde lediglich eingestellt. “Massiver Aufwand wegen einer Lappalie”, kommentierte Niehues’ Anwalt. Und Damschs Rechtsbeistand wünschte seinem Klienten noch einen schönen Resturlaub. Schließlich sei dieser ja nur wegen des Prozesses extra aus Berlin angereist.

Halbwahrheiten über Sterbehilfe in der Schweiz

Anlässlich der Sterbehilfe, die der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch Anfang vergangener Woche einer Rentnerin leistete, berichtete “Bild” am Samstag in einer großen Titelgeschichte über “Die Wahrheit über Sterbehilfe in Deutschland”.

Im Artikel ging es jedoch auch um Sterbehilfe in der Schweiz:

Wie unsagbar grausam AKTIVE Sterbehilfe sein kann, zeigt der Fall einer unheilbar kranken Krebspatientin († 43) aus Deutschland. Die Frau war 2007 in die Schweiz gereist, um sich dort legal von der Sterbehilfe-Organisation “Dignitas” beim Sterben helfen zu lassen. Doch das Gift wirkte nicht richtig! Als die Frau im Sterbezimmer den Todes-Cocktail trank, schrie sie laut vor Schmerzen “Ich verbrenne! Ich verbrenne!” und lief violett an. Erst nach 38 Minuten Höllenqualen stellte ein Arzt den Tod fest.

Nun handelt es sich bei diesem Fall allerdings, anders als “Bild” schreibt, nicht um “AKTIVE Sterbehilfe”. Die ist auch in der Schweiz verboten. Vielmehr geht es hier um eine – in der Schweiz straflose – Form der Beihilfe zum Selbstmord. Dignitas hatte der Krebspatientin zwar offenbar den “Todes-Cocktail” besorgt, getrunken hat sie ihn aber selbst (wie sich ja auch aus der “Bild”-Schilderung ergibt).

Was allerdings den konkreten Ablauf angeht, existieren dazu zwei Versionen:

  • die von “Bild” geschilderte, die Anfang 2007 in der Schweizer “SonntagsZeitung” stand (und die “Bild” auch damals übernommen hatte)
  • und die des Dignitas-Chefs Ludwig A. Minelli: Zwar hätten zwei der vier anwesenden Zeugen den Tod der Krebspatientin so wie von “Bild” geschildert dargestellt, so Minelli zu uns. Die anderen beiden “Begleitpersonen” hätten Dignitas jedoch “mündlich und schriftlich versichert”, dass “die Schilderung der beiden haltlos” sei. Die Krebspatientin habe nicht gelitten und auch nicht “Ich verbrenne” geschrien. (Ähnlich war das auch schon Anfang 2007 beispielsweise in der “Berliner Zeitung” und bei “Spiegel Online” nachzulesen.)

Was stimmt, wissen wir ebenso wenig wie “Bild”. Nur hat sich “Bild” entschieden, eine der beiden Versionen als Tatsache zu präsentieren.

Bild.de unseriöser als “The Sun”

"Gift-Anschlag der al-Qaida? Britische Superspion im Koma"

So berichtet Bild.de seit gestern darüber, dass Alex Allan, Chefkoordinator der britischen Geheimdienste, im Koma liegt:

Sicherheits-Experten vermuten, dass er Opfer eines Gift-Anschlags von Russen oder des Terroristen-Netzwerks der al-Qaida geworden ist. (…)

Der Top-Sicherheitsexperte Chris Dobson: “Der plötzliche Zusammenbruch von Alex Allan erweckt Vermutungen, dass es einen Anschlag von ausländischen Geheimdiensten oder Terror-Gruppen gegeben haben könnte.”

Bild.de gibt zwar keine Quelle für diese Nachricht an, aber was dort steht, unterscheidet sich kaum von dem, was gestern in der britischen Boulevardzeitung “The Sun” stand. Und der “Top-Sicherheitsexperte” Dobson kommt offenbar ausschließlich in der “Sun” zu Wort.

Allerdings fehlt bei Bild.de etwas, das selbst die “Sun”, ein Blatt, das kaum für seine Seriosität bekannt ist, nicht verschweigt:

Doch führende Quellen aus Sicherheitskreisen sagen, man sei “so sicher, wie das zu diesem Zeitpunkt möglich ist”, dass Mr Allan nicht das Ziel eines Angriffs von Bin Ladens Handlangern geworden ist. Und sie behaupten, bislang sei “nichts Verdächtiges” gefunden worden.

Was Bild.de den Lesern unterschlägt, kann man noch deutlicher freilich auch in anderen Medien nachlesen. Und sogar auf deutsch.

Mit Dank an Jadawin für den sachdienlichen Hinweis.

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