Archiv für Vermischtes

Unumstritten renommiert

“BILD bleibt die mit Abstand wichtigste deutsche Tageszeitung! Keine andere Tageszeitung wurde im dritten Quartal häufiger mit Exklusivmeldungen zitiert”,

meldet “Bild” auf Seite 1 unter Berufung auf das “renommierte Bonner Medienforschungsinstitut Medien Tenor”.

Das ist erst einmal nicht weiter ungewöhnlich, weil auch andere Zeitungen gerne drucken, wie wichtig sie sind – wohl, um es selbst nicht zu vergessen.

Für den Hinweis, dass das stets renommierte Forschungsinstitut zuletzt gar nicht mehr so arg renommiert, sondern, ganz im Gegenteil, eher umstritten war, blieb in der knappen Meldung sicher einfach kein Platz mehr. Medien-Tenor-Beiratsmitglied Mathias Döpfner, nebenberuflich Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, hätte das sowieso nicht gefallen.

In eigener Sache

Wir freuen uns: Wir sind nominiert für die Weblog Awards der Deutschen Welle in der Kategorie “Best Journalistic Blog / German”! Über die Vergabe der insgesamt elf “BOBs” (“Best of Blogs”) entscheiden die Leser: Bis zum 5. Dezember kann jeder hier abstimmen; hier geht’s direkt zu uns und den anderen neun Nominierten in unserer Kategorie.

We are the champions XIV

Und täglich grüßt das Murmeltier: “Bild” ist Gewinner des Tages in “Bild”. Weil die Sportredaktion mit dem “Paralympic Media Award” für ihre Berichterstattung über die Paralympics ausgezeichnet wurde. Und was meint “Bild” dazu?

BILD meint: Die Ehre gebührt den Athleten!

Ja, genau. Deshalb steht oben neben “Gewinner des Tages” ja auch “BILD Sportredaktion” und nicht “Die Athleten der Paralympics”.

Übrigens hat “Bild” den Preis nicht alleine bekommen. Ausgezeichnet mit dem “Paralympic Media Award 2004” wurden außerdem: ARD, ZDF, Radio Aktiv Hameln, Bayer Leverkusen und die Deutsche Bahn. Deren Namen passten halt nur nicht mehr neben das fette Eigenlob.

Und falsch geschrieben (“Paralympics”) hat “Bild” den Namen des Preises auch noch.

Nichts Neues im Dschungel

Seit dem Start der zweiten Staffel von “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” ist “Bild”-Reporterin Patricia Dreyer vor Ort in Australien und berichtet aus dem RTL-Camp. Gestern hatte sie vermutlich ziemlich viel Freizeit – trotz der großen “Schummelei”-Enthüllungsgeschichte, die heute im Blatt steht.

“Warum regnet’s nie?”, fragt Dreyer darin misstrauisch – und erklärt: “Weil der Regen gar nicht ins Camp gelangt! Eine Plane ist drübergespannt, damit trotz extremer Wetterbedingungen TV-Bilder geliefert werden können.” Na gut, das ist kein Aufreger. Schon am 18. Januar 2004 während der ersten Dschungel-Staffel hatte “BamS” berichtet: “Das ganze Areal ist gegen Regen geschützt. Techniker Keith, der im TV-Team arbeitete, zu BamS: ‘In die Baumwipfel wurde eine riesige Abdeckplane eingewoben.'”

“Warum hört man keine Tiergeräusche?”, rätselt die Dschungelreporterin weiter. Na, “weil’s keine gibt! Alle größeren wilden Tiere wurden vor Beginn der Dreharbeiten aus dem Wald entfernt, um die Promis nicht zu gefährden.” Auch nicht gerade eine Neuigkeit. Vor 9 Monaten zitierte “BamS” einen RTL-Mitarbeiter: “Das Camp ist vorher gesäubert worden. Jedes Tier, auf das die Kandidaten treffen, ist von RTL dort platziert worden.”

Und der angeblich verbotene Kontakt zur Außenwelt? Dreyer deckt auf: “Von wegen Einsamkeit! Die Promis können mit einem Psychologen telefonieren, in Notfällen einen Arzt verlangen, einmal am Tag wird auch das Plumpsklo geleert.” Das mit dem Plumpsklo war bisher tatsächlich nicht bekannt. Der Rest schon. Wieder “BamS” im Januar: “Sie sind ganz auf sich gestellt – hieß es vor dem Start der Show. In Wirklichkeit stand sogar ständig ein Psychologe zur Verfügung, der im eigens dafür aufgebauten Haus (darin ist auch die Erste-Hilfe-Station) fleißig kontaktet wurde.”

Ein paar Seiten vor Dreyers Bericht druckt “Bild” übrigens diese originelle Eigenanzeige ab:

Nichts Welt bewegendes passiert


Das klingt ja schrecklich! Und was wird dann aus uns Menschen?

Unser blauer Planet – rauben ihm jetzt Ur-Kräfte des Weltalls die Balance? Droht Chaos?
Alarmsignale:
Die Erdachse kippt. (…) Noch rechnen Forscher “nur” mit einer Achs-Kippung von 0,4 Grad, in Millionen Jahren.

Und wenn’s doch schneller geht? Auf die Frage hat “Bild” sich offenbar von dem Forscher Jacques Laskar erzählen lassen:

“Das Verhalten unseres Planeten ist chaotisch, nicht berechenbar”.

So was ähnliches steht auch im ersten Absatz der dem “Bild”-Artikel zu Grunde liegenden Untersuchung, allerdings in anderem Zusammenhang. Und eigentlich rechnen Forscher damit, dass diese 0,4 Grad bereits eine ungewöhnlich rasant ablaufende “Achs-Kippung” darstellen.

Ja, aber:

Die Sonne steckt in den Flegeljahren. Seit Jahrtausenden war sie nicht so “nervös” wie heute, schreiben renommierte Wissenschaftler in der Zeitschrift “Nature”.

Das stimmt. So ähnlich stehts jedenfalls in einer Veröffentlichung in “Nature” vom 28. Oktober 2004. Dort prognostiziert ein internationales Forscherteam allerdings auch einen Rückgang der Sonnenaktivität in wenigen Jahrzehnten.

Und was ist hiermit?

Der Astrobiologe Prof. Chandra Wickramasinghe hat in 41 Kilometern Höhe Massen von bisher unbekannten Mikroorganismen entdeckt: “Das könnten Killerkeime sein!”

Die Theorie von Wickramasinghe, dass die Lungenkrankheit SARS aus dem Weltraum kam, hat “Bild” zwar vergangenes Jahr schon einmal als Sensation präsentiert, unterstützt wird sie aber nur von wenigen Wissenschaftlern. Manche halten sie für einen “Scherz” oder auch für ziemlich unwahrscheinlich.

Ansonsten wertet “Bild” noch Erdbeben, Meteoritenschwärme, derzeit aktive Vulkane und theoretisch mögliche Vulkanausbrüche als Alarmsignale. Was dann auch schon für eine riesige “Bild”-Schlagzeile auf Seite eins und eine große Geschichte auf Seite 12 reicht.

Beruhigend, eigentlich.

Vor der eigenen Haustür

Kennen Sie den Innocentiapark?

Der Innocentiapark ist die erste öffentliche Grünanlage Hamburgs gewesen und wurde im Stil eines Londoner Squares angelegt. Das ca. drei Hektar große Gelände, umgeben von vielen Bäumen und abgeschirmt von den umliegenden Straßen, galt schon damals als Erholungsort für die Anwohner. Bis heute ist der Park eine Idylle für jung und alt.

Ach? Eine “Idylle”? Das wissen “Bild”-Leser aber besser. Seit Anfang des Jahres berichtet das Blatt nach Recherchen der Zeitschrift “Message” häufig und ausführlich über die Grünfläche im exklusiven Stadtteil Harvestehude und meldet Erschütterndes über “Ohne-Leine-Hunde”, Hundekot, Tierbesitzer ohne Unrechtsbewußtsein und Polizisten, die erst mit fast einstündiger Verspätung die Verfolgung verbrecherischer Hundeleinen-Verweigerer aufnahmen. Als sei das nicht genug, zerstörte im Sommer auch noch ein Sturm Bäume im Park — “Bild” rief die Leser zu Spenden auf, um die Attraktivität der Villengegend zu erhalten.

Ist doch schön, dass “Bild” auch einmal für andere kämpft, nicht immer nur in eigener Sache.

Und damit zu einem anderen Thema: Wissen Sie, wo sich “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann und seine Frau Katja Keßler vor nicht all zu langer Zeit eine Villa gekauft haben? Die Zeitschrift “Message” weiß auch dies: In Harvestehude, ganz in der Nähe des Innocentiaparks. Der war die erste öffentliche Grünanlage Hamburgs, wurde im Stil eines Londoner Squares angelegt und ist bis heute eine Idylle für jung und alt…

Nach einem Artikel aus der Juli-Ausgabe von “Message”, der jetzt auch online zu lesen ist.

Nachtrag, 17.40 Uhr: In der aktuellen Ausgabe von “Message” hat Kai Diekmann in einem Leserbrief geantwortet: “(…) ich verlange ausdrücklich von allen Mitarbeitern, dass sie die Augen offen halten und sich, wie Message es nennt, ‘von ihrem persönlichen Umfeld inspirieren lassen’. Das ist keine Vermischung privater und journalistischer Belange, sondern Voraussetzung für eine gute, lesernahe Zeitung, die weiß, was die Menschen bewegt. Ihre Auslegung läuft hingegen darauf hinaus, dass ich selbst vor einer Kindesmisshandlung im Nachbarhaus die Augen schließen müsste — weil ich im Falle der Beendigung dieses Missstandes von der Ruhe profitieren würde. Wollen Sie das?”

Fast richtig ist auch falsch

Manchmal genügt eine scheinbar kleine Übertreibung, um aus einer gewöhnlichen Nachricht eine “Bild”-Nachricht zu machen, bzw. aus einer Meldung eine Falschmeldung.

Dass die Europäische Union den Menschen unter anderem mit drastischen Fotos auf Zigarettenschachteln das Rauchen abgewöhnen bringen will, stand am Samstag fast überall — unter Überschriften wie: “EU plant Horrorbilder für Zigarettenschachteln”. Die “Bild”-Zeitung titelte auf Seite 1: “Schock-Fotos bald auf allen Zigaretten-Schachteln”, was ähnlich klingt, aber nicht stimmt. Von “allen Zigaretten-Schachteln” kann nämlich keine Rede sein. Die Motive können von den Mitgliedsländern der EU verwendet werden; ob sie es tun, ist ihnen überlassen.

Das steht auch im Kleingedruckten auch im “Bild”-Artikel, allerdings steht dort auch:

Ekel-Bilder auf Zigarettenschachteln sollen schon bald deutsche Raucher schocken! … Die EU will sie auch in Deutschland einführen.

Tatsache ist: Belgien und Irland wollen die Bilder vorschreiben. Ob Deutschland folgt, ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums “wirklich noch offen”; die Bundesregierung prüft noch.

Die Mordkommission und der Dealer

Seit einer Woche wird der Frankfurter Millionärssohn Andreas Grimm vermisst. “Immer mehr spricht dafür, daß der 25jährige nicht aus freien Stücken untertauchte oder sich das Leben nahm, sondern verschleppt wurde”, meldete “Bild” Frankfurt gestern. “Die Mordkommission ermittelt!”

Heute titelt “Bild”:

“Gestern stellte die Mordkommission erneut seine [Grimms] Luxus-Wohnung im [Frankfurter Stadtteil] Gallus auf den Kopf, suchte nach weggewischtem Blut. Und nahm einen Kokain-Dealer aus dem direkten Umfeld des 25jährigen fest.”

Kommt jetzt Klarheit in den Fall? Was weiß der Dealer über Grimms Verschwinden? Hat er die mögliche Entführung mitgeplant?

Die Antwort auf diese Fragen lautet bisher: nein. Die Polizei hat “Bild” zufolge bloß herausgefunden, dass der Festgenommene “den BWL-Studenten mit Stoff versorgt haben soll” und zufällig in der Wohnung des Dealers einen “Berg Koks” gefunden. Deshalb die Festnahme. Und “Bild” ergänzt ganz zum Schluss:

“Mit Grimms Verschwinden hat er aber nach ersten Erkenntnissen nichts zu tun.”

Dass die “Bild”-Schlagzeile das Gegenteil suggeriert, ist sicher bloß ein blödes Versehen.

Prügelprinz

Unklar ist, was sich genau am frühen Donnerstagmorgen vor einem Londoner Nachtclub zwischen Prince Harry und einem Paparazzo abgespielt hat. Sicher ist, dass nicht das passiert ist, was “Bild” behauptet:

Prinz Harry haut Paparazzi k.o.Niemand ging “k.o.”. Ein Paparazzo (nicht mehrere Paparazzi) trug Verletzungen an der Unterlippe davon.

Es gab offenbar eine Rangelei, als Prinz Harry den Club verließ und sich einen Weg durch eine Gruppe von Fotografen bahnen musste. Ob er zuerst eine Kamera ins Gesicht bekam und dem Fotografen versehentlich dessen Apparat ins Gesicht stieß oder er den Paparazzo absichtlich attackierte, ist umstritten.

“Bild” macht daraus eine “wilde Prügelei” und einen “Prügelskandal”, spricht vom “prügelnden Prinzen” und dem “Rüpel royal”. Englischsprachige Medien beschreiben das Geschehen eher als “scuffle”, was man mit “Handgemenge” oder “Rauferei” übersetzen kann.

Aber “Rauferei” konnte “Bild” ja schlecht schreiben — bei einer Rauferei geht halt selten einer k.o.

Nachtrag 11.20 Uhr: Inzwischen hat der Italien-Beauftragte von Bild Online seinen Dienst angetreten und das Wort “Paparazzi” in “Paparazzo” geändert. Schön. Jetzt steht die falsche Aussage wenigstens in richtiger Grammatik da.

Einvernehmlich falsch

Wenn die “Bild”-Zeitung mal lustig sein will, schreibt sie “Danke Anke” über ein paar Zeilen zur letzten “Anke Late Night” heute Abend, stellt der “deprimierend langweiligen (…) A. E.” (F.J.W.) im Namen von Sat 1 ein “Zeugnis” aus und schreibt daneben:

“Schade, schade! Heute moderiert Anke Engelke zum letzten Mal ihre Late-Night-Show. Dieses Zeugnis soll die Moderatorin trösten.”

“Dieses Zeugnis” ist dann natürlich alles andere als tröstend, sondern im Zeugnisdeutsch eine ziemlich negative Bewertung für die “Comedy-Queen” (“Sie war immer bemüht…”, “…neuen Situationen im wesentlichen gewachsen…”, “Frau Engelke hat versucht…”).

Zum Schluss steht da:

Frau Engelke und Sat 1 trennen sich in gegenseitigen [sic] Einvernehmen. Für ihren weiteren beruflichen Weg wünschen wir ihr alles Gute.”

Stimmt bloß nicht. Anke Engelke und Sat 1 trennen sich natürlich nicht in gegenseitigem Einvernehmen. Sie trennen sich gar nicht.

“Anke Engelke (…) und Sat.1 arbeiten weiter eng zusammen“, lautete der zweite Satz der Sat.1-Pressemitteilung von vor zwei Wochen, als der Sender das Ende der Show bekannt gab.

Abgesehen davon stimmt auch nicht (mehr), dass “zuletzt (…) nur noch 700 000 Zuschauer eingeschaltet” hatten.

Vermutlich ist es “Bild”-Redakteuren einfach verboten, witzig gemeinte Beiträge mit unnötigen Recherchen zu versauen. Selbst, wenn das nur zwei Minuten gedauert hätte.

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