Früher gab es von jedem “Bild”-Kommentator zwei Fotos: Eines, auf dem er lacht. Und eines, auf dem er ernst guckt. Sie fanden Verwendung je nach Anlass und Tenor des Kommentars.
Entweder ist das internen Sparmaßnahmen zum Opfer gefallen. Oder man ist bei “Bild” wirklich außerordentlich glücklich darüber, dass Jassir Arafat nicht mehr lebt. Neben dem Kommentar mit der Überschrift “Tod im Bett” steht dieses Foto von Autor Claus Jacobi:
Nachtrag, 17:10: Mittlerweile wurde das Foto bei Bild.de gegen ein weniger erheitertes ausgetauscht.
Nachtrag, 21:00: In der gedruckten “Bild” guckt Jacobi angemessen staatstragend.
Es sind kleine Floskeln, mit denen Zeitungen ihren Lesern suggerieren, dass sie toll und wichtig sind und nicht einfach nur Agenturmeldungen oder Pressetexte irgendwo abschreiben; Floskeln wie “… sagte er gegenüber der XY-Zeitung …”.
Die meisten Zeitungen benutzen solche Formulierungen nur, wenn einer ihrer Mitarbeiter tatsächlich selbst mit jemandem gesprochen hat, der es lohnt, zitiert zu werden. Die “Bild”-Zeitung sieht das nicht so eng. In einem Artikel über den Fund von möglichen Kokain-Spuren auf der Toilette des “Musikantenstadel” heißt es.
RTL-Redaktionsleiter Frank Biernat zu BILD: „Wir können ausschließen, daß das weiße Pulver bei einer anderen Veranstaltung konsumiert wurde. Die Toilette wurde vor der Veranstaltung peinlich genau gereinigt“.
Es wäre schon ein sehr großer Zufall, wenn Herr Biernat es geschafft hätte, im persönlichen Gespräch mit Herrn Posselt von der “Bild”-Zeitung exakt das gleiche zu sagen, was er in einer Pressemitteilung sagte, die RTL am Donnerstagnachmittag an alle Redaktionen und jeden, der es haben wollte, verschickte, nur etwas kürzer. Nämlich:
Stellvertretender Redaktionsleiter Frank Biernat: “Rückschlüsse auf bestimmte Künstler sind nicht möglich. Wir können aber ausschließen, dass das weiße Pulver bei einer anderen Veranstaltung konsumiert worden ist. Die Proben wurden an Waschbecken und Toilettenspülungen genommen, und die wurden vor der Veranstaltung peinlich genau gereinigt.”
Na, womöglich kann man schon froh sein, dass “Bild” die an die Welt versandte Meldung nicht “exklusiv” genannt hat.
Bild.de hat zwei Programme zur Darstellung von Web-Seiten (Microsofts “Internet Explorer” und Mozillas “Firefox”) verglichen und den “Härtetest” folgendermaßen illustriert:
Dazu ist nun folgendes zu sagen. So wie butterflies bekanntlich keine Fliegen sind und anders als von Bild.de fälschlicherweise dargestellt, ist der firefox (Ailurus fulgens), dessen englischer Name sich wohl aus dem chinesischen hunho ableistet, mitnichten ein Fuchs (Vulpes), sondern eine hierzulande meist “Kleiner Panda” oder “Roter Panda” genannte Bären-Art. Wer wissen will, wie “eines der hübschesten Säugetiere überhaupt” aussieht, klicke bitte hier oder schaue sich die nebenstehende offizielle Plüsch-Version des Browser-Anbieters Mozilla an.
Aber das alles steht hier ja nur, um bloß kein Wort über das erschütternde “Browserduell” von Bild.de verlieren zu müssen…
Mit Dank an Tom für den sachdienlichen Hinweis (und allen anderen für ihre detail- und kenntnisreiche Kritik am “Browserduell”…).
Nachtrag, 0:43 Uhr:
Mittlerweile hat Bild.de die Grafik mit dem Fuchs durch diese ersetzt und die “Übersetzung” entfernt.
Nachtrag, 25.7.2005:
Mittlerweile hat Bild.de die Sache mit dem “Feuerfuchs” offenbar endgültig begriffen.
Das wird Sie jetzt vielleicht nicht gerade über alle Maßen begeistern: Ellen Kessler ist heute Abend zu Gast bei Reinhold Beckmann. Das berichtet “Bild” auf Seite vier.
Warum Sie sich das anschauen sollten?
Heute (…) verrät Ellen Kessler (…) eine heiße Affäre, die sie 50 Jahre verschwiegen hatte. Sie genoss eine heiße Nacht mit Weltstar Burt Lancaster!
OK, ganz so “heiß” war die Nacht offenbar nicht, wie sich auch in “Bild” nachlesen lässt:
“Ich habe es einfach über mich ergehen lassen. Es war nicht prickelnd. Ich war wie eine… Forelle. Ja!”
Na ja, und ganz so lange verschwiegen hatte sie diese “verschwiegene Liebessensation”, das “Sex-Geheimnis” (“Bild”) auch wieder nicht, z.B. hatte sie 1999 Bettina Böttinger davon erzählt, in der “Berliner Zeitung” stand es auch schon, und Ellen Kessler hatte 1996 (nicht etwa vor 45 Jahren, wie es in “Bild” heißt) in ihrer Autobiographie darüber berichtet, aus der “Bild” sogar zitiert:
“Burt tat, was er konnte, um mich in Fahrt zu bringen. Aber ich war wie gelähmt (…). Ich blieb dabei steif wie ein Klotz.”
Der Bund der Steuerzahler NRW hat seine Journalistenpreise verliehen. Sie gingen an Mitarbeiter von “Sport Bild”, Deutschlandfunk, WDR Fernsehen und “Lemgoer Zeitung/Lippische Rundschau”. Und jetzt dürfen Sie einmal raten, welches dieser Medien es dafür in die “Bild”-Rubrik “Gewinner des Tages” geschafft hat.
Na sowas: Am 2. August meldete “Bild” auf Seite 1: “Bewiesen! Alkohol macht schlau” – und unter Verweis auf eine britische Studie hieß es, dass regelmäßige Trinker bei Intelligenztests “deutlich besser als Abstinenzler” abgeschnitten hätten. “Die besten Resultate”, so “Bild” weiter, “erreichten diejenigen, die eine halbe Flasche Wein oder rund einen Liter Bier pro Tag trinken”. Die Meldung begann mit dem Satz: “Na denn: Prost!”
Am 8. September wiederum meldete “Bild” auf Seite 1: “1 Liter Bier täglich ist gesund” – und unter Verweis auf eine österreichische Studie hieß es: “Männer können täglich 1 Liter Bier trinken, Frauen die Hälfte.” Denn Bier, so “Bild” weiter, beuge Schlaganfälle, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Knochenschwund vor und “mache nicht dick”. Die Meldung begann mit dem Satz: “Na dann Prost!”
Zwischendurch, am 30. August, hieß es auf Seite 1 sogar: “Ein ganzes Leben ohne Alkohol kann tödlich sein!” Und jetzt das:
Da meldet “Bild” doch tatsächlich mit Datum vom 5. November 2004, “daß die tägliche Trinkmenge, bei der langfristig keine Schäden drohen, viel niedriger liegt als zumeist angenommen”! Nachdem nämlich die “Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen” (DHS) und die Barmer Ersatzkasse vorgestern eine Pressekonferenz zum “Umgang mit Alkohol” abhielten, ist Schluss mit lustig. Denn “Bild” hat nicht nur mit einem “Alkoholforscher” gesprochen (“Problematisch ist, daß sich Alkoholkranke durch Meldungen über die Schutzwirkungen bestätigt fühlen könnten.”), sondern auch einen DHS-Experten. Der sagt:
“Der Risikokonsum beginnt bei Frauen mit ca. 20 Gramm und bei Männern mit ca. 30 Gramm reinen Alkohols täglich. Ein Glas Rotwein (0,2 Liter) enthält circa 19 Gramm Alkohol, dieselbe Menge Weißwein nur 18 Gramm. Eine Flasche Bier (0,5 Liter) enthält 20 Gramm reinen Alkohol.”
“Bild” macht heute den Schriftsteller Andreas Maier in 28 schmalen Zeilen zum “Verlierer” des Tages und bezieht sich dabei auf eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom gestrigen Donnerstag um 14.02 Uhr.
Es geht darin um ein neues Literaturstipendium der Stadt Potsdam, das nicht zuletzt darin besteht, dass einem von einer Jury ausgewählten Autor eine Zeit lang “ein angemessener Wohnraum” zur Verfügung gestellt wird. Darüber, dass sich der Wohnraum indes in einem Plattenbau befinden soll, hatte sich die Jury beschwert, woraufhin dann die Wohnungsunternehmen, die den Wohnraum zur Verfügung stellen wollten, ihr Angebot zurückzogen. Stipendiat für das Jahr 2004 ist übrigens besagter Andreas Maier, der laut dpa “äußerte, dass man Stipendiaten in der Regel in einem Schloss, einer Villa an der Ostsee oder einem aufgearbeiteten Bauernhaus, nicht aber in der ‘Platte’ wohnen lasse”. Und ganz ähnlich steht’s heute auch in “Bild”:
“Doch der Autor meckerte laut dpa: Stipendiaten lasse man in der Regel in einem Schloß oder einer Villa wohnen, nicht aber in der ‘Platte’. Da zogen die Wohnungsunternehmen ihr Angebot zurück.”
Dass dpa gestern bereits um 17.45 Uhr meldete, die Wohnungsunternehmen hätten “die der Stadt gegebene Zusage erneuert”, steht (anders als Oliver Kahns “Amoklauf” gegen 22.33 Uhr) nicht in “Bild”. Erstens. Zweitens “meckerte” Maier nicht. Wie bereits vor einer Woche in den “Potsdamer Neusten Nachrichten” nachzulesen war, reagierte er vielmehr “durchaus noch sehr humorvoll” bzw. “freundlich, mit allenfalls leicht ironischer Note” (“FAZ”) oder “zurückhaltend” (FAZ.net): Dem Potsdamer Blatt (auf das sich übrigens auch dpa bezog) sagte Maier nämlich auch, das umstrittene Wohnraum-Angebot habe ihn “erstaunt”. Nachdem aber selbst ein Schloss für Stipendiaten “nicht immer das Ideale” sei, sehe er “schon die Möglichkeit, sich auf die Platte am Stadtrand einzulassen”, denn:
“Vielleicht leide ich da, vielleicht auch nicht. Aber es könnte ebenso gut auch sein, dass ich eine geräumige Altbauwohnung in der Innenstadt habe (…) und ich mich dort auch nicht wohl fühle.“
Dass das alles nicht in 28 schmale “Verlierer”-Zeilen passt, ist klar. Dass “Bild” die ganze Sache ja ohnehin bloß mit dem Hinweis “laut dpa” verbreitet hatte, auch. Nur schrieb doch “Bild”-Chef Kai Diekmann kürzlich an seine Mitarbeiter:
“Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. (…) Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!”
Bleibt also die Frage, weswegen Maier überhaupt zum “Verlierer” wurde – und der Anfang des “Verlierer”-Textes. Er lautet:
Was meint die “Bild”-Zeitung eigentlich, wenn sie “geheim” schreibt? Was versteht man unter einem “Nippel-Alarm”? Wie gefährlich ist ein “Balkon-Monster”? Wer ist “Klümchen”? Und welche “Hupen” machen kein Geräusch?
Solch elementare Fragen für den “Bild”-Zeitungsleser beantwortet jetzt das große, kontinuierlich aktualisierte BILDblog-“Bild”-Wörterbuch.
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann greift hart durch: Er will bei der Beachtung der “journalistischen Standards” des Blattes in Zukunft kein Auge mehr zudrücken. Das sagte er anlässlich der Neubesetzung mehrerer Stellen in der Chefredaktion, die er als “Zäsur” bezeichnete. Seine “grundsätzlichen Überlegungen” waren ihm “so wichtig”, dass er sie zusätzlich per E-Mail an die “Bild”-Mitarbeiter schickte. In dem Brief, den die Fachzeitschrift “werben & verkaufen” veröffentlichte, lobt er die Bedeutung des Blattes, fährt aber fort:
Wo Licht ist, ist Schatten. Wo gearbeitet wird, da werden Fehler gemacht. Das heißt nicht, daß wo mit besonders großen Buchstaben gearbeitet wird, deshalb auch besonders große Fehler gemacht würden. Aber: In großen Buchstaben sind Fehler eben besonders eindrucksvoll und tun uns besonders weh. Gerade weil wir journalistischer Schrittmacher und Marktführer sind, werden wir sehr genau und kritisch beobachtet. Und deshalb müssen wir uns selbst und unsere Performance jeden Tag kritisch überprüfen.
Jeder Fehler ist ein Fehler zuviel! Lassen Sie mich ein paar Dinge unsortiert herausgreifen:
Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. Übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, haben in BILD nichts zu suchen. Texte, die man nicht versteht, Bildunterschriften, die lieblos hingerotzt werden, machen unsere Zeitung kaputt. Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!
Was ich Ihnen hier beispielhaft sage, sind eigentlich selbstverständliche Standards. … Deshalb gilt bei der Beachtung unserer journalistischen Standards künftig: Null Toleranz! Qualität kommt von quälen. Und das erwarte ich von uns. Jeden Tag, immer wieder.
Wem die Bereitschaft fehlt, mit Lust, mit Liebe und mit Leidenschaft für BILD zu arbeiten, jeden Tag für das gesamte Blatt mitzudenken, der sollte sich prüfen, ob er bei uns wirklich richtig ist. In diese Kritik schließe ich jeden, der Führungsverantwortung trägt, vor allem und zu allererst mich, ein.
Der Antritt der neuen Mitglieder der Chefredaktion, fast vier Jahre, nachdem Diekmann “Bild”-Chefredakteur wurde, solle als ein “Neuanfang” begriffen werden, schrieb Diekmann:
Wenn alle mitmachen, werden die nächsten vier Jahre ganz sicher so erfolgreich wie die vergangenen vier Jahre.
Wir begrüßen den “Neuanfang”, weisen aber darauf hin, dass die verkaufte Auflage von “Bild” in den vergangenen vier Jahren um elf Prozent oder eine halbe Million Exemplare gesunken ist.
Neulich lobte “Bild” die 18-jährige Landtagsabgeordnete Julia Bonk für ihre “Zivilcourage”, druckte große Fotos der “sexy Sächsin” mit “Schmollmund, roter Mähne, bauchfreiem T-Shirt” und verkniff sich sogar, die PDS, für die Bonk im Landtag sitzt, als “SED-Nachfolgepartei” zu bezeichnen.
Anderthalb Wochen darauf sagte Bonk gegenüber “Focus”, sie setze sich für eine Freigabe von Drogen wie Cannabis und “härterem Stoff” (“Focus”) ein. “Bild” gefiel das gar nicht. Prompt machte das Blatt die 18-Jährige zum “Verlierer des Tages”, weil ihre Forderung “sogar die Ex-SED-Genossen erschrecken” dürfte. Da war sie wieder, die “SED”-Keule.
Am Montag fragte “Bild”: “Was geht bloß in ihrem hübschen Köpfchen vor?”, druckte Bonks “Drogenverherrlichung” noch mal ausführlich und als Schlagzeile das “Geständnis” “Ja, ich nehme Drogen!” (obwohl Bonk im Text mit den Worten “Ja, ich habe Drogen genommen” zitiert wird) und verwies bei dieser Gelegenheit online nochmal auf die Bildergalerie, äh: die Bildergalerie “So schön kann Politik sein”.
Klar! Es ist ja nicht so, dass “Bild” einen anderen Grund gehabt hätte, “Deutschlands schönste Politikerin” nicht mehr so sympathisch zu finden wie noch vor zwei Wochen. Oder?
“Ich habe nichts gegen die Berichte über meine Person. Aber ich will als Politikerin wahrgenommen werden”,
zitierte die “Badische Zeitung” Julia Bonk, die “allzu persönlichen Interviewanfragen eine Abfuhr” erteilt, am vergangenen Donnerstag, also noch vor der ganzen Aufregung. Und schreibt ganz nebenbei:
“So hätte die ‘Bild-Zeitung’ gerne auch etwas freizügigere Fotos geschossen, doch es blieb bei Worten wie ‘sexy Sächsin’ oder ‘Schmollmund’.”