Archiv für Politisches

Schock, grob geschätzt

Seit Montag schon druckt “Bild” ja “das brisanteste Buch des Jahres — exklusiv”. Laut “Bild” ist das Buch “eine Liebeserklärung und ein SOS-Ruf an die Familie”.

Und, zugegeben, die Lage ist schlimm — aber doch nicht ganz so schlimm, wie “Bild” sie heute (siehe Ausriss), ihren Vorabdruck flankierend, darstellt:

“Nur 676 000 Kinder kamen 2005 zur Welt, der niedrigste Stand seit dem 2. Weltkrieg, meldet das Bundesamt für Statistik.”

Mit dieser Zahl belegt die “Bild”-Zeitung, dass “wir Deutschen” (“eine bedrohte Spezies”) bis zum Jahr 2300 ausgestorben sein werden. Vom Statistischen Bundesamt allerdings stammt die Zahl nicht. Am 20. Januar erschien die bisher letzte Mitteilung der Behörde zu dem Thema. In dieser ist von “680 000 bis 690 000” Geburten die Rede. Andere Zahlen habe man seitdem nicht herausgegeben, sagte uns die zuständige Sachbearbeiterin. Die 676.000 seien eine Berechnung der Tageszeitung “Die Welt” , einer Schwesterzeitung von “Bild”.

Und so steht es auch in einer Meldung, die die Nachrichtenagentur AP gestern verschickte:

“Einer Schätzung der Tageszeitung ‘Die Welt’ zufolge kamen 2005 sogar nur knapp 676.000 Kinder zur Welt. Die Zeitung hatte die Geburtenzahlen der ersten neun Monate mit den Werten des letzten Quartals 2004 ergänzt.”

Aber auch die übrigen Belege der “Bild” sind weniger “Fakten” als grobe Schätzungen:

“In den nächsten 44 Jahren (bis 2050) wird die Zahl der Deutschen um 12,5 Mio. sinken — von heute knapp 82 auf knapp 70 Mio. Menschen.”

Diese Zahlen stammen tatsächlich vom Statistischen Bundesamt. Sie wurden am 6. Juni 2003 als negativste von neun möglichen Entwicklungen veröffentlicht. Allerdings mit einer deutlichen Warnung:

“Weil die Entwicklung der genannten Bestimmungsgrößen mit zunehmendem Abstand vom Basiszeitpunkt 31.12.2001 immer unsicherer wird, haben solche langfristigen Rechnungen Modellcharakter. Sie sind für den jeweiligen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten keine Prognosen, sondern setzen die oben beschriebenen Annahmen um.”

Daher sagt das Bundesamt, die Bevölkerungszahl werde im Jahr 2050 “zwischen 67 und 81 Millionen” betragen.

Mit Dank an Dominik D. und Nikolai S.

Nachtrag, 16.3.2006: Betrachtet man die Deutschen als aussterbende “Spezies”, wie es “Bild” tut, dann gibt es davon schon jetzt nicht mehr ganz so viele: Von den “rund 82,5 Millionen Einwohnern“, die das Statistische Bundesamt derzeit in Deutschland zählt, haben 75,2 Millionen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Rest sind Ausländer — womit der Satz, dass “die Zahl der Deutschen um 12,5 Mio.” sinken werde, nicht nur grob geschätzt ist, sondern wahrscheinlich auch falsch.

Mit Dank an an Philipp G., Hanno B., Micha O. und Eike F. für die Ergänzung.

Robin Hood für ganz Arme III

Eigentlich gibt es, was die Anzeige von “Bild” gegen die sogenannten “Renten-Lügner” angeht, nichts Neues. “Bild” berichtet trotzdem und teilt ihren Lesern am Rande zwei Dinge mit, die sie bislang verschwiegen hatte. Das eine in einer Bildunterzeile, das andere eher indirekt:

1. Die Anzeige von “Bild” ist gegen Unbekannt gerichtet (siehe Ausriss).

2. “Bild” hielt es – aus welchen Gründen auch immer – für sinnvoll, nicht bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Berlin Anzeige zu erstatten, sondern bei der unzuständigen Staatsanwaltschaft in Hamburg.

Fortsetzung folgt …

Rechen-Skandal

"Renten-Skandal -- Minister-Pensionen steigen elfmal stärker als die Durchschnittsrente"

Und weil das Kleingedruckte unter der großen Überschrift der gestrigen “Bild am Sonntag” so leicht übersehen werden kann, schreiben wir’s gerne noch einmal im Wortlaut:

“Minister-Pensionen steigen elfmal stärker als die Durchschnittsrente”

Denn es stimmt nicht. Und weitaus sinnvoller wäre deshalb das Wort “Rechen-Skandal”. Oder die Überschrift müsste lauten:

“Minister-Pensionen sind elfmal höher als der Rentenzuwachs eines Durchschnittsrenters”

Denn um auf ihre beeindruckenden Zahlen zu kommen, verglich die “BamS” in dem dazugehörigen Artikel mehrfach auf geradezu böswillige Weise Äpfel mit Birnen, Blaukraut mit Brautkleid oder Wacholder mit Bambus. Ein Beispiel? In Anlehnung an die Überschrift behauptet “Bild”-Autor Dirk Hoeren in der “BamS”:

“Wer also 2005 zu Ministerehren gekommen ist und 15 Jahre im Amt bleibt, hätte 2019 einen Pensionsanspruch von 54 Prozent erreicht: rund 6922 Euro und damit elfmal soviel wie ein Durchschnittsverdiener.”

Das ist falsch. Im Jahr 2019 wäre der Pensionsanspruch eines Ministers nur knapp 4,9-mal höher als die sog. “Bruttostandardrente” von monatlich 1414 Euro, die ein Durchschnittsverdiener bekäme. Und das liegt zum einen schlichtweg daran, dass der Minister (12.820 Euro/Monat) nun mal mehr verdient als der Durchschnittsverdiener (3452 Euro/Monat). Zudem ist sein Pensionsanspruch (54 Prozent) tatsächlich höher als die Rente eines Arbeiters oder Angestellten (46,3 Prozent). Allerdings nicht elf-, sondern 1,17mal.

Komplett ausgedacht hat sich die “BamS” ihr “elfmal soviel” und “elfmal stärker” allerdings nicht: Laut aktuellem Rentenversicherungsbericht, auf den sich “Bild” bezieht, soll es bis 2019 einen Anstieg der “Bruttostandardrente” um 630 Euro geben. Und diese 630 Euro passen tatsächlich ohne Probleme “elfmal” in die von der “BamS” herbeizitierte Gesamtsumme von 6922 Euro Minister-Pension — was zwar völlig korrekt, aber ungefähr so aussagekräftig ist wie der Satz, ein Wachholderbaum sei bis zu elfmal höher, als Bambus in einem Jahr wachsen kann.

Es sieht so aus, als wäre Dirk Hoeren der “RentenLügner” der “BamS”.

Robin Hood für ganz Arme II

Beginnen wir mit einem Witz. “Bild” schreibt heute:

Jetzt kämpft BILD für das Recht auf korrekte Information.

Aber im Ernst: “Bild” hat es wirklich getan, die Zeitung hat einen dicken Umschlag in einen Briefkasten werfen lassen.

Und dabei könnte man es eigentlich auch belassen.

Andererseits hat “Bild” sich doch so viel Mühe gegeben, den Anschein zu erwecken, dieses Einwerfen eines dicken Umschlags in einen Briefschlitz sei irgendwie bedeutsam: Bei dem Briefschlitz handelt es sich nämlich um den des Hamburger Landgerichts. Außerdem ist der Umschlag an die Staatsanwaltschaft Hamburg adressiert. Ja, “Bild” hat sogar einen Anwalt mit dieser simplen Tätigkeit des Brief-Einwerfens beauftragt.

Dabei könnte jeder jeden Tag zig dicke an Staatsanwaltschaften adressierte Umschläge in Briefschlitze sämtlicher Landgerichte Deutschlands werfen und es hätte auch nicht mehr zu bedeuten. (Wahlweise täte es natürlich auch ein kurzer Anruf bei der Polizei, die ohnehin zunächst die Ermittlungen führen muss.)

Doch “Bild” macht dieses Brief-Einwerfen heute zum großen Aufmacher ihrer Seite zwei:

Und wie gestern behauptet “Bild” auch heute wieder, sie würde diese ominösen “Renten-Lügner” verklagen, obwohl sie sie doch eigentlich anzeigt. Wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Und wie schon gestern, lässt “Bild” ihre Leser im Unklaren darüber, wen sie eigentlich genau anzeigt und wie da jemand eigentlich diese beiden Straftatbestände erfüllt haben soll. Im Text heißt es nur:

Zur Begründung schreibt der Jurist unter anderem: “Die permanente Aussage, daß die Rente sicher sei, ist objektiv wahrheitswidrig. Dennoch wird sie auch aktuell weiterhin von Politikern so geäußert.”

(…)

Anwalt Thomas: “Hier wurden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von der Politik betrogen und das gesamte Geld veruntreut.”

Zusätzlich hat “Bild” offenbar noch drei Juristen befragt. Einen Wirtschaftsanwalt, einen Fachanwalt für Sozialrecht, und einen Staatsrechtler. Außerdem kommt noch ein Lobbyist zu Wort. Und obwohl es doch um zwei Straftatbestände geht, hat “Bild” auf die Befragung eines Strafrechtlers verzichtet.

Kurz gesagt: Bislang gibt “Bild” keine Informationen preis, die irgendwie Aufschluss darüber geben, ob diese Anzeige mehr ist, als eine große Luftblase, die sich irgendwann in Empörung über bereits Bekanntes auflöst: nämlich, dass das Grundgesetz Politiker vor Strafverfolgung schützt – das jedenfalls schreibt heute eine große Schwesterzeitung von “Bild”.

Fortsetzung folgt …

Ungeprüft übernommen (2)

Am vergangenen Dienstag noch hatte “Bild” die Meldung exklusiv: dass sich der Ältestenrat des Bundestages mit ein paar umstrittenen Äußerungen Oskar Lafontaines befassen und die Frage erörtern wolle, ob man Lafontaine dafür rügen und eine Entschuldigung einfordern solle.

Über das Ergebnis berichtete dann am Donnerstagnachmittag allerdings nicht “Bild”, sondern die “Leipziger Volkszeitung” (LVZ) exklusiv. Dort hieß es u.a. unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung, der Ältestenrat habe Lafontaine, “aufgefordert, sich (…) öffentlich zu entschuldigen”. Und so vermeldeten es anschließend auch verschiedene Nachrichtenagenturen und diverse Medien:

“(…) zitierte die ‘Leipziger Volkszeitung’ (Freitagausgabe) Teilnehmer der Sitzung.” (Quelle: AP)

“Die ‘Leipziger Volkszeitung’ (Freitag) berichtete unter Berufung auf Teilnehmer einer Sitzung des Gremiums, (…)” (Quelle: dpa)

Doch was die LVZ da berichtete, war, so Hans Hotter, Leiter der Pressestelle des Deutschen Bundestages, “nicht zutreffend.” Wie Hotter uns heute erläuterte, sei das Thema zwar kontrovers diskutiert worden, der Ältestenrat habe jedoch “keine offizielle Rüge” ausgesprochen und “nicht beschlossen”, dass Lafontaine sich entschuldigen müsse.

Mit Dank an Jason M. für den sachdienlichen Hinweis.

Was?!

Ach so, ja… fast hätten wir’s vergessen: Selbstverständlich konnte man die LVZ-Meldung am Freitag auch in Europas größter Tageszeitung nachlesen. Schließlich hatte sie das Thema ja ursprünglich aufgebracht. Auf eine klärende Rückfrage beim Bundestag scheint man dort jedoch ebenso verzichten zu können geglaubt zu haben wie auf den Hinweis, woher die Ente Exklusivmeldung eigentlich stammte. Stattdessen standen in “Bild” unter der irreführenden Überschrift “Entschuldigung von Lafontaine gefordert” nur die irreführenden Sätze:

“Watsch’n für Oskar Lafontaine! Die Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrats des Bundestages hat den Fraktionschef der Linkspartei scharf gerügt und eine Entschuldigung gefordert.”

Und jetzt aber wirklich: Mit Dank an Jason M. für den Hinweis.

Robin Hood für ganz Arme

“Bild” hat sich was ausgedacht. Sie will angeblich die “Rentenlügner” verklagen. Und das macht sie heute zum Seite-1-Aufmacher. Der Text dazu auf Seite zwei beschäftigt sich dann ein wenig mit Norbert Blüm und mit Gerhard Schröder, um mit folgenden Worten zu schließen:

BILD wird eine renommierte Anwaltskanzlei beauftragen, gegen mögliche Versäumnisse und offenkundige Lügen verantwortlicher Rentenpolitiker juristisch vorzugehen! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Offen bleibt allerdings, wen “Bild” eigentlich genau “verklagt” (siehe Ausriss). Norbert Blüm, weil er 1986 Plakate geklebt hat? Oder Gerhard Schröder, weil er 1998 versprach den demographischen Faktor bei der Rentenversicherung abzuschaffen, das tat und dann feststellte, dass das ein Fehler war?

Auch sonst scheint “Bild” in Rechtsdingen nicht allzu firm. So scheint sie den Unterschied zwischen Zivilrecht und Strafrecht nicht so recht zu kennen. Also: Im Zivilrecht würde man tatsächlich jemanden verklagen, doch der Staatsanwalt hätte nichts damit zu tun. Im Strafrecht wiederum kommt zwar der Staatsanwalt zum Einsatz, doch man kann niemanden verklagen (sondern lediglich anzeigen). Aber Schwamm drüber.

Georg Gafrons Kommentar befasst sich mit demselben Thema, und er endet so:

BILD will es genau wissen: Kann man wirklich nichts gegen den jahrelangen, systematischen Rentenbetrug der Politik tun? Darum werden jetzt die Renten-Lügner verklagt!

Und es mag ja ganz rührend sein, wie “Bild” sich hier als “Anwalt des Volkes” inszeniert, aber wir müssen den Kampf “für Sie” (siehe Ausriss) leider bremsen. Denn wir wissen zufällig, wie der Dresdner Notar Peter Horn de la Fontaine die Fragen, die “Bild” hier scheinbar so sehr bewegen, beantwortet.

Frage eins:

Dürfen Politiker uns ungestraft belügen?
Horn de la Fontaine:
Leider ja. Sie können von ihrem Arbeitgeber – den Bürgern – weder haftbar gemacht noch entlassen werden, allenfalls abgewählt werden.

Frage zwei:

Kann ich Politiker wegen ihrer Lügen bei Polizei oder Staatsanwaltschaft anzeigen?
Horn de la Fontaine:
Nein! Es gibt keinen einzigen Paragraphen in unseren Gesetzen, der Lügen von Politikern oder falsche Wahlversprechen unter Strafe stellt. Einzige Ausnahme: Falschaussagen von Politikern vor Gericht oder einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß.

Frage drei:

Kann ich Politiker wegen Lügen bei Gericht verklagen?
Horn de la Fontaine:
Nein. Eine solche Klage würde sofort abgewiesen. Was kein Gesetz verbietet, kann kein Gericht bestrafen.

Damit wäre das dann wohl geklärt.

Na ja, eines vielleicht noch: Wir haben Horn de la Fontaine nicht selbst befragt, damit er die “Bild”-Geschichte gerade rückt. Das hatte “Bild” nämlich schon erledigt. Am 10. November 2005:

Mit Dank an Christian S. für den sachdienlichen Hinweis.

Fortsetzung folgt …

Mehr dazu hier, hier, hier und hier.

Jetzt VIII

Die “Bild”-Meldung “Historiker enthüllt: Hitler lernte von Lenin” ist sehr kurz, eigentlich eine Art Lesetipp. Dort heißt es:

"Der angesehene Historiker Prof. Dr. Richard Overy (58) vom King’s College London enthüllt jetzt: (...)"

Das ist, wie so häufig, wenn man bei “Bild” mal wieder was zu Hitler hat, insofern falsch, als Overy “jetzt” eigentlich gar nichts enthüllt hat. Sein Buch erschien im Juni 2004, auf deutsch im August 2005. Jetzt gab er nur Spiegel-Online ein Interview.

Mit Dank an Jörg Q., Gila von M. und Jörg J. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.10 Uhr: Fast sieht es so aus, als habe die Meldung vor Veröffentlichung schon etwas länger bei “Bild” herumgelegen, denn ebenfalls seit 2004 ist Richard Overy gar nicht mehr am King’s College London.

Mit Dank an Julian H. für den Nachtrag.

“Bild” verdreht Arbeitslosenzahlen

Die “Bild”-Zeitung fragt heute Bundeskanzlerin Angela Merkel, was sie in ihren ersten 100 Tagen im Amt gegen die Arbeitslosigkeit getan habe, und macht dabei eine merkwürdige Rechnung auf. Vor einem Jahr sei die Rekordzahl von 5.216.434 Menschen in Deutschland ohne Arbeit gewesen.

Heute, ein Jahr später, hat sich die Lage am Arbeitsmarkt – trotz des Regierungswechsels – immer noch nicht gebessert.

Im Februar stieg die Zahl im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen! Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr, saisonbereinigt sei die Zahl aber nur um 5000 gesunken.

Mit dem letzten Halbsatz erweckt “Bild” den Eindruck, als sei die Zahl der Arbeitslosen im vergangenen Jahr nur scheinbar deutlich gesunken. Das ist das Gegenteil dessen, was die Bundesagentur für Arbeit heute veröffentlichteund schlicht falsch.

Denn ein saisonbereinigter Vergleich bezieht sich natürlich nicht auf das Vorjahr (damals war ja die gleiche Saison wie jetzt), sondern auf den Vormonat. “Bild” hat die einzelnen Zahlen sinnentstellend miteinander in Verbindung gebracht. Korrekt zusammengestellt lauten sie so:

Im Februar stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 36 000 auf knapp 5,05 Millionen. Saisonbereinigt ist die Zahl gegenüber dem Januar aber zurückgegangen: um 5000. Laut Bundesagentur für Arbeit waren das 241 000 weniger Arbeitslose als vor einem Jahr!

Irgendwie passte “Bild” diese Tatsache heute aber nicht in den Kram.

Unabhängig — Überparteilich

Eine Woche vor der letzten Bundestagswahl hatte “Bild” die Idee, noch schnell ein paar CDU-Spitzenpolitiker zu fragen, was sie denn so von einer CDU-Kanzlerin hielten. Das Ergebnis sah damals bekanntlich so aus:

Friedrich Merz & Christian Wulff: Merkel wird eine exzellente Kanzlerin!"

Heute nun, nach 100 Tagen Merkelscher Kanzlerschaft (aber auch einen Monat vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg) hat “Bild” schnell noch mal bei einem CDU-Spitzenpolitiker nachgefragt, was er denn so von der CDU-Kanzlerin hält. Sein Fazit:

"Roland Koch: Kanzlerin verdient die Note eins"

Bombig

Wenn “Bild” Worte wie geheim oder heimlich schreibt, kann das vieles bedeuten. Aktuell bedeutet die Geheimniskrämerei, dass “Bild” etwas aus einer anderen Zeitung abgeschrieben und davor einfach die Worte streng geheim gesetzt hat. Warum? Vielleicht, weil’s schicker aussieht.

Schließlich nutzte bereits die andere Zeitung, das britische Boulevardblatt “The Sun”, einen kleinen Trick, um ihre Meldung schicker aussehen zu lassen. Sie stellte in einem Satz zwei Informationen so nebeneinander, dass sie den Eindruck erwecken, sie hätten etwas miteinander zu tun. Haben sie aber nicht. Im Original heißt es:

“AMERICA is building the mother of all bombs (…). If the Pentagon decides on military action against Iran, the bomb is designed to destroy complexes 60ft underground and half a mile long.”

Und der zweite Satz bedeutet sinngemäß: Falls das Pentagon einen Militärschlag gegen den Iran unternimmt, kann die Bombe bis zu 18 Meter tiefe und 800 Meter lange unterirdische Komplexe zerstören.

Geplant wurde die erwähnte Bombe allerdings seit 2002, entwickelt und gebaut wird sie seit 2004, die ersten Tests waren von Anfang an für 2006 vorgesehen. Um den Iran ging es dabei nie. – Aber bei “Bild” wurde daraus gestern:

“Um die Atom-Mullahs zu stoppen, läßt US-Präsident George W. Bush nach einem Bericht der britischen Zeitung ‘Sun’ mit Hochdruck die ‘Mutter aller Bomben’ bauen – Codename MOP (englische Abkürzung für: ‘massive Eindring-Waffe’).”

Und wo wir gerade dabei sind. Die von “Bild” gesetzten Anführungszeichen bei dem Ausdruck Mutter aller Bomben lassen den Eindruck entstehen, es handele sich bei der Waffe um die so genannte MOAB, was die englische Abkürzung für Massive Ordnance Air Blast Bomb ist (oder Mother Of All Bombs, wie das amerikanische Militär die GBU 43 B in einer euphemistischen Umschreibung auch nennt). Das ist eine völlig andere Waffe. Die “Sun” benutzte den Ausdruck ohne Anführungszeichen im Sinne von der Inbegriff. Und dieser kleine Fehler erklärt dann wohl auch das von Bild.de verwendete Symbolfoto. Das zeigt nämlich die MOAB. Nicht die “streng geheime” MOP. Von der hat nicht einmal “Bild” Fotos.

Mit Dank an Andreas S., Jan I., Malte B. und Sebastian W. für die Inspiration.

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