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In 30 Monaten* ist Bundestagswahl!

Es war zwar ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der mal gesagt haben soll, zum Regieren brauche man “nur BILD, BamS und Glotze” (auch wenn sich daran sogar er selbst nicht so richtig erinnern mag), aber für Schröders Nachfolgerin Angela Merkel lebt es sich zumindest mit “Bild” auch ganz gut.

Mal spendet sie für die “Bild”-Aktion “Ein Herz für Kinder” (“Bild” vom 7.2.2007), mal busselt sie “Bild”-Autor Franz Beckenbauer (4.11.2006) oder gibt “Bild” ein Interview (22.11.2006 und 23.3.2007). Und im Gegenzug wird “Bild” nicht müde, zu erklären, “wie die Kanzlerin in Europa Strippen zieht” (8.3.2007) oder gar zu fragen: “Stiftet Angela Merkel Frieden für das Heilige Land?” (3.2.2007) Wenn die Arbeitslosenzahlen sinken, “muss BILD der Kanzlerin ein dickes Lob aussprechen”: “Frau Merkel, darauf können Sie stolz sein!” (1.3.2007). Wenn sie den Papst trifft, ist das ein “Wunder” (29.8.2006, wir berichteten). Und wenn bei Merkels eine Gans auf dem Speiseplan steht, bangt “Bild” nicht — wie damals bei Schröders “Doretta” — um ein “glückliches Gänseleben” (16.12.2000), sondern schreibt erschüttert: “Angela Merkel beim Gänse braten verletzt!” (23.2.2007).

Und wer erinnerte sich nicht, wie “Bild” kurz vor der letzten Bundestagswahl titelte: “Merkel wird eine exzellente Kanzlerin!”

Was allerdings “Bild” veranlasst haben mag, heute fast halbseitig die “SUPERMACHT MERKEL” auszurufen (“MÄCHTIG, MÄCHTIGER, MERKEL!” — “Kein Politiker der Welt ist zurzeit so mächtig wie die deutsche Kanzlerin”), ist ein Rätsel.

Nicht nur, dass “Bild” so manchen Superlativ (“mächtigste Frau Europas!” — “die mächtigste Frau seit Zarin Katharina der Großen” — “Noch nie hatte eine Frau so viel politische Macht [in Deutschland] wie Angela Merkel.”) schlichtweg aus dem biologischen Geschlecht Merkels in einer androkratisch geprägten Gesellschaft ableitet. Der vorrangigste Beleg für die “Supermacht” der ebenso beliebten wie sympathischen Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Merkel ist für “Bild”-Chefkorrespondent Einar Koch ein ganz anderer:

Die mächtigsten Männer der Welt treten demnächst allesamt ab: US-Präsident George W. Bush (60)”, der britische Premier Tony Blair (53), Frankreichs Präsident Jacques Chirac (74) und der russische Präsident Wladimir Putin (54)”

Aha! Abtreten werden Merkels Kollegen, wie sogar “Bild” ausführt, voraussichtlich frühestens “in 10 Tagen!” (Chirac) und spätestens “in 20 Monaten!” (Bush). Dass zumindest momentane Merkels “Supermacht” bereits in zwei Monaten endet, wenn die derzeit von Deutschland übernommene EU-Ratspräsidentschaft “turnusmäßig” an Portugal weitergegeben wird, hat “Bild” in ihrem Überschwang (“Die Kanzlerin auf dem Weg zur ungekrönten Kaiserin”) wohl übersehen. Und wieso überhaupt ein Abdanken Bushs in 20 Monaten oder Putins in 10 ausgerechnet Merkel “zurzeit” so mächtig macht, weiß außer Einar Koch wohl ohnehin kein Mensch.

Mit Dank an Thomas W. und Björn B. für die Inspiration.

*) Angabe geschätzt

Wie doof

“In BILD” (siehe Ausriss) klagt heute ein Elektro-Obermeister aus Pinneberg darüber, “wie doof (…) unsere Schulabgänger” seien — und “Bild” nimmt seine Klage zum Anlass, “die schlimmsten Wissenslücken” zu zeigen und, nun ja, zu schließen.

Zur Frage “Welche Parteien* sitzen im Bundestag?” schreibt “Bild”:

"Richtige Antwort: CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Linkspartei"

BILDblog-Leser Magnus G. stellt daher die berechtigte Frage, ob Ilse Aigner, Dorothee Bär, Renate Blank, Alexander Dobrindt, Maria Eichhorn, Georg Fahrenschon, Herbert Frankenhauser, Hans-Peter Friedrich, Peter Gauweiler, Norbert Geis, Michael Glos, Josef Göppel, Wolfgang Götzer, Karl-Theodor zu Guttenberg, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Bartholomäus Kalb, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Maximilian Lehmer, Paul Lehrieder, Eduard Lintner, Stephan Mayer, Hans Michelbach, Marlene Mortler, Gerd Müller, Stefan Müller, Georg Nüßlein, Franz Obermeier, Eduard Oswald, Daniela Raab, Hans Raidel, Peter Ramsauer, Kurt J. Rossmanith, Christian Ruck, Albert Rupprecht, Andreas Scheuer, Christian Schmidt, Horst Seehofer, Thomas Silberhorn, Johannes Singhammer, Max Straubinger, Hans-Peter Uhl, Dagmar Wöhrl und Wolfgang Zöller nur Stehplätze erhalten haben.

Mit Dank auch an Heinz-Günter K. und Kyno für den Hinweis.

*) Nachtrag (der Vollständigkeit halber), 17.20 Uhr: Gemeint sind vermutlich ohnehin nicht “Parteien”, wie “Bild” schreibt, sondern “Fraktionen”.

“Bild” verleugnet den Rechtsstaat

Anders, als es die Aufmachung vermuten lässt, berichtet “Bild” heute in einem großen Artikel (Ausriss rechts) vergleichsweise sachlich in Frage und Antwort über die Hintergründe der Hafterleichterung für den ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar. Umso perfider ist es, dass sie ihre Leser darin an einer entscheidenden Stelle desinformiert und die Rechtslage nicht so darstellt, wie sie ist, sondern so, wie “Bild” sie gerne hätte:

Warum muss Klar überhaupt freigelassen werden – trotz “lebenslänglicher” Strafe?

Das deutsche Recht will auch lebenslänglichen Häftlingen die Chance auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft geben — wenn sie für andere keine Gefahr mehr darstellen und sich von ihren Taten glaubwürdig distanziert haben.

Man kann es nicht deutlich genug sagen: Das ist grundfalsch. Ob und wie glaubwürdig sich ein Täter von seinen Taten distanziert hat, ob er Reue zeigt und ob er ein Geständnis abgelegt hat, ist für die Entscheidung, ob er nach Verbüßung der Mindesthaftzeit auf Bewährung freigelassen wird, exakt so entscheidend wie seine Haarfarbe, seine Lieblingsspeise und der Mädchenname seiner Mutter.

Um es für die “Bild”-Redaktion auszusprechen, das bedeutet: gar nicht.

Entscheidend ist allein, ob er noch eine Gefahr darstellt. In den Worten von Strafanwalt Udo Vetter:

Das Gericht muss die Bewährung bewilligen, “wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann”.

Grundlage dafür ist §57a des Strafgesetzbuches. Er ist die Konsequenz aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1977, das sich auf nichts weniger als die Menschenwürde und das Rechtsstaatsprinzip beruft:

“Zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs gehört, daß dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden. Die Möglichkeit der Begnadigung allein ist nicht ausreichend; vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip, die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren gesetzlich zu regeln.”

Dass die “Bild”-Zeitung es schwer erträglich findet, in so einem Rechtsstaat zu leben, ist bekannt. Dass die “Bild”-Zeitung sich nicht einmal mehr traut, ihre Leser wahrheitsgemäß über die Grundlagen dieses Rechtsstaates zu informieren, ist erschütternd.

Danke an Daniel W.!

Hitlers Putschfimmel

Das Wort Hitlerputsch (bzw. Hitler-Putsch) ist nicht neu — und nicht von “Bild” erfunden. Das Deutsche Historische Museum kennt es, das angesehene Online-Projekt Shoa.de auch, ebenso die Bayerische Staatsbibliothek in Zusammenarbeit mit der Konferenz der Landeshistoriker an den bayerischen Universitäten und der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, die Willy-Brandt-Stiftung, das Städtische Louise-Schroeder-Gymnasium in München, das NS-Dokumentationszentrum München, die Bundeszentrale für Politische Bildung und diverse Buch-Autoren. Sie alle meinen damit, was auch mein “Meyers großes Taschenlexikon in 24 Bänden” in Band 9 (Grif — Hofg) wie folgt zusammenfasst:

Hitlerputsch, Versuch Hitlers und Ludendorffs, am 8./9. Nov. 1923 in Bayern die Macht an sich zu reißen (…).

Ähnlich kann man’s nicht nur in der Wikifehlia Wikipedia nachlesen, sondern auch wiederholt in “Bild” — zuletzt etwa am 4. Mai 2005.

Umso überraschender, dass “Bild” heute mit einer Überschrift aufwartet, die nicht nur Historiker mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen dürften:

Zur Erklärung: Hitlers Putschversuch wurde nicht etwa “schon” 20 Jahre nach seiner Vereitelung geplant. Vielmehr meint “Bild” heute mit dem “Hitler-Putsch” den u.a. durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg versuchten Staatsstreich vom 20. Juli 1944 gegen Hitler.

Mit Dank an Uli Z., Torben W., Patrik G., Manuel B. und Kai-Oliver K.

Nichtschwimmer

"Steuer-Irrsinn: So schwimmt der Staat im Geld!"Es ist schon etwas unlogisch, dass “Bild” zur heutigen Titelgeschichte auf Seite 2 die Überschrift gewählt hat “So schwimmt der Staat im Geld” (siehe Ausriss). Andererseits stellt “Bild” im Text nämlich fest, dass Bund, Länder und Gemeinden “auf Schulden von insgesamt 1500 Mrd. Euro” sitzen und dass die Bundesregierung “für ihren Teil allein” im Jahr 2006 “38 Mrd. Euro Zinsen zahlen” musste, “Tendenz steigend”. Aber Schwamm drüber.

Kümmern wir uns um die Spalte, die überschrieben ist: “Diese Länder machen es uns vor”. Dort heißt es einleitend:

Nur Nachbarland Belgien (55,4 %) verlangt mehr Steuern und Abgaben von seinen Bürgern als Deutschland (52,5 %).

Das ist so nicht ganz korrekt. Zwar stimmen die Zahlen, die “Bild” von der OECD hat (und die natürlich nur OECD-Staaten berücksichtigen), aber sie gelten nicht etwa für den Durchschnittsbürger, sondern nur für kinderlose Singles mit dem Einkommen eines durchschnittlichen Arbeiters.* Und davon abgesehen liegt die Staatsverschuldung Großbritanniens, anders als “Bild” schreibt, natürlich nicht bei 46 Milliarden Euro. Das wäre wirklich beeindruckend. Tatsächlich hat Großbritannien aber Schulden in Höhe von rund 572 Milliarden Pfund (ca. 840 Milliarden Euro).

*) Vergleicht man zum Beispiel verheiratete Paare mit zwei Kindern und nur einem Einkommen, so verlangen laut OECD (pdf) neben Belgien (40,1 %) noch Österreich (36,9 %), die Niederlande (37 %), Finnland (38 %), Ungarn (39,8 %), Griechenland (41,5 %), Schweden (41,8 %), Frankreich (42 %), Polen (42,2 %) und die Türkei (42,8 %) “mehr Steuern und Abgaben” von ihren “Bürgern” als Deutschland (36,2 %).

Mit Dank an Udo G. und Markus K. für den sachdienlichen Hinweis.

Böser Politiker mit acht Buchstaben

Irrer vom Iran,

weil die mehrfache Erwähnung Ihres Namens, Präsident Mahmud Ahmadinedschad, mich zeilenmäßig den halben Brief kostet, darf ich Sie im folgenden kurz Irrer nennen. Ihr militanter Haß auf Israel hat alle Symptome eines Geisteskranken. Größenwahn und Paranoia.

Franz Josef Wagner am 15. Dezember 2005 in “Bild”

Seit ungefähr einem Jahr nennt “Bild” den iranischen Präsidenten nicht mehr nur mit großer Berechenbarkeit den “Irren von Teheran”, sondern auch mit ähnlicher Konsequenz einen “Diktator” oder den “irren Diktator”.

Als “Diktator” werden heute landläufig politische Herrscher bezeichnet, die mit unbeschränkter, absoluter Macht regieren. Das trifft auf Ahmadinedschad nicht zu. Der Iran ist zwar ein autoritärer Staat, hat aber republikanische und demokratische Elemente. Ahmadinedschad wurde 2005 vom Volk aus sieben zugelassenen Kandidaten gewählt. Seine Amtszeit dauert vier Jahre, er kann nur einmal wiedergewählt werden. Der Präsident ist nur der zweithöchste Vertreter seines Landes. Der ungleich mächtigere Oberste Rechtsgelehrte Ajatollah Chamenei ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trifft wichtige außenpolitische Entscheidungen und hat überhaupt das letzte Wort. Aus seinem Umfeld ist in der letzten Zeit auch deutliche Kritik an Ahmadinedschad geäußert worden.

Natürlich kann man es sich, wie “Bild”, so einfach machen, die Staats- und Regierungschefs dieser Welt in Gut und Böse, gefährlich und ungefährlich teilen und die Bösen “Diktatoren” und die Gefährlichen “Irre” nennen. Man muss dafür allerdings die eigentliche Bedeutung des Wortes “Diktator” aufgeben.

Rechtsweg ausgeschlossen

Der Rechtsanwalt der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt, Hellmuth Jipp, hat die “Bild”-Zeitung in einer Abmahnung aufgefordert, Mohnhaupt nicht mehr “schlimmste Terroristin” oder “Mörderin” zu nennen. “Bild” nimmt das heute zum Anlass, Mohnhaupt in einem großen Seite-2-Text mehrfach “Mörderin” und “Terroristin” zu nennen:

"Jetzt schickt sie ihren Anwalt los: Terroristin Mohnhaupt will nicht mehr

Und nachdem “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner bereits am Montag “unfassbar” fand, dass “in unserem Land eine Mörderin die Chance hat, glücklich zu werden” (was er in seiner heutigen Kolumne bekräftigt), empört “Bild” sich heute darüber, dass sich “nicht nur Mohnhaupt”, sondern auch andere ehemalige RAF-Mitglieder auf “ihr Recht auf ‘Resozialisierung'” berufen, das (wir erinnern uns) vor rund 34 Jahren vom Bundesverfassungsgericht zum grundrechtlichen Anspruch erklärt wurde.

Und “Bild” findet noch etwas anderes “unfassbar”.

Es ist unfassbar! Sie bombte und mordete, um den deutschen Rechtsstaat, das “Schweinesystem BRD”, zu vernichten! Dafür bekam sie lebenslänglich. Der Rechtsstaat ließ sie nach 24 Jahren auf Bewährung frei — um ihr eine zweite Chance zu geben. Und nun will RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt (gerade vier Tage auf freiem Fuß) denselben Rechtsstaat benutzen, um nicht mehr “Terroristin” genannt zu werden! Auch nicht “Mörderin”!

Darüber, ob der “Rechtsstaat” (also zunächst das Hamburger Landgericht) ihr da Recht geben sollte, darf und kann man streiten.

Nicht streiten darf und kann man hingegen darüber, dass jeder Mensch — und das schließt Mörder und Terroristen ein — “in unserem Land” selbstverständlich das verfassungsmäßige Recht hat, den Rechtsweg zu beschreiten. Das weiß doch jedes Kind. “Bild” aber ist offenbar der Meinung, dass das für ehemalige RAF-Terroristen nicht gelten soll. Indem sie nämlich Mohnhaupt vorwirft, “denselben Rechtsstaat benutzen” zu wollen, der sie entlassen habe, “um ihr eine neue Chance zu geben”, spricht “Bild” ihr dieses Recht ab.

F. J. Wagner findet Verfassung “unfassbar”

“Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner schreibt heute wieder einmal an die ehemalige Terroristin Brigitte Mohnhaupt.

Der letzte Satz seines bösartigen Textes lautet:

Es ist unfassbar, dass eine Mörderin in unserem Land die Chance hat, glücklich zu werden.

Was Wagner so “unfassbar” findet, ist der Resozialisierungsgedanke, der im Jahr 1977 als “Vollzugsziel” explizit im Strafvollzugsgesetz festgeschrieben wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn aus Artikel 2 Absatz I des Grundgesetzes (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) in Verbindung mit Artikel 1 Absatz I Grundgesetz (Menschenwürde) entwickelt. Er ist seit nunmehr rund 34 Jahren ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Und wir dachten, Wagner hätte sich, wie alle Springer-Mitarbeiter, per Arbeitsvertrag zu den Unternehmensgrundsätzen und damit zum “freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland” bekannt.

Ex-Terroristen gehen gegen “Bild” und “BamS” vor

Laut “Spiegel Online” hat die Ex-Terroristin Eva Haule den Springer-Zeitungen “Bild” und “B.Z.” per einstweiliger Verfügung untersagen lassen, Fotos zu veröffentlichen, “die – heimlich geschossen – sie als Freigängerin zeigen”. Außerdem sei es den Zeitungen untersagt, Einzelheiten über Haules Ausbildung zu verbreiten.*

Und auch der “Bild am Sonntag”, die (wir berichteten) Fotos der Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt aus dem “Trostberger Tagblatt” “geklaut” und u.a. auf der Titelseite veröffentlicht hatte, wurde nun per einstweiliger Verfügung verboten, diese Fotos zu zeigen.

*) “Bild” hatte Haules Gesicht verpixelt. Laut “Spiegel Online” prüft man bei Springer, ob man gegen die einstweilige Verfügung vorgehen will.

Wie “Bild” Wahlkampf in der Provinz macht

Sie ist schon ungewöhnlich, die Geschichte des Bürgermeisters von Selm, der bis 2009 gewählt ist, jetzt aber Bürgermeister von Greven werden will. Und natürlich darf man Jörg Hußmann (CDU) für diesen Schritt kritisieren und über seine Beweggründe spekulieren. Schon als Hußmann im vergangenen Oktober seine Kandidatur bekannt gab, sorgte das für Diskussionen. Die “Bild”-Zeitung schaffte es aber auch gestern noch, einen echten Aufreger daraus zu machen:

Jörg Hußmann ist bis 2009 als Bürgermeister gewählt. Aber jetzt will er ins Münsterland wechseln. BILD sagte er: "Selm ist mir zu langweilig"

Dass Hußmann nicht nur familliäre Gründe für den gewünschten Wechsel angibt (seine Frau arbeitet in der Nähe von Greven, seine Tochter geht dort zur Schule), sondern auch die größere berufliche Herausforderung, die Greven u.a. als aufstrebender Flughafen-Standort darstelle, ist bekannt. Die Durchschlagskraft entwickelt der ganzseitige “Bild”-Artikel allein durch die wörtlichen Zitate Hußmanns. Laut “Bild” hat er sich gegenüber der Zeitung unter anderem so über Selm geäußert:

“Hier reizt mich nichts mehr, es ist mir zu langweilig und wirtschaftlich uninteressant.”

Nur sagt Hußmann, er habe diesen Satz nie gesagt. Seine Wahlkampfleiterin erklärte gegenüber BILDblog, die Zitate seien “keine wörtliche Wiedergabe dessen, was Herr Hußmann dem ‘Bild’-Redakteur am Telefon gesagt hat”.

Wer hat Recht? Der Wahlkämpfer? Oder “Bild”-Autor Sven Kuschel und seine Kollegen? Zum Glück hat die Axel-Springer-AG, in der “Bild” erscheint, für solche Fälle einen praktischen Passus in ihren “journalistischen Leitlinien”:

Die Journalisten bei Axel Springer …
… tragen grundsätzlich, auch im Falle besonderen Termindrucks, dafür Sorge, dass Interviews vom Gesprächspartner mündlich oder schriftlich autorisiert werden.

Blöd nur, dass Hußmann sagt, die Zitate seien nicht autorisiert.

Und wenn “Bild” unter ein Foto des Kandidaten mit seiner stattlichen Bürgermeisterkette schreibt: “So lässt sich Jörg Hußmann gern fotografieren” und nicht nur Hußmann, sondern auch andere sagen, er habe diese Kette ungern und fast nie getragen, darf man der Zeitung — zwei Wochen vor der entscheidenden Stichwahl — schon eine gewisse böse Absicht unterstellen.

Vielen Dank an Oliver S.!

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