“Bild” hat sich in dieser Woche ein leichtes Opfer gesucht: mal wieder die Hartz-IV-Empfänger. Wer “Bild” liest, muss den Eindruck gewinnen, dass es Arbeitslosen prima geht. Dass viele den ganzen Tag faulenzen und schlicht keine Lust haben, zu arbeiten. Und, wie das bei “Bild” so ist, wenn sie eine Kampagne fährt, fallen dabei meist notwendige Differenzierungen oder beispielsweise Hinweise auf Sanktionen für arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger unter den Tisch.

“Bild” berichtet hier immerhin über ein Problem, das wirklich existiert: Manche Menschen haben trotz Vollzeitbeschäftigung einen Nettoverdienst, der nur wenig über oder sogar unter dem liegt, was sie als Hartz-IV-Leistungen beanspruchen könnten. Deshalb, so konstatiert “Bild”, fehle der “Anreiz für Arbeit”.

Was die “FAZ” immerhin noch kurz erwähnt (“Wenn es trotz Arbeit nicht reicht”), fehlt in “Bild” indes gänzlich: Wer netto (abzüglich Freibetrag) weniger verdient, als er mit Hartz IV bekäme, der kann zum sogenannten “Aufstocker” werden und zusätzlich ALG II bekommen. Das gibt’s allerdings nicht automatisch, man muss es beantragen.
Nach dem “Bild”-Bericht sah sich der BdSt veranlasst, selbst noch einmal mit aktuellen Zahlen nachzurechnen und dabei vor allem auch die Aufstockungsmöglichkeiten zu berücksichtigen [pdf].
Das wirkt dann zwar etwas kleinteilig, aber um zu verstehen, wie “Bild” sich ihre Schlagzeilen zurechtschustert, muss man ins Detail gehen: Beim dritten “Bild”-Beispiel (verheiratet, zwei Kinder, Bruttogehalt: 1.621 Euro)* heißt das nämlich: Inklusive Aufstockung käme die Familie auf rund 1.900 Euro – also nicht auf einen Euro mehr als (ohne Job) mit Hartz IV, sondern auf über 300 Euro mehr. Ähnlich dürfte die Rechnung beim verheirateten Gebäudetechniker mit einem Kind aussehen, den “Bild” zum Aufhänger gemacht hat (siehe Ausriss):
*) In allen anderen Beispielen liegt das Nettoeinkommen zum Teil beträchtlich über den Hartz-IV-Leistungen, wobei im zweiten Beispiel das Kindergeld zwar grafisch ausgewiesen, aber in der Rechnung nicht berücksichtigt wurde. Die tatsächliche Differenz zwischen Nettoeinkommen und Hartz IV beträgt also nicht 183 Euro, wie von “Bild” angegeben, sondern 343 Euro. Der Fehler findet sich auch in der “FAZ”.
Statt “Wer arbeitet, ist der Dumme” wäre eine treffende Überschrift also: “Wer arbeitet und keine Aufstockung beantragt, ist der Dumme (und wird durch ‘Bild’ leider auch nicht schlauer)”.
P.S.: Nachdem Hugo Müller-Vogg in seinem gestrigen Kommentar noch zu der Erkenntnis kam, dass es sich durchaus lohnen könne zu arbeiten (auf Bild.de seltsamerweise ohne die Gründe: “die Chance, eines Tages mehr zu verdienen” und “das Gefühl, gebraucht zu werden” veröffentlicht), ist sich Nikolaus Fest in seinem heutigen Kommentar erstaunlich sicher: “Wer arbeitet, ist ein Idiot”.
Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.
Nachtrag, 13.2.2008: Was den in “Bild” genannten Grundanspruch von 673,30 Euro angeht, haben wir übersehen, dass die Schwangerschaft der Frau die Berechnung beeinflusst. Schwangere Hartz-IV-Empfängerinnen haben ab der 12. Woche Anspruch auf einen Mehrbedarf von rund 50 Euro. Die Gesamtsumme von 1.501,30 Euro macht das zwar nicht weniger fraglich, die 673,30 Euro dürften aber ungefähr hinkommen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Warum auch nicht? Mit Blick auf das Ergebnis jedoch (siehe rechts), war das wohl keine leichte Aufgabe für “Bild”.
Okay, mal abgesehen davon, dass der TV-Moderator Reinhold Beckmann am Samstag in “Bild” “das deutsche Schulsystem” 

Gestern fragte sie:


