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“Bild” als Kirchenzeitung

Das, liebe “Bild”-Zeitung, ist der Martin Luther:

Der Martin Luther hat vor ein paar hundert Jahren dafür gesorgt, dass es nicht mehr nur ganz viele Katholiken gibt (also die mit dem Zölibat und dem Papst usw., kennt man ja), sondern auch Evangelen (mit weniger Schnickschnack).

Und das, liebe “Bild”-Zeitung, seid Ihr:

"Wir sind Papst!"

Und am letzten Freitag nun habt Ihr in Eurer Magdeburger Regionalausgabe einen schönen Artikel gehabt. “Hat Magdeburg bald keinen Bischof mehr?” habt Ihr drübergeschrieben. Und: “Bischof Dr. Gerhard Feige (54) soll weg!” Weil doch, ähm, eine Studie zur weiteren Zusammenlegung der Kirchenprovinz Sachsen mit der Landeskirche Thüringens die Stadt Erfurt als Sitz eines künftig gemeinsamen Bischofs empfiehlt — na, irgendwie so.

Und da habt Ihr bestimmt gedacht: Gottchen, der “Feige (54)”, der ist doch hier Bischof in unserm schönen Magdeburg, und jetzt soll er weg!

Soll er aber gar nicht. Denn Dr. Gerhard Feige, Sohn eines Schuhmachermeisters aus Halle und Diäzösanbischof Diözäsanbischof Diözesanbischof von Magdeburg, ist — wie Euer Chefredakteurkatholisch! In der Studie aber, über die Ihr berichtetet, liebe “Bild”-Zeitung, ging’s gar nicht um Eure katholische Kirche, sondern um die andere, die evangelische. Die hat zwar kein Zölibat und keinen Papst, aber Bischöfe hat die auch — sogar einen in Magdeburg. Noack heißt der, Axel Noack, Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, und sieht auch ganz anders aus. Vor allem aber würde sich der Noack höchstwahrscheinlich nie mit so einem komischen Bischofsstab (auch Krummstab, Abtstab, Baculus pastoralis, Hirtenstab, Pastoralstab, Pedum oder Virga genannt) fotografieren lassen, wie sein katholischer Kollege Feige. Und trotzdem habt Ihr Eure “soll weg!”-Meldung auch noch mit so einem Feige-Foto illustriert.

Jedenfalls meldet das heute die evangelische Nachrichtenagentur epd und meint, es sei Euch da “ein schwerer Fehler unterlaufen”. Nun ja… — aber ein Fehler ist’s schon.

Mit Dank an Friederike U., Christinan B., Astrid G., Tobias K. und j1103 für den Hinweis.

Nachtrag, 17.20 Uhr: Nachdem wir uns jetzt auch den “Bild”-Artikel selbst anschauen konnten, müssen wir uns korrigieren: Da ist “Bild” in der Tat ein schwerer Fehler unterlaufen…

Mit Dank an Karsten W. für den Scan.

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Presserat beklagt Vorverurteilung durch “Bild”

Den Mann, der die Schauspielerin Julia Palmer-Stoll überfuhr, als sie anscheinend einen Igel retten wollte, nennt “Bild” einen “Raser”. Und einen “Todesraser”. Und das, obwohl ein Gutachten im Auftrag der Staatsanwaltschaft zum Ergebnis kam, dass er sich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gehalten habe.

Der Presserat, bei dem wir uns über die “Bild”-Berichterstattung beschwert haben, sieht in den Formulierungen eine unzulässige Vorverurteilung des Mannes durch “Bild”:

Diese Wortwahl suggeriert, der Unglücksfahrer sei mit einer Geschwindigkeit gefahren, die das an dieser Stelle zulässige oder das nach den sonstigen Umständen gebotene Maß extrem überschritten und im Ergebnis zum Tod eines Menschen geführt habe. Für eine solche Bewertung des Fahrverhaltens gab es zum Zeitpunkt der Berichterstattung aus Sicht des Ausschusses keine hinreichenden Tatsachen.

Die Chefredaktion von “Bild” sah das anders. Sie argumentierte laut Presserat:

Der Begriff “Raser” sei eine Wertung und zudem ein relativer Begriff: “Auch mit Tempo 30 kann jemand ein Raser sein, wenn er nicht in der Lage ist, rechtzeitig vor einem erkennbaren Hindernis zu halten.” Das staatsanwaltliche Gutachten komme keineswegs zu dem Schluss, der Fahrer sei nicht zu schnell gefahren. Es sage nur, der Fahrer sei 50 km/h gefahren und hätte bei der Verkehrslage langsamer fahren müssen.

Die “Bild”-Chefredaktion hat unrecht. Das Gutachten kommt nicht zu dem Schluss, dass der Fahrer hätte langsamer fahren müssen, sondern, im Gegenteil: Dass er langsam genug fuhr, so “dass er durch eine Abbremsung den Unfall hätte vermeiden können”.

Der Pressesrat erteilte “Bild” wegen Verstoßes gegen Ziffer 13 des Pressekodex in Verbindung mit Richtlinie 13.1 einen “Hinweis”. Es ist die schwächste Sanktionsform, die dem Gremium zur Verfügung steht.

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“Bild” beschäftigt Volksverhetzer II

Von dem Thema “Reinkarnation” ist “Bild” nicht erst seit dieser Woche fasziniert — und der Volksverhetzer Trutz Hardo ist für die Zeitung schon mehrmals der “Experte” ihrer Wahl gewesen.

Diese Woche entwickelte er “exklusiv für BILD” einen Wiedergeburtstest; 2001 bat ihn “Bild” um einen Rat für die um ihre Tochter trauernde Fernsehmoderatorin Petra Schürmann (“Alexandras Seele ist durch den Schock des Unfalls noch erdgebunden und nicht im Jenseits”).

Doch die Partnerschaft zwischen “Bild” und dem Volksverhetzer währt schon länger. Am 7. Oktober 1999 warb “Bild” in einem Artikel für die Praktiken von Trutz Hardo:

BILD-Reporterin Verena Schulemann lässt sich in die Vergangenheit gucken
Vor 90 Jahren war ich ein Mann

(…) Der ehemalige Gymnasial-Lehrer, Taxifahrer, Matrose, Kellner und heute Autor und selbsternannter Reinkarnations-Experte führt für 250 Mark jeden in ein früheres Leben zurück.

(…) Trutz führt mich in Gedanken über eine grüne Wiese, hinauf in die Wolken. Dort treffe ich mein “höheres Selbst”. Es öffnet mir ein Tor zu meinem vorigen Leben…

(…) Trutz ist überzeugt: “Wir haben alle schon tausendmal gelebt. Mit meiner Rückführung kann ich es endlich jedem beweisen.”

Wieso werden wir wiedergeboren? “Um vollkommene Liebe und Güte zu lernen. Erst dann werden wir erlöst.”

Seminare bei Trutz Hardo sind unter 787 xx xx zu buchen.

Dieser Artikel erschien, wie gesagt, im Oktober 1999. Da war es gerade erst gut ein Jahr her, dass das Amtsgericht Neuwied Hardo wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Ansehens Verstorbener zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. In der Begründung hieß es: “Er hat den Nationalsozialismus in einer Weise verharmlost, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.”

Über Hardo und das Urteil hatten zahlreiche deutsche Medien berichtet. Der “Spiegel” zitierte Hardo am 28. Dezember 1998 mit den Worten, der Holocaust sei das “Bestmögliche” gewesen, was den Juden habe zustoßen können.

Vor Gericht hatte Hardo laut “taz” erklärt:

“Eine Frau, die vergewaltigt wird, erhält damit die gerechte Strafe dafür, daß sie einmal — als Mann — vergewaltigt hat. Wenn Kinder ermordet werden, ist das eine Strafe für die Eltern, die womöglich in einem früheren Leben ein Kind verstoßen haben.”

So denkt der Mann, an den sich die “Bild”-Zeitung wendet, wenn sie einen Experten in Sachen Reinkarnation sucht oder sich exklusiv einen “Test” entwerfen lässt: “Haben Sie auch schon einmal gelebt?”

Der “Stern” zitierte unter der Überschrift “Esoterischer Schwachsinn” noch am 30. März 2006, also gerade einmal zwei Monate, bevor sich “Bild” wieder an den Okkultisten wandte, aus Hardos verbotenem Buch “Jedem das Seine”:

“Die meisten, die vergast wurden, (…) hatten früher andere Menschen getötet oder zugestimmt, dass andere Erdenbewohner, meist Juden und Minderheiten, dem mordenden Mob zum Opfer fielen.”

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“Bild” von Außerirdischen entführt

Am 25. Mai wird ein Komet große Teile der Erde zerstören.

“Schon?”, werden Sie jetzt vielleicht fragen. Oder auch: “Schon wieder?” Aber diese Weltuntergangsgeschichte von “Bild” ist noch besser als die bisherigen.

Fakt ist: Der in mehrere Stücke zerbrochene Komet “73 P Schwassmann-Wachmann” zieht im Mai relativ nah an der Erde vorbei. “Relativ nah” bedeutet konkret: in rund zehn Millionen Kilometern Entfernung, das ist nur 25 mal so weit wie bis zum Mond.

Und “Bild” titelt:

Komet rast auf Erde zu - Forscher in großer Sorge: 200 Meter hohe Flutwelle im Atlantik?

Der “Forscher”, der eine “gewaltige Flutwelle”, das Ausbrechen von Unterwasser-Vulkanen und eine “Katastrophe” apokalyptischen Ausmaßes vorhersagt, heißt Eric Julien, und “Bild” gibt sich einige Mühe, ihn als ernstzunehmenden Wissenschaftler zu präsentieren. Die Zeitung nennt ihn “französischen Kometenforscher und Autor” und schreibt, er sei “früher für das französische Militär tätig und danach Manager des Flughafens Paris-Orly” gewesen.

Klingt respektabel.

Was “Bild” nicht schreibt: Julien ist Ufo-Forscher und Verfasser des Buches “Die Wissenschaft der Außerirdischen”. Er nennt sich auch Jean Edermann, erhielt von Außerirdischen eine Botschaft “über die dreidimensionale Natur der Zeit”, während ein lärmendes Ufo über seinem Haus schwebte, traf ätherische Geschöpfe in seinem Haus, lernte, sich “mental an einen Ort in der Gegenwart wohlwollender Außerirdischer” zu projizieren und vermutet, dass die Sichtungen von Ufos damit zusammenhängen könnten, dass Atomwaffentests auf der Erde die Sicherheit von Außerirdischen gefährden, die kreuz und quer durch Raum und Zeit reisen.

Klingt — anders.

“Bild” verrät auch mit keinem Wort, wie der Kometen-Ufo-Forscher zu seiner Prognose gekommen ist — dabei ist das bekannt und durchaus bemerkenswert: Julien sagt, er habe vor drei Jahren eine Vision von einer großen Katastrophe gehabt und vor drei Wochen von Außerirdischen das dazugehörige Datum genannt bekommen: eben der 25. Mai. Gestützt werde seine These unter anderem durch einen Kornkreis, der am 25. Juni 1995 in England auftauchte. Die Katastrophe sei eine Art “öffentliche Warnung” der Weltreisenden vor einem Atomschlag der USA gegen den Iran.

Und lustig ist nicht nur, dass “Bild” all diese interessanten Details weglässt, obwohl die doch helfen würden bei der wichtigen Entscheidung, ob man vor der Apokalypse schnell noch seinen Jahresurlaub nehmen soll. Lustig ist auch, dass Julien wenigstens weiß, wovon er spricht: mit ungefähr 40 Kilometer pro Sekunde werde der Kometentrümmer auf die Erde zurasen, warnt er. Bei “Bild” werden daraus 40 Meter pro Sekunde — mit der Geschwindigkeit könnte sich der Komet bequem in den fließenden Verkehr auf deutschen Autobahnen einreihen.

Danke auch an Benjamin W.!

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“Bild” erfindet Fuchsberger-Rücktritt

Ziemlich gute Schlagzeile, das:

BLACKY FUCHSBERGER: Nie wieder TV!

Nur: Sie stimmt nicht.

“Das ist in dieser Form reiner Schwachsinn”, sagt Joachim Fuchsberger gegenüber BILDblog. “Das ist eine ‘Bild’-typische Übertreibung für eine gute Schlagzeile.” Und auch die markigen Sätze, mit denen er im Artikel von “Bild” zitiert wird, habe er nicht alle in dieser Form gesagt. Autorisiert habe er keinen einzigen davon.

Aber überrascht klingt er nicht. Vielleicht ist also das, was Fuchsberger einem so alles erzählt, wenn man ihn anruft, eine ganz normale Geschichte aus dem Alltag von “Bild”:

Fuchsberger sagt, er sei von “Bild” angesprochen worden, nachdem sein Freund Vicco von Bülow angekündigt hatte, nur dann noch einmal ins Fernsehen zurückzukehren, wenn Fuchsberger “noch einmal eine große Gala macht”. Der “Bild”-Reporter Malte Biss habe ihn daraufhin gefragt, ob denn eine solche Show geplant sei. Er habe geantwortet, was er seit vielen Jahren schon antwortet: Dass er ausschließt, im deutschen Fernsehen je wieder eine Samstagabend-Show zu machen. Von einem Rückzug darüber hinaus sei keine Rede gewesen, sagt Fuchsberger, im Gegenteil: Es gebe einige Pläne für neue Sendungen. Wenn aus diesen Projekten etwas werde, sei es ihm “eine große Freude”, weiter Fernsehen zu machen.

Gestern abend um halb zehn habe ihn Malte Biss dann angerufen und ein “sehr schlechtes Gewissen” gehabt, sagt Fuchsberger — offenbar wegen der sehr abwegigen Schlagzeile. Er habe das noch nie erlebt, dass ein Journalist ihn quasi vorab vor seinem eigenen Artikel gewarnt habe. Biss habe gefragt, ob Fuchsberger nun mit dem Anwalt gegen den Bericht vorgehen werde. Fuchsberger ließ das zunächst offen.

Gerade weil er mit verschiedenen Leuten über neue Fernseh-Projekte im Gespräch sei, hätte die falsche “Bild”-Schlagzeile geschäftsschädigend wirken können. Er habe dann heute erleichtert festgestellt, dass die meisten Menschen aus der Branche ohnehin nicht glaubten, was in “Bild” steht.

(Die “Nachricht” wurde dennoch weiterverbreitet. Die Agentur AP veröffentlichte heute nachmittag zwei Meldungen, in denen sie die “Bild”-Behauptungen ungeprüft übernahm. Überschrift: “Fuchsberger will kein Fernsehen mehr machen.”)

Fuchsberger ist überzeugt, dass “Bild” der Fehler nicht versehentlich unterlaufen ist. Dennoch will er nicht gegen die Zeitung vorgehen. Was könne ein Anwalt schon erreichen? “Eine Gegendarstellung? Who the hell cares!” Stattdessen habe er lieber einen “Deal” mit “Bild” gemacht, die nun bei ihm etwas gut zu machen habe.

Vermutlich wird also in den nächsten Tagen ein sehr freundlicher Artikel in “Bild” erscheinen, der ein neues Projekt von Fuchsberger vorstellt und ganz nebenbei den möglicherweise entstandenen Eindruck geraderückt, er könne sich für immer aus dem Fernsehen zurückziehen.

Zur Erinnerung: Chefredakteur Kai Diekmann rief vor eineinhalb Jahren eine neue “Null-Toleranz”-Politik gegenüber Verstößen gegen “unsere journalistische Standards” aus und gab vor, “übergeigte Überschriften” hätten in “Bild” “nichts zu suchen”. Ebenso behaupten Diekmann und Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, dass für alle Medien des Konzerns “journalistische Leitlinien” gälten, wonach Journalisten bei Axel Springer Interviews ohne Ausnahme vom Gesprächspartner autorisieren lassen müssen.

Danke an Jan K.!

[Fortsetzung hier.]

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Polizei dementiert “Bild”-Meldung

Am 10. März gab die Kölner Polizei eine Pressemeldung heraus. Ein Unbekannter habe am Vortag bei einem Kioskangestellten zwei Stangen Zigaretten mit einem “600-Euro-Schein” bezahlt, bei dem es sich um den Werbegag einer nicht jugendfreien Internetseite handelte.

Anschließend berichteten verschiedene Medien, u.a. auch die britische Internetseite Ananova.com. Dort, aber auch in anderen, z.T. internationalen Medien heißt es, der Geschädigte sei ein 33-jähriger Mann namens “Bernd Friedhelm”.

Das ist offenbar falsch. Wie uns ein Sprecher der Kölner Polizei sagt, wird der Kiosk von einer iranischen Familie betrieben. In der Polizeiakte sei zudem von einem 25-jährigen Geschädigten und einem 63 Jahre alten Mann (vermutlich der Kioskbesitzer) die Rede.

Und insofern (nur insofern) ist das, was Bild.de vier Tage später unter Berufung auf Ananova.com zu berichten wusste, zunächst “richtiger”: Dort steht nämlich was von einem “Kioskbesitzer (62)”. Und am 16. März wurde “Bild” sogar noch genauer: “Deutschlands dümmster Kioskbesitzer” hieß nun “Sorush E. (62, Iraner)” und war sogar auf einem Foto abgebildet. Dass er gar nicht derjenige war, der das Falschgeld angenommen hatte, ließ “Bild” zwar unerwähnt. Dafür hatte das Blatt andere Neuigkeiten. So wusste “Bild” nun, dass der unbekannte Täter ein “17jähriger” gewesen sei — und behauptete:

“Erst am nächsten Morgen fiel der Schwindel auf. Allerdings immer noch nicht Sorush E.. Der ging auf den Großmarkt Einkäufe machen. Bezahlen wollte er die dann natürlich auch — und zwar mit der Blüte! ‘Mein Kollege hat sich Lachen gekringelt’, erzählt der Kioskbesitzer, der dann auch skeptisch wurde und die Polizei rief.

Die machte den Kunden schnell ausfindig. Reumütig gab er die Zigaretten und das Wechselgeld zurück. (…)”

Nach Angaben der Polizei ist das falsch. Wie uns ein Polizeisprecher sagt, sei der jugendliche Täter (“Baujahr 1990”) im Kiosk von sich aus “mit seiner Mama vorstellig geworden”. Davon, dass ihn die Polizei, wie “Bild” behauptet, “schnell ausfindig” gemacht habe, ist der Polizei nichts bekannt.

Auch das hat sich “Bild” offenbar einfach ausgedacht.

Mit Dank an Jörg B. für die Anregung.

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“Bild” macht Kaninchen schwanger

RudiDieser sympathische Riesen-Flauschzottel hier rechts ist Rudi. Rudi ist ein Kaninchen von beachtlicher Größe, amtierender Landesmeister in der Farbkategorie wildgrau, begehrter Fernsehstar und internationale Berühmtheit und Star einer beliebten Rammelnovela in den Berliner Boulevardzeitungen. In der weiblichen Hauptrolle: Frenzy, die noch mehr wiegt als Rudi, aber unter Kinderlosigkeit leidet, was sie immer wieder an den Rand des Kochtopfes bringt.

Seitdem Rudi und Frenzy eine gemeinsame Nacht gemeinsame fünf Minuten miteinander verbrachten, warten die Zuschauer auf ein Happy End. Wird Rudi Frenzy davor bewahren, ein Braten zu werden? Wird Frenzy Rudi kleine Riesenrammler schenken? Ja! Jaaa! JAAA!

Am 28. Februar berichtete die Berliner Boulevardzeitung “B.Z.”: “Berlins dickste Häsin (10,4 Kilo), ist keine Jungfrau mehr!” Am 2. März verkündete sie noch einmal: “Und jetzt steht fest: Frenzy ist endlich schwanger!” Geschafft! Rudi Rammler, du bist ein Riese!Und am 17. März meldete “Bild” Vollzug (siehe Ausriss): “Jetzt hat das tierischste Liebespaar Berlins Nachwuchs bekommen.” Zehn kleine, große Kaninchenbabys, die die “Bild”-Zeitung namentlich aufzählte. Und zu einsetzenden Geigen schrieb sie quasi den Abspann:

Rudi Rammler machte nicht nur seinem Namen alle Ehre. Er rettete auch das Leben von Fränzy. Wäre die nämlich nicht bis April Mama geworden, hätte sie Ostern in die Bratröhre geguckt…

Happy End.

Von wegen! Frenzy ist nach wie vor unschwanger und kinderlos. Rudi hat tatsächlich Nachwuchs gezeugt, aber die Mutter ist nicht Frenzy, sondern Ramona. Die war bislang noch gar nicht in dieser Kaninchensoap aufgetaucht, soll nach Informationen des “Berliner Kurier” aber Rudis angestammte Kaninchendame sein. Frenzy sei “wohl irgend so ein medien-geiles Flittchen, das nur unbedingt mal in die Zeitung wollte”, empörte sich der “Kurier” und titelte am Samstag unter Bezugnahme auf “Bild”:

Rudi: Die Rammel-Lüge von Spandau

Aber natürlich haben wir uns in so einer brisanten Frage nicht auf die Lokalkonkurrenz von “Bild” verlassen, sondern selber recherchiert. Doch eine Nachfrage bei Klaus-Dieter Peter, Frenzys Züchter, bestätigt: keine Mini-Riesen, null. Die “B.Z.” hatte die Schwangerschaft der Kaninchendame, “Bild” ihre Niederkunft schlicht erfunden.

Wie geht es weiter? Wird Ramona Rudi den Seitensprung verzeihen? Wird Rudi die Rammel-Lügner bei der Hamburger Staatsanwaltschaft verklagen? Und schaut Frenzy nun endgültig in die Bratröhre?

Wenigstens die letzte Frage können wir beantworten: Nein, sagt uns Frenzys Züchter Klaus-Dieter Peter, sie wird überleben. Einen Medienstar isst man nicht, den mästet man.

Fortsetzung folgt.

Danke an Heiko für den sachdienlichen Hinweis!

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Freunde fürs Leben

Bild.de berichtet heute ausführlich über eine Studie, wonach verheiratete Männer länger leben als unverheiratete, Frauen durch die Ehe dagegen anscheinend ihre Lebenserwartung reduzieren. Und ergänzt:

Trotzdem überleben Ehefrauen ihre Partner meist um gute viereinhalb Jahre, da die durchschnittliche weibliche Lebenserwartung (91 Jahre in Deutschland) höher ist als die männliche (86 Jahre).

Komisch, nach der jüngsten Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes liegt die durchschnittliche Lebenserwartung rund zehn Jahre unter den “Bild”-Zahlen: Ein neugeborener Junge kann danach nur damit rechnen, 76 zu werden, ein Mädchen 82.

Wie kommt Bild.de auf die höheren Zahlen?

Vermutlich über die Freunde aus der Versicherungsbranche. Die “Allianz” hat nämlich vor einigen Monaten erklärt, die Deutschen schlössen zu niedrige private Rentenversicherungen ab, weil sie ihre Lebenserwartung dramatisch unterschätzten. Die “Allianz” beruft sich dabei auf die Daten der “Deutschen Aktuarvereinigung”, die von 86 Jahren bei Männern und 91 Jahren bei Frauen ausgeht.

Nur beziehen sich diese Zahlen nicht auf die Gesamtbevölkerung, sondern allein auf die Versicherten. Und da zum Beispiel Menschen, die aufgrund einer chronischen Krankheit von einer kurzen Lebensdauer ausgehen, natürlich weniger solcher Langzeit-Policen abschließen, ist die realistische Alterserwartung deutlich niedriger, als von der “Allianz” und von Bild.de angegeben.*

Nachtrag, 17.30 Uhr. Die Bild.de-Rechnung, dass Frauen ihren Ehemann im Durchschnitt um gute viereinhalb Jahre überleben, ist natürlich kompletter Unfug: Das hängt ja auch davon ab, wie groß der durchschnittliche Altersunterschied von Eheleuten ist. Und darüber geben die Statistiken über die Lebenserwartung keine Auskunft.

*) Der Vollständigkeit halber: Die realistische Alterserwartung ist allerdings höher als die offiziellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt, was daran liegt, dass das den zu erwartenden medizinischen Fortschritt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht berücksichtigt.

Danke an Michael H., Uwe R. und Frohmut W.

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“Bild” (53) schreibt Amok

Am 4. Juni 2004 beispielsweise fuhr ein Mann in einer gepanzerten Planierraupe knapp anderthalb Stunden lang durch die US-amerikanische Stadt Granby, zerstörte dabei zahlreiche Gebäude, lieferte sich Feuergefechte mit der Polizei und tötete sich schließlich selbst. Am 24. April 2005 tötete ein Mann in Kassel mit seinem Auto vorsätzlich eine ihm unbekannte Frau auf dem Gehweg, verletzte ihren Begleiter und anschließend eine weitere Frau, rammte bei seiner Flucht mehrere Streifenwagen, fuhr gezielt auf Polizeibeamte zu und schließlich in eine Straßensperre, wobei er noch vier Polizisten verletzte, bevor er durch gezielte Schüsse am Kopf verletzt und festgenommen werden konnte.

Kurzum: Wann immer jemand “in einem anfallartig auftretenden Affekt- u. Verwirrtheitszustand mit Panikstimmung u. aggressiver Mord- u. Angriffslust blindwütig zerstörend u. tötend” unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, kennt nicht nur das Große Duden-Fremdwörterbuch ein Wort dafür.

Was allerdings dergleichen mit einem tragischen Unfall in Hanau Klein-Auheim zu tun haben soll, weiß nur “Bild”. Denn nachdem am vergangenen Dienstag im hessischen Klein-Auheim eine Frau mit einem Lieferwagen auf den Gehweg einer Straße geraten war und dabei eine Schülerin schwer, eine andere tödlich verletzt hatte, titelte die Zeitung:

"Frau (49) fährt Amok"

Und der Unfallhergang las sich in “Bild” so:

“Wie ein Panzer walzte der graue Lieferwagen über den Gehweg. Schrammte Hauswände, knallte in geparkte Autos — und erfasste dann die beiden kleinen Mädchen. (…) Wie kam es zu der Amokfahrt?”

Für Polizeioberkommissar Wolfgang D. ist der “Bild”-Bericht allerdings “völlig unzutreffend”. Und D. sollte es wissen. Schließlich war er einer der fünf aufnehmenden Polizeibeamten des Unfalles und ist, wie er uns mitteilt, “äußerst verärgert, wie pietätlos die ‘Bild’-Zeitung mit diesem Unfall umging”, denn:

“Es handelte sich nicht um eine Amokfahrt.”

Zudem habe der Lieferwagen auf dem Bürgersteig nicht “Häuserwände” geschrammt, sondern eine Hauswand, er sei auch nicht in “geparkte Autos” geknallt, sondern habe einen geparkten Pkw gestreift — und wir müssen uns korrigieren:

Was der tragische Unfall in Hanau Klein-Auheim eigentlich mit einer Amokfahrt zu tun haben soll, weiß nicht einmal “Bild”. Denn in der Meldung selbst heißt’s über die Unfallverursacherin ausdrücklich und, soweit wir wissen, sogar sachlich richtig:

“[Sie] verlor aus unerklärlichen Gründen die Kontrolle (…)”.

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Das Ende der Welt

Wow.

Von allen übergeigten “Bild”-Überschriften der letzten Jahre ist dies vermutlich die übergeigteste:
Nasa: Weltuntergang in 96 Jahren

In der gedruckten Ausgabe steht am Ende der Überschrift wenigstens noch ein Fragezeichen:
Nasa hat errechnet: Weltuntergang in 96 Jahren?

Und bevor wir ins Detail gehen, sollten wir vielleicht zur Beruhigung schnell sagen: Die Nasa geht keineswegs davon aus, dass am 4. Mai 2102 die Welt untergeht. Sie geht sogar ausdrücklich davon aus, dass am 4. Mai 2102 die Welt nicht untergeht.

Mit erstaunlichem Mut zur Lüge erzählt der Londoner “Bild”-Korrespondent Peter Michalski ein apokalyptisches Märchen und schafft es dabei, den Sinn fast sämtlicher Tatsachen und Zitate ins Gegenteil zu verkehren. Sein Artikel beginnt mit den Worten:

Seine Sprengkraft entspricht allen Kernwaffen, die es auf der Erde gibt. Sein Ziel scheint eindeutig: Ein riesiger Asteroid ist unterwegs zu unserem Planeten. Am 4. Mai 2102, befürchtet die Nasa, schlägt er ein. So ihre Berechnungen.

Nein. Sein Ziel ist alles andere als eindeutig. Und die Berechnungen der Nasa sagen, dass der keineswegs “riesige” Asteroid “2004 VD17” die Erde mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,93 Prozent nicht treffen wird.

“Bild” schreibt:

Die Kollisionsgefahr hat sich verdreifacht. Die Nasa ordnete ihn als bisher einzigen Himmelskörper der Gefahrenstufe Gelb zu!

Falsch. Im Dezember 2004 wurde der Asteroid Apophis ebenfalls dieser Gefahrenstufe zugeordnet. Ein halbes Jahr später konstruierte “Bild” daraus ein höchst irreführendes Stück mit der Schlagzeile: “Geht am Freitag den 13. April 2029 die Welt unter?”

“Bild” hält sich auch diesmal nicht damit auf, zu erklären, was die “Gefahrenstufe Gelb” bedeutet. Die entsprechende Torino-Skala geht von 0 bis 10. “Apophis” erreichte Ende 2004 vorübergehend Stufe 4. Der Asteroid, um den es jetzt geht, steht nun nicht mehr auf 1, sondern auf 2. Stufe 2 bedeutet:

(…) there is no cause for public attention or public concern as an actual collision is very unlikely. New telescopic observations very likely will lead to re-assignment to Level 0.

(Es gibt keinen Anlass für öffentliche Aufmerksamkeit oder öffentliche Beunruhigung, denn eine tatsächliche Kollision ist sehr unwahrscheinlich. Neue Beobachtungen mit Teleskopen werden sehr wahrscheinlich zu einer Rückstufung auf Stufe 0 führen.)

Kein Anlass für öffentliche Aufmerksamkeit? Das weiß “Bild” aber besser:

Ein Einschlag hätte die Gewalt eines Erdbebens mit Stärke 7,4. Würde er in Berlin aufschlagen, gäbe es einen riesigen Krater: Zehn Kilometer breit, 530 Meter tief. Der Feuerball würde Bäume im Umkreis von 100 Kilometern in Brand setzen, unzählige Menschen töten.

Die Druckwelle wäre so stark, daß sie bis nach Hamburg (250 Kilometer entfernt) reichen und dort große Gebäude einstürzen lassen würde. Die Langzeitfolge wäre nuklearer Winter: Dunkelheit und Kälte durch aufgewirbelten Staub.

Die Kratergröße und der Erdbebenvergleich finden sich auch in seriösen Quellen. Aber wie kommt “Bild” darauf, dass dem Einschlag ein “nuklearer Winter” folgen würde? Die Wirkungen von Asteroiden-Einschlägen sind schwer vorherzusagen, aber Journalisten, die sich damit beschäftigt haben, sagen im Gegenteil: “2004 VD17” sei “nicht groß genug, um weltweite Verwüstungen anzurichten”, sondern könne höchstens erhebliche regionale Schäden verursachen.

Die einzige andere Quelle, die wir gefunden haben, die nach dem (sehr, sehr unwahrscheinlichen) Einschlag dieses Asteroiden einen “nuklearen Winter” heraufziehen sieht, ist die britische Boulevardzeitung “The Sun”. Die hatte schon am Freitag das bevorstehende “Ende der Welt” vorhergesagt. Der “Bild”-Artikel liest sich über weite Strecken, als ob ihr Autor, der wie gesagt in London sitzt, die “Sun”-Geschichte fast wörtlich übersetzt und auf deutsche Verhältnisse übertragen hätte.

Ahnung vom Thema scheint er nicht zu haben, denn er schreibt weiter:

Jüngste Schätzung des Treffer-Risikos: 1600 zu 1.

Nein, umgekehrt: 1 zu 1600. Oder 0,06 Prozent.

Und am Ende verleiht die “Bild”-Zeitung ihrem Märchen noch die nötige Schein-Glaubwürdigkeit und zitiert zwei Wissenschaftler:

Andrea Milani Comparetti von der Uni Pisa: “Ein echtes Problem – aber nicht für unsere Generation.” Nasa-Experte Dr. David Morrison setzt auf Hoffnung: “Zum Glück bleiben uns noch fast 100 Jahre.”

“Bild” hat Morrisons Zitat gekürzt. Im Original sagt er noch:

“This should provide ample time to refine the orbit and, most probably, determine that the asteroid will miss the Earth.”

(Das sollte uns genügend Zeit geben, die Umlaufbahn genauer zu bestimmen und, höchstwahrscheinlich, festzustellen, dass der Asteroid die Erde verpassen wird.)

Gegenüber dem “New Scientist” fügte der Wissenschaftler hinzu:

“We’re more likely to be hit between now and then by an object that we don’t know about.”

(Es ist wahrscheinlicher, dass wir bis dahin von einem Objekt getroffen werden, das wir noch gar nicht kennen.)

Oh je. Auf der Grundlage dieses Zitates könnte sich die “Bild”-Zeitung versucht fühlen, morgen zu titeln: Weltuntergang nicht einmal mehr 96 Jahre entfernt!

PS: Es gab schon vor zweieinhalb Jahren ähnliche Weltuntergangs-Szenarien aufgrund eines Asteroiden, weltweit und natürlich in “Bild”. Die Wissenschaftler waren danach so entsetzt über die absurde Panikmache der Medien, dass sie über eine völlige Abschaffung der Torino-Skala nachdachten.

Danke auch an Martin W., Michael E. und Axel B.!

Nachtrag, 13.10 Uhr. Auch Bild.de hat jetzt immerhin ein Fragezeichen hinter die Worte “Nasa: Weltuntergang in 96 Jahren” gesetzt. Sämtliche Fehler und irreführenden Behauptungen sind aber natürlich im Text geblieben.

Nachtrag, 18.25 Uhr. Die Schweizer Boulevardzeitung “Blick” hielt es für klug, die Falschmeldung von “Bild” zu übernehmen — nicht ohne sie um ein paar besonders abwegige Formulierungen ergänzt zu haben (“rast … exakt auf unsere Erde zu: ein riesiger Asteroid”).

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