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Koalitionen

Wer ist eigentlich verdammtnochmal Schuld daran, dass bald auch auf Computer Rundfunkgebühren fällig werden könnten?

Vor drei Wochen hatte “Bild” schon eine ganze Reihe Schuldiger gefunden: Die “TV-Dinos”! Also die ARD-Intendanten, die laut “Bild” “jetzt” das Internet “zum Abkassieren” “entdeckt” haben. Das war ein bisschen schief, denn die ARD-Intendanten haben das Internet nicht jetzt zum Abkassieren entdeckt. Die Gebührenpflicht steht schon seit 1997 im Rundfunkstaatsvertrag und wurde seitdem nur ausgesetzt. Und Staatsverträge konnte die ARD damals schon so wenig unterschreiben wie heute. Sie kann allenfalls Vorschläge machen.

Heute nimmt “Bild” einen neuen Anlauf: Die Bundesregierung ist schuld! Rolf Kleine, Leiter des “Bild”-Haupstadtbüros, schreibt:

Die von der Koalition geplante Einführung von GEZ-Gebühren auf PCs…

Und:

Die Koalition plant, von 2007 an GEZ-Gebühren für PCs zu erheben — wahrscheinlich 5,52 Euro im Monat.

Okay, das ist ganz falsch. Rundfunk ist in Deutschland Ländersache, und “die Koalition” im Bund hat mit der Rundfunkgebühr überhaupt nichts zu tun.

Aber die Ministerpräsidenten der Länder tagen erst nächste Woche, um sich u.a. mit den Gebühren auf PCs zu beschäftigen. Bis dahin kriegt “Bild” es bestimmt noch hin, den wahren Schuldigen zu finden.

PS: Der heutige “Bild”-Bericht steht unter der Überschrift:

Juristen sicher -
GEZ-Gebühren für Computer verfassungswidrig

Im Artikel selbst heißt es schon nur noch, sie sei “wahrscheinlich” verfassungswidrig. Und es sind nicht irgendwelche unparteiischen Juristen, sondern die Hausjuristen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages DIHK. Der läuft schon seit Monaten Sturm gegen die Gebühren. Und fragt man beim DIHK nach, was genau die Basis für dieses juristische Urteil ist, erfährt man, dass sich die DIHK-Leute einfach ein paar Gedanken gemacht haben.

Und so schnell wird aus der Vermutung einer Lobby-Organisation in “Bild” eine Tatsache und eine Schlagzeile auf Seite 1.

Danke an Carlos K., Martin B. und Ulf-Erik W.!

“Bild” lässt Grand-Prix in Österreich ausfallen

Vor einem Jahr versuchte die “Bild”-Zeitung am Tag nach dem Eurovision Song Contest eine große Kampagne gegen die ARD zu starten. Sie forderte ihre Leser auf, sich mit einem vorbereiteten Beschwerdecoupon ihre Rundfunkgebühren “zurückzuholen”, weil die Show eine an “Inkompetenz nicht zu überbietende TV-Katastrophe” gewesen sei.

Weil sich die “Bild”-Zeitung in Sachen Inkompetenz aber so schnell von niemandem die Butter vom Brot nehmen lässt, stützte sie ihren Vorwurf auf einen erstaunlichen Wust falscher Behauptungen. Vom Erfolg der großen Beschwerde-Aktion war später in “Bild” nichts mehr zu lesen — dafür aber anderswo.

Nun war wieder Song Contest, und das, was “Bild” von der Veranstaltung berichtet, lässt sich durch Inkompetenz kaum erklären. Eher durch einen Willen zur Desinformation. “Bild” staunt über den Erfolg der als Monster verkleideten Band Lordi und tut so, als hätte Österreich in weiser Voraussicht abgeschaltet:

In Österreich wurde der Grand Prix gar nicht übertragen (…).

ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm (52): “Wir wollten keine Auftritte zeigen, für die sich jemand genieren muß.”

Der erste Satz ist schlicht falsch: Der ORF übertrug “das musikalische Megaevent” wie immer live auf ORF 1. Und weil das so ist, kann auch das zweite Zitat nicht stimmen — jedenfalls muss Herr Böhm es anders gemeint haben. In der Tat: Böhm sprach in einem Interview mit dem “Kurier” nicht von Auftritten wie dem von Lordi, die er nicht zeigen wolle, sondern von potentiell peinlichen österreichischen Auftritten. Österreich schickte diesmal keinen eigenen Teilnehmer. Das Niveau der Veranstaltung sei so, dass man “keinen ernst zu nehmenden Musiker” zum Mitmachen ansprechen könne: “Wir sind es aber den Künstlern, den Sehern und unserem Land schuldig, dass es beim Contest Auftritte gibt, für die sich niemand genieren muss.”

Außer dem ORF zitiert die “Bild”-Zeitung auch Spiegel Online als Kronzeugen für das Verkommen der Veranstaltung und behauptet:

“Spiegel online” schrieb entsetzt: “Der Eurovision Song Contest hat sein Gesicht verloren, um eine Fratze zu bekommen.”

“Bild” hat das Zitat böswillig seines Zusammenhanges beraubt. Spiegel Online ist belustigt und angetan — von “Entsetzen” keine Spur:

(…) ein Eurovisions-Finale, das ausgerechnet von den finnischen Trashrockern Lordi beflügelt wurde.

Der Eurovision Song Contest hat sein Gesicht verloren, um eine Fratze zu bekommen. Man kann dies bedenklich finden. Oder amüsant. (…)

Mit 292 Punkten ehrte das europäische Publikum den hohen Unterhaltungsfaktor der Band — und setzte ein Zeichen gegen Balladen-Seligkeit (…).

Wer sich heute aufschwingen will zum Gipfel der gesamteuropäischen Schlagerwelt, braucht Flügel. Guten Flug, Monstermann.

Bereits am Sonntag übte sich Bild.de bei dem Thema im Zitateverkürzen und schrieb:

“Wir können ja nur gewinnen”, meinte Sänger Lordi selbstbewußt vor der Show — und er behielt recht.

Unwahrscheinlich, dass er das so gemeint hat. Die International Herald Tribune zitierte ihn mit den Worten: “Even if we lose the contest, we have already won.” Bei esctoday.com und Laut.de liest es sich ähnlich: “Wir haben doch schon längst gewonnen! Soviel Aufmerksamkeit hat eine finnische Gruppe beim Contest noch nie bekommen.”

Den Versuch, den Text des Siegertitels zu übersetzen, scheint “Bild” übrigens mittendrin abgebrochen zu haben — noch bevor sich jemand zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden konnte.

PS: “Bild” behauptet auch, in Griechenland sei das Lordi-Video “verboten” worden. Auch das ist offensichtlich Unsinn. Wir konnten nichts entsprechendes finden. Weiß einer unserer Leser, ob das Video in Griechenland gezeigt wurde — und wenn nein, warum nicht? (Mehr dazu hier.)

Danke an Stefan M., Tobias J., Andreas M., Christian S., Frederik P., Manuel K., Tim W. und Herbert G.

(Mehr über die Song-Contest-Kompetenz der “Bild”-Zeitung steht hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.)

Nachtrag, 14.55 Uhr. Bild.de hat den Artikel aus der heutigen Zeitung jetzt unter einer neuen Adresse veröffentlicht. Am Anfang stehen einige neue Sätze über eine Leserumfrage. Dafür hat Bild.de alles, was sich auf Österreich bezog, unauffällig aus dem Text herausgefräst.

Wiedersehen mit Belrus

Frage: Wenn die “Bild”-Zeitung ihre etwa 3,6 Millionen Käufer dazu aufruft, sich “Ihre Rundfunkgebühren zurückzuholen”, weil die Übertragung des Eurovision Song Contest “eine an Langeweile und Inkompetenz nicht zu überbietende TV-Katastrophe” gewesen sei — wieviele Leser werden den vorbereiteten Coupon ausschneiden, ausfüllen und an die ARD abschicken?

Antwort: 768.

Vielleicht entspricht diese Zahl “ganz Deutschland”. Vielleicht haben die anderen Leser aber auch gemerkt, dass der zugehörige Artikel eine an Inkompetenz nicht zu überbietende “Bild”-Katastrophe war: “Bild” nannte die Veranstaltung fälschlicherweise “European Song Contest”, erfand das Wort “Belrus”, glaubte fälschlicherweise, das sei englisch für “Weißrußland”, behauptete fälschlicherweise, das sei beim Grand-Prix eingeblendet gewesen und empörte sich fälschlicherweise, dass ARD-Kommentator Peter Urban das nicht übersetzt habe.

Volker Herres, der für die Sendung zuständige Programmdirektor des NDR, hat den 768 Gebühren-Zurückforderern jetzt einen Brief geschrieben:

Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie einer falschen Darstellung der “Bild”-Zeitung aufgesessen sind. (…)

Wegen der falschen Darstellungen hat das Landgericht Hamburg am 3. und 6. Juni 2005 der “Bild” per einstweiliger Verfügung eine Gegendarstellung auferlegt und die weitere Verbreitung des Artikels untersagt.

Vor diesem Hintergrund werden Sie mir zustimmen: Aufgrund eines fehlerhaften “Bild”-Artikels kann der NDR Ihnen nicht die Fernsehgebühren erstatten. Sollten Sie hingegen darüber nachdenken, wegen der irreführenden Berichterstattung den Kaufpreis der “Bild” vom 23.Mai zurückzufordern, so nenne ich Ihnen gerne die entsprechende Anschrift: Bild-Zeitung, Herrn Chefredakteur Kai Diekmann, Axel-Springer-Platz 1, 20355 Hamburg.

Gestern pfui, heute hui

Vor zwei Wochen diskutierte “Bild am Sonntag”-Chefredakteur Claus Strunz bei Sat.1 unter anderem mit “Wetten dass…?”-Moderator Thomas Gottschalk über Sinn und Unsinn der Rundfunkgebühren für ARD und ZDF.

Gottschalk musste außerdem auf die Frage antworten, warum er denn in “Wetten dass…?” ständig für Telefonfirmen und Autohersteller schleichwerbe, ausgerechnet im gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen – und sagte darauf sinngemäß: Weil das ZDF sich die Show sonst nicht leisten könnte.

Strunz, der sich mit seiner überdeutlichen Rücksichtnahme auf die Interessen seines zweiten Arbeitgebers ProSiebenSat.1 ganz furchtbar blamierte, fand das befremdlich und ließ lieber vorschlagen, dass ARD und ZDF sich von Werbung und von Sponsoring wie in “Wetten dass…?” verabschieden sollten.

Heute nun läuft eine schöne Meldung von Strunz’ Kollegen bei Bild.T-Online über den Ticker: “Bild.T-Online mit eigenem ‘Wetten, dass ..?’ Channel.”

Hui! “Attraktive Inhalte auf hohem Online-Niveau” soll der “Channel” bieten. Und ein Rätsel für Gottschalk-Fans. Einer wird dann “in der (…) Sendung am 13. November 2004 als Gewinner von Thomas Gottschalk begrüßt (…) werden”.

Und man darf gespannt sein, ob Gottschalk sagen wird: “Das ist der Sieger des Rätsel beim Internetportal einer großen Boulevardzeitung, deren Namen wir hier nicht nennen wollen.”

Fest steht jedenfalls schon:

“Der neue Channel wird exklusiv von Bild.T-Online zusammen mit Dolce Media crossmedial sowohl Online als auch in der Bild.T-Online Beilage der BILD vermarktet.”

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