Archiv für Juni 7th, 2009

Hausmitteilung nicht mehr zu verkaufen

Der “Spiegel” will in Zukunft keine Anzeigen mehr akzeptieren, die redaktionelle Inhalte des Magazins imitieren. Die Anzeige des Autoherstellers Toyota, die an der üblichen Stelle der “Spiegel”-“Hausmitteilung” erschien und ihr zum Verwechseln ähnlich war (wir berichteten), sei ein Fehler gewesen, sagte Chefredakteur Georg Mascolo am Freitag bei der Journalistentagung des “Netzwerks Recherche”: “Ein solcher Fehler wird sich beim ‘Spiegel’ nicht wiederholen.”

Mascolo sagte, die Chefredaktion habe damals dem Werbemotiv zugestimmt — und auch dem Verzicht auf das Wort “Anzeige”, der ein “ausdrücklicher Wunsch des Kunden” gewesen sei. Es habe daraufhin eine Fülle von Leser-Reaktionen gegeben. Viele davon hätten sich gar nicht einmal an der fehlenden Kennzeichnung, sondern der Werbeform an sich gestört und deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich nicht wollen, dass der “Spiegel” solche Redaktions-Imitate akzeptiert. Obwohl Anzeigen, die sich als journalistische Inhalte tarnen, bei den Werbekunden sehr begehrt seien und entsprechend gut bezahlt würden, habe man nun eine klare Entscheidung dagegen getroffen.

Überschrift egal

Es war eine wissenschaftliche Sensation, die die “Rheinische Post” da in einer kleinen bunten Meldung verkündet hat:

Pinguin-Kolonien in der Arktis entdeckt

Waren Pinguine bisher doch unter anderem dafür bekannt, dass sie sich ausschließlich auf der Südhalbkugel und damit in der Antarktis aufhielten.

Andererseits hält die Meldung darunter dann auch nicht mehr viel von dem, was die Überschrift verspricht:

Pinguin-Kolonien in der Arktis entdeckt. London (afp). Wissenschaftler haben bislang unbekannte Kolonien von Kaiserpinguinen in der Antarktis aufgrund von Kotspuren entdeckt. Laut einer Studie bieten die Spuren den Vorteil, dass sie auf Satellitenfotos zu sehen sind. Bei einzelnen Pinguinen ist dies wegen der zu geringen Auflösung der Bilder nicht der Fall. Mit Hilfe der dunklen Kotspuren auf dem weißen Polareis konnten nun 38 Pinguin-Kolonien ausgemacht werden, darunter zehn neue.

An jenem 3. Juni scheinen die Mitarbeiter der “Rheinischen Post” aber sowieso erhebliche Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, fertigen Agenturmeldungen passende Überschriften zu verpassen.

Einer Agenturmeldung, die AFP unter der Überschrift “Britisches Paar springt mit totem Sohn in den Tod” verbreitet hat, verpasste die Zeitung einfach eine Brücke:

Britisches Paar springt mit totem Sohn von Brücke. London (afp). Ein trauerndes britisches Elternpaar ist mit der Leiche seines toten Sohnes im Rucksack in den Tod gesprungen. Beamte der Küstenwache entdeckten die Leichen der dreiköpfigen Familie am Fuße einer 122 Meter hohen Steilklippe in Beachy Head an der englischen Südküste. Das tote Kind wurde in einem Rucksack an der Seite seiner Eltern gefunden. Die Eltern hätten ihrem Leben laut einem Polizeisprecher aus Kummer um den Tod ihres fünfjährigen Sohnes ein Ende gesetzt, nachdem dieser an den Folgen einer Pneumokokken-Meningitis am Freitagabend gestorben war.

Möglicherweise hatte einfach der ÜberschriftenMacher von “RP Online” Dienst bei den Print-Kollegen.

Mit besonderem Dank an Walter K.