Archiv fü 2006

Mit Rommel in den Kongo

Auf den ersten Blick erscheint es wie ein Lapsus, wenn die “Bild am Sonntag” schreibt:

Von ihren 90 Dingos wird die Afghanistan-Schutztruppe ISAF eine noch nicht bekannte Anzahl ans Afrika-Korps abgeben müssen.

(Hervorhebung von uns.)

Denn es gibt kein neues Afrika-Korps. Es gibt lediglich einen deutschen Beitrag für die von der Europäischen Union geführte Operation EUFOR RD Congo — also für die “Streitkraft der Europäischen Union in der Demokratischen Republik Kongo”. Auch beträgt das deutsche Kontingent lediglich 780 Soldaten. Ein Korps besteht heutzutage aus 40.000 bis 80.000 Mann.

Soviel zum Formalen. Darüber hinaus aber ist der Gebrauch des Begriffes “Afrika-Korps” als Synonym für den aktuellen Einsatz im Kongo unsensibel, unsinnig und dumm:

Die Aufgabe der EUFOR Congo ist es, im Rahmen einer multinationalen und vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisierten Schutztruppe die ersten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit mehr als vierzig Jahren in dem afrikanischen Land zu sichern.

Die Aufgabe des Deutschen Afrikakorps unter seinem Befehlshaber Erwin Rommel war es, während des Zweiten Weltkriegs die Italiener dabei zu unterstützen, das britisch kontrollierte Ägypten zu überfallen und zu erobern. Bis zur Kapitulation im Mai 1943 kämpfte die Truppe in Ägypten, Libyen und Tunesien. Dabei starben mehr als 80.000 Soldaten, davon 18.600 Deutsche.

Vielen Dank an Tobias R.!

Bild.de veröffentlicht falschen WM-Plan

Bild.de hat einen “WM-Planer” veröffentlicht. Jo, werden Sie jetzt sagen, machen doch alle gerade. Stimmt. Aber der WM-Planer von Bild.de ist anders: falsch.

Der Bild.de-WM-Planer besteht aus einer Excel-Tabelle. Man kann die Ergebnisse der einzelnen Spiele tippen und dann verfolgen, welche weitere Paarungen sich daraus ergeben. Oder in den Worten von Bild.de:

(…) sehen Sie den Weg ihrer Mannschaft durch das Turnier! Wann und wo spielt Deutschland im Viertelfinale? Wer muß sich Brasilien auf dem Weg ins Finale in den Weg stellen? Finden Sie es heraus mit dem “Wir sind Fußball!” WM-Planer.

Der Witz ist: Das Ergebnis stimmt nicht. Im Viertelfinale verwechselt der WM-Planer von Bild.de die Spiele in Frankfurt und Gelsenkirchen miteinander. Richtig hart wird es aber im Halbfinale. Eigentlich treffen hier erstmals Teams aus den Gruppen A bis D auf Teams aus den Gruppen E bis H. Im Bild.de-WM-Planer nicht.

Konkret bedeutet das zum Beispiel: Angenommen Deutschland wird in seiner Gruppe A zweiter, Brasilien in seiner Gruppe F erster. Nach dem offiziellen Spielplan treffen beide dann im Halbfinale aufeinander. Nach dem Bild.de-WM-Planer erst im Finale.

Tja, blöd. Bild.de, selbsterklärter “offizieller Partner der deutschen Fußball-Fans”, hat einen WM-Planer herausgegeben, mit dem sich der Weg, den eine Mannschaft ins WM-Finale nehmen muss, in keinem Fall richtig vorhersagen oder nachvollziehen lässt.

Nachtrag, 17.30 Uhr. Bild.de hat seinen “WM-Planer” unauffällig gegen eine neue Version ausgetauscht — ohne jeden Hinweis für Leser, die seit gestern den fehlerhaften ersten Versuch heruntergeladen haben. Jetzt stimmen die Orte im Viertelfinale und die Paarungen im Halbfinale. Zum Vergleich —

Vorher:

Nachher:

Leider waren das jedoch nicht die einzigen Fehler im “WM-Planer” von Bild.de. Die interaktive Tabelle schließt grundsätzlich aus, dass Ecuador gegen Deutschland gewinnen könnte. Gibt man testweise einen 1:0 Sieg ein, bekommt Ecuador nur einen Punkt gutgeschrieben, nicht drei:

Danke an Hartmut W. und Claas H.!

Kurz korrigiert (113)

Ja, dieser tätowierte Mann, den die “Bild”-Zeitung bei den MTV Movie Awards entdeckt hat und in ihrer Rubrik “Ich weiß es!” vorstellt, ist aus der MTV-Show “Jackass”. Aber es ist weder “John” noch Johnny Knoxville, sondern Steve-O.

Danke für die vielen Hinweise!

Allgemein  

Realitätscheck für Wiedergeborene

Karin Sarbach erzählt heute in “Bild”, sie hätte schon einmal gelebt: Vor 130 Jahren war sie ein an seinem Beruf leidender Postbote. In einer Hypnose erfuhr sie sogar Namen und Adresse ihrer früheren Existenz: Heinrich Nolte, Schillerstraße 17, Aachen. Und so begann sie laut “Bild” vor ein paar Jahren, nach Beweisen für ihr erstes Leben zu suchen: “Zuerst rief ich die Telekom-Auskunft an. Der Familienname war in Aachen nicht eingetragen.”

Äh, Frau Sarbach? Aktuell findet die Internet-Auskunft der Telekom nicht weniger als 15 Menschen namens “Nolte” in Aachen. Sagen wir’s so: Entweder erlebte Aachen in den vergangenen sechs Jahren eine gewaltige Einwanderungswelle von Noltes. Oder, Frau Sarbach, Postbote wär’ wirklich nicht Ihr Job.

Nachtrag, 20.00 Uhr. Beeindruckend ist auch, dass Frau Sarbach genau weiß, wann sie in ihrem vorherigen Leben getauft wurde, während “Bild” nicht einmal grob weiß, wann sie in diesem Leben geboren wurde:

Danke an Rüdiger S., Mario T. und Johannes H. für die Hinweise!

Nachtrag, 3. Juli. Frau Sarbach teilt uns mit, dass sie — anders als es in “Bild” steht — bei der Auskunft nicht vergeblich nach dem Namen “in Aachen”, sondern an der konkreten Adresse gefragt habe.

“Bild” beschäftigt Volksverhetzer IV

In ihrer Dienstags-Ausgabe veröffentlicht die “Bild”-Zeitung eine “Klarstellung” über den Mann, der für sie in der vergangenen Woche “exklusiv” einen “großen BILD-Test: Haben Sie auch schon einmal gelebt?” erstellte:

Klarstellung zu Trutz Hardo: Letzte Woche hatte BILD über den Berliner Rückführungstherapeuten Trutz Hardo (67) aus Berlin berichtet. Was BILD nicht wußte: Tatsächlich heißt der Mann Tom Hockemeyer und ist 2001 wegen Volksverhetzung verurteilt worden (OLG Koblenz, 90 Tagessätze Geldstrafe). In seinem Buch "Jedem das Seine" hatte er den Massenmord an den Juden gerechtfertigt. Das Buch ist verboten worden. BILD wird nie wieder über diesen Mann berichten.

Das ist nicht die ganze Wahrheit.

1. Um zu wissen, dass Trutz Hardo wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, muss man nicht seinen richtigen Namen kennen. Wer bei Google nach “Trutz Hardo” sucht, findet als zweiten Treffer einen aufschlussreichen Artikel des “Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus”. Dort steht auch Hardos bürgerlicher Name — ebenso wie auf seiner eigenen Homepage.

2. Der richtige Nachname Trutz Hardos war auch “Bild” bekannt. Im “Bild”-Zeitungs-Archiv findet man bei der Suche nach “Trutz Hardo” einen Artikel vom 7. Oktober 1999 über den Rückführungs-Selbstversuch einer “Bild”-Reporterin. Den Namen des “Reinkarnations-Experten” gibt sie an mit: Trutz Hardo Hockemeyer.

3. “Bild” hat über den Mann nicht “berichtet”. “Bild” hat ihn beschäftigt.

Kurz korrigiert (107 – 112)

Ach du Schande. Der Ziehungsbeauftragte, der sonst für “Bild” nur die Altersangaben auslost, hat anscheinend die Basketball-Berichterstattung übernommen.

Also, tief Luft holen: Anders als Bild.de schreibt, ist Dirk Nowitzki nicht 28, sondern erst 27 Jahre alt. Und in den Playoffs holte er nicht 12,1 Rebounds pro Spiel, sondern 11,9. Und er machte nicht 28,1 Punkte pro Spiel, sondern 28,4. Und die Phoenix Suns haben in der ersten Hälfte des letzten Spiels nicht mit 19 Punkten vorne gelegen, sondern mit 18. Und Detlef Schrempf war nicht 1995 im NBA-Finale, sondern 1996. Und das Spiel der Dallas Mavericks gegen Miami Heat findet nicht in der Nacht zum Donnerstag, sondern in der Nacht zum Freitag statt.

Danke an Benedikt T. und Emrah K.

Von Maulwürfen und Golf-Partnern

Auch die Schweizer Zeitung “Weltwoche” berichtet (wie andere auch) anlässlich der Fußball-WM über Alfred Draxler, den mächtigen Sportchef der “Bild”-Zeitung und sein Problem, dass Bundestrainer Jürgen Klinsmann das Blatt auf Distanz hält — anders als die meisten seiner Vorgänger stand er nicht irgendwann auf der Gehaltsliste der “Bild”-Zeitung und verdankt ihr nicht seinen Job.

Die “Weltwoche” über Lothar Matthäus:

Unter allen wichtigen Figuren im deutschen Fussball ist er wohl der verdienteste Maulwurf der Bild. Seit Ende der 80er Jahre trägt er unter Mitspielern den Spitznamen IM Lothar, weil er quasi eine Standleitung zur Redaktion in Hamburg betreibt. Fünf Minuten nach jeder Mannschaftssitzung kannte Draxlers Team ihren Inhalt. Beim Team kam das nicht gut an, aber Bild hielt Ribbeck und Matthäus die Treue bis zum bitteren Ende bei der EM 2000. Draxler will nichts wissen von einem Inoffiziellen Mitarbeiter Matthäus: “Unsere Reporter haben gute Drähte zu vielen Spielern. Deswegen arbeiten sie für uns.”

Und über Franz Beckenbauer, mit dem Draxler seit 25 Jahren Golf spielt:

Viele Jahre später [nach der WM 1986] revanchierte sich Bild beim Kaiser für all die kleinen Gefälligkeiten. Als er eine Sekretärin von der Geschäftsstelle des FC Bayern geschwängert hatte, schwieg Bild, solange es ging. Erst nachdem Münchner Zeitungen die Geschichte brachten, äusserte sich auch Draxlers Blatt: “Franz: Ja, Baby mit Sekretärin.” Heute sagt Draxler: “Es gab Gerüchte, die waren lange bekannt. Aber wir können eine Geschichte nicht auf Hörensagen gründen.” Dann spielte man wieder Golf. Beckenbauer (Handicap 8) half Draxlers (Handicap 16) Ehefrau Martina Krogmann im Wahlkampf — ab 1998 sass sie für die CDU im Bundestag.

Danke an David H.!

Die tausend Tode der Prinzessin Diana

Boah:

"Diana wurde mit Lichtkanonen getötet!"

Fast neun Jahre nach dem dem Tod von Prinzessin Diana soll es neues Beweismaterial und neue Zeugen geben. Eine entsprechende, allerdings sehr vage Äußerung des Chefermittlers sorgte diese Woche für große Aufregung.

Und wer weiß schon mehr? Wer hat einen der “neuen Zeugen” schon gefunden, mit ihm gesprochen und von den “Lichtkanonen” erfahren?

Die “Bild am Sonntag”:

BamS fand jedoch einen der neuen Zeugen: Es ist Richard Tomlinson (43)...

Der Londoner “Bild”-Korrespondent Peter Michalski schreibt, Prinzessin Diana sei nach Aussage des ehemaligen britischen Neuer Zeuge beschuldigt britischen GeheimdienstGeheimdienstagenten Richard Tomlinson Opfer eines Anschlags geworden. Er sei nach dem Vorbild eines Attentatsplanes ausgeführt worden, “nach dem 1992 der damalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic in Belgrad umgebracht werden sollte”. Dianas Fahrer Henri Paul sei “mit einer starken Stroboskop-Lichtblitzkanone geblendet” worden.

Na, das sind Neuigkeiten.

Jedenfalls für eine Zeitung, die “nicht zu jedem Experten auf der Welt ein Dossier” hat und die Benutzung von Archiven und Suchmaschinen scheut.

Die Vermutung, es handele sich bei Tomlinson um einen “neuen Zeugen”, hätte “Bild” schon durch einen Blick ins eigene Archiv abhaken können: “Bild am Sonntag” berichtete (ähnlich wie andere Medien) bereits am 30. August 1998, dass Tomlinson Verbindungen zwischen Dianas Unfall und dem Geheimdienst MI6 hergestellt habe und zwei Stunden lang vom französischen Untersuchungsrichter Herve Stephan verhört worden sei. Am Tag darauf wiederholte “Bild” das in einem eigenen Artikel.

Am 4. September 1999 berichtete “Bild” über die “geheimen Gerichtsakten” über Dianas Tod: Tomlinson habe sich den Pariser Behörden als Zeuge angeboten. Sie hätten jedoch abgelehnt, weil sie ihn als “wenig glaubwürdig” einstuften.

Am 30. August 2002 berichtete “Bild” in einer Serie mit dem Titel “Geheimakte Diana — Die letzten 24 Stunden der Prinzessin” erneut über Tomlinson und seine Theorien. Und am 3. Dezember 2004 versuchte “Bild” wieder, Tomlinsons Thesen als Neuigkeit darzustellen. Unter der Überschrift “Fuhr ein Geheimagent Prinzessin Di in den Tod?” schrieb “Bild”:

Richard Tomlinson arbeitete von 1991 bis 1996 als Agent. Er behauptet, daß Paul angewiesen wurde, mit Vollgas durch den Tunnel zu fahren. Dort wurde er mit einem Blitzlicht geblendet und verlor so die Kontrolle über den Wagen.

Diese These und die Verbindung zu einem angeblichen Plan, Slobodan Milosevic zu ermorden, gab Thomlinson nach eigenen Worten schon am 12. Mai 1999 als Zeugenaussage zu Protokoll. Sie ist seit fast sieben Jahren im Internet nachzulesen:

This third scenario suggested that Milosevic could be assassinated by causing his personal limousine to crash. (…) One way to cause the crash might be to disorientate the chauffeur using a strobe flash gun (…). In short, this scenario bore remarkable similarities to the circumstances and witness accounts of the crash that killed the Princess of Wales, Dodi Al Fayed, and Henri Paul.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Tomlinson hat seine Thesen im Jahr 2001 auch in einem eigenen Buch veröffentlicht.

Mit anderen Worten: All das kann der britische Chefermittler mit seiner Andeutung in dieser Woche nicht gemeint haben. Der Mann, den “Bild am Sonntag” als “neuen Zeugen” verkauft, ist einer der ältesten “Zeugen” überhaupt. Und das, was er scheinbar jetzt gegenüber “Bild am Sonntag” enthüllt hat, ist eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Verschwörungstheorien in diesem Fall — sogar “Bild” hat sie schon mehrere Male aufgeschrieben.

Aber die “Netzeitung” ist prompt drauf reingefallen.

Danke an Thorsten L. für den Hinweis!

Nachtrag, 21.50 Uhr. Auch die “Rheinische Post” und die Schweizer Gratiszeitung “20 Minuten” haben den Fehler gemacht, der “Bild am Sonntag” zu glauben. Und bei N24.de steht die Falschmeldung, weil sie automatisch von der “Netzeitung” übernommen wurde.

Nachtrag, 5. Juni. Die “Rheinische Post” scheint den Artikel entfernt zu haben.

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