Archiv für Januar 27th, 2005

Total jeck

Manche Promis wissen, was sie ihren Fans schuldig sind. Heidi Klum zum Beispiel. Die hat auf ihrer Website angekündigt, beim Kölner Rosenmontagszug mitzufahren, von ihrem Wagen ordentlich Fruchtgummis zu schleudern und mit einem Handy Fotos zu machen, die direkt auf ihre Website gestellt werden. So weit, so harmlos.

Nun ist’s aber so, dass daraufhin der Kölner Zugleiter Alexander von Chiari in der Presse mehr oder weniger deutlich Bedenken äußerte, ob eine solche Foto-Aktion überhaupt erlaubt sei, da ja der WDR die alleinigen Rechte für eine Live-Übertragung besäße.

Bild.de berichtete daraufhin am Nachmittag:

Ausriss: Bild.de

“Hinter den Kulissen” des Kölner Karnevals tobe wegen der nicht abgesprochenen Fotoaktion ein “erbitterter Streit”. Der “mächtige Westdeutsche Rundfunk” habe inzwischen “ein strenges Fotoverbot” “verhängt”.

“In der Sendeanstalt hält man sich mit Äußerungen zurück. Statt dessen polterte der Leiter des Rosenmontagszugs, Alexander von Chiari: ‘Falls sich die Dame nicht daran hält, hole ich sie notfalls persönlich aus dem Zug.'”

Puh! Klingt nach mächtig Ärger.

Allerdings schreibt Bild.de nicht dazu, dass von Chiari die Äußerung, mit der er laut dpa in einem “Pressebericht” zitiert wird, längst entschärft hat (bzw. dementiert). Selbst wenn von Chiari sich dementsprechend geäußert haben sollte, wüsste Bild.de vermutlich kaum, ob er dabei tatsächlich “polterte” – fragt man den Zugleiter selbst, erklärt er, seitens “Bild” habe niemand mit ihm gesprochen.

In der Pressestelle des WDR heißt es auf Nachfrage, dass der Sender selbst erst aus der Presse von dem angeblichen Zoff erfahren habe. Ein “Fotoverbot” seitens des WDR gegenüber Klum, so versichert Sprecherin Kristina Bausch, habe es zu keiner Zeit gegeben. Man habe gar nichts gegen Klums Aktion.

Woher Bild.de weiß, dass der WDR sich (bis zu dieser Einigung) “mit Äußerungen zurück” hielt, ist ebenfalls unklar. Die WDR-Pressestelle kann sich bis heute Abend, 18 Uhr, jedenfalls an keinen Anruf aus der Bild.de-Redaktion erinnern.

Die hat ihre Schlagzeile inzwischen übrigens abgeändert. Jetzt steht da:

Ausriss: Bild.de

Der Text darunter ist – abgesehen von einem hinzugefügten Absatz – allerdings noch immer derselbe.

Die Erinnerungen des Grafen Nayhauß

Rückblick: Im Juli 2001, anlässlich des 75. Geburtstags von Mainhardt Graf Nayhauß, Autor der “Bild”-Kolumne “Berlin vertraulich” (ehemals: “Bonn vertraulich”) und zahlreicher Bücher (u.a. “Denk ich zurück an Bonn”), schrieb die “Welt” aus dem Axel Springer Verlag über den Jubilar: “Kaum jemand der Branche ist näher an Schröder, Fischer, Rau und den anderen Größen der Republik.” Das ist nun dreieinhalb Jahre her, die zweite Amtszeit von Eberhard Diepgen als Bürgermeister von Berlin war gerade zu Ende gegangen.

Aber zurück in die Gegenwart. Heute schreibt Mainhardt Graf Nayhauß in seiner “Bild”-Kolumne dies:

Rechtsexperten, darunter Berlins Innensenator Werthebach, meinen, daß “aus rechtlicher Sicht” der Aufmarsch nicht zu verbieten ist.
Hervorhebungen von Bild.de

Hoppla, da ist Nayhauß aber ein kleiner Fehler unterlaufen. Der Berliner Innensenator heißt nämlich seit dem 16. Juni 2001 Ehrhart Körting. Eckart Werthebach war vorher, unter Eberhard Diepgen, Senator für Inneres in Berlin.

Und deshalb sei uns hier doch noch ein kleiner Blick in die Vergangenheit gestattet. Noch einmal die “Welt” anlässlich Nayhauß’ 75.:

Wer aber aus den Erinnerungen des Autors von sieben Büchern und tausenden Artikeln zu schließen glaubt, Graf Nayhauß lebe in der Vergangenheit, der irrt.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Marc

Zerklitterte Hemden

“BILD übersetzt von Kopf bis Fuß das Englisch-Wirrwarr in deutschen Kaufhäusern.”

So steht es bei Bild.de. Und mal abgesehen davon, dass es natürlich der “Wirrwarr” ist: Wem – außer der Mehrheit – ginge dieser ganze “Englisch-Wirrwarr in deutschen Kaufhäusern” nicht tagtäglich auf den Wecker?!

Allerdings ist die Übersetzung eines Englisch-Wirrwarrs für “Bild” ein gewagtes Unterfangen. Schließlich wissen aufmerksame “Bild”-Leser, dass es mit den Englisch-Kenntnissen in den “Bild”-Redaktionen so eine Sache ist, was wiederum “Bild” nicht davon abhält, in einem “Einkaufslexikon” 27 englischsprachige Bezeichnungen von “Beanie” bis “Casual Wear” zu übersetzen.

Und, nun ja, man mag darüber streiten, ob der Begriff Vintage wirklich “zerrissene Hose” bedeutet, wie “Bild” behauptet, oder nicht vielmehr das, was sich auf Deutsch Second-Hand-Kleidung nennt. Vielleicht ist One-size-fits-all mit “Jeanshosen in allen Größen” auch etwas unbeholfen (um nicht zu sagen: völlig falsch) übersetzt, weil die Formulierung doch eigentlich im Gegenteil Kleidungsstücke wie Mützen oder Socken bezeichnet, die es nur in einer einzigen Größe gibt und jedem passen sollen. Schon möglich, dass darüber hinaus eine Mesh-Cap keine “große Schirmmütze” ist, sondern vielmehr bloß eine solche Schirmmütze, die im hinteren Teil aus einem großmaschigen, netzartigen Stoff gefertigt wurde. Möglich auch, dass das alles enorm besserwisserisch klingt.

Dabei geht’s noch besserwisserischer: Knitwear nämlich übersetzt “Bild” mit “zerknittertes Hemd”. Und mal abgesehen davon, dass der Begriff nun überhaupt nichts mit irgendeinem “Hemd” zu tun hat, kommt das englische Wort knit ja vom Altenglischen cnyttan (was soviel wie “knoten” oder “binden” bedeutet und darin wohl dem deutschen knüpfen verwandt ist), wohingegen das deutsche Wort (zer)knittern (wie knistern) ein Ablaut des lautmalerischen knattern ist, also ursprünglich “leise knattern” bedeutete – vor allem aber mit dem englischen knit rein gar nichts zu tun hat, denn das bedeutet “stricken”, weshalb knitwear auch schlicht “Strickzeug” meint, wohingegen modisch zerknitterte Kleidung in der Regel sinnvollerweise mit Begriffen wie crinkle oder crush bezeichnet wird.

Aber natürlich müssen “Bild”-Redakteure im Ressort “Geld & Job” das alles nicht wissen. Aber sie hätten einfach mal hier klicken können, bevor sie ihren fehlerhaft hingerotzten Unsinn unter einer großkotzigen Überschrift (“…damit wir auch wissen, was wir kaufen”) verbreiten.

PS: Ebenfalls nicht verwechseln sollte man knittern mit klittern: Letzteres bedeutet nämlich “verfälscht darstellen”.

Mit Dank an Gerd S. für den sachdienlichen Hinweis und Steffi I. für die sachkundige Beratung.

Nachtrag, 14.12 Uhr:
Inzwischen hat der Wirrwarr-Beauftragte von Bild.de seinen Dienst angetreten und die Übersetzung von “One-size-fits-all” zu “Jeanshosen für alle Größen” geändert. Ob er es schaffen wird, im Laufe der kommenden Wochen noch weitere Fehler zu korrigieren? Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Nachtrag, 28.1.2005:
Na, also: Der Wirrwarr-Beauftragte von Bild.de hat sich nochmals rangesetzt und die Begriffserklärungen nachträglich berichtigt. Nun heißt es auch zu Vintage richtigerweise “Second-Hand-Look”, zu Mesh-Cap nur noch “Schirmmütze”, und hinter dem (ausgesprochen häufig in deutschen Kaufhäusern verwendeten) Begriff Knitwear steht “Strickwaren”. Ja, sogar die bereits überarbeitete Übersetzung von One-size-fits-all wurde nun abermals in “Kleidungsstücke, die es nur in einer einzigen Größe gibt, die jedem paßt (z.B. Mützen oder Socken)” korrigiert. Nur der Rechtschreibfehler im Wort “Kaputzenpullover”, der hier bislang unerwähnt geblieben war, wurde übersehen. Aber da wollen wir jetzt echt nicht tzimperlich sein.