Archiv für Januar 6th, 2005

“Bild” erklärt uns den Formularkrieg

SPD und Grüne planen ein Gesetz, das den Energieversorgern vorschreibt, in den Stromrechnungen an die Verbraucher genau aufzulisten, wie der Strom erzeugt wurde und wieviel Schadstoffe dabei entstanden. Der Kunde kann das dann lesen oder lassen; er kann sich informierter für oder gegen Atomkraft oder erneuerbare Energien entscheiden oder das alles ignorieren. Man kann das für sinnvoll halten oder für Quatsch, aber man kann eigentlich nicht tun, was “Bild”-Kommentator Hugo Müller-Vogg getan hat. Der schreibt zu diesem Thema heute:

Stoppt den Bürokratie-Wahn!
Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare. Nirgendwo sonst wird soviel Papier sinnlos bedruckt und beschrieben wie bei uns in Deutschland. (…)
Wenn der Staat uns Bürgern unbedingt den Formularkrieg erklären will, dann sollten wir uns wehren. Und gegebenenfalls zurückschlagen, indem wir jeden amtlichen Bescheid an unsere Abgeordneten schicken.

Hmmm. Nur: Es geht hier nicht um Formulare. Ein “Formular” ist laut “Wörterbuch der deutschen Sprache”:

Blatt oder Blätter mit vorgedruckten Fragen zum Ausfüllen, dient dem schnellen Erfassen und Auswerten schriftlicher Mitteilungen

Entweder ist Müller-Vogg so dumm, dass er den Unterschied zwischen einem Formular und einer Rechnung nicht kennt. Oder er kennt den Unterschied, vermischt aber bewusst zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, um die rot-grüne Bundesregierung angreifen zu können, und verkauft seine Leser für dumm.

Symbol(-foto) der Zukunft

Wahnsinn! Was die moderne Wissenschaft möglich macht, ist manchmal kaum zu glauben. Australische Forscher haben laut “Bild” einen “Baby-Bringer” entwickelt, der “die besten Spermien zum Ziel führt“. Und offenbar handelt es sich bei der “Maschine” um einen Nanoroboter (siehe Ausriss), der sich mit seinen kleinen Greifarmen die fitten Spermien schnappt und sie mithilfe seines, auf dem klitzekleinen Nano-Buckel befestigten, Propeller-Antriebs geradewegs zur Eizelle transportiert. Das hier steht in der Bildunterzeile:

Die Spermien-Sortier-Maschine: In Zukunft wollen sich Forscher mit Hightech das perfekte Spermium angeln

Das mag schon sein, hat aber, genau wie die Nanotechnologie, nichts mit dem zu tun, worum es in dem “Bild”-Text mit der flotten Bebilderung geht.

Dort heißt es nämlich, dass es sich beim sogenannten “Baby-Bringer” um ein Gerät handelt, das per “Magnetfeld” die “starken Spermien von den schwachen und unfruchtbaren” trennt. Das macht die künstliche Befruchtung wesentlich erfolgversprechender, was man dem Artikel in “Bild” zwar nur mit Phantasie entnehmen kann, dafür aber der aktuellen Ausgabe von “New Scientist”.

Außerdem kann man wohl davon ausgehen, dass so ein Magnet-Dings zur Spermien-Sortierung nicht annähernd so toll aussieht wie dieser Nanoroboter – übrigens ein Kunstwerk des vielseitigen Illustrators, Grafik-Designers und Fotografen Victor Habbick, das tatsächlich genau das darstellt, was man glaubt, dass es darstellt (s.o.).