Archiv für Dezember 9th, 2004

Routine

Zuerst ein kurzes Quiz: Überlegen Sie sich mal, wie wohl die Frage gelautet haben könnte, auf die die folgende Antwort der Schauspielerin Sophie Schütt passt:

“Der ganze Schönheitswahn nervt, weil er uns Frauen enorm unter Druck bringt. Wir können dem kaum standhalten. (…) Jede Frau hat Körperzonen, die ihr nicht besonders gefallen und die sie gerne verändern würde. Natürlich geht mir das auch so. Ich würde allerdings nur an mir etwas verändern wollen, wenn ich selbst darunter leide, aber nicht wenn es der Schönheitswahn oder mein Beruf von mir abverlangt. (…) Eine natürliche Frau mit Ausstrahlung ist doch viel attraktiver als eine künstlich geschnitzte Barbie. Ich bin eine ganz normale Frau und das sind meine Zuschauerinnen auch.“

Und? Sind Sie auch auf so Larifarifragen wie “Frau Schütt, fühlen Sie sich eigentlich schön?”, “Frau Schütt, sind Ihre Brüste echt?” oder “Frau Schütt, was halten Sie grundsätzlich vom Schönheitswahn?” gekommen? Gut.

Aber der Reihe nach: Am 20. und 21. Dezember zeigt Sat.1 den Zweiteiler “Schöne Witwen küssen besser”, und damit der TV-Movie auch gebührend ankündigt werden kann, hat Sat.1 (wie üblich) vorab ein paar Videokassetten an Medien-Redaktionen verschickt, auf denen (das kommt vor) nicht die endgültige Endfassung zu sehen ist. Im Fall des Sat.1-Zweiteilers etwa gibt es auf der Vorab-VHS Szenen, die in der endgültigen Endfassung nicht mehr auftauchen, weil der Film am Ende zu lang wurde, und deshalb Szenen weggelassen wurden, die für die Handlung nicht so wichtig sind. Eine der weggelassenen Szenen zeigt Hauptdarstellerin Sophie Schütt nackt. Und hier beginnt unsere Geschichte.

Denn am gestrigen Mittwoch sah die “Bild”-Titelseite so aus:

Im dazugehörigen Artikel hatte “Bild” auf die Titelfrage sogar eine Antwort. Sie lautete (wie könnte es anders sein): Nein, sie ist nicht “nicht schön genug fürs TV”. Und in “Bild” lautete sie ähnlich, nämlich so:

“‘Der Zweiteiler wurde am Ende zu lang. Wir haben diese Szenen weggelassen, weil sie für die Handlung nicht so wichtig sind’, so SAT1-Sprecherin Kristina Faßler gestern.”

Und man hätte es dabei belassen (oder die ganze Story lassen) können: kein Skandal nirgends, nur Routine – weshalb bei “Bild”, garniert mit ein paar Splitterfasernacktbildern, auch noch steht:

BILD erfuhr: Der Produktion kamen nach den Dreharbeiten Zweifel, ob die Nacktszenen für die Schauspielerin vorteilhaft sind. Deshalb wurden sie später rausgeschnitten.”

Die Formulierung “BILD erfuhr” ist natürlich ein wenig schwammig und unglaubwürdig so ganz ohne Hinweis, wer das wo und wann zu wem gesagt haben könnte. Aber sie ist noch nichts gegen das, was “Bild” heute, noch riesengrößer als am Vortag, auf die Titelseite schreibt. Nämlich dies:

Und mal abgesehen davon, dass von der angeblichen “Nackt-Zensur” überhaupt keine Rede sein kann (s.o.), ist auch die Formulierung “Jetzt wehrt sich Sophie Schütt” irgendwie übergeigt. Denn zitiert wird Schütt in “Bild” ausschließlich mit den bereits eingangs zitierten Worten. Und dass sie sich darin auch nur ein klitzekleines Bisschen gegen die rausgekürzten Szenen “wehrt”, wie “Bild” behauptet, ist Schütts Worten überhaupt nicht anzumerken – womöglich, weil es gar nicht stimmt. Fairer formuliert: Falls sich Schütt unwahrscheinlicherweise wirklich gegen die gekürzte Szene “wehrt”, wie “Bild” behauptet, dann jedenfalls nicht in “Bild”.

Nachtrag, 12.12.04: Der Netzeitung sagte eine Sat.1-Sprecherin übrigens, Schütts Bemerkungen in “Bild” seien eine Kritik am allgemeinen Schönheitswahn, nicht am Sender.

neu  

Christiansen und der Hundesalon

Eins vielleicht vorweg: Sabine Christiansen gehört — wie Stefan Raab — nicht zu denjenigen Prominenten, deren Leben von der “Bild”-Zeitung mit Sympathie begleitet wird.

Am Dienstag berichtete “Bild”, dass die Fernsehmoderatorin gemeinsam mit Promi-Friseur Udo Walz einen Hundesalon in Berlin eröffnen werde. Wörtlich:

Die Talk-Queen wird am Donnerstag zur Eröffnung des Hundesalons „Sparks – dogs and more“ in Berlin (Uhlandstraße 181–183) erwartet, den sie als stille Teilhaberin an der Seite von Promi-Figaro Udo Walz (60) betreibt.

Heute, am Donnerstag, schreibt “Bild”:

Wie BILD am Dienstag exklusiv berichtete, ist auch TV-Moderatorin Sabine Christiansen (47) an diesem Salon beteiligt. Das ließ die TV-Lady allerdings sofort dementieren.

Sie sei keine Teilhaberin, sondern lediglich Schirmherrin für einen Teil der Einnahmen, die zu Gunsten notleidender Tiere verwendet werden.

Das ist falsch. Die Nachrichtenagentur AP meldete schon am Dienstag um 14.25:

[Christiansens] Referent Frank Jungbluth dementierte am Dienstag eine Meldung der “Bild”-Zeitung, wonach Christiansen den Salon in dieser Woche gemeinsam mit dem Prominentenfriseur Udo Walz eröffne. Christiansen sei lediglich zu einem kleinen Anteil stille Teilhaberin an dem Salon, einem Projekt von Walz, sagte Jungbluth. (…)

Auch die Pressesprecherin des Hundesalons “Sparks – dogs and more” in Berlin, Martina Conrad, widersprach dem Bericht der “Bild”-Zeitung. Der Salon habe vor einigen Tagen zunächst als Fachgeschäft für Tieraccessoires eröffnet. Nach dem Umbau der Räumlichkeiten sollte ein Pflegeangebot für Hunde hinzukommen. Ein Termin stehe noch nicht fest. Christiansen werde nicht im Salon erwartet.

Was Christiansen also dementieren ließ, war die Behauptung von “Bild”, Christiansen werde den Salon gemeinsam mit Walz am heutigen Donnerstag eröffnen. Sie dementierte nicht, dass sie stille Teilhaberin sei, sie bestätigte es sogar. Ihr Anteil beträgt 1250 Euro, das sind lächerliche zwei Prozent.

All das hindert “Bild” nicht daran, völlig irreführend schon in der Überschrift zu fragen:

Warum stehen Sie nicht zu Ihrem Hundesalon?

(Nun ja: Sie steht dazu.)

“Bild” weiter:

BILD wollte gestern bei Frau Christiansen nachfragen.

1. Warum haben Sie dementiert, daß Sie am Hundesalon von Udo Walz finanziell beteiligt sind?

2. Ist es Ihnen peinlich, daß Sie an einem Hundesalon beteiligt sind?

3. Ist Ihre Glaubwürdigkeit jetzt beschädigt?

Punkt 1: Sie hat es nicht dementiert, sie hat es bestätigt.

Punkt 2: Nein, ihr Sprecher sagte am Dienstag, Christiansens Einnahmen sollten “zu 100 Prozent in einen Sozialfonds fließen, aus dem tierärztliche Rechnungen bedürftiger Menschen bezahlt werden”, weil gerade für ältere Menschen Hunde häufig eine soziale Funktion hätten.

Punkt 3: Hä?

Und hat eigentlich die “Bild”-Zeitung, die offenbar sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag falsch über den Fall berichtet hat, eine Glaubwürdigkeit, die jetzt beschädigt sein könnte?