Mit der korrekten Zuordnung von Automodellen tut man sich bei Bild.de bekanntlich etwas schwer. Das entschuldigt zwar nicht die Schlampigkeit, mit der dort Fotos betextet werden, überrascht ist man aber auch nicht, wenn in einer Fotogalerie zur IAA ein Fenomenon Stratos fälschlich als Lamborghini bezeichnet wird.
Bei einem etwas genaueren Blick auf das zu betextende Foto (s. Ausriss) hätte allerdings auch einem absoluten Auto-Laien auffallen müssen, dass es sich bei dem abgebildeten Fahrzeug keinesfalls um eines “in Polizei-Optik”, wie Bild.de schreibt, handeln kann. Oder wer hätte schon jemals davon gehört, dass Polizei-Fahrzeuge von der Fluglinie Alitaliagesponsert werden?
Diese Frage auf Seite eins der “Bild” von heute lässt sich – zumindest soweit es die Wahl zum deutschen Bundestag betrifft – leicht und eindeutig beantworten. Nämlich mit Nein.
Türken können die Bundestagswahl nicht entscheiden, weil sie nicht wahlberechtigt sind. Wahlberechtigt ist gemäß Paragraph 12 Bundeswahlgesetz (BWG), wer das 18. Lebensjahr vollendet hat und Deutscher “im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes” ist. Dort steht u.a.:
Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist (…), wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt
“Bild” scheint aber irgendwie Probleme mit dem Bundeswahlgesetz zu haben. Und ganz erhebliche mit dem Grundgesetz. Das zeigt nicht nur die irreführende Aufmacher-Frage auf der Titelseite, das zeigt auch der heutige Kommentar von “Bild”-Autor Dirk Hoeren auf Seite zwei, der Ausdruck eines beunruhigenden Demokratieverständnisses ist. Er ist folgendermaßen überschrieben:
Kein Wahlkampf mit Minderheiten
Das ist erstaunlich, schließlich stand bisher noch nie in “Bild”, dass es verwerflich sei, um die Stimmen alleinerziehender Mütter, Großfamilien, Behinderter oder anderer “Minderheiten” zu werben. Schauen wir uns also Dirk Hoerens Kommentar etwas genauer an. Darin steht u.a. folgendes:
Deutsch-Türken dürfen am Sonntag mitwählen.
Hoeren unterteilt die Wahlberechtigten also in “Deutsch-Türken” und andere. Es gibt aber im Wahlrecht keine solche Unterscheidung: Wählen darf, wer Deutscher ist, ganz gleich, ob er aus Antalya oder aus Bielefeld stammt.
Und weiter schreibt Hoeren:
Sie entscheiden möglicherweise darüber, wer in den kommenden Jahren Deutschland regiert und wer nicht.
Und es mag Herrn Hoeren überraschen, aber nach dem Grundgesetz entscheidet jeder Wähler darüber, wer das Land regiert und wer nicht. Das nennt man übrigens Demokratie.
Und dann schreibt Hoeren:
Kein Wunder also, daß SPD und Grüne gezielt bei den Türkischstämmigen auf Stimmenfang gehen. Motto: Deine Stimme für SPD und Grüne ist eine Stimme für erleichterte Einbürgerungen und den EU-Beitritt der Türkei.
Hoeren wirft also SPD und Grünen vor, dass sie ihr politisches Programm dazu benutzen, Wähler zu überzeugen, ihnen ihre Stimme zu geben. Ja was denn sonst?! Das Grundgesetz nennt das Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung. Doch darauf mag Hoeren sich offenbar nicht verlassen und schreibt im Anschluss:
Wer die deutsch-türkische Minderheit derart für Wahlkampfzwecke instrumentalisiert, erweist dem Zusammenleben von Deutschen und Türken einen Bärendienst.
Und dieser Satz hat es in sich, denn er sagt:
Wer um die Stimmen türkischstämmiger Wähler kämpft, macht nicht Wahlkampf, sondern er instrumentalisiert Wähler. Wer daraufhin SPD und/oder Grüne wählt, hat nicht frei seine Meinung gebildet, er hat sich instrumentalisieren lassen. Und Staatsangehörigkeit hin oder her, türkischstämmige Deutsche sind gar keine Deutschen, sie sind und bleiben — nach Ansicht von “Bild” — Türken.
Man kann Hoeren also so verstehen: Es geht nur dann in Ordnung, dass “Türken” in Deutschland wählen, wenn sie so wählen, wie es “Deutsche” tun — also mit, sagen wir, 40 Prozent Unions-Anteil. Und es geht nur dann in Ordnung, dass “Türken” in Deutschland wählen, solange “deutsche” Parteien davon absehen, ihre Interessen zu vertreten.
“Bild” wünscht sich also, im scharfen Kontrast zum Grundgesetz, dass die Interessen und die Stimmentürkischstämmiger Wähler in der deutschen Politik weniger zählen sollen als die deutschstämmiger Wähler. Vielleicht wünscht sich “Bild” aber auch nur, dass Angela Merkel gewinnt. Egal um welchen Preis.
“Bild” macht Oskar Lafontaine heute ganz ironisch zum “Gewinner des Tages”. Ihm wurde nämlich von der “Wirtschaftswoche” der “Dodo-Preis für ökonomische Dummheit” verliehen. “Bild” schreibt:
Der “Dodo” war ein flugunfähiger, rund ein Meter großer Insel-Vogel, der wegen seiner mangelnden Lern- und Anpassungsfähigkeit ausstarb.
“Bild” hat diese Charakterisierung des Dodos zwar von der “Wirtschaftswoche” übernommen, falsch ist sie aber trotzdem. Und sie zeugt von ziemlich übersteigerten Erwartungen an die Evolution. DerDodo, der bis zur Besiedelung seines Lebensraums keinerlei Feinde hatte, wurde nämlich ausgerottet. Er ist hungrigen Matrosen, abgeholzten Wäldern und eingeschleppten Affen, Ratten und Schweinen, zum Opfer gefallen.
So gesehen hätte die “Wirtschaftswoche” den Preis ebenso gut nach den Einwohnern Pompejis nennen können. Diesen Dummerchen ist es ja auch nicht gelungen, sich an herabfallendes Gestein, Flugasche und pyroklastische Ströme zu gewöhnen.
Mit bestem Dank für den Hinweis und die Pointe an Stefan E.
“Bild” berichtet heute auf der letzten Seite über eine Massenpanik an einer Pilgerstätte des Islam in Bagdad. Im Text heißt es:
1,5 Millionen Iraker pilgerten zur Grabmoschee des Imam Mussa al Kadim, eines sunnitischen Heiligen.
Anders als “Bild” schreibt, handelt es sich bei Mussa al Kadim (auch: Musa al Kadim, Mussa al-Kazim u.a.) aber nicht um einen sunnitischen Heiligen, sondern um den siebten Imam nach der Lehre der Imamiten oder Zwölferschiiten, also um einen schiitischen Heiligen. Die Heiligenverehrung wird zumindest von orthodoxen Sunniten sogar abgelehnt. (Und auch sonst gibt es einige Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten).
Bitte beantworten Sie die folgende dreiteilige Frage:
Erstens: Welchem Zweck dient Ihrer Ansicht nach der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn an Polizeifahrzeugen? Zweitens: In welcher Situation werden die Signale eingesetzt? Drittens: Können Sie sich Situationen vorstellen, in denen Blaulicht und Martinshorn die notwendige Eindeutigkeit polizeilicher Zeichen und Weisungen nicht gewährleisten?
Antwortvorschlag A
Einsatzfahrzeuge der Polizei nutzen Martinshorn und Blaulicht meist, damit andere Autofahrer Platz machen. Das Polizeiauto befindet sich auf dem Weg zu seinem Einsatzort. Aber letztens, wollte die Polizei mich bloß mit Blaulicht und Martinshorn anhalten, was ich zuerst gar nicht richtig begriffen hatte, weil ich die Leuchtschrift “Stop Polizei” zunächst übersehen hatte. Da wär’ ein anderes Signal vielleicht praktischer.
Antwortvorschlag B
Einsatzfahrzeuge der Polizei nutzen Martinshorn und Blaulicht meist, damit andere Autofahrer Platz machen. Die Beamten haben tierischen Kohldampf und Kaffeedurst und sind auf dem Weg zu “Dunkin’ Donuts”. Wenn die jetzt aber ‘n echten Einsatz haben, wär’ so’n extra Zeichen natürlich super — könnt’ ich gleich hinterher.
Wenn Sie sich für Antwort B entschieden haben, sind Sie höchstwahrscheinlich “Bild”-Redakteur und für diesen kurzen Text auf der heutigen Titelseite verantwortlich:
Darin heißt es nämlich:
Zivilfahnder, Streifenbeamte und Autobahn-Cops donnern künftig mit dem Heulton “Yelp” der US-Polizei zu ihren Einsätzen.
Wenn Sie sich aber für Antwort A entschieden haben, ist diese Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums sicher interessant. Und für alle, die sich für Antwort B entschieden haben sowieso.
Das ging schnell. Vor drei Tagen hatte “Bild” bekanntlich über die Geburt des Kindes von Anke Engelke berichtet und dabei einen falschen Namen, ein falsches Gewicht und ein falsches Datum angegeben. Heute ist schon die angekündigte Gegendarstellung im Blatt.
Bleibt zu ergänzen, dass auch der, durch die Ortsmarke suggerierte, Geburtsort falsch war. Und dass die Gegendarstellung mit einem mittlerweilegutbekanntenRedaktionshinweis endet:
Diese aufsehenerregende Geschichte steht heute in “Bild”:
Ist das ein Ding?! Und es stimmt tatsächlich! Wer sich die beiden Bilder ansieht, stellt fest: Der Piano-Mann sah früher ganz anders aus! Und wir haben herausgefunden: Nicht nur der!
Auch die Friede Springer sah früher ganz anders aus:
Menschenskinder, der Joseph Ratzinger sah früher ebenfalls ganz anders aus:
Potzblitz! Sogar die Micky Maus sah früher ganz anders aus:
Nein, natürlich geht die Welt nicht unter — jedenfalls, nach allem was wir wissen, nicht am “Freitag den 13. April 2029” und auch nicht durch den Asteroiden Apophis. Um das herauszufinden, muss man nicht mal mehr irgendwelche Fachaufsätze lesen, weil sich beispielsweise schon Spiegel-Online oder die “Zeit” der Panikmache von “Bild” angenommen haben.
Und als wären die Weltuntergangsvisionen in der gedruckten “Bild” nicht schon hanebüchen genug, in der Online-Ausgabe wird es noch skurriler. Dort ist der ansonsten gleichlautendeText ein ganzes Stück länger, und mit einigen Zitaten aus der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” angereichert (die in der Druckausgabe übrigens mit keinem Wort erwähnt wird).
Allerdings hat man bei Bild.de die “FAZ”-Zitate mehrfach aus dem Zusammenhang gerissen. So steht dort beispielsweise, mit eindeutigem Bezug auf den angeblich “400 Meter” großen Asteroiden (der in Wahrheit bloß 320 Meter misst) folgendes:
Die angesehene “Frankfurter Allgemeine Zeitung” warnt: “Der Einschlag eines derartigen Himmelskörpers könnte ganzen Zivilisationen zum Verhängnis werden.”
Die Passage in der “FAZ” jedoch liest sich im vollen Wortlaut so:
Seit den neunziger Jahren gibt es mehrere Programme zur systematischen Suche nach solchen Objekten, die mindestens einen Kilometer groß sind. Der Einschlag eines derartigen Himmelskörpers könnte ganzen Zivilisationen zum Verhängnis werden.
Über Apophis steht in der “FAZ”, dass Objekte wie er “immerhin noch erhebliche Schäden anrichten könnten“.
Etwas später zitiert Bild.de den Nasa-Astronauten Russell Schweickart, und im Anschluss heißt es:
Spätestens 2014 muß “Apophis” auf eine andere Bahn gestoßen werden, sonst gibt es wohl keine Rettung mehr.
Darüber steht auch etwas in der “FAZ”. Nur, dass Schweickart dort nicht davon ausgeht, dass Apophis bis zum Jahr 2014 abgelenkt werden müsste. Seiner Ansicht nach müsste im Jahr 2014 lediglich mit der Planung dafür begonnen werden.
Und weiter im Bild.de-Text:
Die Beobachtungen des 300-Meter-Radioteleskops in Arecibo (Puerto Rico) zeigen: Der Asteroid ist völlig unberechenbar.
Keine Ahnung, wie Bild.de darauf kommt, in der “FAZ” jedenfalls steht quasi das Gegenteil:
Schon die ersten (…) Rechnungen zeigten, daß der Kleinplanet im Jahr 2029 der Erde außerordentlich nahe kommen würde. Radarmessungen mit dem 300-Meter-Radioteleskop in Arecibo (Puerto Rico) haben das Anfang dieses Jahres bestätigt.
Doch natürlich braucht man bei Bild.de die “FAZ” nicht, um durch das Weglassen von Informationen einen falschen Eindruck zu erwecken. Das geht auch so:
Mehrmals verloren die Wissenschaftler den Kontakt. Auf 1:300 schätzten sie anfangs die Chance eines Einschlags, mußten auch diese Zahl immer wieder ändern.
Zwischenzeitlich (im Dezember 2004) schätzten Wissenschaftler die Chance eines Einschlags sogar auf 1:37. Noch am selben Tag konnte jedoch ein Zusammenstoß am 13. April 2029 ausgeschlossen werden. Und jetzt gehen eigentlich alle, bis auf “Bild”, davon aus, dass Apophis die Erde überhaupt erst im Jahr 2036 theoretisch treffen könnte. Daniel Scheeres (den “Bild” Scheerer nennt), von der University of Michigan, hat dafür, laut “Zeit” und Spiegel-Online, eine Wahrscheinlichkeit von 0,02 Prozent errechnet.
Mit Dank für die zahlreichen sachdienlichen Hinweise
In der Tat hatte Courtney Love kürzlich einen recht bizarren Fernsehauftritt. Das kann, wer will und des Englischen mächtig ist, in der “New York Times” vom vergangenen Sonnabend nachlesen. Dort bekommt man auch einen recht guten Eindruck davon, um was für eine Art Sendung es sich handelte. “Jokes about genitals” (Witze über Genitalien) gehörten, laut “Times”, neben Courtney Love, zu den “skandalösesten Momenten”.
Insofern dürfte es sich bei Loves Auftritt wohl um eine durchaus erwünschte Provokation gehandelt haben. Dafür spricht jedenfalls, was eine der Gastgeberinnen während der Sendung sagte:
“Ich war gespannt, welche Courtney Love hier auftauchen würde: die verrückte Koks-Hure mit dem verschmierten Lippenstift, oder die gewalttätige verrückte Koks-Hure mit dem verschmierten Lippenstift.”
Bei “Bild” hingegen interessieren solche Dinge womöglich überhaupt niemanden, solange es Fotos von Loves Unterwäsche gibt, die man zeigen und mit irgendwelchem Unsinn betexten kann, bis am Schluss aus Courtney Loves “Peep-Show-Auftritt” der “absolute Peinlich-Höhepunkt” geworden ist und ein Bild.de-Teaser wie dieser:
Für das Desinteresse von Bild.de spricht u.a., dass die eigentliche Hauptperson der Show mit keinem Wort erwähnt wird. Stattdessen steht dort, das Ganze hätte sich in “der Sendung ‘Comedy Central'” zugetragen. Obwohl “Comedy Central” doch gar keine Sendung ist, sondern ein Sender. Die Sendung selbst hieß “Roast of…” bzw. wegen ihres Stargasts “Roast of Pamela Anderson”. Und um das herauszufinden, hätte ein Blick ins Bild.de-Archiv genügt. Schließlich hatte man ja schon am Montag vor einer Woche über die Show geschrieben. Allerdings stand damals noch Anderson im Mittelpunkt der “Berichterstattung” – oder vielmehr ihr “Busen-Blitz-Alarm”.
Dank für die Hinweise an Christian D., Ben K., Andre P. und Perry
Ist das nicht ein süßes kleines Hündchen? Und so mitleiderregend schaut das Tierchen drein. Es handelt sich dabei um einen Cairn Terrier. Der Cairn Terrier erreicht für gewöhnlich eine Schulterhöhe von 25-30 Zentimetern und wird nur etwa 6-7 Kilo schwer. Dieser nun schaut deswegen so herzerweichend, weil er von einer Deutschen Dogge ganz übel zugerichtet wurde. Oder, um es mit Bild.de zu sagen:
Von der Deutschen Dogge, die den Terrier “halbtot” gebissen hat, gibt es offenbar kein Foto. Jedenfalls zeigt Bild.de uns keins, sondern ein Symbolfoto und schreibt drunter:
So eine Dogge zerbiß den Hals des kleinen Terriers
Ach wirklich? So eine Dogge soll das gewesen sein?
Wohl kaum, liebe Hundeexperten bei Bild.de. So eine “Dogge” ist nämlich gar keine Dogge, sondern ein Dobermann, wie sich unschwer an der Schnauze erkennen lässt, die beim Dobermann sehr viel schmaler ist, als bei der Deutschen Dogge. Und wir wissen natürlich nicht, wie es zu dieser Irreführung diesem Missgeschick kam. Aber vielleicht hat man bei Bild.de ja kein Foto einer Deutschen Dogge gefunden, auf dem sie nicht treu-doofundtollpatschig aussah. Also entschied man sich für einen Dobermann. Der sieht nämlich so richtig schön gefährlich aus — Zumindest, wenn man ein entsprechendes Foto wählt.
Mit Dank für den Hinweis an Thorsten M. und Daniel M.